Charles Mingus - Höhepunkte seiner Discografie - empfehlenswerte Boxen

  • Gibt es irgendeinen Grund, weshalb uns ge-stell in mehreren Jazz-Threads plötzlich kommentarlos Covers von Jazz-Alben präsentiert?

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)

  • Gibt es irgendeinen Grund, weshalb uns ge-stell in mehreren Jazz-Threads plötzlich kommentarlos Covers von Jazz-Alben präsentiert?

    "Nur die wahren Meister des Stils schaffen es, stets geheimnisvoll zu bleiben". (Oscar Wilde) :wacko:

    “I think God, in creating man, somewhat overestimated his ability."
    Oscar Wilde

  • Dieser Thread befasst sich mit Charles Mingus, allerdings nur mit seiner Diskografie. Aber ich hoffe, ich darf trotzdem zwei Bücher von bzw. über Charles Mingus ansprechen: Zum einen seine Autobiografie

    und zum anderen das Buch seiner Witwe Sue Graham Mingus, betitelt "Tonight At Noon - Eine Liebesgeschichte"

    Ich frage mich gerade, ob ich diese beiden Wälzer, die jeweils seit ziemlich genau 10 Jahren völlig unangerührt in meinen Bücherregalen sind, irgendwann mal lesen werde. Mingus war ein bedeutender Musiker, keine Frage, ohne dass ich jetzt ein Riesen-Fan von ihm bin. Da gibt es bei mir mindestens 25 andere Jazzmusiker, die mir - ganz persönlich, aus meiner völlig subjektiven Wahrnehmung heraus - weitaus näher sind. Aber natürlich habe ich eine ganze Reihe von Mingus-CDs in meinem Bestand. Das Oreos-Werk von Horst Weber/Gerd Filtgen ("Charles Mingus. Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten") ist somit natürlich ein unentbehrlicher Ratgeber für mich. Nur: Braucht man daneben auch noch die anderen beiden oben abgebildeten Bücher? Zumal seine Autobiografie, was man so hört, von Übertreibungen und Verdrehungen der Wahrheit nur so wimmeln soll (dies wird sogar im Nachwort der oben abgebildeten Nautilus-Edition angedeutet). Ganz abgesehen davon, dass er sich selbstgefällig als superpotenten Helden mit einem Penis (Originalzitat) "so groß wie eine Salami" beschreibt. Gleich zu Beginn der Autobiografie (a.a.O. S. 6) findet sich z.B. folgende Mingus-Schilderung: "Ich bin mehr ein Mann als irgendein dreckiger weißer Schwanzlutscher. Ich habe dreiundzwanzig Mädchen in einer Nacht gebumst, inklusive der Frau vom Chef (...) es war besser, als ich es mir selbst gemacht hatte, als mit diesen dreiundzwanzig Hühnerarschnutten zusammen". Vergleichbare Passagen findet man über das gesamte Buch verstreut. Ja, soll ich jetzt bei Ausführungen auf diesem Niveau weiterlesen? Das Werk seiner Witwe ist deswegen vielleicht fast sogar interessanter: Das ist jedenfalls mein bisheriger Eindruck beim Querlesen der beiden Bücher heute Abend.

    Wie ist Eure Meinung zu dem, was Mingus selbst bzw. seine Witwe als Buchautoren abgeliefert haben?

    Er selbst nannte die 1957 für RCA gemachten Tijuana Moods eine seiner besten Platten.

    Sein Ausspruch "Dies ist die beste Schallplatte, die ich jemals gemacht habe", erfolgte direkt nach den Aufnahmen vom 18. Juli und 6. August 1957 (vgl. Horst Weber/Gerd Filtgen, a.a.O. S. 101). Er sollte daher nicht überbewertet werden. Mingus kannte ja schließlich all seine späteren Aufnahmen damals noch nicht. Die späteren Werke "East Coasting" (mit der Rhythmusgruppe Bill Evans :juhu: - Charles Mingus - Dannie Richmond) und "Mingus Ah Um" sind nach meinem persönlichen Geschmack weitaus höher einzuschätzen, ebenso das 1962er Blue Note-Album "Money Jungle" mit Duke Ellington und Max Roach im Trio. Aber gut ist "Tijuana Moods" zweifellos. Sogar sehr, sehr gut.

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)

  • Hier wurde also vor langer Zeit mal ein Mingus-Thread eröffnet, der einfach eines Charles Mingus von Anfang an nicht wirklich würdig ist. Keinerlei Einleitung zu ihm, einfach lieblos Bildchen gepostet. Zum Glück haben sich einige User dazu sehr kompetent geäußert, und auch entsprechend etwas geschrieben, aber es fehlen doch einige elementare Dinge.

    Charles Mingus wurde am 22.April 1922 in Nogales/Arizona geboren, einer Militärbasis der US-Streitkräfte. Gestorben ist er dann am 05.Januar 1979 in Cuarnavaca/Mexiko. Sein Geburtsort passt so überhaupt nicht zu dem späteren "Freiheitskämpfer" Mingus, aber sein Vater war nun einmal bei der Army gewesen. Die ganze Familiengeschichte ist reichlich kompliziert, so wie Mingus es später als mensch auch werden würde.

    Der frühe der Tod der Mutter, und der Dienst des Vaters in der Armee, wurde er bereits früh vernachlässigt. Als Kind versuchte er sich zuerst an der Posaune und Flöte, bevor er mit neun Jahren zum Cello kam. Ebenso erhielt er Klavierunterricht.

    Britt Woodman, ein Altersgenosse des jungen Charles, nahm ihn zu einem Konzert der Ellington-Band mit, was ihn tief bewegte. Woodman sollte später, wie auch Mingus, sowohl mit Lionel Hampton, als auch Duke Ellington spielen. Ebenfalls wurde er zu Platteneinspielungen von Mingus herangezogen.Ebenso großen Eindruck hinterließ beim jungen Mingus der Gospel-Gottesdienst an jedem Sonntag.

    1938 begann Mingus bei dem großen Bassisten Red Callender Bass zu lernen. Er nahm Klavier, Harmonie-und Theorie-Unterricht, so dass er eine gute Ausbildung hatte, bevor er seine ersten guten Jobs bekam. Jimmy Blanton war der größte Einfluss auf sein Bass-Spiel gewesen.

    1940 spielte er in der Band von Al Adams, in der auch spätere Kollegen wie Dexter Gordon, Ernie Royal, Jackie Kelso oder Chico Hamilton spielten und mit Lee Young. 1941 spielte er kurzzeitig mit Barney Bigard, 1942 mit Louis Armstrong und Kid Ory. Er lernte also wirklich den Jazz von Anfang an, konnte dementsprechend auf die ganze Tradition zurückblicken. Anschließend mit Alvino Rey, Illinois Jacquet und Dinah Washington.

    Diverse Lexika geben an, dass er von 1946-1948 bei Lionel Hampton spielte. Mir ist nur das Jahr 1947 bekannt. Da schrieb er auch seine Komposition "Mingus Finger's", einem reinen Bop-Stück, mit Fats Navarro und dann Kenny Dorham als Trompetensolisten, sowie ihm selbst am Bass.

    Nach einer Zeit bei der Post wurde er von 1950-1951 bei Red Norvo im Trio bekannt. Anschließend wirkte er bei Billy Taylor, Charlie Parker, Art Tatum, Bud Powell und 1953 kurz bei Duke Ellington. 1953 fand das heute legendäre Massey Hall-Konzert 1953 mit Dizzy Gillespie, Charlie Parker, Bud Powell und Max Roach.

    In dieser Zeit spielte er auch Platten mit Miles Davis, Stan Getz, J.J.Johnson und Thad Jones ein.

    Etwa 1955 gründete er eine Workshop mit u.a. John La Porta, Teddy Charles und Teo Macero. Ab 1956 spielte er die ersten wichtigen Platten ein, die hier ja auch bereits genannt wurden: "Easy Coasting", "The Clown", "Blues and Roots", "Mingus Ah Um","Oh,Yeah!!", "Mingus Dynasty","Pre Bird" u.v.m. entstanden.

    Seine Bands hatten immer wechselnde Besetzungen und Größen, seine Zusammenstellungen waren eine Mischung aus Quintett und Bigband, manchmal ohne Trompete, oftmals mit zwei Posaunisten, die stilistisch völlig verschieden waren, dazu mal eins, mal zwei oder drei Saxophone. Zwei Eckpfeiler waren der Pianist Jaki Byard, der ein ebenso breites Spektrum an musikalischen Stilen in seinem Spiel vereinte und der Drummer Danny Richmond, der die Bands überhaupt erst zusammenhalten konnte.

    Weitere Platten waren "Mingus Plays Piano", "Charles Mingus presents Charles Mingus",§Mingus","Tonight at Noon", "Mingus in Antibes", "Town Hall Concert", "the Black Saint and the Sinner Lady", "Mingus,Mingus,Mingus", "Mingus at Town Hall with Eric Dolphy", "the Great Concert of Charles Mingus", "Mingus in Europe, Vol.1","Mingus in Europe, Vol.2" oder "Mingus at Monterey" entstanden in recht kurzer Zeit von 1960-1964.

    Dann war die Kraft von Mingus aufgebraucht, und er zog sich viele Jahre zurück. Erst 1970 kam er mit "Pithycanthropus Erectus" zurück auf die Szene. Erneut spielten Musiker mit ihm, die er bereits früher hatte: Eddie Preston an der Trompete, Charles McPherson am Altsax, Jaki Byard am Klavier udn Danny Richmond an den Drums. Dazu gesellte sich Bobby Jones am Tenorsax, der schon lange auf der Szene war, und dabei auch in zahlreichen bekannten Bands spielte, aber erst bei Mingus seinen Durchbruch erleben sollte.

    Kurz darauf wurden "Blue Bird", "Charles Mingus with Orchestra" und "Let my Children Hear Music" schlossen sich schnell an. 1972 erfolgte dann "Charles Mingus and Friends in Concert", 1973 "Mingus Moves", 1974 "Mingus at Carnegie Hall".

    Anschließend begann dann die Zusammenarbeit mit dem Trompeter Jack Walrath, und damit die letzte Band von Mingus. So entstand Ende 1974 "Changes One" und "Changes Two". Nach einer weiteren Pause von ca. zweieinhalb Jahren ging er erst wieder 1977 ins Studio. Dieses Mal kam die Platte "Three or Four of Blues" heraus, nun mit einer erneut ungewöhnlichen Besetzung, so waren gleich drei Gitarristen mit dabei (immerhin waren das Philippe Catherine, Larry Coryell und John Scofield).

    Die letzte EInspielung mit eigener Band sollte "Cumbia & Jazz Fusion" werden, die 1976 und 1977 im Auftra des Filmproduzenten Daniel Senatore entstand. 1977 war er dann nochmals mit seinem alten Boss Lionel Hampton im Studio. Allerdings wurde die Platte "Lionel Hampton presents the Music of Charles Mingus" kein würdiger Abschluss der Karriere von ihm. Dazu waren die Arrangements von Paul Jeffrey einfach zu schwach.

    Nach einer Auflistung einiger hier noch nicht genannter Einspielungen, möchte ich auf die zwei Einspielungen eingehen, die ich hier erwähnt habe. Die Trio-Einspielungen mit Red Norvo und Tal Farlow gelten als die ersten modernen Trio-Einspielungen abseits jener von Nat King Cole. Ebenso setzte die Einspielung mit Duke Ellington und Max Roach Meilensteine, obwohl die Session fast geplatzt wäre, weil Mingus zunächst mit Max Roach nicht spielen konnte oder wollte. Doch der Duke konnte mit seinem Charme ihn überreden weiterzumachen, und so entstand eine tolle Platte, die man sich unebdingt anhören sollte.

    Den Stil von Charles Mingus treffend zu beschreiben, ist nicht einfach, und würde ihm vermutlich nie gerecht werden. Trotzdem versuche ich es einmal; Es ist einer Verbindung des traditionellen Kollektivspiels, Swing, Duke Ellington, Bop und Gospel zu einem letztendlich völlig eigenen Stil, der später durch Eric Dolphy bis in den Freejazz hinein grenzte. Dazu kommt die ganze Persönlichkeit von Mingus selbst, und natürlich auch sein Bass-Spiel und der Zusammenhalt des Ganzen durch Drummer Danny Richmond.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Charles Mingus scheint ja kein einfacher Zeitgenosse gewesen zu sein:

    https://www.jazzzeitung.de/jazz/2002/07/dossier-mingus.shtml

    :S

    Ich habe neulich allerdings mal das ein oder andere von ihm (auf Youtube) gehört u. teilweise auch "gesehen". Ich dachte bis vor wenigen Tagen noch, er hätte nur Bass gespielt. :schaem1: Bin jedenfalls begeistert von dem, was ich gehört habe. :thumbup: Kam über Eric Dolphy auf ihn. Bin ja noch eine Jazz-"Newbie" ...

    Jedenfalls muss ich mich nun mal etwas näher mit ihm beschäftigen ...

    "Welche Büste soll ich aufs Klavier stellen: Beethoven oder Mozart?" "Beethoven, der war taub!" (Igor Fjodorowitsch Strawinsky)



  • Ich habe neulich allerdings mal das ein oder andere von ihm (auf Youtube) gehört u. teilweise auch "gesehen". Ich dachte bis vor wenigen Tagen noch, er hätte nur Bass gespielt. Bin jedenfalls begeistert von dem, was ich gehört habe. Kam über Eric Dolphy auf ihn. Bin ja noch eine Jazz-"Newbie" ...

    Charles Mingus gehörte zu jenen Musikern, die die Geschichte des Jazz wirklich noch von New Orleans aus gelernt hat. Er spielte einerseits mit Kid Ory, Louis Armstrong und Barney Bigard den traditionellen Jazz als blutjunger Musiker, spielte auch mit Illinois Jacquet, Lee Young (Lester Youngs Bruder), machte 1945 seine ersten eigenen Aufnahmen.

    1947 wirkte in der Bigband Lionel Hamptons mit (als Komponist etwa von "Mingus Fingu's" - auch sehr oft "Mingus Finger's geschrieben, was auch den Trompeter Kenny Dorham herausgestellt hat, der zufällig zur gleichen Zeit in der Band saß), aber eben auch als Bassist dort wichtige Impulse gab. Hampton spielte dann einige Zeit mit gleich ZWEI (!!) Bässen (Joe Comfort, Charlie Harris; Comfort wurde dann viele Jahre der Bassist von Nat King Cole übrigens), 1950/51 spielte er kammermusikalsichen Jazz im Red Norvo-Trio (mit dem legendären Gitarristen Tal Farlow zusammen), dann leitete er eigene Bands und war im Workshop von Teo Macero zu hören.

    1951 kam es zu Begegnungen mit Miles Davis und Charlie Parker, 1953 spielte er im legendären Massey Hall-Concert mit Dizzy Gillespie, Charlie Parker, Bud Powell und Max Roach, 1954 wirkte er kurze Zeit bei Duke Ellington mit (Wikipedia schreibt 1951, doch dafür habe ich keinerlei Besetzungsangeben im Timner und anderen Discographien gefunden) und ab ca. 1955 begann er, sich durch eigene Produktionen einen Namen zu machen.

    https://www.youtube.com/watch?v=j9tG-lCorjs
    "Mingus Finger's" von 1947

    https://www.youtube.com/watch?v=abWgPOLzOQ4

    Hier aus seiner Zeit 1945-1949

    https://www.youtube.com/watch?v=MRJr7Zc0XW0

    Hier mit dem Trio um Red Norvo (Vibes), Tal Farlow (Gitarre) und Charles am Bass

    https://www.youtube.com/watch?v=6MSLq-ULPBo

    Hier eines seiner legendären Alben: Pithecanthropus Errectus von 1956 mit Jackie McLean und Mal Waldron, aber noch ohne seinen kurze spät in die Band kommenden Drummer Danny Richmond, der bis 1964 mit ihm spielen sollte.

    Es folgten dann "The Clown", "Ah! Um !", "Mingus Dynasty", usw. Nach seinem Tode spielte dann eine Band aus ehemaligen Mitgleidern unter dem Namen "Mingus Dynasty" weiter. Das mal so grob geschildert die ersten Jahre.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

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