Jazz-Fragen - Was ich immer schon mal über Jazz wissen wollte

  • Dann ist die Rolle der Pianistinnen, Bandleader und Arrangeurinnen Lil Hardin Armstrong und Mary Lou Williams, etwas später der Posaunistin und Arrangeurin Melba Liston für die gesamte Jazz-Entwicklung überhaupt nicht zu überschätzen.

    Lieber Matthias,

    da du den Begriff der Arrangeurin zweimal erwähnst.....was hat sie als solche genau gemacht und welche Qualitäten musste sie dafür haben?

    [Blockierte Grafik: http://www.smileygarden.de/smilie/Schleifchen-Girls/smilie_girl_205.gif]Mozartinaa

    " Das Österreichisch klingt wie ein einzig großer Topfenknödel "......Zitat aus der Krimiserie "Bella Block"

  • da du den Begriff der Arrangeurin zweimal erwähnst.....was hat sie als solche genau gemacht und welche Qualitäten musste sie dafür haben?

    Einen Song für eine Band einrichten, z. B. Bläsersätze schreiben, was mindestens für eine Big Band sehr anspruchsvoll sein kann. Voraussetzungen sind zunächst mal sehr gut Noten Lesen und Schreiben können, im frühen Jazz noch keine Selbstverständlichkeit, obwohl viel weiter verbreitet, als es in manchen Vorstellungen über frühen Jazz erscheint. Und natürlich sehr gute Kenntnisse in Harmonielehre und Instrumentierung. Lil Hardin etwa hatte so ziemlich die beste klassische Kompositionsausbildung, die damals eine junge, schwarze Frau erreichen konnte. Lil Hardin war verantwortlich für die damals wirklich ganz neuen Konzeptionen der Bands von Kid Ory und der Hot-Bands ihres kurzzeitigen Mannes Louis Armstrong, hat dann eine eigene, eine der ersten Big Bands dieses neuen Typs überhaupt, die den Übergang von Hot-Jazz der 20er/30er zum Swing der 30er entscheidend mitgestaltet hat, die Rhythm Syncopaters. Sie ist auch mit Kid Ory und Bix Beiderbecke die erste, die Jazz als eigene Kunstmusik versteht und dementsprechend ausbauen will. Sie und Mary Lou Williams sind auch, wenn sie nicht eigene Bands leiten, als Arrangeurinnen der innovativsten Big Bands ihrer Zeit tätig, für Fletscher Henderson, Duke Ellington und Count Basie. Das sind wirklich die Mütter des anspruchsvollen Swing und Big Band Jazz! Wieder Mary Lou Williams und Melba Liston spielen dann eine ganz entscheidende Rolle, den Big Band Jazz nach dem Swing mit Bebop, Hardbop und schließlich noch Modernerem, bei beiden auch Afrikanischem zu erneuern. Ihre Rolle für die gesamte Jazzentwicklung ist wirklich gar nicht zu unterschätzen. Sie müssen auf jeden Fall ganz, ganz vorne unter den wichtigsten JazzmusikerInnen - beiderlei Geschlechts! - genannt werden.

    :wink: Matthias

  • Bix Beiderbecke

    Ach ja, Bix, du hast nicht zufällig Lust einen Faden zu knüpfen - ich hab im Momnt keine Zeit dafür. Wenn du den über Frauen im Jazz eröffnest, ist das doch n Klax, für´n Cat wie dich gleich n paar Zeilen über den Jungen Mann mit dem Horn zu schreiben. Ich würde dann anschließend auch etwas dazu beitragen... :beatnik:

    .


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    Immer noch da ... ab und an.

  • Zu den "Frauen im Jazz" sei noch Ann Ronell erwähnt. Ich weiß nicht gerade viel über sie, aber im Musical- und Filmmusikbereich hat sie wohl einiges komponiert und arrangiert, vor allem aber hat sie "Willow weep for me" geschrieben, und das ist die Erwähnung allemal wert. Angeblich hat sie eine Affäre mit Gershwin gehabt und soll ihm den besagten Song auch gewidmet haben.

    Tharon.

  • Was ich schon immer mal über Jazz wissen wollte? Da gibt es so viel, dass mir meistens keine konkrete Frage einfällt.

    Hier mal wieder eine, die die Wardell Gray Aufnahme "Memorial Volume 1" in mein Bewusstsein gespült hat: Bei den Tracks 15 - 18 wird Wardell Gray von "Teddy Charles West Coasters" begleitet. Teddy Charles spielt Vibraphon. Ich mag den Sound dieses Instrumentes sehr. Wenn ich aber Vibraphon im Jazz höre gibt es zwei Möglichkeiten: entweder steht mir der Mund auf, angesichts der unfassbaren Virtuosität (ich finde, virtuose Vibraphonisten gibt es überraschend viele im Jazz), oder ich bleibe relativ unbeteiligt.

    Mich würde mal interessieren, ob es Jazz-Vibraphonisten gibt, die die besondere Klangqualität des Instrumentes, so wie ich sie schätze, zur Geltung bringen. Ich mag nämlich das Instrument besonders dann, wenn man hören kann, warum es seinen Namen bekommen hat: wenn längere Akkorde oder stehende Klänge hörbar werden, bei denen man hört, wie der Motor die kleinen Platten in den Resonanzröhren langsam und stetig hin und her wendet. Wenn der Sound dadurch langsam und scheinbar schwerfällig umgeschichtet wird... ("gerührt, nicht geschüttelt").

    Kurz: gibt es Jazzvibraphonisten, die nicht unbedingt auf Demonstration von Geschwindigkeit und Virtuosität aus sind, sondern das Instrument öfter mal ausklingen lassen?

    Tharon.

  • Kurz: gibt es Jazzvibraphonisten, die nicht unbedingt auf Demonstration von Geschwindigkeit und Virtuosität aus sind, sondern das Instrument öfter mal ausklingen lassen?

    Mit David Friedman dürftest du in der Hinsicht gut bedient werden. Der meist sehr lyrisch spielende US-Amerikaner, der Jazz-Professor in Berlin ist, ist ein durchaus hervorragender Virtuose, der sich aber sehr oft viel Zeit und sein Instrument lange klingen läßt, z.B. auf dieser sehr schönen Duo-CD mit dem Berliner Saxophonisten Peter Weniger:

    Es gibt aber sehr viele, sehr gute, eher ruhige Aufnahmen von David Friedman, auf denen er den Klang lange schweben läßt. Da kann man kaum etwas falsch machen.

    Auch Gary Burton läßt sich häufiger Zeit. Da fällt mir aber gerade keine passende CD-Empfehlung ein.

    :wink: Matthias

    Nachtrag: Vor wenigen Tagen habe ich erst eine außerordentlich gute, noch unbekannte Vibraphonistin gehört. Die junge Polin ist erst Mitte 20, der Fusion ihrer Frauen-Band sehr konventionell und langweilig, aber ihre Soli waren das nicht und auch nicht nur extrem virtuos, sondern musikalisch wirklich gut, z.B. außerordentlich gut aufgebaut, doch jetzt musste sie wohl noch ihre ganze Virtuosität auch fast immer beweisen. Ihr Name könnte sich aber zu merken lohnen: Izabella Effenberg. In ein paar Jahren hat sie vielleicht nicht mehr zu viel Mike Maineri, sondern auch mehr David Friedman internalisiert.

  • Ja, und hier mal wieder ich... per Anhalter durch die Galaxis des Jazz...

    Also: Es gibt eine Miles Davis Platte, die ich schon lange Jahre besitze: "Miles Davis and the Lighthouse All-Stars - At Last!" (Das Cover per Amazon lässt sich aus irgendeinem Grund nicht transferieren).

    Um ehrlich zu sein: ich finde die Scheibe nicht besonders. Aber ein Stück hat es mir angetan: "Infinity Promenade". Es ist eine ziemlich statische Komposition, deren Thema lediglich aus bogenförmigen Phrasen mit schrittweiser Tonfortschreitung und einem Pendeln zwischen I. und IV: Stufe besteht. Auf diese Weise spiegelt es eine nicht enden wollende Promenade gut wider. Harmonische Statik im Jazz ist eine Erscheinung, die mich interessiert und diese Komposition, finde ich wenigstens, lädt doch geradezu zu einem John-Coltrane-My-favorite-things-Sog ein. Leider, wie gesagt, ist die Miles-Davis-Version ziemlich nichtssagend. Also denke ich mir: vielleicht gibt es noch eine bessere Quelle. Komponist der Nummer ist Shorty Rogers. Und ich finde eine Version auf dieser Compilation:

    Diese Version ist nicht schlecht... aber das Statische wird geradezu außer Kraft gesetzt, weil nach der Themenvorstellung Improvisationen folgen, die nicht auf der Harmonik des Themas beruhen, sondern eine ziemlich standardmäßige Akkordprogression konstituieren. Hin und wieder wird das Thema in Erinnerung gerufen, jedesmal auf "Bolero"-artige Art und Weise gesteigert, bis die Trompeten auch zeigen können, wie hoch sie wirklich kommen... aber das, was dieses Thema für mich verheißt, geht in den nachfolgenden Improvisationen unter.

    Also folgt als logische Frage: Gibt es eine Version des Stückes, die die flexible harmonische Anlage konsequent ausnutzt (ich denke an modalen Jazz oder von mir aus auch Free Jazz)?

    Das wüsste gern

    Tharon.

  • Als ich heute mit dem Auto unterwegs war und aus dem Lautsprecher Chet Baker ertönte,der mit seiner sanften Stimme meine Fahrt versüßte, kam mir plötzlich folgende Frage in den Sinn:

    Woher stammt eigentlich das Wort " Jazz" ? [Blockierte Grafik: http://www.smileygarden.de/smilie/Schleifchen-Girls/smilie_girl_168.gif]

    Ist dieser Begriff eine Neuerfindung?

    Weiß man eigentlich,wer der Geburtsvater dieses Wortes ist?

    Und was heisst "Jazz" eigentlich genau übersetzt? Kann man dieses Wort überhaupt übersetzen?

    Es grüßt Mozartinaa

    " Das Österreichisch klingt wie ein einzig großer Topfenknödel "......Zitat aus der Krimiserie "Bella Block"

  • Hallo Josquin,

    Wikipedia ist bei Fragen meistens meine erste Anlaufstelle [Blockierte Grafik: http://www.smileygarden.de/smilie/Schleifchen-Girls/smilie_girl_253.gif],aber danke für deine Antwort. Ich stellte meine Frage ins Forum in der Hoffnung,dass vielleicht einer der Jazzfreunde noch eine andere Erklärung zur Etymologie des Wortes Jazz hat.

    Ich hab mich schon mal auf Spurensuche gemacht und werde meine Recherche peu à peu zum Besten geben. Für Korrekturen und Ergänzungen bin ich natürlich sehr dankbar.


    Die Herkunft und ursprüngliche Bedeutung des Wortes "Jazz" kann nicht mit Sicherheit bestimmt und erklärt werden. Daher gibt es zahlreiche Erklärungsversuche,die mehr oder weniger plausibel sind.

    Ich möchte einmal zwei der wahrscheinlicheren Deutungen anführen.

    Version A : das Wort "Jazz" könnte sich vom jamaikanisch-kreolischen Wort " jass" abgeleitet haben,was soviel wie Aktivität ( auch Sexualverkehr) bedeutet.

    Version B: "Jazz" stamme eventuell vom amerikanischen Slang - Ausdruck " jazzy" ab, der für grell,erregend,sexuell stimulierend steht.


    Fotsetzung folgt[Blockierte Grafik: http://www.smileygarden.de/smilie/Schleifchen-Girls/smilie_girl_073.gif] Mozartinaa

    " Das Österreichisch klingt wie ein einzig großer Topfenknödel "......Zitat aus der Krimiserie "Bella Block"

  • Dann bin ich mal gespannt, was du noch findest. Ich weiß nämlich auch nicht mehr, als bei Wikipedia zu finden ist, außer, dass es noch diverse weitere kuriose Erfinderansprüche gibt, z. B. noch von Jelly Roll Morton, aber sogar von einem Russen. :D

    :wink: Matthias

  • Ich weiß nämlich auch nicht mehr, als bei Wikipedia zu finden ist, außer, dass es noch diverse weitere kuriose Erfinderansprüche gibt, z. B. noch von Jelly Roll Morton, aber sogar von einem Russen.


    Zu den unwahrscheinlichen Deutungen gehört auch jene, dass die Enstehung des Wortes "Jazz" etwas mit dem legendären DJ AL "Jazzbeau" auch "Jazzbo" ( 1919-1997) zu tun haben könnte.

    Warum dieser Jazzbo legendär war, habe ich noch nicht nachgeschlagen,ist auch zur Zeit nicht von großem Interesse für mich. Aber vielleicht hast du schon mal von ihm gehört.

    [Blockierte Grafik: http://www.smileygarden.de/smilie/Schleifchen-Girls/smilie_girl_205.gif] Mozartinaa

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  • Demnächst gibt es in der Jazzband meiner Schule wahrscheinlich einen E-Bass UND eine Tuba.

    Ich habe etwas Angst vor den multiplen Tiefen.

    Gibt es irgendwelche Vorbilder, die man sich mal anhören könnte, die mit Bass und Tuba oder zumindest zwei unabhängigen Bassinstrumenten gespielt haben und trotzdem tiefes Mulmen vermieden haben und plastisch durchhörbar geblieben sind?

    Tharon

  • @ Tharon:

    die Antwort auf deine Frage würde mich auch interessieren, da ich ab und zu mit einer guten Freundin (ihres Zeichens e-bassistin) experimentiere und wir auch auf der Suche nach Stücken für zwei Bassinstrumente sind, die sich in ihrer Melodieführung klar voneinander unterscheiden bzw. ergänzen.

    Ich habe jetzt mal das hier für uns angeschafft:

    http://www.alfredverlag.de/cms/front_cont…=694&idart=4283

    LG Lotte

  • In unserer eigenen Combo funzt die Paarung wunderbar. Der Bass muss nur gut artikulieren können. Mal schauen, ob ich mal irgendne Aufnahme rausklauben kann.

    "...es ist fabelhaft schwer, die überflüssigen Noten unter den Tisch fallen zu lassen." - Johannes Brahms

  • Ja, ich spiele auch gerne mit mehreren Bässen oder Bässen und tiefen Bläsern.

    Da gibt es auch enorm viele Beispiele, so spielte ja schon Coltrane öfter mit zwei Bässen und auf den Africa Brass Sessions etwa mit Bass und tiefen Bläsern, Ornette Coleman seit den 70er überhaupt nur noch mit 2 bis 3 Bässen, meist zwi Kontrabässe und ein E-Bass und viele übernahmen das und zu Gil Evans späteren Bands gehörten immer Tuba und Horn und Kontrabass oder E-Bass. Das kannst du, lieber Tharon, auf jeder seiner späteren CDs z.B. mit seinem Monday-Night-Orchestra hören. Die Kombination von Bass, Tuba und Horn oder weiteren anderen tiefen Bläsern sind in modernen Big Bands eigentlich sehr verbreitet. Die tiefen Bläser sind dann meist Erweiterung der Farbpalette des Posaunensatzes und die Tuba übernimmt nur Bass-Rhythm-Patterns, wenn der Bass Melodie oder kontrapunktische Gegenmelodie oder Soli spielt. Die Kombination E-Bass und Tuba ist eigentlich am einfachsten, weil sie sich besonders leicht in den Ferquenzen aus dem Weg gehen können. Der Bass sollte dann vielleicht eher mit weniger am Amp eingedrehten Mitten und Bässen spielen, eher clean und knackig, dort, wo beide Rhythmusarbeit leisten und natürlich müssen beide deutlich akzentuieren, wie Audiamus schon schrieb.

    Auch zur Kombination von Bässen und Celli fällt mit so viel ein, dass ich gar nicht weiß, womit ich anfangen soll.

    Das Berlin Improvisers Orchestra spielt etwa sogar regelmäßig mit 4 - 5 Kontrabässen, Cello, Posaunisten, die manchmal auch zur Tuba oder zum Susaphon wechseln und oft einem Theremin, das manchmal auch in die tiefen Ferquenzen gerät und natürlich noch vielen anderen Instrumenten u.a. immer 2 Schlagzeugern und oft noch Percussion und die spielen völlig freie, jedoch meist von einem der MusikerInnen spontan dirigierte Kollektivimprovisationen und klingen meist dennoch sehr durchhörbar, es sei denn tiefe Cluster passen gerade in den Prozess. Selbst das geht! Aber das sind natürlich alles sehr erfahrene MusikerInnen, die wissen, was zusammengeht und wann man nichts mehr hört und die blitzschnell im Zusammenspiel dementsprechend reagieren können. Die Kombination mehrerer Tieftöner verlangt auf jeden Fall gutes Zuhörenkönnen und Selbstdisziplin, nicht zu viel machen zu wollen. Insofern eigentlich ideal zum Lernen in einer Nachwuchsband und eine gute, spaßige Herausforderung für die Tieftöner, die dann auch mal solieren können, was viel einfacher ist, wenn ein zweiter Tieftöner dann die Rhythmuspatterns weiterspielt. Da kann dann auch schon relativ einfach zu Spielendes sehr wirkungsvoll sein. Es muß ja nicht jeder gleich wie Dave Bargeron in Gil Evans Monday Night Orchestra ein Jimi-Hendrix-Solo in Jimis Klasse auf der Tuba zu "Little Wing" hinlegen :D . Für die eher Rock-Interessierten, Bargeron spielte übrigens auch die Tuba bei Blood, Sweat & Tears, die selbstverständlich auch noch einen E-Bass hatten. Besonders interessant zu hören auf ihrer Live-Doppel-LP.

    Liebe Lotte, für dich ist vielleicht auch die schwedische Progressiv Metal Band "Diablo Swing Orchestra" interessant, die immer mit E-Bass und 1-2 Celli spielen, gelegentlich schon mal auch noch einem zusätzlichen Kontrabassisten.

    Die Free-Noise-Metal-Band God machte sogar mit 8 Bassisten plus mehrere Bariton-Saxophone und Bass-Sax interessanten Krach. :D

    :wink: Matthias

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