Schumann – verkannt?

  • Schumann – verkannt?

    Ohne Frage, in den letzten Jahren ist Robert Schumann immerhin wieder bei den Musikhistorikern mehr wahrgenommen worden, so sind z.B. einige wichtige Bücher im Schumannjahr 2006 (150. Todestag) publiziert worden, so z.B. das neue Schumann-Handbuch von Ulrich Tadday, oder das Buch über Schumanns letzte Jahre in Endenich von Bernhard Appel, auch erscheint demnächst in einer Neuauflage die Rowohlt-Monographie von Barbara Meier, aber letztlich verkauft sich Schumann nicht, wird bei der breiten Masse von Klassikhörern nicht wahrgenommen. Man kann dies am geringen Interesse für Schumann-Threads in diversen Klassikforen erkennen (überzeugt mich hier und jetzt vom Gegenteil :S ) - aber vor allem ebay ist ein guter Indikator für die Beliebtheit von Komponisten.

    Unlängst habe ich eine Gesamtausgabe seiner Klaviermusik - 16 LPs eingespielt von Karl Engel - auf besagter Verkaufsplattform für 1 Euro (!) ersteigern können, es handelt sich im Übrigen um eine sehr seltenene Einspielung ein Überangebot kann also nicht die Ursache sein. Und dass war nicht das erste Mal, dass ich ein Schnäppchen ergattern konnte, das mich vom Preis her peinlich berührte.

    Weshalb ist das so, warum wird Schumann vom durchschnittlichen Klassikpublikum (nahezu) ignoriert? Zu melancholisch? Zu irre? Ist die überpräsenz Schuberts schuld? Was meint ihr?

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    Immer noch da ... ab und an.

  • Hallo Florian,

    eine interessante Arbeitshypothese, die Du da vertrittst!
    Ad hoc stelle ich mir die Frage: Ist die von Dir erhobene Stichprobe (bspw. ebay) von repräsentativer Natur?
    Nach kurzer Überlegung meine ich, dies verneinen zu dürfen.

    Ein Beispiel mag dies verdeutlichen:
    Ziehe ich das Schumannsche Œuvre für Klaviermusik heran, so kann ich - sowohl historisch als auch aktuell -
    ein starkes Ineresse erkennen. Aufnahmen von Kempff, Arrau, Horowitz, Rubinstein, aber auch von Argerich,
    Pollini, Kissin, Schuch - um nur einige zu benennen, mögen dies verdeutlichen. Ähnlich die Konzertsituation.
    Schumann ist immer Programm. Dies betrifft nicht nur die Seite der "Produzierenden", sondern auch diejenige
    der "Konsumenten".

    Auch im Bereich der Symphonien und des Liedgutes kann man dies konstatieren. Soweit jedenfalls mein "Kurzschluss". ;+)

    Herzliche Grüße
    Jean

    "You speak treason" - "Fluently"
    "You've come to Nottingham once too often!" - "When this is over my friend, there'll be no need for me to come again!"

  • Weshalb ist das so, warum wird Schumann vom durchschnittlichen Klassikpublikum (nahezu) ignoriert?

    Der Name Schumann ist jedem Klassikhörer geläufig. Sein Klavierkonzert ist einer der populärsten dieser Gattung. Seine Sinfonien befinden sich wahrscheinlich in jeder mittelgroßen Sinfoniesammlung. Von seiner Biographie sind gewisse vorurteilsbeladene Details in Klassikkreisen weitgehend bekannt. Außerdem hat er von allen Komponisten die vielleicht bekannteste Ehefrau. Ignoriert wird Schumann sicherlich nicht. Ignoriert wird z.B. Joachim Raff, um in der Romantik zu bleiben.

    Die Klaviermusik, die Lieder und die Sinfonien Schumanns sind voll etabliert. Die Oratorien und die Oper werden weitgehend ignoriert, weil sie zwar gute Musik beinhalten mögen, ihnen jedoch schlechte Texte zugrundeliegen (so wie es beginnend mit der Zauberflöte und erst endend mit dem Fliegenden Holländer bei allen deutschsprachigen Chorwerken und Opern der Fall ist). Seine Spätwerke werden ignoriert, weil hier Schumanns Schöpferkraft bereits seiner Geisteskrangheit weichen musste. Vor allem sein Violinkonzert ist, wie Kurt Pahlen treffend bemerkte, viel mehr ein Fall für den Psychiater als für den Musiker.


    Beste Grüße,
    Falstaff

  • Ich gebe zu, ich habe etwas überspitzt formuliert, und vermutlich kann man die Symphonien bei dieser Fragestellung aussen vor lassen, aber es ist doch nicht so, lieber Jean, dass der Plattenmarkt von Schumann-Aufnahmen überschwemmt wäre, es gibt zwar immer wieder einzelne CDs mit immer dem gleichen, kleinen Ausschnitt seiner Klavierwerke (Kreislerianer, Kinderszenen, Papillons), aber selbst der von dir genannte Kempff hat gerade mal genug Schumann für vier CDs aufgenommen - nicht viel für sein Gesamtouvre (Kempffs meine ich). Zudem kommt es mir auch so vor, als wäre Schumann gerade in den 70ern und frühen 80ern noch deutlich besser vertreten gewesen. - Auch gibt es kaum Gesamteinspielungen seiner Klavierwerke, im Gegensatz zu meinetwegen den GA von Beethovens Sonaten (was eine vergleichbare Menge ist); ich habe z.B. die von Demus und seit neuestem die von Engel, dann gibt es noch bei Thorofon die von Franz Vorraber - weitere sind mir nicht bekannt. Ich finde das wenig.

    Und du, lieber Falstaff, scheinst mir ein wenig alten, überholten Vorurteilen aufzusitzen: nichts an Schumanns Spätwerk ist minderwertig, oder durch Wahnsinn zersetzt. Weder seine Faust-Bearbeitung noch sein Violinkonzert, schon gar nicht seine Gesänge der Frühe oder die Geistervariationen, vielmehr sind letztere so weit ihrer Zeit voraus; man findet kaum etwas vergleichbares in der Mitte des 19ten Jhdts. Aber, und das ist der Punkt, kaum jemand kennt diese Stücke, es existieren nur wenig Einspielungen. Und das Violinkonzert hat ebenfalls wechselnde Wertschätzung erhalten. Anfänglich waren sowohl Clara Schumann als auch Joseph Joachim sehr angetan, wenn nicht begeistert von dem Werk. Für Joachim hatte Schumann es geschrieben.

    Und natürlich gibt es Kompinisten - gerade auch in der Romantik - die noch mehr ignoriert wurden, so war Burgmüller bis vor wenigen Jahren ein völlig unbekannter, glücklicherweise ist er das nicht mehr dank dem Label MDG (bei denen ich meine erste Burgmüller LP kaufte, seinerzeit in den frühen 90ern). Und was Raff anbelangt: wenn man bedenkt, wie lange er vom Markt verschwunden war, gibt es doch mittlerweile einen ziemlich großen Bestand seiner Werke auf CD.

    Beste Grüße Florian

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    Immer noch da ... ab und an.

  • Hallo Falstaff,

    Seine Spätwerke werden ignoriert, weil hier Schumanns Schöpferkraft bereits seiner Geisteskrangheit weichen musste. Vor allem sein Violinkonzert ist, wie Kurt Pahlen treffend bemerkte, viel mehr ein Fall für den Psychiater als für den Musiker.

    wenn Pahlen tatsächlich so ein dummes Zeug gesagt hat, hätte ihm wohl nicht einmal ein Psychater helfen können. Das Spätwerk von Robert Schumann ist keineswegs von nachlassender Geisteskraft sondern weist im Gegenteil z.B. in seiner doppelbödigen, manchmal bitter-bösen Ironie weit in die Zukunft. Es wirkt oft so, als stelle sich die Musik selbst in Frage, als traue der Komponist seinen eigenen überkommenen Ausdrucksmitteln nicht mehr und zerstöre mutwillig seine eigene Sprache. Gerade das ist aber von bis dahin unbekannter Intensität und auch Modernität. Kein Wunder, dass Pahlen das nicht wahrnehmen wollte... Viele seiner Spätwerke leben z.B. von Übertreibungen: Das Mittel der Synkope, ursprünglich mal eine Art rhythmisches Gewürz, welches den Puls der Musik durch ein kurzzeitiges Gegengewicht herausfordert und stärkt, wird etwa im Kopfsatz der d-moll-Violinsonate so allgegenwärtig verwendet, dass man irgendwann fast nicht mehr sagen kann, was eigentlich Grundpuls und was Gegenpuls ist. Thema der Musik ist hier nicht ein wohlgeordneter Ablauf mit logischen und aufeinander aufbauenden Bausteinen sondern die Zerstörung der Mittel. Das gilt auch im Lyrischen: Wenn zwischendurch wie aus der Ferne scheinbar ganz ungebrochen sehnsüchtige, melancholische Gedanken auftauchen, scheinen sie immer in Gefahr, zur Sentimentalität "vergiftet" zu werden. Schumann hat das Ausdrucksspektrum seiner Musik durch diese komponierte Destruktion, Doppelbödigkeit und Ironie gleichzeitig in Frage gestellt und immens erweitert. Dass ihm die ausgemachten Romantiker in dieser sowohl zerstörerischen als auch höchst innovativen Musik nicht mehr folgen konnten oder wollten, mag verständlich sein, dass sie seine Krankheit als willkommene Erklärung für ihr eigenes Unvermögen nahmen, ebenfalls. Nicht verständlich finde ich, dass solche zweifelhaften Kronzeugen wie Pahlen bis heute unreflektiert und unwidersprochen zitiert werden.

    Viele Grüße,

    Christian

  • Lieber Florian,

    wird Brahms Deiner Meinung nach auch ignoriert? Die Anzahl seiner Werke, die "man kennt", ist auf den ersten Blick auch nicht größer als bei Schumann. Die Orchesterwerke, das Requiem und ein ganz kleiner Teil seiner Kammermusik gehören zum Standardrepertoire. Aber wer kennt schon die Kantate "Rinaldo"? Vom Horntrio scheint es auch nicht allzu viele Einspielungen zu geben, obwohl es mit zum Besten gehört, was ich in der Kammermusik kenne. Das Klarinettenquintett wird zwar in höchsten Tönen gelobt, ist hierfür auf dem CD-Markt jedoch ebenfalls unterrepräsentiert.

    Schumann scheint mir weder verkannt noch ignoriert zu werden. An ihm zeigt sich jedoch besonders deutlich die "Kanonisierung" der klassischen Musik. Ein paar wenige Komponisten und von diesen jeweils einige wenige Werke werden erwählt und in einer Art "Was man gehört haben muss"-Katalog zusammengetragen, wobei alles Übrige stillschweigend als minderwertig eingestuft wird. Die Konzertprogramme werden fast ausschließlich mit diesem sogenannten "Standard-Repertoire" bestritten.

    Mit der Kanonisierung geht zumeist die "Trivialisierung" einher in Form von mantrahaft wiederholten filmreifen Vorurteilen, z.B.: Mozart war ein Fäkalsprache benutzender Lüstling, Schubert war arm und verkannt, Bruckner war ein naiver Bauerntölpel. Die Vorurteile gegenüber Schumann wurden wenige Beiträge weiter oben bereits aufgeführt. Auch diese "Trivialisierung" scheint bei Schumann stärker als bei anderen gängigen Komponisten zuzuschlagen.

    Noch einmal meine These: Schumann wird nicht ignoriert oder verkannt. Der Prozess der Kanonisierung und Trivialisierung schlägt bei ihm jedoch besonders stark zu.

    Übrigens: in Capriccios Anfangstagen stand in meinem Profil unter "Lieblingskomponist": zur Zeit: Schumann!
    Mir fällt gerade ein, dass ich noch einen angekündigten Beitrag zu Schumanns Violinkonzert schuldig bin...

    Beste Grüße,
    Falstaff

  • Lieber Florian, lieber Christian,

    ich habe in dem Absatz zu Schumanns Spätwerk zwar nicht vergessen, den Ironiemodus einzuschalten. Dafür habe ich vergessen, ihn kenntlich zu machen. Als mir das aufgefallen ist, habe ich im folgenden Beitrag diesen Smiley: ;+) hinterhergeschickt.

    Schumanns Violinkonzert eines der für mich wichtigsten Musikstücke überhaupt. Deswegen erinnere ich mich immer wieder an das erwähnte Kurt-Pahlen-Zitat und gerate darüber gerne ins Schmunzeln...

    Beste Grüße,
    Falstaff

  • Überspitzte Formulierungen setze ich bei der Eröffnung eines Konversationsfadens voraus. Zumal dann, wenn sie von einem Schriftsteller stammen.
    Sonst kann man keine Diskussion entfachen. ;+)

    Von einer Überschwemmung des Plattenmarktes kann gar keine Rede sein. Den "totalen" Mozart, Bach, Brahms etc. hatten wir - bzgl. der kommerziellen
    Vermarktung diverser Jubeljahre - zur Genüge. Dies war freilich auch nicht der von mir gewählte Ansatz. Ich beziehe mich auf ein bestimmtes Kernrepertoire,
    einerlei, welches Genre im Falle Schumann davon betroffen sei...

    Und hier vermag ich keinerlei "Einbruch" festmachen zu können. Unsere Perspektiven sind hier offensichtlich von unterschiedlicher Natur - ohne dies freilich werten zu wollen.
    Um ein weiteres Beispiel aus dem Bereich der Klavierliteratur zu bemühen: Jörg Demus hat das Gesamtwerk für Klavier solo eingespielt,
    ein Einzelfall, ohne Frage. Aber in Relation zu solchen "Totaleinspielungen" würde ich persönlich nicht den Rang eines Komponisten festmachen
    wollen. Mir ist ein Wilhelm Kempff mit einer 4 CD umfassenden Einspielung deutlich lieber. Ich hoffe, ich konnte meinen Standpunkt so leidlich
    deutlich machen.

    Viele Grüße
    Jean

    "You speak treason" - "Fluently"
    "You've come to Nottingham once too often!" - "When this is over my friend, there'll be no need for me to come again!"

  • Lieber Christian, deinen Beitrag kann ich nur unterschreiben; gaaanz meine Meinung. --- Und, lieber Falstaff, du magst natürlich recht haben, dass der Prozess der Kanonisierung und Trivialisierung bei Schumann besonders durchschlägt - ich bin auch dieser Ansicht; wie gesagt, immer wieder nur Kreisleriana, Kinderszenen, Papillons - aber ist das nicht auch eine Form der Verkennung.

    Und das mit dem Tod Schumanns und mit dem sog. Wahnsinn, das ist noch eine ganz andere Sache, zu der ich demnächst einen neuen Thread eröffnen werde (jedenfalls habe ich das vor, hatte es schon beim T-Forum vor...) Auf deinen über das Violinkonzert bin ich sehr gespannt. Und was Brahms anbelangt - ich kenne mich mit Brahms einfach zu wenig aus, um das beurteilen zu können (und, nein, Felix Schumann war nicht sein Sohn :stumm: ).

    Grüße Florian

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    Immer noch da ... ab und an.

  • Hallo Falstaff,

    ich habe in dem Absatz zu Schumanns Spätwerk zwar nicht vergessen, den Ironiemodus einzuschalten. Dafür habe ich vergessen, ihn kenntlich zu machen. Als mir das aufgefallen ist, habe ich im folgenden Beitrag diesen Smiley: ;+) hinterhergeschickt.

    Schumanns Violinkonzert eines der für mich wichtigsten Musikstücke überhaupt. Deswegen erinnere ich mich immer wieder an das erwähnte Kurt-Pahlen-Zitat und gerate darüber gerne ins Schmunzeln...

    das beruhigt mich jetzt, denn ich hatte schon an meinem Gedächtnis gezweifelt: Da war doch mal so ein Beitrag von Dir im Thread über das Violinkonzert... Ich lasse meinen Beitrag oben trotzdem mal so stehen, vielleicht wird jemand, der es noch nicht kennt, neugierig auf das Schumannsche Spätwerk.

    Viele Grüße,

    Christian

  • Zitat

    Vor allem sein Violinkonzert ist, wie Kurt Pahlen treffend bemerkte, viel mehr ein Fall für den Psychiater als für den Musiker


    Wohl mein liebstes Violinkonzert überhaupt (ganz subjektiv)!

    Wir haben speziell darüber mal einen Thread begonnen!

    Ich bin weltoffen, tolerant und schön.

  • wie gesagt, immer wieder nur Kreislerianer, Kinderszenen, Papillons - aber ist das nicht auch eine Form der Verkennung.

    Hiermit gebe ich Dir völlig recht. Aber: ist dies ein Schumann-spezifisches Phänomen? Bei Mozart und Beethoven und Brahms und Schubert hört man auch immer wieder die gleichen wenigen Stücke. Man muss sich nur die Programme der gängigen Sinfonieorchester oder Operhäuser anschauen: man trifft auf eine allgegenwärtige Repertoire-Phimose!

    Falstaff

  • Lieber Florian, zumindest was Sänger und Pianisten angeht, wird Schumann in keinster Weise verkannt oder unterschätzt. :shake:
    Seine Liedern sind zusammen mit oder doch gleich nach denen von Schubert nach wie vor der Olymp des deutschen Liedgesangs - auch im Ausland. Das gilt nach meiner Beobachtgn ebenso für die Klavier-Solo-Musik. Niemand der Singen oder Klavierspielen lernt und dann professionell oder nciht professionell ausübt, kommt an Schumann vorbei und wer will überhaupt an Schumann vorbeikommen?
    Ich kenne Herrn Pahlens Werke nciht, aber die oben zitierte Aussage führt spontan dazu, zu behaupten, dass das kein Verlust für meine Bildung ist, im Gegenteil! :evil:

    Ich habe mich persönlich sehr intensiv mit Schumanns Liedkompositionen befasst (auch mit denen seiner Frau Clara, die ohne seine ständige Motivierungsarbeit gar ncht entstanden wären!) und da tut sich ein so faszinierndes Universum auf, dass man auch nach vielen Jahren immer wieder Neues zu entdecken hat.
    Wir verdanken Schumann die (neben der Winterreise) schönsten Zyklen deutscher Liedliteratur (für mich der Liederkreis opus 39, fur Andere eher die Dichterliebe op 42).
    Schumanns überragende und wegweisende Meisterschaft in Sachen Kunstlied wird auf der ganzen Welt anerkennt und immer wieder in jedem Rahmen und auf allen Stufen künstlerischen Könnens aufgeführt/ausgeübt.
    Von verkannt und vernachlässigt kann, zumindest was die Lieder angeht, nicht im Geringsten die Rede sein. Dasselbe gilt für Klaviersoli wie z.B. Carnaval, Kreisleriana, Papillons, Kinderszenen- wer musste und durfte das nicht spielen?
    In der grossen Zeitung "Le monde" gibt es derzeit eine Beilage mit beispielhaften Werken grosser Pianisten. Die ersten Beiden, die wir gekauft haben, waren Maurizio Pollini und Martha Argerich. Was die wohl spielen????? Schumann ist jedenfalls immer dabei! :angel:
    ist doch immerhin ein Trost, oder zählen das Kunstlied und die Klaviersoli nicht mit?

    F.Q.

    Lieber Florian, dass Du den Thread zu Schumanns Tod und Wahnsinn dortselbst nicht gestartet hast, war wohl reiner Selbsterhaltungstrieb...... :rolleyes: :hide: :stumm: .
    Ich habe im Rahmen meiner Recherchen zu Clara Schumann eine ganze Menge interessanter Literatur gelesen und SEHR unterschiedliche Sichtweisen erfahren. Bin sehr gespannt, wie du das siehst. Sehr interessant zu diesem Thema ist auch die Sciht, die der Film "Geliebte Clara" von Helma Sanders-Brahms vermittelt. Dazu gibt es hier einen Thread und zu Claras Liedschaffen ebenfalls.

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Zitat

    Bei Mozart und Beethoven und Brahms und Schubert hört man auch immer wieder die gleichen wenigen Stücke. Man muss sich nur die Programme der gängigen Sinfonieorchester oder Operhäuser anschauen: man trifft auf eine allgegenwärtige Repertoire-Phimose!

    Eines sollte man nicht vergessen: Im Vergleich zur Situation vor 30 Jahren steht den Hörern heute ein immens erweitertes Repertoire zur Verfügung! Das betrifft Sinfoniekonzerte und Opernhäuser, noch mehr aber den Tonträgermarkt.

    Mein Erstkontakt mit Schumanns Violinkonzert fand 1984 oder 1985 anläßlich eines Hamburger Konzerts mit dem NDR-Orchester (ich habe vergessen, wer als Solist am Werke war) statt. Damals kannte dieses Stück wirklich kaum jemand; es war schwierig, überhaupt eine Aufnahme zu finden.

    Andere Komponisten, über die heute in den Klassikforen ganz selbstverständlich diskutiert wird, waren selbst mit ihren Hauptwerken in den Schallplattenkatalogen so gut wie nicht vertreten. Als ich anfing, mich für Carl Nielsens Musik zu interessieren, hielt mich mein Musiklehrer für einen Spinner. Die Quelle meiner Begeisterung war eine auf MC mitgeschnittene Rundfunkübertragung der 4. Sinfonie; einige Zeit später stieß ich dann im Kölner Saturn auf eine sehr ominöse, labelfreie, von sonstwo importierte Plattenbox mit den Nielsen-Sinfonien (Blomstedt dirigierte dort ein dänisches RSO) . Ansonsten gab es weit und breit keine Aufnahme dieser Musik.
    Schreker, Raff, Zemlinsky - um nur mal ganz willkürlich ein paar Komponisten zu nennen, die mir gerade einfallen - waren einem zwar dem Namen nach bekannt, aber ihre Werke konnte man - von seltenen Ausnahmen abgesehen - nicht kennenlernen, weil sie nicht als Konserve zur Verfügung standen. JPC/CPO brachte Anfang der 80er eine Gesamteinspielung der Schostakowitsch-Sinfonien heraus; es war die erste, die es auf dem deutschen Markt gab, und als solche eine Sensation.

    In Relation dazu wird dem Interessierten heutzutage eine riesige Auswahl geboten! Und diverse bekannte Interpreten beschäftigen sich immer öfter mit etwas randständigen Werken. Vor zwei, drei Jahrzehnten war der Fokus der meisten Spitzenkünstler ein noch viel, viel engerer als heute (das gilt übrigens auch für Schumanns Spätwerk).

    Beste Grüße

    Bernd

  • Wir haben ja nun eine Phase der großen Toleranz durchgemacht, in der die bürgerlichen Heroen 'demontiert' werden sollten - daher das Interesse für Randständiges. Wäre es nun nicht spannend, sich zu fragen, was denn wirklich misslungen ist? Es gibt doch Misslungenes, oder?

    Ich bin weltoffen, tolerant und schön.

  • Zitat

    Es gibt doch Misslungenes, oder?

    Sicherlich gibt es Misslungenes, aber ich fürchte, die Frage, welche Kompositionen unter diese Kategorie fallen, lässt sich nur sehr subjektiv beantworten. Während ich von der einen oder anderen Neuentdeckung doch sehr begeistert bin, hätte man meinethalben einen nicht geringen Teil der in den letzten Jahrzehnten ans Tageslicht geförderten Ausgrabungen (das betrifft z.b. nahezu alle kleineren Meister der Klassik - ich bin froh darüber, die jüngste Gratis-CD von JPC NICHT erhalten zu haben :D ) in Frieden ruhen lassen können.

    Schumanns Spätwerk zählt allerdings auch meiner Meinung nach nicht zur eher vernachlässigbaren Musik. Daß es aber auf einer recht breiten Front von *Insidern* inzwischen ganz anders eingeschätzt wird als im 19. und 20. Jahrhundert, zeigen schon die vorhergegangenen Beiträge sehr deutlich.

    Grundsätzlich halte ich es aber für positiv, wenn die Bandbreite des Erfahrbaren möglichst groß ist. Mich zwingt ja keiner mit vorgehaltener Pistole dazu, mir etwas von Mysliveček, vom frühen Verdi oder von Alois Hába anzuhören.

    Viele Grüße

    Bernd

  • Mich interessiert, welche Schumann-Veranstaltungen es im Jubiläumsjahr 2010 gibt. Allmählich will ich nämlich meine Kulturreisen planen.

    Ich liebäugle derzeit mit folgender Veranstaltung:
    Am 26. und 27. Februar gibt es in der Berliner Philharmonie die Faust-Szenen mit dem DSO unter Metzmacher. Von den Sängern sind mir Christian Gerhaher und Mojca Erdmann namentlich bekannt.

    Das großartige Violinkonzert gibt es am 4., 5. und 7. März mit den Münchner Philharmonikern, Gidon Kremer und Christian Thielemann.

    Weiß jemand von Aufführungen der "Genoveva" und von "Das Paradies und die Peri"?

    Beste Grüße,
    Falstaff

  • Zitat

    hätte man meinethalben einen nicht geringen Teil der in den letzten Jahrzehnten ans Tageslicht geförderten Ausgrabungen (das betrifft z.b. nahezu alle kleineren Meister der Klassik -

    Grundsätzlich halte ich es aber für positiv, wenn die Bandbreite des Erfahrbaren möglichst groß ist. Mich zwingt ja keiner mit vorgehaltener Pistole dazu, mir etwas von Mysliveček, vom frühen Verdi oder von Alois Hába anzuhören.

    Na endlich! Ich finde, derartige Angaben sollten gesammelt werden - ich bin sicher, dass sich da schon viele Übereinstimmungen ergeben werden. Die 'bürgerliche' Kultur hat irgendwelche impliziten Kriterien. Es ist zum Glück nicht alles egal. Was Schumann betrifft, da kommt sicher der Verrücktheitseindruck ins Spiel, der zu Ausgrenzungsverhalten führt, allerdings nur unter bestimmten historischen Bedingungen (Äußerungen Claras, Brahms', Joachims usw.). In anderen Fällen übte ein solcher Eindruck große Faszination aus (Hölderin, van Gogh, ....)

    Ich bin weltoffen, tolerant und schön.

  • Hier im Dorf ist Schumann im Konzertleben freilich stets sehr gut vertreten. 2010 kann man schon von Omnipräsenz sprechen. Die Faust-Szenen wird Bernhard Klee am 16.4., 18.4. und 19.4.dirigieren, es singen dabei u.a. Dietrich Henschel und Werner Güra.

    Im Palais Wittgenstein (ganz nahe beim Schumann-Haus) werden Christoph Pregardien und Andreas Staier am 20.02. einen Liederabend geben. Leider bin ich zu dieser Zeit im Essener Aalto-Theater, um die Mielitz-Tosca zu sehen.

    Grigory Sokolov spielt am 26.02. die 3. Klaviersonate.

    Das Quatuor Mosaiques und Nikolai Tokarew führen das Klavierquintett auf.

    Das Paradies und die Peri gibts am 30. Mai. Peter Neumann leitet Kölner Kammerchor und Collegium Cartusianum, Güra ist wieder mit von der Partie.

    Barenboim/Staatskapelle Berlin werden mit der 1. und 4. Sinfonie sowie dem Cellokonzert (Solist N.N.) am 9.6. zu hören sein.

    Thomas Zehetmaier spielt am 11.06. das Violinkonzert!

    Am 12.06. - und davon verspreche ich mir weitaus mehr als von Barenboim - dann die "Rheinische" mit der Bremer Kammerphilharmonie unter Järvi!

    Am 8.7. führen lokale Kräfte "Der Rose Pilgerfahrt" und die 4. Sinfonie auf.

    Dies waren nur kleine Auszüge aus dem Programm der hiesigen Tonhalle bis zum Sommer. Am 12. und 14. September gastiert dann das GOL unter Chailly mit allen Sinfonien (in der Mahler-Bearbeitung) und einigen Ouvertüren.

    Im Schumann-Saal spielt das Schumann-Quartett immer wieder mal Schumann-Quartette. An gleicher Stelle wird FP Zimmermann alle Violinsonaten spielen.

    Ach ja - und dann gibt es noch das Schumannfest 2010: http://www.schumannfest-duesseldorf.de/


    Cheers,

    Lavine :wink:

    “I think God, in creating man, somewhat overestimated his ability."
    Oscar Wilde

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