Schumann, Robert: Dichterliebe op. 48

  • Ich kann nur sagen, daß mich dieser Livemitschnitt aus Edinburgh vermutlich auf ewige Zeiten für jede andere Version verdorben hat.

    Selbst Wunderlichs Studioaufnahme, kommt nicht dagegen an. Fairerweise muß ich jedoch gestehen, daß ich dem Liedersänger Wunderlich so dermaßen verfallen bin, daß ich nahezu alle (deutschen) Tenöre seiner Generation geradezu sträflich vernachlässigt habe.

    Wenn ich mir eine Dichterliebe wünschen dürfte, so wäre es eine Interpretation von Michael Schade, den ich sehr schätze.

    Als ich Schades Don Ottavio gehört habe sind mir fast die Ohren ab- und die Kinnlade runtergefallen: 25 Jahre lang habe ich geglaubt, man könne diese Rolle nicht besser singen als Wunderlich es getan hat, aber Schades Version von „Dalla sua pace“ ist ein wahres Wunderwerk. Also wäre ich interessiert, ob eine von ihm gesungene Dichterliebe ein ähnliches Ahaerlebnis auslösen würde.

    Weiß jemand, ob er sie gesungen hat?

    Ein Paradies ist immer da, wo einer ist, der wo aufpasst, dass kein Depp reinkommt...

  • Ich glaubte ja eigentlich, die Dichterliebe ganz gut zu kennen, bis mir vor wenigen Jahren eine Aufnahme von Thomas Hampson und Wolfgang Sawallisch in die Hände fiel. Interpretatorisch ist die Aufnahme meiner Meinung nach solide, aber nicht unbedingt bemerkenswert. Interessant ist vielmehr, dass die Dichterliebe in dieser Aufnahme mit 20 statt der gewohnten 16 Vertonungen aus dem Lyrischen Intermezzo aufwartet. Im einzelnen sind dies:

    Im wunderschönen Monat Mai
    Aus meinen Tränen spriessen
    Die Rose, die Lilie

    Wenn ich in deine Augen seh
    Dein Angesicht
    Lehn' deine Wang'
    Ich will meine Seele tauchen
    Im Rhein, im heiligen Strome
    Ich grolle nicht Und wüssten’s die Blumen, die Kleinen
    Das ist ein Flöten und Geigen

    Hör ich das Liedchen klingen

    Ein Jüngling liebt ein Mädchen
    Am leuchtenden Sommermorgen

    Es leuchtet meine Liebe
    Mein Wagen rollet langsam
    Ich hab im Traum geweinet
    Allnächtlich im Traume
    Aus alten Märchen
    Die alten bösen Lieder

    Nachdem ich mich ein wenig mit der Materie beschäftigt habe, bin ich der festen Überzeugung, dass Schumann den Zyklus als Zyklus von 20 Liedern konzipiert und gewoilt hat. Die Streichung der vier hier markierten Lieder kam auf Wunsch seines Verlegers und gegen den (u.a. in mehreren Briefen) erklärten Willen des Komponisten zustande. Zugleich sah sich Schumann genötigt, in einigen Liedern die Melodie zu glätten, wohl auch auf Druck des Verlegers, der um die Singbarkeit des Zyklus fürchtete. Ob diese Glättungen ein Gewinn sind, darüber kann man geteilter Meinung sein. Ich wage mich aber einfach mal so weit aus dem Fenster zu lehnen, dass die Kürzung der vier Lieder eine mittelschwere Katastrophe ist. Die wesentlichen Gründe sind für mich:

    • Verwandtschaften zwischen Motiven und damit der innere Zusammenhalt des Zyklus gehen verloren. Gerade bei Schumann entwickeln sich Motive im Laufe eines Liederzyklus, und wenn man eine Entwicklungsstufe weglässt, dann stehen Vorstufe und Endstufe des Motivs am Ende beziehungslos nebeneinander.
    • Die Tonartverwandtschaften, die bei kaum einem anderen Komponisten so bewusst eingesetzt werden, gehen völlig verloren.
    • Der Übergang von "Am leuchtenden Sommermorgen" zu "Ich hab im Traum geweinet" ist einfach brutal!
    • Symmetrie und Spannungsbogen des Gesamtzyklus werden verzerrt.

    Ich würde heute, nachdem ich die Urfassung kenne, die Dichterliebe nicht mehr in der bekannten Fassung singen - auch wenn ich weiss, dass viele Sängerinnen und Sänger das anders sehen. Widerspruch ist natürlich ausdrücklich erwünscht!

    :wink: Konrad Nachtigall

  • Hallo Konrad,

    das finde ich interessant. Ich frage mich, wieso ich in der Literatur zur Dichterliebe dazu so wenig bislang gefunden habe? Der Übergang von "Am leuchtenden Sommermorgen" zu "Ich hab im Traum geweinet" war allerdings mir auch als weniger für mich überzeugend musikalisch vermittelt aufgefallen, als die sonstigen Übergänge. Ich werde nach der Hampson/Sawallisch-Aufnahme fanden.

    Wir sollten dann wohl auch diese Lieder mitberücksichtigen und das für und wieder ihrer Einbeziehung, bzw. Streichung konkret diskutieren.

    -------------------

    Hallo Syrinx,

    du hast recht, ich habe zu undifferenziert meine Einschätzung zusammengezogen. Salzburg und Edinburgh finde ich auch wesentlich differenzierter als die Studioaufnahme, dennoch bleibe ich dabei, dass auch sie mir zu einseitig zu schön bleiben, insofern insbesondere eine Distanz vom lyrischen Ich, ohne die die Ironie auch des Schumannschen Werks nicht transportierbar ist, für mich auch bei diesen beiden nicht hörbar wird. Aber das diskutierenen wir wohl auch besser bei den Besprechungen der einzelnen Lieder.

    Wenn wir jetzt Werk- und Aufnahmebesprechungen auch in diesem Thread verbinden, würde ich dennoch vorschlagen, dass wir jeweils bei jedem einzelnen Lied uns zunächst einmal auf die Werkbesprechung konzentrieren und dann die Interpretationen dieses Lieds vergleichen.

    :wink: Matthias

  • Lieber Konrad, herzlichst willkommen in diesem Thread!

    Das was zu zu den vier gestrichenen Liedern schreibst, ist hochinteressant.

    Ich selbst habe in meinem Liedführer keinen klaren Hinweis darauf gefunden WARUM diese Lieder gestrichen wurden. Es wäre gut, wenn Du die Texte der Fehlenden hier einstellen könntest, um den zuerst geplanten Lauf der Geschichte wenigstens anhand des textes vor Augen zu haben.

    Was die Tonartenfolge angeht, kann ich Dir nur beipflichten- da fehlen die entscheidenden Glieder in der sorgfältig ausgeklügelten Modulationskette.


    Hier dei KOMPLETTE Tonartenfolge der 20 Lieder:

    fis-moll- A-Dur- D-Dur- G-Dur- Es-Dur - g-moll- h-moll- e-moll- C-Dur- a-moll- d-moll- g-moll- Es-dur- B-Dur-es-moll - H-Dur- E-Dur- cis-moll- Des-dur


    Ich habe leider keine Komplettaufnahme und bin Dir serh dankbar für diesen Hinweis.

    Matthias Vorschlag, die fehlenden Stücke in unsere Besprechung aufzunehmen, kann leider nur der ausführen, der eine Gesamtaufnahme hat.

    Ich würde mch sehr darüber freuen!


    F.Q.

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Ich beginne mal damit, die Originaltexte vorzustellen, so wie sei Heinrich Heine gedacht und gedichtet hat:

    Dein Angesicht

    Dein Angesicht so lieb und schön,
    Das hab ich jüngst im Traum gesehn,
    Es ist so mild und engelgleich,
    Und doch so bleich, so schmerzenbleich.
    Und nur die Lippen, die sind rot;
    Bald aber küßt sie bleich der Tod.
    Erlöschen wird das Himmelslicht,
    Das aus den frommen Augen bricht.

    Lehn deine Wang

    Lehn deine Wang an meine Wang,
    Dann fließen die Tränen zusammen;
    Und an mein Herz drück fest dein Herz,
    Dann schlagen zusammen die Flammen!
    Und wenn in die große Flamme fließt
    Der Strom von unsern Tränen,
    Und wenn dich mein Arm gewaltig umschließt -
    Sterb ich vor Liebessehnen!

    Es leuchtet meine Liebe
    Es leuchtet meine Liebe,
    In ihrer dunklen Pracht,
    Wie'n Märchen traurig und trübe,
    Erzählt in der Sommernacht.
    »Im Zaubergarten wallen
    Zwei Buhlen, stumm und allein;
    Es singen die Nachtigallen,
    Es flimmert der Mondenschein.
    Die Jungfrau steht still wie ein Bildnis,
    Der Ritter vor ihr kniet.
    Da kommt der Riese der Wildnis,
    Die bange Jungfrau flieht.
    Der Ritter sinkt blutend zur Erde,
    Es stolpert der Riese nach Haus -«
    Wenn ich begraben werde,
    Dann ist das Märchen aus.

    Mein Wagen rollet langsam
    Mein Wagen rollet langsam
    Durch lustiges Waldesgrün,
    Durch blumige Täler, die zaubrisch
    Im Sonnenglanze blühn.
    Ich sitze und sinne und träume,
    Und denk an die Liebste mein;
    Da grüßen drei Schattengestalten
    Kopfnickend zum Wagen herein.
    Sie hüpfen und schneiden Gesichter,
    So spöttisch und doch so scheu,
    Und quirlen wie Nebel zusammen,
    Und kichern und huschen vorbei.

    Soweit Heinrich Heine. Soweit ich mich erinnere, hat Schumann noch einige Änderungen am Text vorgenommen. Leider habe ich die gerade nicht hier, vielleicht schaffe ich morgen, diese zu ergänzen. (Nebenbemerkung: Ich finde es immer sehr aufschlussreich, die Textänderungen eines Liedkomponisten zu untersuchen.) Bis dahin,

    :wink: Konrad Nachtigall

  • Lieber Konrad, du bist ein echtes Geschenk! :sparkle:

    Das hier ist für mich äusserst interessant, denn "Ich hab im Traum geweinet" bekommt durchdiese beiden vorgesetzten Lieder ien ganz anderes Gewicht. ebenso werden die "Alten Märchen" durch die Geschichte vom Ritter, der Jungfrau und dem Riesen ergänzt. Und was erst das Imaginieren des Todes der Geliebten angeht......

    "Lehn Deine Wang an meine Wang" vor "Ich will meine Seele tauchen verstärkt" m.E. das Ineinanderfliessen von Lust und Schmerz und von verschlüsselter Erotik.

    Inwieweit sich die Gesamtaussage durch all das nun verschiebt, kann man natürlich erst nach Reflektionen und insbesondere dem Hören der fehlenden Lieder werten.


    Könnte es aber nicht auch eine Hypothese geben, dass Schumann selbst die Lieder gestrichen hat?

    Evtl sogar aus inhaltlichen Gründen und um der Stringenz des Ganzen willen? :?:


    F.Q.

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Ein kurzer Nachtrag zu den Texten der vier "verschollenen" Lieder: Schumann verwendet diese Texte (anders als bei den meisten anderen Liedern des Zyklus) alle vier ohne Änderungen - allerdings wiederholt er in "Dein Angesicht" die erste Strophe nach der zweiten, was doch sehr massiv in den Charakter des Gedichts eingreift, und er änder in "Mein Wagen rollet langsam" die Stropheneinteilung (bei Heine: 3 x 4 Verse, bei Schumann: 2 x6).

    Leider bin ich gerade etwas in Eile, daher nur kurz eine Erwiderung zu:

    Zitat

    Könnte es aber nicht auch eine Hypothese geben, dass Schumann selbst die Lieder gestrichen hat?
    Evtl sogar aus inhaltlichen Gründen und um der Stringenz des Ganzen willen?

    Diese Frage lohnt es, ausführlich diskutiert zu werden, was ich hier gerade nicht leisten kann. Daher nur schnell einige Argumente dagegen, vgl. das sehr informative Booklet zur Hampson/Sawallisch-Aufnahme:

    • Schumann nennt die Dichterliebe in allen erhaltenen Briefen seinen "Heine-Zyklus von 20 Liedern" - und zwar sowohl vor, als auch nach der Veröffentlichung.
    • Schumann hat bei drei Verlagen versucht, die Dichterliebe unterzubringen. Alle drei Verlage verlangten Kürzungen, dreimal hat Schumann das abgelehnt. Auch im vierten Anlauf (bei Peters) bittet er darum, den Zyklus als Ganzes zu betrachten. Warum er schliesslich der Kürzung zustimmt, ist nicht überliefert.
    • Es gibt mWn keine Belege, die eine Meinungsänderung Schumanns im Bezug auf die Gesamtheit des Zyklus belegen. Insbesondere der oben genannte Punkt, dass Schumann auch im Nachhinein noch von 20 Liedern sprach, lässt eine solche Meinungsänderung unwahrscheinlich erscheinen.
    • Selbst wenn Schumann seine Meinung geändert haben sollte, was ich nicht glaube - ich persönlich bin immer ein Fan von Urfassungen; die zweite Idee ist nicht immer die Bessere, und gerade bei einem rauschhaft Schaffenden wie Schumann (Phasen mit Dutzenden Liedern pro Monat folgen auf Monate totalen Verstummens) fehlt der zweiten Idee oft die Genialität des ersten Wurfs.

    Keines dieser Argumente besagt natürlich, dass die Urfassung der Druckfassung überlegen sei. Das wiederum wäre eine weitere, ebenso hochinteressante Diskussion wert. Leider muss ich jetzt schliessen.

    :wink: Konrad Nachtigall

  • Liebe Dichterliebe-Freunde, ich würde gerne mal ein bisschen weiterkommen und frage daher an, ob es Mitglieder gibt, die sich der ersten fehlenden Lieder annehmen könnten , so das wir demnächst starten können?

    F.Q.


    Ich habe die einzelnen kopierten Listen und Einträge zwecks besserer Übersichtlichkeit aus diesem Thread gelöscht.
    Wer gerne noch ein Lied übernehmen möchte, bitte PN an die Moderation richten.

    Die Liste, wer welchem Lied Pate steht, befindet sich hier am Anfang.


    audiamus

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Im wunderschönen Monat Mai

    Im wunderschönen Monat Mai
    Als alle Knospen sprangen
    Da ist in meinem Herzen
    Die Liebe aufgegangen


    Im wunderschönen Monat Mai
    Als alle Vögel sangen
    Da hab ich ihr gestanden
    Mein Sehnen und Verlangen


    Schumanns Dichterliebe beginnt mit einem aufs erste Lesen schlichten, naiven, fröhlichen Frühlingslied.
    Mit dem Erwachen der Natur im Frühling erwacht auch die Liebe- was kann es Alltäglicheres, Heitereres und Natürlicheres geben?

    Wer nur den Text dieses einen Lieds kennt und noch keine Note dazu gehört oder gesehen hat, mag sich zunächst auf ein jubilierendes Maienlied einstellen , wird aber bereits mit den ersten Takten des Vorspiels eines Besseren belehrt.

    DAS hier kann niemals ein gutes Ende finden und ist doch von einem zauberhaften Sog , dem man sich nicht entziehen will.

    Lied Nummer 1 steht in fis-moll, die Tessitura ist eine zentrale und sehr angenehme Tenor/Sopranlage zwischen dem f1 und dem g2.
    Die sängerische Schwierigkeit des Lieds liegt in der bis zum g2 aufsteigenden hohen Melodielinie auf „die Liebe aufgegangen“ und „mein Sehnen und Verlangen“.

    Die Stimme schwingt sich in diesen Zeilen jeweils zu ihrem höchsten Punkt auf und bricht dann harmonisch ab, ohne eine Er-Lösung zu finden.


    Dieses Lied verlangt eine nicht zu schwere, gut gestütze und wohlklingende lyrische Stimme und gibt damit bereits vor, wie der ideale Interpret des Zyklus beschaffen sein sollte. Dasselbe gilt für den Anschlag des Pianisten. Leidenschaftliche Tastenlöwen mit dem Hang zum Drama sind hier fehl am Platz
    Die Vortragsbezeichnung lautet „Langsam, zart“.
    Es finden sich zwei identisch komponierte Strophen, das Klaviernachspiel knüpft an das Vorspiel an und endet mit einer offenen Kadenz, die erst im nächsten Lied eingelöst wird.

    Ein viertaktiges Klaviervorspiel in Arpeggien führt den Hörer sogleich in die melancholische Sehnsucht, dieser Komponsition, deren Charakter man nur dann erklären kann, wenn man den gesamten Zyklus weiterverfolgt- denn was soll erstmal eine solche Stimmung rechtfertigen? Die Liebe und der Mai für sich genommen gewiss nicht.

    Der offene Schluss des Lieds , der sich erst mit den spriessenden Tränen der Nummer 2 harmonisch auflöst, spricht eine ganz deutliche Sprache.
    Liebe, die aufgeht, das der Geliebten gestandene Sehnen und Verlangen führt nciht zur Harmonie und nciht zu in sich geschlossenem Glück. Der Prototyp des gebrochen romantisch Liebenden steht bereits von Beginn an da.


    Ich habe zwei Fragen an Schumann und Beethoven –Kenner: in meinem frz. Liedführer finden sich für mich recht enigmatische Bemerkungen, die von Parallelen zwischen diesem Lied und dem zweiten Satz der Fantasie op 17 sowie einem Motiv aus Beethovens Fidelio sprechen.
    Ich werde daraus nicht schlau und zitiere:

    (....), qui se révèle l’écho du tendre motif central du 2ème mouvement de la fantaisie op17, et donc une nouvelle citation du motif espérant des retrouvailles de Fidelio de Beethoven, mais ici dans le ton original. (Guide de la mélodie et du Lied, Fayard)

    Die Melodie des Lieds soll den zweiten Satz der Fantasie aufnehmen, die wiederum ein Zitat eines Wiederfindungs-Motifs aus dem Fidelio ist ?Leider wird weiter nichts erklärt und vielleicht hat jemand da mehr musikalischen Durchblick als ich. ?(
    Die für mich idealen Gesangs- Interpreten dieser Nummer 1 sind Josef Protschka, Fritz Wunderlich und Gérard Souzay.


    F.Q.

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • DAS hier kann niemals ein gutes Ende finden und ist doch von einem zauberhaften Sog , dem man sich nicht entziehen will.


    Hallo Fairy
    Das sehe ich nicht ganz so eindeutig. Für mich ist das ganze einfach extrem offen, quasi ein Schwebezustand- er hat Ihr sein Sehnen gestanden, aber noch keine richtige Antwort.


    Lied Nummer 1 steht in fis-moll, die Tessitura ist eine zentrale und sehr angenehme Tenor/Sopranlage zwischen dem f1 und dem g2.


    Das mit dem fis-moll ist für mich nicht so eindeutig- also das Lied ist mit Verlaub harmonisch schon ein ziemlicher Hammer. Am Anfang wechselt sich h-moll mit extrem vielen Dissonanzen- man beachte mal den anfangston cis und dann gleich das D im Bass, mit Cis-Dur ab. Wenn dann der wunderschöne Mai kommt ist die Grundtonart A-Dur- ich finde kein einziges fis-moll im ganzen Lied- man möge mich verbessern wenn ich mich irre.

    Das man zumindet Anfangs fast nicht sagen kann, was die Grundtonart ist spiegelt wohl ziemlich deutlich den Seelenzustand des Verliebten wieder.
    Was die Sopranlage betrifft, ich habe noch eine Aufnahme mit Barbara Bonney, die singt das aber in der Baritontonart (natürlich oktaviert).

    Leidenschaftliche Tastenlöwen mit dem Hang zum Drama sind hier fehl am Platz
    Die Vortragsbezeichnung lautet „Langsam, zart“.


    Es gibt eine Aufnahme mit Horowitz und Dieskau und Mr. Horowitz spielt dieses Lied einfach zum Niederknien zart.

    Was die Aufnahmen betrifft, so möchte ich noch eine empfehlen, die für mich ganz von Ihrer Natürlichkeit her ganz nah an die Wunderlichliveaufnahme rankommt (dem einen oder anderen möge sie möglicherweise sogar besser gefallen):

    Gruss :wink:
    Syrinx

    Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen, Wenn es nicht aus der Seele dringt Und mit urkräftigem Behagen Die Herzen aller Hörer zwingt.
    Goethe, Faust 1

  • Nein, kein fis-moll drin. Blöde Sache mit dem.
    Es ist irgendwie trotzden immer da.
    Die verschwurbelten Anfangsakkorde als dennoch zwei von drei Teilen einer fis-moll-Kadenz, die Paralleltonart A-Dur, der Septakkord am Schluss.
    Und Peters z.B nennt's auch noch so. Ob der's von Schumann hat?


    audiamus


    .

    "...es ist fabelhaft schwer, die überflüssigen Noten unter den Tisch fallen zu lassen." - Johannes Brahms

  • Lieber Syrinx, ich habe die zahlreichen Modulationen und offenen Akkorde des Liedes nciht en detail aufgedröselt und du hast sicher Recht mit Deinen Zweifeln an einer Grundtonart Allerdings befinde ich ich mich mit fis-moll nicht in ganz schlechter Gesellschaft und hab mich einfach mal auf schlaue Leute verlassen- (siehe Audiamus)....... 8) .

    Das Changieren zwischen Dur und Moll ist eines der interessantesten Phänomene in Schumanns Ausdeutung dieses Gedcihts und setzt natürlich auch die romantische Ironie des Textes auf eine ihm sehr eigene Weise ein und um.

    Ich bin ja oben bereits darauf eingegangen, dass von froher Maienliebe keine Rede sein kann und der Text durch die Kompostition von Beginn an in eine Rcihtung interpetiert wird, die bereits das "übergrosse Weh" induziert.

    Ich sehe hier ehrlich gesagt wenig Hoffnung auf einen guten Ausgang, denn der Schlussakkord löst sich tatsächlich erst in den Tränen des zweiten Liedes auf und mir kam sofort der spätere Vers "Da löst sich auf in Tränen, mein übergrosses Weh" in den Sinn.

    Aber Du hast insoweit sicher Recht, als durch die Dur-Modulationen der Schwebezustand evoziert wird und man mit unserem liebenden Dichter hoffen möchte, dass er vielleicht doch erhört wird udn der Mai seine Verheissungen erfüllt.

    F.Q.

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Lieber Syrinx, ich habe die zahlreichen Modulationen und offenen Akkorde des Liedes nciht en detail aufgedröselt und du hast sicher Recht mit Deinen Zweifeln an einer Grundtonart Allerdings befinde ich ich mich mit fis-moll nicht in ganz schlechter Gesellschaft und hab mich einfach mal auf schlaue Leute verlassen- (siehe Audiamus)....... .


    Hallo Fairy,

    Desto öfter ich mir die Noten anschaue, desto mehr fasziniert mich die Sache. - Die Gesangsstimme ist ganz klar in A-Dur- fängt im ersten Stollen mit Cis an und endet auf dem Grundton A.
    Und dazu schreibt Schumann ein Intro, wenn man es alleine hört denken würde dass Cis-Dur die Grundtonart ist und wenn die Liedstrophe anfängt bleibt er einfach dabei , wobei das Cis zum Vorhalt wird und endet dann angepasst zum Mai in A-Dur. Es kehrt dann aber immer wieder zu dieser Cis-Dur h-moll Kombination zurück, also befinden sich hier Sänger und Begleiter immer wieder in gegensätzlichen Tonarten.
    Das ist schon fast Debussy 8o :juhu: (bis auf das Einlenken nach A-Dur)
    Für die Interpretation würde das für mich bedeuten, dass die Begleitung schon etwas ahnt, was die Gesangsstimme noch nicht weiss.

    Wieso das Lied vermutlich vom Verleger mit fis-moll bezeichnet wurde kann ich mir nur so erklären, dass da ein kurzer Blick auf die 3 Kreuze und die Tatsache, dass es in moll anfängt, gereicht haben.
    Gruss
    :wink:
    Syrinx

    Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen, Wenn es nicht aus der Seele dringt Und mit urkräftigem Behagen Die Herzen aller Hörer zwingt.
    Goethe, Faust 1

  • Und dazu schreibt Schumann ein Intro, wenn man es alleine hört denken würde dass Cis-Dur die Grundtonart ist

    Wie ungewöhnlich...Warum?

    dass da ein kurzer Blick auf die 3 Kreuze und die Tatsache, dass es in moll anfängt, gereicht haben.

    So einfach geht's?


    audiamus


    .

    "...es ist fabelhaft schwer, die überflüssigen Noten unter den Tisch fallen zu lassen." - Johannes Brahms


  • Zitat von »Syrinx«


    Und dazu schreibt Schumann ein Intro, wenn man es alleine hört denken würde dass Cis-Dur die Grundtonart ist


    Wie ungewöhnlich...Warum?


    Gute Frage- letztendlich stellen die vier Anfangstakte wohl einen Art Stimmungsouvertüre zum ganzen Zyklus dar.

    Gruss
    Syrinx

    Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen, Wenn es nicht aus der Seele dringt Und mit urkräftigem Behagen Die Herzen aller Hörer zwingt.
    Goethe, Faust 1

  • Schon. Aber da wirkt das Cis-Dur allenfalls dominantisch, aber doch kaum wie eine Grundtonart. Oder?


    audiamus

    .

    "...es ist fabelhaft schwer, die überflüssigen Noten unter den Tisch fallen zu lassen." - Johannes Brahms

  • Schon. Aber da wirkt das Cis-Dur allenfalls dominantisch, aber doch kaum wie eine Grundtonart. Oder?


    Wenn ich wirklich nur die vier Takte höre, würde ich wahrscheinlich schon das cis singen, wenn mir jemand sagen würde, sing mal den Grundton. das h-moll hätte dann eine 7.Stufenfunktion. Wenn man Cis-Dur als Halbschluss empfindet, würde es allerdings tatsächlich auf fis-moll hinauslaufen.

    GRuss
    Syrinx

    Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen, Wenn es nicht aus der Seele dringt Und mit urkräftigem Behagen Die Herzen aller Hörer zwingt.
    Goethe, Faust 1

  • Nuja, für mich macht das H im Cis-Gefummel letztlich nen Septakkord. Aber glücklicherweise gehts ja eh weiter... ;)


    audiamus


    .

    "...es ist fabelhaft schwer, die überflüssigen Noten unter den Tisch fallen zu lassen." - Johannes Brahms

  • Auch ich empfinde dieses Spiel mit Dur und Moll in diesem Lied genial, vor allem auch im Zusammenspiel mit langsam, zart. Obwohl die Gesangslinie nicht explizit Moll ist, ergibt sich im Zusammenklang eindeutig eine melancholische Grundstimmung des Liedes. Ist der erste Teil noch mit dem wunderschönen Mai vereinbar, fast lieblich und schmalzig (Verzeihung), ändert sich das im zweiten. Man würde jetzt vielleicht einen musikalischen Akzent auf Liebe erwarten, er liegt aber eindeutig im "aufgegangen" und "Verlangen". Nach oben geführt, offen, unsicher. Besser kann man aufgehende Liebe und Verlangen musikalisch kaum beschreiben. Dieses Zarte, Sehnende, leicht Schmerzliche, innerlich Weinende, Unsichere, Verunsichernde, gleichzeitig Eindringliche, Fragende, Hoffende. Ich denke dieses erste Lied steht in engstem Zusammenhang mit dem zweiten, wo die Situaton dann schon eindeutiger wird.
    Hier wird der Ausgangspunkt dieser Geschichte gesetzt. Der Interpret kann mit stimmlichen Mitteln hier aber sicher schon eine Richtung vorgeben.

  • Ich höre zum ersten Mal diesen Zyklus und zwar in der folgenden Einspielung:

    Was sagen die Kenner dazu?? Mir gefällt Quasthoffs Stimme sehr gut, gute Textverständlichkeit, schöne Intonation. Auch das Zusammenspiel mit Roberto Szidon empfinde ich als erstklassig.

    :wink:
    Wulf

    "Gar nichts erlebt. Auch schön." (Mozart, Tagebuch 13. Juli 1770)

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