Ich habe mittlerweile die Autobiographie von Gawrilov gelesen.
Was soll man davon halten?
Ein selbstverliebter Schwätzer vielleicht?
Im Grunde genommen ja, aber das, was er über Richter schreibt, das erscheint mir doch im großen und ganzem richtig oder zumindest überdenkenswert.
Ich muß das erst mal sacken lassen.
Immerhin handelt es sich um Äußerungen eines heutigen Pianistenwracks, den so gut wie niemand mehr ernst nimmt.
Aber der Weg zu diesem Zustand, der erscheint mir ziemlich gut und nachvollziehbar dargestellt.
Auch wenn Gawrilov etwas anderes im Sinne hatte und es ganz anders darstellt.
Er selber sieht sich nämlich ganz sicher nicht als gescheiterten Pianisten.
Aber Gawrilov ist heute ein gescheiterter Pianist, es ist einfach vorbei.
Und es war auch schon vor 20 Jahren vorbei.
Sorry.
Gawrilov hatte sicher nicht im Sinn, daß ein recht unvoreingenommener Leser wie ich ihn nun endgültig für geisteskrank hält.
Aber das tue ich nun.
Nur, die ganzen Passagen über Richter, die kaufe ich Ihm ab.
Es handelt sich um ein schreckliches Buch, aber es mag einige Wahrheiten enthalten, vielleicht sogar die Wahrheit, was Richter angeht.
Insoferne beschäftige ich mich im Moment nicht mehr mit Richter, mit Gawrilov habe ich mich eh niemals groß beschäftigt.
Dieser Mensch Gawrilov ist dermaßen von seiner Wichtigkeit überzeugt, was aus jeder Seite seines Buches nur so tropft, damit beschäftige ich mich nicht weiter.
Ich muß die Lektüre dieses Buches erst mal sacken lassen, und das kann lange dauern.
Denn das ist eine Menge an Dreck.
Blöderweise wird das meiste davon der Wahrheit sehr nahekommen.
Das ist jetzt bereits die zweite Pianistenautobiographie, welche mich entgeistert und verstört zurückläßt.
Earl Wilds Rundumschlag vor einigen Jahren-posthum veröffentlicht- war schon ein ziemliches Kaliber.
Glücklicherweise ist dieses Buch nur in Englisch erschienen und schon lange out of print.
Man kann das, was darin geschrieben ist und angeblich Earl Wilds eigenem Tonfall entspricht, überhaupt nicht mit dem freundlichen und liebenswerten Schwulen- der er war- in Zusammenhang bringen.
Blöderweise aber wird auch dieses Machwerk der Wahrheit sehr nahekommen.
Mußte das sein?
Ich glaube kaum, daß die Nachwelt begierig darauf war, Earl Wilds tuntige Sprüche und tuntige Einschätzungen seiner Konkurrenten zu lesen.
Aber genau das zeichnet dieses Buch aus. Schrecklich, unwürdig!
Und in Gawrilovs Sache geht es mir genau so.
Mußte das sein?
Ich wollte das alles über Richter gar nicht wissen, wenn es denn wahr ist.
Und nun ist es zu spät.
Vieles wird hängen bleiben, ob ich es will oder nicht.
Mit dem Pianisten Gawrilov dagegen bin ich schon lange fertig.
Spätestens seit seinem Klavierabend in der Kölner Philharmonie Mitte der 90er, wo er Ravel und Prokofjew übel hinrichtete, improvisierte und trotzdem danach hochzufrieden aufsprang.
Und er war wirklich zufrieden, gab Handküsse etc. sowie später Autogramme........Für was?
Er hat ganz einfach Scheisse gespielt.
Das war vor langer Zeit damals für mich eine der ersten Begegnungen mit Realitätsverlust.
Solch ein Desaster war mir bis dahin unbekannt.
Und nun habe ich seine Autobiographie gelesen, habe daraus gelernt, daß er der beste Pianist der Welt ist und Richter................lassen wir das.
Eigentlich ist das widerlich, oder nicht?