Stile des Jazz - Fusion/Jazzrock/Rockjazz

  • Stile des Jazz - Fusion/Jazzrock/Rockjazz

    Dieser thread soll ausgewählte und sehr subjektive Informationen zu einer Spielart des Jazz geben, dem Fusion Jazz, auch Jazzrock oder Rockjazz genannt.
    Die aufgeführten Plattenbeispiele sind äußerst selektiv, da sie ausschließlich auf eigenen Hörerfahrungen beruhen. Ich hoffe natürlich auf tatkräftige Ergänzungen !
    Darüber hinaus beschränke ich mich im ersten Artikel auf die Platte „bitches brew“ von Miles Davis und den daraus erwachsenden Entwicklungen.

    Fusion Jazz ist eine Art Verschmelzung von Rock und Jazz und hat seine Basis zu Beginn der 60er Jahre.
    Je nachdem, von wo verschmolzen wurde, nannte man das Ergebnis Jazzrock = kommend vom Jazz oder Rockjazz = kommend vom Rock.

    Für das Gründungsstadium genannt seien die bekannteren Musiker wie John McLaughlin, Larry Coryell, Dave Holland, Tony Williams, Jack Bruce, Dave Pike und Graham Bond.
    Richtig bekannt wurde der Musikstil allerdings erst durch Miles Davis und seine beiden Platten “In a silent way” und “Bitches brew”.


    In a Silent Way


    bitches Brew

    Gerade “Bitches Brew” ist das plakative Aushängeschild des frühen Rockjazz, fälschlicherweise wird die Platte immer wieder als die erste Jazzrockplatte genannt, was aber eben nicht der Wahrheit entspricht.

    Auffallendes Merkmal des Jazzrock ist die Verwendung von elektrischen Instrumenten, wie E-Gitarre, E-Piano und insbesondere Synthesizern. Weiter bedeutend ist die Fortentwicklung der Funktion der Rhythmusmusiker am Bass und am Schlagzeug weg vom reinen Begleiten hin zu eigenständigen spielerischen Freiräumen und Melodieführungen.

    So ergeben sich zum Beispiel auf der genannten Platte “bitches Brew” elektronische Klangwelten, in denen die Trompete von Miles Davis mit gedubten Tönen impressionistische Klangtupfer und -kaskaden erzeugt. Eine in meinen Augen in jeder Hinsicht Maßstab setzende Platte.

    Ganz wichtig ist meines Erachtens auch darauf hinzuweisen, dass gerade die Musiker dieser Session im Nachhinein selbst Musikgeschichte mit ihren eigenen Gruppen schrieben und damit den populären Jazzrock über die Welt hinaus verbreiteten.

    Beispielhaft sei zunächst der Pianist Joe Zawinul genannt, der neben Wayne Shorter Mitbegründer der Gruppe “Weather Report” war, die unter anderem mit dem mir sehr liebgewordenen Klassiker “Heavy weather” Rockjazzgeschichte schrieben.

    Dann darf nicht John McLaughlin vergessen werden, der 1971 das Mahavishnu Orchestra gründete und mit seinem irre schnellen Gitarrenspiel den Jazzrock auf seine Art prägte.

    Und dann war da noch Chick Corea, der mit seiner Formation “Return to forever” Jazzrockgeschichte schrieb, wobei er interessanterweise zwei Formationen führte, nämlich eine akustische und eine elektrisch verstärkte Band.
    Titelgebend war die akustische Band, die sich mit der von mir hochverehrten ECM-Platte gleichen Namens eine fast nicht mehr topbare Basis schaffte.

    Von der elektrischen Seite her möchte ich als Beispiel “Romantic Warrior” nennen, die ich immer sehr gerne gehört habe.

    Gerade frisch erschienen ist die Platte “Return to Forever returns”, auf der Stanley Clarke, Al DiMeola, Lenny White und Chick Corea noch einmal so richtig die guten alten Zeiten aufleben lassen.

    Weiter mitgewirkt auf “bitches Brew” haben unter anderem die Bassisten Dave Holland und Ron Carter, am Schlagzeug der anderweitig genannte Lenny White, Jack DeJohnette, Don Alias, Billy Cobham und an Percussion Airto Moreira.
    Insgesamt gesehen also eine auf den Positionen mehrfach hochgradig besetzte Band, die heute als Allstar-Truppe die Festivals stürmen würde.

    Als alter Mitspieler von Miles Davis muß auch noch Herbie Hancock genannt werden, der mit dem Jazzrock-Album „Headhunters“ einen Millionenseller zu verzeichnen hatte.


    Damit sei es zunächst genug für den ersten Teil zum Thema. Fortsetzen möchte ich mit den Entwicklungen in Europa und dabei speziell auch Deutschland und mit einigen Hinweisen zum amerikanischen Label CTI, auf dem eine spezielle Schar von Musikern sehr hörbaren, entspannten Jazzrock und Souljazz produzierte.

    Grüße
    Achim

  • Auf Wunsch von Matthias Oberg stelle ich nachfolgend zitatweise Ausführungen ein, die in einem ähnlichen thread im T-Forum gelaufen sind.

    Carsten schrieb dazu:
    Du hast Recht, Achim: Immer wieder stößt man auf die leichtfertige Meinung, "Bitches Brew" sei so etwas wie ein Urknall gewesen, eine plötzliche Geburtsstunde des elektrifizierten und rockorientierten Jazz. Dass dem nicht so ist, sondern dass sich auch diese Neuerung organisch entwickelt hat, hast du mit dem Hinweis auf "In a silent Way" bereits gegeben. Ich würde sogar noch zwei Platten weiter zurück gehen: Bereits "Filles de Kilimanjaro" und danach "Water Babies" gaben die Richtung vor.
    Zieht man diese Aufnahmen zu Rate und vergegenwärtigt man sich die allgemeine Lage jener Zeit (Flower Power, Vietnamkrieg, Black Power usw.), dann ergibt sich auch ein konsequentes und schlüssiges Bild, wie und warum Miles Davis diesen Weg beschritt. Der häufige Vorwurf, er wolle sich an den aufkeimenden Massen-Ruhm schwarzer Künstler wie dem von Jimi Hendrix oder Sly and the Family Stone hängen, ist ungerechtfertigt. Die Entwicklung ist für mich zumindest bis "Bitches Brew" musikalisch völlig schlüssig. Dass es so kommen musste, zeigt nicht zuletzt, dass gerade die Musiker, die bei Miles Davis gespielt hatten, die sozusagen durch seine Schule gegangen sind, die Speerspitze der neuen Fusion-Musik in den 70er Jahren bildeten:
    Tony Williams' Lifetime Mahavishnu Orchestra mit John McLaughlin Return to Forever mit Chick Corea Billy Cobham Weather Report mit Joe Zawinul und Wayne Shorter Headhunters / Herbie Hancock
    All diese Gruppen, die den Jazz zu einem kommerziellen Massenerfolg führten, wie es ihn seit der Swing -Ära nicht gegeben hatte, verdanken ihre Existenz sozusagen der Geburtshilfe des Meisters Miles.
    Wer sich auch einmal visuell überzeugen möchte von dem Gebräu, das Miles und seine Mannen angerührt haben, dem rate ich zur DVD des Konzertes, das er beim "europäischen Woodstock" auf der Isle of Wight gegeben hat. Das Cover lässt zwar billigste Qualität vermuten, aber nichts da: Das Konzert ist tontechnisch sensationell aufbereitet. Außerdem gibt es auf der DVD bemerkenswertes Hintergrundmaterial.

    Weiter schrieb Carsten zu einigen Platten von Miles Davis:
    Allen dreien ist eines gemeinsam: Sie sind keine Miles Davis-Platten!
    Zu "Tutu": Davis' langjähriger Bassist Marcus Miller, nebenbei ein unerhört begabter Multi-Instrumentalist, hat die Musik nahezu im Alleingang eingespielt. Miles Davis rauschte schließlich ins Studio, spielte seinen Trompeten-Part auf die Tapes und fertig war die Aufnahme. Großes Plus der Aufnahme: Miller war nun mal eben langjähriger Gefährte Davis' und wusste, was er zu komponieren und arrangieren hatte, damit sein "Meister" sich entfalten kannn. Letztlich ist es aber das gleiche Verfahren, mit denen Joe Cocker oder Rod Stewart ihre letzten CDs gemacht haben: Am beispielsweise 12. Juni gehe ich ins Studio und spiele (singe) auf die Bänder, die vorbereitet wurden.
    Zu "Aura": Eine tolle Platte, voller Farben. Nicht umsonst sind die Titel eben auch nach Farben benannt. Doch auch hier: Bis auf den Trompeten-Sound ist hier nix von Miles Davis. Die Aufnahme ist ein dänisches Projekt, geleitet von dem Trompeter Palle Mikkelborg, der seinem Idol Referenz erweisen wollte. Dieses Idol stiefelte dann schließlich ins Studio und spielte - man errät es - auf die fast fertigen Bänder. Nichtsdestotrotz eine wunderbare CD, die höchstens daran krankt, dass Miles Davis seinen weniger begabten Neffen am Schlagzeug haben wollte.
    Zu "Doo-Bop": Nun ja, hier verlässt mich mein Verständnis. Hip-Hopper, die sich zwischen Drittklassigkeit und Unbekanntheit bewegen, karren einen nunmehr etwa 65jährigen Trompeter ins Studio, der - man ahnt es - auf fertig produzierte Bänder bläst. Da waren zu der Zeit junge Jazzer längst weiter in der Mixtur von Jazz und der populärsten Musikform des schwarzen Amerika, dem Rap und Hip Hop.
    Der Unterschied zu nahezu allen glorreichen Epochen, die Miles Davis im Laufe seines Lebens durchlaufen hat, ist folgende: Er hatte diese Epochen eröffnet, geprägt, gestaltet, war zugleich Initiatior und Höhepunkt dieser Phasen. Zuletzt, bei den genannten Aufnahmen, hechelte er einem Trend hinterher, den andere längst definiert hatten.
    Das ist für mich aber nur ein klitzekleiner, fast unbedeutender Wermutstropfen auf einer musikalischen Laufbahn, wie es sie im 20. Jahrhundert kaum ein zweites Mal gegeben hat. Auch wenn mir die letzten drei oder vier Veröffentlichungen nicht gefallen, es gibt so viele Dutzend fantastische vorher...

    Matthias Oberg schrieb hierzu:
    ich teile völlig Deine Charakterisierungen der drei CDs und auch fast alles andere, was du geschieben hast. Nur hat m.E. Miles Davis keine einzige Epoche wirklich eröffnet. Das ist ein Mythos! Da waren immer schon andere vor ihm gewesen. Er ist dann sicher aufgesprungen, weil ihm die neuen Richtungen wirklich lagen - das sehe ich, wie Du. Verschiedne Musiker haben erzählt, das wenn man in der Zeit um 1970 zu Miles nach Hause kam, lief dort überhaupt kein Jazz mehr, sondern vor allem Jimi Hendrix, Sly and the Family Stone und Karlheinz Stockhausen! Das war doch auch tolle, innovative Musik, aber wahrscheinlich gefiel ihm später auch Hip Hop und Rap, vielleicht ja sogar das Pop Zeug, das er auf "You ́re Under Arrest" verbrät.
    Miles Davis hat es dann aber sehr wohl verstanden, die jeweiligen Epochen entscheidend mitzuprägen, viele der besten Musiker der jeweiligen Epoche an sich zu ziehen und entscheidend zu beeinflussen und "epochale" Aufnahmen und Konzerte zu geben. Das warjedenfalls sehr lange so. Doch in den 70ern schon werden schnell seine Mitmusiker noch erfolgreicher. Der Jazzrock von John Mclaughlin, Chick Corea und all den anderen mit ihren zeitweilig auch sehr erfolgreichen Supergroups entfernte sich sehr schnell von den viel offeneren Formen des Meister, die er selbst die 70er Jahre über beibehält und in verschiedene Richtungen ausprobiert, z.B. sehr an feste einfache Rockpatterns gebunden auf "Jack Johnson", sehr viel offener, nur minimal festgelegt auf "On The Corner" und als gelungene Mischung von beidem auf "Live Evil". Nur das beeinflußte den Mainstream-Jazzrock immer weniger. Ich jedenfalls würde für jede Miles Davis -Aufnahme aus den 70ern beinah jede andere Fusion Platte liegenlassen. Dies sind Alben, die heute wieder und erst so richtig einflußreich geworden sind und an die heute z.B. der Trompeter Dave Douglas in seinen elekrischen Projekten und viele andere sehr innovativ anknüpfen.
    Dann kam Miles Davis schwerer Unfall und längerer Rückzug, darauf seine Phase mit "We want Miles" und ähnlichem. Jetzt springt er viel später, als früher immer, auf den neuen Free-Funk-Zug auf, den andere, Ornette Coleman und sein Umfeld schon fest geprägt hatten, nimmt dies zwar wieder in sehr eigener, aber auch wesentlich gemäßigterer Weise auf, bekommt auf diese Richtung auch überhaupt keinen Einfluß mehr, auch nicht mehr die besten Musiker, aus diesem Feld. Vernon Reid, Gitarrist bei Ronnald Shannon Jackson, ist sogar überhaupt der einzige, der aus diesem lebendigen Musikerpool kurz und folgenlos bei Miles ein Gastspiel gibt. Auch was sich um Steve Coleman herum im elektrischen Jazz zu entwickeln beginnt, oder um John Zorn, findet völlig ohne jede personelle oder konzeptionelle Verbindungen statt. Er ist also von den drei neuen Innovationszentren des elektrischen Jazz in den USA erstmals völlig abgeschnitten und rekrutiert seine Musiker stattdessen eher aus dem konventionellen Fusion-Bereich, wenn auch hier sicherlich mit sicherem Gespür die fähigsten, in diesem Feld noch relativ einfallsreichsten, wie Mike Stern, Marcus Miller, Bill Evans und etwas älter und eigenständiger, John Scofield. Die Sachen, aus der "We want Miles"-Phase haben dennoch ihr eigenes Profil und sind sehr lebendig. Ich mag sie durchaus, aber in dem Maße, wie Miles seinen Musikern, vor allem Marcus Miller die Konzeption immer weiter überläßt, wird es immer konventioneller. Denn Miller ist zwar ein in der Tat vorzüglicher E-Bassist, aber alles andere als einfallsreich und originell. "Tutu" und alles, was danach kam, wurde dann zwar wieder sehr erfolgreich, aber musikalisch halte ich es auch für ziemlich belanglos.

    Weitere Teile der Diskussion möchte ich an passender Stelle verwenden, da es sich um aussagen zu Aufnahmetechnik und europäischen Aspekten des Jazzrock handelt.

    Grüße
    Achim

  • RE: Stile des Jazz - Fusion/Jazzrock/Rockjazz

    Gerade “Bitches Brew” ist das plakative Aushängeschild des frühen Rockjazz, fälschlicherweise wird die Platte immer wieder als die erste Jazzrockplatte genannt, was aber eben nicht der Wahrheit entspricht.

    Ich bin vielleicht ein bissel blöde, aber so ganz schlau will ich daraus nicht werden: ist Bitches Brew jetzt ein Jazzrock-Album (für das es offensichtlich gemeinhin gehalten wird) oder ist es - wie du schreibst - eine Rockjazzplatte?
    Wenn Deine Unterscheidung von Rockjazz einerseits und Jazzrock andererseits korrekt ist, müsste Bitches Brew ein Jazzrock-Album sein, weil eigentlich alle beteiligten Musikusse vom Jazz her kamen ...

    ?(

    Grade mal verwirrt,
    Algabal

    der Bitches Brew noch nie mochte ...

    Keine Angst vor der Kultur - es ist nur noch ein Gramm da.

  • Grade mal verwirrt...

    Ich glaube, Achim wollte hier keine Differenzierung von Rockjazz und Jazzrock aufmachen. :D
    Wie soll das denn auch gehen?

    Ihm ging es nach meinem Verständnis lediglich darum, dass "Bitches Brew" halt nicht die erste Platte war, die Jazz und Rock miteinander in Einklang gebracht hat. Und das stimmt ja auch. Das hat schließlich Miles Davis selbst bereits vorher bewerkstelligt, von anderen Musikern ganz zu schweigen.

    LG
    C.

    „Beim Minigolf lernte ich, wie man mit Anstand verliert.“ (Element of Crime)

  • Ich glaube, Achim wollte hier keine Differenzierung von Rockjazz und Jazzrock aufmachen. :D
    Wie soll das denn auch gehen?

    Ihm ging es nach meinem Verständnis lediglich darum, dass "Bitches Brew" halt nicht die erste Platte war, die Jazz und Rock miteinander in Einklang gebracht hat. Und das stimmt ja auch. Das hat schließlich Miles Davis selbst bereits vorher bewerkstelligt, von anderen Musikern ganz zu schweigen.

    LG
    C.

    Danke Carsten, Schreibfehler !
    Diese, ehrlich gesagt, blöde Unterscheidung, verwirrt mehr, als dass sie klärt X( .


    Grüße
    Achim

  • Hallo Achim,

    schön, dass du die Return to Rorever - Comeback-CD erwähnt hast. Mit ihr knüpfen sie an beste alte Zeiten an.

    Noch besser gefällt mir die Live-Version:

    Live waren sie für meinen Geschmack immer am besten, denn alle sind ausgezeichnete Solisten und die ausgetüftelten Kompositionen gewinnen enorm an Lebendigkeit, wenn in ihnen Räume eröffnet werden, dies ausgiebig zeigen zu können, wie es hier geschickt gelungen ist. Höhepunkt ihrer alten CDs war daher diese für mich, die ursprünglich als 3er-LP erschienen war, bevor sie zunächst gekürzt als Doppel-CD, dann auch vollständig auf CD erschien und die vollständige Fassung lohnt schon sehr alleine schon wegen dem ca. 20-minütigen genialen Kontrabass-Solo Stanley Clarkes. Sehr schön auch, wie es ihnen für diese Aufnahme gelang, satte BRass-Rock-Bläsersätze zu integrieren, die in Coreas Stücken mit spanischem Touch auch mal etwas Salsa und sogar Mariachi-Bläser anklingen lassen dürfen.


    Dennoch ist auch die neue Studio-Version sehr gut, mindestens auf dem Niveau von "Romantic Warrior" und viel besser als fast alles, was sie einzeln nach der Return to Forever-Zeit im Jazz-Rock gemacht haben, was für mich meist sehr unersprießlich war, denn zumeist aseptisch klingend, von Synthesizern und Keyboards in 0815-Sounds überladen und musikalisch zu sehr vorhersagbar ohne jede Überraschungsmomente, für mich daher ohne jede Spannung, selbst dort, wo die Drums oder E.Bass-Grooves mal an sich gar nicht schlecht sind.

    Ganz furchtbar sind hier etwa für mich alle Aufnahmen von Chick Coreas Electric Band, die trotz stets sehr guter Musiker auch stets völlig aseptisch klingen. Auf einigen von ihnen kommt noch penetranteste Werbung für Scientology hinzu. Der absolute Tiefpunkt an abgeschmackter Scheußlichkeit in jeglicher Hinsicht war mit diesem Machwerk erreicht:

    Die Programmmusik zu irgendeiner abstrusen Story des Scientology-Gründers Hubbard, auf den sich im Beihefts seitenlange Lobhudeleien finden - jetzt bräuchte ich doch das Kübelkotz-Smilie -, scheint mir sehr bemüht, sich mimetisch an Gema-freie "Hintergrundmusik" für einen ganz schlechten SF-Film nicht einmal der C-Kategorie anzupassen.

    :wink: Matthias

  • :wink:

    Noch ein kurzer Einwurf zu den Alben vor "In a silent way" und "Bitches Brew". Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah: "Miles in the sky". Vor allem die erste Seite mit "Stuff" und "Paraphernalia" gibt schon Hinweise auf das, was danach kam. Übrigens auch schon mit E-Gitarre. War aber dieser unmusikalische Typ. ;+)

    Gruß, Frank

    Gruß, Frank

    Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu.

  • Noch ein kurzer Einwurf zu den Alben vor "In a silent way" und "Bitches Brew". Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah: "Miles in the sky". Vor allem die erste Seite mit "Stuff" und "Paraphernalia" gibt schon Hinweise auf das, was danach kam.

    Stimmt, sehe ich auch so. Überhaupt auch eine sehr gute Scheibe.

    Ich habe jedoch gerade von John McLaughlin diese von 1997 gehört, die ich mir ausgeliehen habe:

    Diese könnte besser sein als manches andere, was seit langem Fusion ist, denn die Stücke sind nicht so ganz vohersehbar, wie so oft beim Fusion, und könnten genug Raum zur Improvisation lassen, wenn da nicht Jim Beard wäre, zu dem ich noch komme. Dennis Chambers (dr) und Matthew Garrison (e-b, fretless e-b) sind ausgezeichnet, besonders bei track 3 mit gleich zwei kurzen, aber feinen Soli von Garrison und verstehen es, brodelnde intelligente Grooves aufzubauen. Auch McLaughlin zeigt nicht nur, dass er immer noch der schnellste Gitarrist der Welt ist, sondern spielt gute und sehr gut passende Soli, nur leider in für meinen Geschmack scheußlichen, mit Midi-Computer verfremdeten Sounds, die seiner E-Gitarre jeden druckvollen Klang nehmen, sie flach und synthtisch klingen läßt, was mir völlig den Spaß nimmt. Noch schlimmer aber ist, das hier Jim Beard mitmischt und wo der oder seine musikalischen Drillingsbrüder Dave Grusin und Don Grolnik oder ihre unendlich vielen Ziehkinder an den Synthesizern und Keyboards mitmischen, ist jede Scheibe für die Tonne hingerichtet. Jeden guten Groove, den Chambers und Garrison aufbauen, schwallt Beard wieder zu und kaputt, selbst wo er sich ans akustische Piano setzt, kommt nur 0815-langweilig dahingeperltes, das aber dicht und allen anderen den Raum nehmend. Seine Sounds an Synthesizern und Keyboards sind immer genau die, die man auf Millionen Fusion -Alben hören, kann, wie auch bei Hintergrund-Musik und Reklame-Aufnahmen, Nach jedem zweiten Ton von ihm, weiß ich genau, welche dann kommen werden. Beard ist zuverlässig, enttäuscht mich nie. Dafür ist er überall, drückt alles andere an den Rand und ist auch noch viel zu laut und dominant abgemischt. Gary Thomas, den ich sehr schätze und der genau der richtige Gitarrist wäre, mit Chamber und Garrison prächtig kraftvoll zu interagieren, bekommt so überhaupt keinen Raum, sich solistisch zu entfalten und wo er es mal versuchen darf, wird das vom Tastenheini zugeschwallt und noch überdeckt. Auch McLaughlin geht auf Thomas nicht ein. So bleibt Thomas ein Fremdkörper auf dieser CD.

    Diese CD machte 1997 so noch einmal gut klar, woran sehr wesentlich der alte Jazz-Rock ca. ab 1975 weitgehend komplett zugrunde ging. Wieso durften die Jim Beard, Dave Grusin, Don Grolnik, Bob James ....das? Wieso werden die und ihre Brut weiterhin von fähigen Musikern hinzugezogen, um ihre Aufnahmen hinzurichten? Okay, die genannten sind auch Produzenten, extrem einflußreich mit besten Kontakten in den Konzernen und finanziellen Beteiligungen an Agenturen und Produktionsfirmen und gutem Draht zu den Radio-Stationen, die lange eine scheinbar unendliche Nachfrage nach Smooth-Jazz garantierten. Aber wieso zieht ein McLaughlin diesen Beard hinzu, wenn er ein Album machen will, dass von der Konzeption der Stücke eher an dem orientiert ist, mit dem John Scofield oder Medeski, Martin & Wood und einige andere ab den 80er den Jazz-Rock gekonnt wiederbelebten? Wieso gleicht sich ein Chick Corea, der es auch auf den Keyboards bei Return to Forever mal anders konnte und beim Return to Forever Comeback gezeigt hat, dass er es auch immer noch kann, auf seinen Electric Band- Aufnahmen mimetisch diesen Tastenquäler-Alles-zu-und-kaputt-Waberern, diesen Anti-Musikern an?

    Übrigens hat auch McLaughlin hier mit Corea noch einmal guten Jazzrock im Stil der besseren Zeiten des älteren Jazz-Rocks abgeliefert:

    Vielleicht nicht ganz so gut, wie das vor allem nostalgische Return to Forever - Comeback, aber dafür gelingt hier, was auf der oben besprochenen McLaughlin-CD scheiterte, nostalgisch alten Früh-70er Jazz-Rock aus der kreativen Anfangszeit mit Formen des aktuellen elektrischen Jazz zu verbinden und zu erneuern, zu dem Corea und McLaughlin selbst schon sehr lange nichts kreatives mehr beizusteuern hatten. Zum Gelingen tragen hier wesentlich Kenny Garrett (as), Christian McBride (b), sowie abwechselnd Vinnie Colaiuta und Brian Blade (dr) bei.

    Demnächst hier auch mal mehr zu den wirklich großen Platten McLaughlins und das waren für mich vor allem die der Zeit noch vor seinem Mahavishnu Orchestra, die mit John Surman, Dave Holland und Tony Oxley und mit Tony Williams und Larry Young.

    :wink: Matthias

  • Die einzige LP von Mogul Trash, im Juli 1970 aufgenommen, 1971 bei RCA erschienen, ist 2011 bei Flawed Gems in Malmö, Schweden wiedererschienen. (Bei jpc zu bekommen, aber ohne Abbildung.

    1999 war schon mal eine CD-Reissue bei Blueprint eschienen, die man gelegtlich noch gebraucht sieht:

    Flawed Gems haben jetzt aber nicht nur liebevoll die Originalcover abdruckt, sondern auch die beiden Songs der einzigen Single der Band von 1970 (in Mono) und 5 lange Songs aus bislang unveröffentlichten BBC-Sessions von Januar und April 1970 dazugepackt, die sich ausgesprochen lohnen.

    Für Freunde des frühen britischen Jazz-Rock und Brass-Rock ist das ein Fest, denn Mogul Trash gehörten mit zum Besten, was damals in dieser Art im UK herauskam. Freunde der frühen Colosseum oder von If werden hier ihren Spaß haben. Mogul Trash waren sehr ähnlich und ebenso gut, jedoch, was die Gitarren angeht, deutlich härter, eine Art Proto-Hardrock/Metal, und durch Overdubs/Mellotron der eigentlich nur 3 Bläser auch noch kräftiger, beides ähnlich wie bei der noch unbekannteren, aber absolut herausragenden Band Heaven, die auch nur ein Album, jedoch eine Doppel-LP, 1970 herausgebracht haben. Auch wer Free Orbit und Emergency, beide mit Udo Lindenberg als Drummer, oder die frühen Chicago, Blood, Sweet &Tears oder Electric Flag u.ä. mag, wird an Mogul Trash wohl gefallen finden.

    Ist die Band wohl auch nur noch besonderen Fans dieser damaligen Szene bekannt, die Musiker vielleicht nicht nur. Denn James Litherland (g, voc) hatte Colosseum mitbegründet, John Wetton (e-b, g, voc) kam von Splinter, wurden dann schon 1971 von Family abgeworben, woraufhin sich Mogul Trash auflöste, und kam schließlich zu King Crimson, und Malcom Duncan (ts) und Roger Ball (as, bs, ss, brass-arr.) sorgten als "The Dundee Horns" auf diversen brit. Rock- und Pop-Lps der Zeit für kräftige Brassattacken, bei Mogul Trash durften sie aber auch zeigen, was für gute Solisten sie waren. Beide landeten schließlich bei der Average White Band. Außerdem waren mit dabei Michael Rosen (tp, Mellophon, mellotron, g), Bill Harrison (dr) und auf einigen Stücken kein geringerer als Brian Auger am, sehr zurückhaltend gespielten, E-Piano als Special Guest. Es dominieren aber immer die Kombination harte Gitarren und kräftige Bläser zu typischen sehr groovigen E-Bass-Umspielungen, ähnlich wie von Jack Bruce bei Cream und einem kräftigen, guten Schlagzeug, etwas ähnlich wie bei Vanilla Fudge.

    :wink: Matthias

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