Opern-Liebestode – Isolde, Juliette und Genoss(inn)en

  • Lieber Cherubino und liebe Mina- es war umwerfend! Die Sänger waren durch die Bank weg eine solche schönstimmige nichtkreischende und nichtschweinshaxenmässige Freude, dass ich vor lauter Bravos heiser bin und die Personenregie war eine Wucht. Im dritten Akt und besonders beim Schlussduett sass die ganze Oper wie festgebannt vor diesem Drama- auch wenn Onegin nciht stirbt, die Spannng war kaum auszuhalten.
    Und Mina, wie immer hast Du kluge Frau ja Recht: sein eigentlicher Tod ist, dass er weiterleben muss - in Schmach und Schmerz. Wobei die Schmach, zurückgewiesen zu werden auf mch auch sehr unsympathisch gewirkt hat und ich bin sicher, dass diese schmach gemeint ist. Er ist sich so sicher, dass Tatjana im folgen muss und wird und verscuht sie ja rückscihtslos aus ihrem Leben zu reissen- schon die Wahl der worte, mit denen er sie von ihrem Mann trennen will, spricht Bände. Dass sie ihm trotz ihrer Liebe widersteht, ist wohl noch unerträglicher als alles Andere.
    Was für ein Libretto und vor allen Dingen was für eine Frauenfigur! Tatjana ist wirklich eine Frau aus Fleisch und Blut und eine echte Identifikationsfigur.
    Endlich eine starke weibliche Persönlichkeit mit Gefühlen, die man vollkommen nachempfinden kann. Und dann diese russsiche Melancholie-Musik und diese wunderschönen Arie (der Gremin war besonders toll heute abend, den hätte ich auch nicht für Onegin verlassen!!!!) dazu :juhu: :juhu: :juhu: Ich kenne den Onegin noch gar nciht so lange und bisher nur von Konserve, aber diese erste Live-Aufführung hat das alles weit in den Schatten gestellt.
    .Aber ich bin jetzt lieber :stumm: , denn da es keinen Liebestod gibt, ausser den von Lenski, sind wir ja OT.
    F.Q.

    Da sich die folgenden Beiträge ebenfalls um "Eugen Onegin" drehten und einige bemerkenswerte Analysen enthielten, bedünkte es mich sinnvoll, einen eigenen Thread für diese wunderbare Oper zu eröffnen und die entsprechenden Beiträge dorthin zu verschieben. Beiträge, die mit Onegins "Liebestod" zu tun haben, habe ich hier gelassen, aber zum Teil gekürzt. Die vollständigen Beiträge finden sich im neuen Onegin-Thread: TSCHAIKOWSKI: "Eugen Onegin". - Areios

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)


  • Nun geh ich mir aber in der Oper noch ne Leiche ansehen, diesmal im Duell- wobei das eigentlich kein Liebestod ist, eher ein Eifersuchtswahn. Lenski, kuda kuda... Woran Oneggin wohl am Ende stribt? Das könnte man mal als Liebes-Scham-Tod inszenieren, ganz ohne Gift und Revolver- er legt sich einfach auf die zugefrorene Newa und stirbt an gebrochenem Herzen.

    F.Q.

    also - er legt sich einfach auf die zugefrorene Newa und stirbt an gebrochenem Herzen... Ganz schön melodramatisch. Bei sowas stirbt man höchstens an Unterkühlung, ned an gebrochenem Herzen. Und es ist reichlich fraglich, ob man da überhaupt so lange liegt, bis man stirbt, bei den vielen Schlittschuhläufern und Schlittenfahrern, die sich dort auf der zugefrorenen Newa vergnügen. (Und mit dem pelzgefütterten Mantel, den er ohne Zweifel trägt...) Wenn dort einer liegt, den sieht man doch schon kilometerweit..! Der Umstand, daß er das auch weiß, läßt doch erhebliche Zweifel an einer ernsthaften Tötungsabsicht aufkommen...

    Und legt er sich überhaupt dort hin, der Stenz? Seine letzten Worte, bevor der Vorhang fällt sind doch nur


    Zitat

    In dumpfer Verzweiflung
    Verschmäht, verstossen! O welch hartes Los!


    das klingt jetzt nicht grad nach Scham und Selbsterkenntnis...
    und der Satz vorher:


    Zitat

    Du bist mein!


    Das ruft er ihr hinterher. Ausrufezeichen! Das könnte als mögliche Reaktion auch eine künftige Karriere als Stalker denkbar machen... Oder einen Mord nach der Manier eines Don José...

    (und wieder sehen wir: die möglichen Implikationen hängen nicht zuletzt von der Interpretation des Übersetzers ab. Aber das war ein anderes Thema)

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Das könnte als mögliche Reaktion auch eine künftige Karriere als Stalker denkbar machen... Oder einen Mord nach der Manier eines Don José...

    Kann man dich als Entertainer oder Lachpulver mieten?

    :mlol: :mlol: :mlol:


    Und das alles von der Übersetzung abhängt, zeigt sich mal wieder ganz deutlich: bei uns hiess es gestern in den Übertiteln lapidar: "Quelle honte! Quel douleur!"

    Welche Schande, welcher Schmerz!

    Seriös:

    Wenn er schon nicht an Unterkühlung stirbt, dann entweder am Alkohol oder an der Syphilis oder an allgemeiner Verwahrlosung.
    Zum Stalken oder Liebesmorden ist der zu stolz und auch gar nicht leidenschaftlich genug. Er wird seinen Kummer im Wodka und im Bordell betäuben und daran dann zugrunde gehen.

    F.Q.

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • [...]

    Mein Gatte ist übrigens der Ansicht, „Onegin“ sei ein Spitzname. „One-Gin“, weil er nix verträgt und nach einem Gin Schluß ist. :mlol:
    Aber ich glaube das nicht. Es wird wohl wirklich im Suff und in den Armen einer käuflichen Schönen mit ihm zuende gehen. :S

    Ein Paradies ist immer da, wo einer ist, der wo aufpasst, dass kein Depp reinkommt...

  • Zitat

    Aber ich glaube das nicht. Es wird wohl wirklich im Suff und in den Armen einer käuflichen Schönen mit ihm zuende gehen


    Ich glaube, er wird sich erschießen. Weil er das schicker findet. Möglicherweise im Suff ja. Vielleicht aber auch beim russischen Roulette...

    Einfach nur die Leber kaputt saufen und dan noch Tripper kriegen... nööö....

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • ist ja schon eine Weile her...

    Kundry stirbt zwar keinen Liebestod, fällt aber auch enfach um und ist tot - ok, bei Wagner klingt das deutlich melodramatischer: "Kundry sinkt, mit dem Blicke zu ihm auf, vor Parsifal entseelt langsam zu Boden...." Gut: Ist bei einem über tausendjährigen Zombie vielleicht nicht wirklich überraschend.

    Senta springt ins Wasser wegem ihrem Holländer. Unterstellt, sie kann nicht schwimmen, dann ist hier zumindest klar, woran sie stirbt. Bleibt die Frage, warum alle zusehen, und keiner versucht, sie wieder rauszuziehen. Ok: fast alle. Der Protagonist zieht ja schon wieder der untergehenden Sonne entgegen und hätte auch kein Interesse daran, sie rauszuziehen. Vielleicht, weil dann die Oper noch nicht aus wäre, und eigentlich alle schon heimgehen wollen.

    Cio-Cio-San hab' ich oben schon mal erwähnt. Ersticht sich. Ob das ein Liebes-Suizid ist, oder einer der Ehre halber, sei mal dahingestellt.

    Aida läßt sich zusammen mit Radames einmauern.

    Dann hätten wir noch die Manon. Bereut alternativ ihre Sünden und stirbt an irgend einer geheimnisvollen Krankheit (welche..?) in den Armen Degrieuxs, überläßt ihm großmütig in der Wüste von Lousiana ( :megalol: ) den letzten Schluck Wasser und verdurstet, oder verdurstet einfach so, ohne weitere Großmut.

    Norma opfert sich in einem Anfall von Tugendhaftigkeit und Edelmut. Pollione muß da völlig ratiofrei natürlich mitmachen und läßt Adalgisa sitzen, um sich mit Norma verbrennen zu lassen. Wenigstens mal ein Mann mit Liebestod! :spock1: Aber vielleicht hätten ihn die Gallier so oder so mitverbrannt, Norma hin oder her. So stirbt er wenigstens geläutert, der Schürzenjäger!

    Und schließlich die Elsa. Gleitet ohne erkennbare Ursache irgend einem Umstehenden entseelt in die Arme. Vermutlich. damit der Vorhang fallen kann, nachdem der Lohengrin eh' schon weg und der Gottfried wieder da ist. Je nach Inszenierung fällt vorher auch die Ortrud tot um, die aber vermutlich nicht aus Liebe, sondern eher in der Art des Rumpelstilzchens.

    Die Häufung entseelter und heroisch sterbender Frauen bei Wagner ist schon irgendwie arg auffällig. Elisabeth und Isolde gibt's ja auch noch. Und Brünnhilde. Das war doch die Tante, die da auf den Scheiterhaufen von Siegfried springt, oder hab ich da was durcheinandergebracht? Ist ja etwas unübersichtlich, die Verwandtschaft vom Wotan... Und die Irene. Fällt mit ihrem Bruder wegen offenkundig falsch verstandener Loyalität von der Engelsburg. Haben nicht die Gouvernanten von Cosima und ihrer Schwester ihnen eindringlich beigebracht, daß sich das Weib dem Manne zu opfern habe, ob's Sinn gibt gibt oder nicht..? Zugegeben: zu Rienzis Zeiten hat der Richie die Cosima noch nicht gekannt...

    Apropos Engelsburg: Tosca gäb's auch noch im Angebot. Ob das allerdings ein Liebestod ist oder eher der Versuch, sich der Justiz zu entziehen (wie bei Otello) wäre allerdings die Frage.

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)


  • Norma opfert sich in einem Anfall von Tugendhaftigkeit und Edelmut. Pollione muß da völlig ratiofrei natürlich mitmachen und läßt Adalgisa sitzen, um sich mit Norma verbrennen zu lassen. Wenigstens mal ein Mann mit Liebestod! :spock1: Aber vielleicht hätten ihn die Gallier so oder so mitverbrannt, Norma hin oder her. So stirbt er wenigstens geläutert, der Schürzenjäger!

    Hallo bustopher, ob der Pollione den Liebestod stirbt wage ich zu bezweifeln, wie du weiter schreibst hätten ihn die Gallier doch eh hingemeuchelt, ja somit hat der Schürzenjäger :D es nochmal den Galliern gezeigt was ein echter Römer ist ! 8)

    Aber der echte, schönste, ergreifendste Liebestod eines Mannes ist doch der Werther bei Massenet, oder ist er doch nur der schwärmeriche Waschlappen?

    LG palestrina

    „ Die einzige Instanz, die ich für mich gelten lasse, ist das Urteil meiner Ohren. "
    Oolong

  • oder ist er doch nur der schwärmeriche Waschlappen

    G.F.Lichtenberg hat irgendwo in seinen Sudelbüchern geschrieben, daß der Geruch eines Pfannkuchens mehr Grund für das Leben enthält, als alles, was der Werther für seinen Freitod anführen könnte...

    Er tut sich schon entsetzlich leid, der Werther. Und dann kann er auch noch den ganzen vierten Aufzug singen, obwohl er sich davor schon erschossen hat. Ned amal das kann er gscheid. Aber singen... Wo hat er sich den hingschossen, daß er auch noch aufstehen kann?

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Kundry stirbt zwar keinen Liebestod, fällt aber auch enfach um und ist tot - ok, bei Wagner klingt das deutlich melodramatischer: "Kundry sinkt, mit dem Blicke zu ihm auf, vor Parsifal entseelt langsam zu Boden...." Gut: Ist bei einem über tausendjährigen Zombie vielleicht nicht wirklich überraschend.

    Okay, okay, okay dass Kundry im 3. Akt nicht mehr ganz so taufrisch wie im 1. und 2. Akt agiert, davon zeugen nicht bloß Wagners Mucke nach Vorspiel im 3. Akte (im Vorspiel selbst gebärdet sich Kundry-Mucke vehement), sondern auch Drehbuch-Zitate: :

    "nur ist ihre Gesichtsfarbe bleicher; aus Miene und Haltung ist die Wildheit verschwunden....
    ".. Wie anders schreitet sie als sonst!.."
    ".. Kundry kommt wieder aus der Hütte; sie trägt einen Wasserkrug und geht damit zum Quell. Während sie auf die Füllung wartet, blickt sie in den Wald und bemerkt dort in der Ferne einen Kommenden; sie wendet sich zu Gurnemanz, um ihn darauf hinzudeuten..."
    Allerdings kommt mir das nicht ganz so zombiehaft rüber, wie verknöchert trottliger Betonkopf Titurel im 1. Akt.

    Ja zugegeben, Kundry sollte umgehend irgend einen Logopäden konsultieren, zwecks Wiederherstellung ihrer Sprachfähigkeit, die durch Lang-Schlaf anscheinend stärker ramponiert wurde, als zu Beginn von Akt 2 (warum bei Brünnhilde nicht gleiches Syndrom ?( )
    "..dann bringt sie,
    rauh und abgebrochen, hervor)
    Dienen... Dienen..."

    Aber Kundrys Tod kommt mir irgendwie überraschend rüber. Denn der Gral besitzt doch lebensverlängernde Funktion. Da Amfortas 0-Bock hatte, diesen zu enthüllen, checkte Papa - vermutlich unfreiwillig - aus. Normalerweise sollte Gral nämliche lebensverlängernde Wirkung auch für Kundry besitzen, warum funzt das nicht bei ihr..

    Senta springt ins Wasser wegem ihrem Holländer. Unterstellt, sie kann nicht schwimmen, dann ist hier zumindest klar, woran sie stirbt. Bleibt die Frage, warum alle zusehen, und keiner versucht, sie wieder rauszuziehen

    in Skandinavien kann das Wasser sehr kalt sein, so dass Rettung gegen den Willen Sentas, selbst für einen erfahrenen Schwimmmeister mit erheblichen Risiko verbunden ist..
    .

    Die Häufung entseelter und heroisch sterbender Frauen bei Wagner ist schon irgendwie arg auffällig.

    Auch wenn Männerfraktion in Wagnerei nicht gleichermaßen heroisch-opferbereit auscheckt, dennoch eine Breitseite PC abgefeuert im Sinne geschlechtsspezifischer Parität: Titurel, Tannhäuser, Hunding ("Vor seinem verächtlichen Handwink sinkt Hunding tot zum Boden"), Tristan, Gunter, Mime, Kurwenal, Klingsor, Wotan, Froh, Donner, Telramund. Melot, Fafner, Fasolt, tote Söldner in Walküre 3. Akt .. ist einer vergessen ?

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • einer vergessen ?

    es geht jetzt nicht um die Art des Ablebens, sondern bloß um darum, ob?

    ... dann Siegfried, Hagen (höchstwahrscheinlich)

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • es geht jetzt nicht um die Art des Ablebens, sondern bloß um darum, ob?

    vermutlich

    ... dann Siegfried, Hagen (höchstwahrscheinlich)

    ja den hatte ich glatt vergessen.. und dazu gibt ja in der Götterhämmerung die effektvolle Grufti-Mucke und nach Brünnhildes endloser Zu-Texterei und Pyro (diesmal nicht im Buli-Stadion, sondern quasi legal) noch Grill-Mucke auch für seinen Opi und irgendwelche Groß-Onkels .. ja, bei Hagen wäre am Ende auch flotte Bettpolonaise mit Rheintöchtern denkbar, wird aber vermutlich durch Impotenz erschwert (".. Mein Blut ... nicht fließt mir's echt und edel wie euch; störrisch und kalt stockt's in mir; nicht will's die Wange mir röten...")...

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Normalerweise sollte Gral nämliche lebensverlängernde Wirkung auch für Kundry besitzen, warum funzt das nicht bei ihr..

    ...weil der Tod für sie Erlösung ist - ihr Fluch war, nicht sterben zu können...

    in Skandinavien kann das Wasser sehr kalt sein, so dass Rettung gegen den Willen Sentas, selbst für einen erfahrenen Schwimmmeister mit erheblichen Risiko verbunden ist..

    Sandwike ist's, genau kenn' ich die Bucht...

    (das wollen wir doch hoffen. Immerhin ist er hier zu Haus, der Daland!) Er fährt ungefähr 40 - 50 Seemeilen - mithin also mehrere Stunden - den sehr, sehr engen Oslofjord bis zum Ende hoch, um hinterher festzustellen, daß er jetzt weiß wo er ist: "er steigt auf einen Felsen und sucht landeinwärts die Gegend zu erkennen." Ha! Beeindruckend! Sieben (See-)Meilen will er abgetrieben geworden sein. Dann wohnt er wohl in Oslo. Wenn er dort bereits sein Haus gesehen haben will, hätte er eigentlich dort auch bei widrigem Wind genügend Platz zum Manövrieren gehabt, oder er hätte im Lee einer der vielen Inseln vor Oslo ankern können, anstatt sich in die engen Kanäle zwischen den Schären vor Sandvika treiben zu lassen. Da läuft er höchstens auf Legerwall, wenn er nicht aufpasst. Wobei der Sturm im Oslofjord im Allgemeinen und angesichts der vielen Schären nicht so schlimm sein kann...

    jedenfalls relativ flache Gegend, bei Oslo. Der "Felsen", auf den Daland in Sandvika steigt, ist eher ein gößerer Stein, glazial flachgehobelt. Gibt auch ziemlich viele Badeplätze da. Wenn sich Senta von ihrem "vorstehenden Felsenriff" vielleicht dreißig Zentimeter tief hinab"stürzt", dann ist das Wasser dort höchstens knietief und sie muß noch ein Stück im Wasser waten, bis es zum Ertrinken reicht... (die heutige Mole ist ein Artefakt! Und sie springt ja auch nicht von der Mole.) Sie da aufzuhalten, sollten auch Nicht-Bademeister schaffen, auch wenn's Wasser kalt ist - und im Winter ist es eh' oft zugefroren.

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Man sollte dabei zweierlei nicht vergessen:
    1. Die geographischen Verhältnisse an dem Ort, der genannt wird, sind vollkommen gleichgültig für das Stück. (Übrigens spielt der erste Akt in Sandvike, der dritte nicht.)
    2. Das Stück spielte ursprünglich in Schottland und wurde erst als die Komposition schon fertiggestellt war,nach Norwegen verlegt. Was wiederum den Punkt 1 bestätigt und die ganze Frage, ob es in Norwegen so ist, wie es für Schottland gedichtet wurde, gegenstandslos macht. (Gegenstandslos ist sie sowieso, weil eine Oper ebenso wenig Geographie- wie Geschichtsunterricht ist.)

  • jaja. Ich weiß. Da hat sich schon in der Antike ein Autor lustig darüber gemacht, reale Orte in fiktionalen Texten finden zu wollen.

    Ging ja auch nur darum, warum sie keiner aus dem Wasser zu ziehen versucht . Weil in Norwegen wohl das Wasser zu kalt war - sagt Amfortas. Ironiemodus. Dachte, das wäre offensichtlich.

    Aber Dein Einwand ist eine ernsthafte Antwort wert: Wenn der Wagner schon selber genau angibt, wo's sein soll, dann kann und darf man ihn (bzw. seinen Text) auch daran messen. Wenn Goethe einen Wertherklon in Hamburg vom Eiffelturm hätte springen lassen, dann hätte ihm das keiner geglaubt (vom Anachronismus abgesehen, um entsprechenden Einlassungen gleich mal vorzubeugen. Es geht mir nur um das Gleichnis)., auch wenn es für die Handlung völlig unerheblich ist und erst recht, wenn der Plot ursprünglich in Paris angesiedelt gewesen wäre. Der Autor muß sich in solchen Fällen schon fragen lassen, warum er überhaupt einen konkreten und real existierenden Ort angibt, wenn die dortigen Gegebenheiten nicht zu seinem Text passen, vor allem, wenn es ohnehin unwichtig ist, ob's in Hintergraswachshöring oder in Honolulu spielt. Und noch eine kleine Erläuterung am Rande: Der dritte Aufzug ist "sieben Meilen" weit weg und mit günstigem "Südwind" von Sandvika aus zu erreichen. Da bleibt bei den geographischen Gegebenheiten für jeden Segler nur noch Oslo. Der hat schon auf die Karte geschaut, der Wagner. Aber sich dann doch nicht ausgiebig genug informiert. War ihm wohl nicht wichtig genug. Technischer Fehler der unnötigen Konkretisierung. Der Daland hätte einfach nur bemerken können "ich kenne diese Bucht" - der Rest dieser Zeile ist überflüssig, weil - wie Du richtig bemerkst - es egal ist, wo es spielt.

    Gegenbeispiel: Umberto Eco. Die Abtei in "Im Namen der Rose" ist fiktional. Nichtsdestoweniger ist sie ein durchkonstruierter Ort mit fixen Bezügen und der Autor schreibt in seinem Kommentarband, daß er sich bei der Länge der Dialoge, die zwei Personen auf dem Weg von A nach B führen, stets vergegenwärtigt hat, wieviel Zeit ihnen dabei zur Verfügung steht - was übrigens auch Jean-Jacques Annaud bei der Verfilmung aufgefallen sein soll. Und es ist nicht zufällig, warum der Roman gerade an dem Datum beginnt, an dem er beginnt (Ich kann's allerdings nicht mehr begründen: ist schon zu lange her), damit die folgenden Ereignisse zeitlich konsistent bleiben.

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Der Ort, an dem Daland Zuflucht sucht, heißt nicht Sandvika, sondern Sandwike (wenn wir es schon genau nehmen wollen, dann richtig; zumal diese Namensform etwa gleichweit von Sandvika wie von Sandviken entfernt ist, was auf die Gegend von Bergen hindeuten würde), und es steht nirgends, dass es diesen Ort wirklich gibt oder irgendwer behauptet, dass es ihn wirklich gibt. Wagner hat einen Namen gesucht und einen genommen, der ihm im Kopf geblieben ist. Dass die Handlung nicht in Oslo, sondern in einer eher dörflichen Gemeinschaft spielt, ist ziemlich offensichtlich. Außerdem spielte sie ja ursprünglich in einem Dorf in Schottland, was darauf hindeutet, dass es vollkommen egal ist, welche Gegend das ist.

    Abgesehen davon sollte man jedes Werk mit den Kriterien messen, die ihm angemessen sind, das sind die, sich aus ihm selbst entnehmen lassen. Da dieses kein Geographie-Unterricht ist und das auch nicht vorgibt, ist die geographische Stimmigkeit kein Kriterium für die Qualität des Werkes. Wichtig ist lediglich, dass das erste Bild nicht bei Daland zu Hause spielt, das zweite in seinem Haus und das dritte am Hafen des Ortes, in dem Daland lebt. Wieso das nicht stimmig sein soll, weil es zufällig einen Ort mit demselben Namen wie dem im ersten Bild genannten in Norwegen gibt, kann ich beim besten Willen nicht erkennen.

    Übrigens wären nach dieser Logik gegen sehr viele Dramen, Opern, Romane und sonstige Dichtungen dieselben Vorwürfe zu erheben. Das Nürnberg der Meistersinger hat wenig mit dem Nürnberg der Reformationszeit gemeint, Don Carlos hat wenig mit dem gleichnamigen Prinzen aus der Zeit Philipps II. zu tun, Auerbachs Keller sah zur Zeit, in der man »Faust« ansiedeln müsse, sehr anders aus, in Helsingör ist nie in Geist umgegangen (weil es keine Geister gibt) usw. usf. Ich weiß nicht, was das bringen soll.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!