Amerikanisches Fernsehen – Capriccios liebste Serien
Ich bekenne: Ich bin süchtig nach amerikanischen TV-Serien! Und an dem ein oder anderen Beitrag im Forum kann man sehen, dass ich nicht er einzige hier bin, der sich dieses „guilty pleasure“ gönnt.
Nun ist unbestreitbar, dass das amerikanische Fernsehen eine unüberschaubare Menge an Mist produziert, von „daily soap“ über Reality-TV zu Casting- und Spielshows, bei denen mir unbegreiflich ist, wie jemand das länger als 2 Minuten ertragen kann. Und auch unter denen, die die Amerikaner „scripted shows“ nennen, gibt es natürlich jede Menge Ausschuss.
Aber es gibt auch eine große Zahl von Serien, die ich mit großem Vergnügen ansehe. Nur in der Originalversion übrigens – die deutschen Synchronfassungen sind dermaßen lieblos und dilettantisch hergestellt, dass den Serien alles ausgetrieben wird, was sie attraktiv macht. Schlechte, unter extremem Zeitdruck erstellte Übersetzungen und die miesesten Sprecher, die man finden kann, sind die Regel. Entsprechend begann meine „Sucht“ auch 1998, als ich für einige Zeit in den USA lebte.
Die Rezeption von Fernsehserien hat sich seitdem radikal gewandelt (nicht nur bei mir). Es genügt, sich in DVD-Handel umzusehen: Die TV-Abteilung scheint immer weiter zu wachsen, fast jede Serie erscheint derzeit auf DVD. Das erlaubt nicht nur den Zugriff auf die Originalversion, sondern ermöglicht es auch, die Folgen ohne Werbeunterbrechungen anzusehen (eine in den USA einstündige Folge schrumpft dann schonmal auf 42 Minuten zusammen). Fernsehserien gibt es also für mich nur von der Konserve. Ein weiterer Vorteil ist es, dass es dadurch möglich wird, die Serien in sehr kurzem Zeitabstand anzusehen. Sehr gerne erinnere ich mich an den Marathon, als wir innerhalb von wenigen Wochen ganz „Twin Peaks“ angesehen haben, oder innerhalb kurzer Zeit die erste Staffel „24“. Der Turbo-Durchgang durch 4 Staffeln „Lost“ war auch sehr unterhaltsam. So rezipiert, entfalten die besseren Serien einen wahren Sog auf den Zuschauer.
Und man könnte durchaus den Eindruck haben, dass es einfacher ist, Spannendes, Ungewöhnliches und sogar Experimentierfreudiges im amerikanischen Fernsehen zu finden als im Hollywood-Kino. Dabei gönnen sich einerseits Kabelsender anspruchsvolle Projekte, wie z.B. die großartige Serie „Six Feet Under“ vor einigen Jahren bei HBO, oder derzeit „Damages“ bei FX. Andererseits produzieren aber auch die großen landesweiten öffentlichen Sender teilweise verblüffende Serien, die durchaus aufmerksam verfolgt werden wollen. Ich denke z.B. an "24", die in ihrer ersten Staffel die Echtzeit-Dramaturgie noch konsequent umgesetzt hat und damit quasi das lineare Erzählen radikalisiert. Oder "Heroes" - zwar eine Serie mit hanebüchenem Plot, aber in der ersten Staffel durchaus mit den Zuschauer fordernden Erzähltechniken, die ständig mit einer Vielzahl paralleler Handlungsstränge jonglieren. Oder "Lost", mit seinen notorischen Zeitsprüngen vorwärts und rückwärts. Diese Serien, gerade auch "Lost", erreichen eine Komplexität der Handlung, die es praktisch unmöglich macht, in die Serie später einzusteigen oder nach einer Pause wieder den Anschluss zu finden. Eigentlich sollte also der Zuschauerschwund vorprogrammiert sein, da von der ganzen Anlage solch konsequenter "Serials" der Gewinn von neuen Zuschauern doch erheblich erschwert wird. Für die Sender sollten also "Procedurals", bei denen jede Folge in sich abgeschlossen ist, wesentlich attraktiver sein. Und in der Tat sind viele der sehr langlebigen Serien "Procedurals" (z.B. "CSI" oder "Law&Order"). Andererseits verkaufen sich die "Serials" sehr viel besser auf DVD, vielleicht gerade an diejenigen, die Lücken schließen wollen.
Genug der Vorrede! Sollte Interesse an allgemeineren Diskussionen über amerikanische Fernsehserien bestehen, können die in einem parallelen Thread geführt werde. An dieser Stelle soll es vor allem darum gehen, Capriccios Lieblingsserien der aus Vergangenheit und Gegenwart vorzustellen.
Michel