VERDI: Rigoletto – Welche Einspielungen sind die besten?

  • Live-Mitschnitt Mexico 1952, URANIA 2002 (auch bei anderen Labels erschienen, die technische Qualität kann ich aber nur anhand dieser Version beurteilen)

    Wie ein Gruß aus längst vergangener Zeit sozusagen. Stilistisch ebenso eindrucksvoll wie veraltet. Das beginnt mit den zahmen Tempi, die Umberto Mugnai mit dem Orchester des Palacio de bella artes vorgibt. Er tut das sehr konsequent und versteht sich durchaus auf eine quasi langsame Art der Dramatik; wir sind dieser Manier nur ziemlich entfremdet, sodaß man sich erst daran gewöhnen muß.
    Den Rigoletto singt der fast total vergessene Piero Campolonghi mit großartiger Stimme, viel Musikalität, enormer Wortdeutlichkeit, bemüht um absolute Klangschönheit. Was er singt, bleibt dafür zweitrangig. Dramatische Charakterisierung fehlt nicht, ist aber eindeutig zweitrangig. Trotzdem, er packt. Auch wenn man heute die Rolle ganz anders auffaßt, als künstlerische Leistung bleibt das hervorragend.
    Giuseppe di Stefano war damals voll bei Stimme. Er läßt das total hören, ist auch mehr auf effektvolle Töne aus als auf differenzierten Ausdruck. Aber genau das wollte das Publikum damals offenbar haben, auf das recht effekthascherische "La donna è mobile" hin erzwingt es sogar eine Kurzwiederholung. Als tenorales Kunststück ist die Partie, so gesungen, eine Ohrenweide, aber natürlich mit den "Unarten" eines Startenors, der artifiziell Töne aushält , mit Volumen und Wärme beeindruckt - nicht wie ein "Fiorito", sondern wie ein romantischer Liebhaber à la Verdi bei oberflächlicher Interpretation und sich den Teufel darum scherend, was eigentlich in diesem Duca steckt. Beim Hören schwankte ich zwischen Bewunderung und Befremden. Aber gehört sollte man das haben.
    Der Callas fehlt diesmal für die Gilda das Lyrische, Zarte, sie überzeugt daher vor allem im Schlußakt, obwohl sie bravourös singt. Mit den Spitzentönen hat sie freilich ihre bekannten Schwierigkeiten - so wie der an sich prachtvoll pechschwarze Ignacio Ruffino als Sparafucile beim tiefsten Ton ein bißchen verhungert.
    Da es sich insgesamt um eine sehr homogene Aufführung handelt, ist sie als historisches Dokument absolut hörenswert. Beinträchtigt wird sie in technischer Hinsicht durch Rauschen und Kratzen (nicht allzusehr, sieht man vom teilweise mißglückten dritten Akt ab), mehr jedoch durch den eifrigen Souffleur, der leider nicht zu überhören ist. Die Stimmen kommen aber an sich überwiegend sehr gut heraus.

    Liebe Grüße

    Waldi

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    Homo sum, ergo inscius.

  • 28.12.1935 - MET – Ettore Panizza – Tibbett, Pons, Jagel, Lazzari, Olheim


    Die älteste Rigoletto-Aufnahme aus der MET hat leider nicht vollständig überlebt. Ein Großteil der zweiten Szene des ersten Akts (insgesamt fast 35 Minuten) ist verloren gegangen bzw. nur im stark verzerrten Zustand erhalten geblieben. Naxos hat sich für die oben abgebildete Veröffentlichung ab Rigolettos "Pari siamo!" bis zum Ende des Akts aus der fast identisch besetzten Aufnahme von 1939 (Papi statt Panizza, Kiepura statt Jagel) bedient.

    Allerdings führt die Aufzeichnung mit Lawrence Tibbett auch gleich in die verbreiterte Spitze der Interpreten der Titelrolle, so jedenfalls meine Meinung. Hinsichtlich der Gestaltung der Partie hat man aber beim Vergleich mit seinem zweiten, 1939 mitgeschnittenen Rigoletto ein wenig das Gefühl, dass sich Tibbett 1935 noch im Erprobungsstadium befunden hat. So macht er im ersten Bild kaum etwas aus dem Spott für Ceprano und Monterone; er hat nichts Hämisches in der Stimme, daran ändern auch zahlreiche eingebaute Lacher nichts. Bei dem unbequem liegenden "Cortigiani, vil razza dannata" zeigt Tibbett viel von seiner prachtvolle Stimme, aber kaum mehr. Im darauf folgenden Duett mit Gilda singt er mehr als einmal zu tief. Gut ist dann allerdings der letzte Akt. Im Finale kann man bei Tibbett Fassungslosigkeit und Verzweiflung ohne jede Weinerlichkeit erleben. Im Ganzen hat man hier sozusagen die Beta-Version von Tibbetts Rigoletto; die nur vier Jahre jüngere Aufnahme ist, was Tibbett angeht, deutlich besser.

    Als Gilda steht Tibbett Lily Pons zur Seite, eine der Koloratursängerinnen, deren Kunst man oft als virtuoses, aber langweiliges Gezwitscher diskreditiert hat. Im Falle von Pons hat die Polemik meines Erachtens einen wahren Kern, auch wenn man das in dieser Aufnahme nicht allzu sehr überprüfen kann; ihr "Caro nome" aus dem Jahr 1935 ist ja anscheinend nicht erhalten. "Tutte le feste" ist allerdings recht schön.

    Frederick Jagel war wohl das, was damals an der MET als Haustenor erster Klasse galt: konnte alles singen und sang in fast 25 Jahren auch alles Mögliche an diesem Haus, nämlich vor allem dann, wenn gerade niemand besseres Zeit hatte. Ganz egal ob Tristan oder Turiddu, Aegisth oder Alfredo – warum nicht also auch den Duca? Jagel hatte zwar durchaus ein respektables Niveau, wirklich gelungen ist sein Herzog aber nicht. Der Amerikaner präsentiert eher einen Arbeiter als einen Aristokraten. Bei "Questa o quella" hilft Panizza mit einem eher langsamen Tempo, aber die Arie hat bei Jagel zu viel Erdenschwere; hier fehlt das Leichte, Tänzerische. Ohnehin wirkt der Tenor ein wenig plump und singt fast immer mit Einheitslautstärke. Im letzten Akt fallen einige forcierte Töne auf. Hinzu kommt, dass er sich zwar an Verzierungen versucht, aber regelmäßig auf ausgesprochen hölzerne Weise scheitert. Dass in der zweiten Szene des ersten Akts Jan Kiepura zugespielt wird, stellt allerdings so etwas wie eine Ehrenrettung für Jagel dar, da der Pole eindrucksvoll beweist, dass es tatsächlich noch erheblich schlechter geht.

    Sparafucile wird gesungen von Virgilio Lazzari, einem angemessen voluminösen Bass, dessen Tiefe aber nicht seine allerstärkste Seite ist. Mit der Maddalena von Helen Olheim kann ich gut leben; in der Gewitterszene geht sie aber fast zum Schreien oder Sprechen über.

    Ettore Panizza wählt eher bedächtige Tempi; z.B. beim Duett Rigoletto-Gilda im zweiten Akt ("Parla, siam soli" … "Piangi, fanciulla") habe ich mich ernsthaft gefragt, ob vielleicht die Aufnahme zu langsam läuft. Bei den meisten dramatischen Höhepunkten ist Panizza aber wieder präsent. Einige orchestrale Details werden wohl auch von dem relativ starken Rauschen der Aufnahme geschluckt worden sein.

  • 29.12.1945 – MET – Cesare Sodero – Warren, Sayão, Björling, Cordon, Lipton

    Die Aufnahme haben Calisto und Waldi bereits lobend erwähnt. Nach erneutem Hören stehe ich nicht an, das ebenfalls zu tun, denn gerade Leonard Warrens Rigoletto kann man eigentlich nicht oft genug loben. Noch mit Tibbett im Ohr, der diese Rolle fast genau zehn Jahre zuvor an gleicher Stelle sang, fällt bei Warren der etwas hellere, vibratoreichere Stimmklang auf. Die Stimme ist aber groß und kann richtig aufdrehen. Bei Warren hat Rigoletto vor allem zwei Eigenschaften: Er ist innerlich unsicher und wehleidig – der Narr als Mobbingopfer. Als Sänger hat Warren eine etwas breitere Ausdruckspalette als Tibbett. Wo jener bei seinem Auftritt "Lalalala" im zweiten Akt eher traurig herüberkommt, klingt Warren bitter und bedrängt. Viel erreicht er in dieser Hinsicht durch die vielleicht nicht besonders idiomatische, aber sehr wirkungsvolle Betonung der Textzeilen unmittelbar vor "Cortigiani". Eindrucksvoll ist Warren auch, als Rigoletto erkennt, dass seine Tochter im Sack ist.

    Im Vergleich zu Pons ist Bidu Sayão für mich die interessantere Sängerin. Sie ist wohl kein reiner Koloratursopran und hat nicht diesen ganz klaren glockenhellen Gesangston. Sie kann zwar trillern und hat auch gute Läufe, aber "Caro nome" wirkt etwas unstet im Ton. Ich habe den Eindruck, dass Sayão sich hier etwas zurückhält. Was sie aber gegenüber vielen anderen Sängerinnen dieser Rolle auszeichnet, ist ihr dramatisches Verständnis, das "schmerzliche Wissen", wie Waldi es treffend genannt hat. So schrickt ihre Gilda zum Beispiel tatsächlich zusammen, als ihr zaghaft geäußerter Wunsch auszugehen von Rigoletto schroff abgebügelt wird. Zu jedem Zeitpunkt klingt Sayão grazil, aber doch weiblich. Darum habe ich sie in dieser Rolle auch sehr gerne, auch wenn man manchmal glaubt, eher eine Mimì als eine Gilda vor sich zu haben. Am Ende des "Sì, vendetta"-Duetts verzichtet Sayão auf den (nicht notierten) Spitzenton, Warren hingegen nicht auf seinen. Das passt nicht so recht; entweder beide oder keiner!

    Jussi Björling ist ein prächtiger Duca, der sich fast ein wenig zu sehr auf die brillante Strahlkraft seiner Stimme verlässt. Dennoch wird man an seinem Herzog kaum echte Kritikpunkte finden, allenfalls dass er im ersten Akt etwas zu laut singt. So schreit er Sayãos Gilda bei seinem Auftritt gegen Ende des ersten Akts ("T’amo!") derart zusammen, dass der Armen Hören und Sehen vergangen sein dürften. Björlings bravourös, aber nicht allzu differenziert gesungenen Herzog überzeugt mich dennoch; bei dieser fantastischen Stimmqualität kann das einfach kein ernsthafter Einwand sein.

    Norman Cordon ist ein recht guter Sparafucile; anders als Lazzrari kann er immerhin sein "Sparafucil'" auf "i" singen, ohne auf "e" oder "ö" ausweichen zu müssen. Wirkliche Bedrohlichkeit strahlt er aber nicht aus. Martha Lipton fügt sich als Maddalena unauffällig ins Ensemble ein.

    Am Pult des MET-Orchesters steht Cesare Sodero, der die Oper ziemlich geradlinig durchexerziert und mich damit leider nicht so ganz glücklich macht. Der ganze erste Akt läuft derart unflexibel durch, dass man eher eine Kapelle als ein Orchester zu hören vermeint. Wer mit einem soliden, unspektakulären Dirigat zufrieden ist, wird aber bedient.

  • 25.02.1956 – MET – Fausto Cleva – Warren, Peters, Tucker, Tozzi, Elias


    Noch elf Jahre nach dem Mitschnitt von 1945 war Warren an der MET als Rigoletto unangefochten, und dass er die Rolle bis ins Letzte verinnerlicht hat, ist auch in diesem Broadcast von 1956 zu hören. Warren ist sich seiner stimmlichen Möglichkeiten bewusst und verzichtet fast ganz auf das gelegentliche naturalistische Wimmern, das er noch gelegtentlich in der Aufführung von 1945 einsetzte. Besser gefällt er mir hier insbesondere bei seinem Auftritt im zweiten Akt, da er gegenüber den Höflingen zunächst noch versucht, die Maske des Spaßmachers aufzubehalten. Das folgende "Cortigiani"-Solo hat genau das richtige Maß an Pathos, zeigt aber auch Warrens meisterhafte Stimmbeherrschung, so zum Beispiel sein Diminuendo auf "tu taci". Auch nach mehr als 15 Jahren auf der Bühne der MET zeigt die Stimme keine echten Abnutzungserscheinungen oder Schwächen. Sie vibriert im Vergleich zu 1945 vielleicht etwas breiter. Die Höhe ist mühelos und brillant wie eh und je.

    Roberta Peters hat die Rolle der Gilda stimmlich und technisch im Griff, einschließlich der Koloraturen im "Caro nome", allein die letzten Triller klingen etwas halsig; den Schlusston lässt sie aber, wie in der Partitur gefordert, sehr schön mit einem Decrescendo ausklingen. Die Stimme ist etwas voluminöser als die von beispielsweise Pons, aber (mich) auch nicht so berührend wie andere Koloraturstimmen, was vielleicht auch daran liegt, dass bei Peters Gilda nicht nur keine Entwicklung durchmacht, sondern auch generell emotional unterbelichtet bleibt. Das beginnt schon im ersten Akt: In Peters’ Stimme schwingt kaum Überraschung mit beim Auftritt des Duca in der zweiten Szene des ersten Akts und auch wenig euphorische Verliebtheit im "Addio, addio", bevor der Liebhaber dann wieder abtritt. Aber gerade auch in der Schlussszene bleibt sie für meinen Geschmack etwas kühl. Schön gesungen ist es trotzdem.

    Als ich vor einigen Jahren die Aufnahme zum ersten Mal hörte, hatte ich den Duca von Richard Tucker gedanklich in die Kategorie "reichlich üppig" abgespeichert. Beim Wiederhören gefällt mir dieser gönnerhafte, saturierte Salonheld, zu dem Tucker seinen Duca macht, aber doch ziemlich gut. Wie bei den meisten stimmlich etwas schwereren Tenören ist es das erste Bild, das am wenigsten überzeugt. Das "Questa o quella" wirkt nicht ganz flüssig und ein wenig atemlos, andere Sänger, zum Beispiel auch Björling elf Jahre früher, haben das mit besserem Legato und doch gleichzeitig mehr federnder Leichtigkeit gesungen. Clevas zu schnelles Tempo mag aber auch eine Rolle gespielt haben. Dennoch zieht sich Tucker noch gut aus der Affäre, jedenfalls erheblich besser als Sänger wie Kiepura oder Jagel. Die Stimme ist durchaus beweglich. In den letzten beiden Akten trumpft er dann richtig auf: Seine Arie "Ella mi fu rapita" (Tucker singt etwas anderes; er war an dieser Stelle anscheinend nervös oder unkonzentriert) ist eine Demonstration stimmlicher Potenz, die Cabaletta "Possente amor" wurde jedoch mal wieder gestrichen. Auch "La donna è mobile" überzeugt. Schluchzer gibt’s diesmal von Tucker keine.

    Und endlich mal ein richig gutes böses Geschwisterpaar! Giorgio Tozzi und Rosalind Elias bereichern mit voluminösen Tönen vor allem die Gewitterszene. Ich mag es, wenn hier der Bass deutlich zu hören ist. Leider ist das nicht immer der Fall.

    Die Aufnahme hat deshalb nur einen (relativen) Schwachpunkt, und das ist die sonderbar grobe Orchesterleitung von Fausto Cleva. Er lässt es manchmal richtig rasseln und knallen, zum Beispiel scheppert der Beginn des zweiten Akts reichlich hohl vor sich hin. Das ist aber nicht die einzige Stelle, an der er zu laut und zu oberflächlich spielen lässt.

  • 28.03.1959 – MET – Fausto Cleva – Warren, Peters, Fernandi, Wilderman, Roggero

    Nochmal Cleva, nochmal Warren, nochmal Peters. Deshalb nur kurz, da ich nicht redundant werden möchte: Ich hätte diese Aufnahme, nachdem ich sie nun gehört habe, nicht unbedingt gebraucht. Meines Erachtens ist der drei Jahre ältere Mitschnitt mit Tucker statt Fernandi als Duca vorzuziehen.

    Von Cleva gibt es auch hier die bekannte Kapellmeister-Mechanik. Leonard Warrens Rigoletto ist nach wie vor hörenswert. Roberta Peters’ Gilda ist noch immer naiv und ziemlich körperlos, insgesamt vielleicht marginal schwächer als in dem Mitschnitt von 1956. Hier irritieren einige etwas gekünstelte Schluchzer vor "Tutte le feste", das dann anschließend zwar tadellos gesungen ist, aber nicht unbedingt derart, dass sich mir größere Traurigkeit mitteilen würde. Zudem gerät Peters beim "Sì, vendetta"-Duett mit Warren etwas unter Druck; sie singt dort nur noch Vokale.

    Eugenio Fernandi gibt den Herzog von Mantua als Mann ohne Eigenschaften. Der offensive Charme des Duca liegt ihm nicht. Fernandis hüftsteifer Herzog hat weder Eleganz noch Gerissenheit noch Schneid. Dabei ist sein Duca eine stimmlich recht gute Leistung. Fernandi besitzt eine biegsame, eher helle, schlank geführte Stimme mit schnellem Vibrato und leicht näselndem Klang. Schadlos kommt er durch die rhythmischen Klippen des ersten Bilds, das Feuer für Gräfin Ceprano brennt aber auf Sparflamme. "Ella mi fu rapita" ist technisch sauber, mit einem Anflug von Traurigkeit in der Stimme, aber ohne den Ausdruck echter Verzweiflung. Bei der Canzone "La donna è mobile" fehlt die Raffinesse völlig; auch werden im dritten Akt von Fernandi nicht immer alle Töne getroffen.

    Wilderman und Roggero als Sparafucile und Maddalena sind nicht im eigentlichen Sinne schlecht, aber doch mindestens eine Klasse schwächer als Tozzi und Elias drei Jahre zuvor.

  • Ein bißchen möchte ich den armen Jan Kiepura vor soviel Kritikfeuer in Schutznehmen. Natürlich nimmt er sich allerhand Freiheiten und verfolgt stilistische Wege, die heutzutage schwerlich akzeptiert würden. Aber den gewissenlosen, leichtherzigen Genußmenschen, der nicht aus Lust am Bösen, sondern aus reiner Lust an der Sinnenfreude handelt, den bringt er zum Ausdruck wie kaum einer sonst. Bei vielen Interpreten suche und finde ich gern auch gute Seiten des Duca, aber wie ihn Kiepura interpretiert, ist es die charmanteste Unmoral, und niemand wird ihn einst vor dem Höllenfeuer bewahren können. Dennoch vermittelt Kiepura eine Ausstrahlung, die für mich mehr als Show-Effekt darstellt, obwohl ich Zaubertons Argumenten sachlich nicht zu widersprechen weiß..

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    Homo sum, ergo inscius.

  • 08.12.1951 – MET – Alberto Erede – Warren, Güden, Tucker, Pernerstorfer, Madeira

    Gerade vor einigen Tagen erschienen ist eine weitere historische Liveaufnahme aus der MET, die es meines Erachtens trotz des inzwischen reichhaltigen Angebots vergleichbarer Mitschnitte verdient, zur Kenntnis genommen zu werden.

    Rigoletto vom Dienst ist wiederum Leonard Warren, fast könnte man meinen, in den 50er-Jahren habe an der MET überhaupt kein anderer Bariton die Partie gesungen. Warren war an diesem Abend sehr gut bei Stimme, und auch die Interpretation der Rolle ist bereits ausgereift. Ein makelloser Rigoletto.

    Ein Plus der Aufnahme ist auch die Gilda von Hilde Güden. Ihre Gilda ist naiv, aber kokett genug, um sich mit dem Duca auf einen Flirt einzulassen. Güden rührt mit ihrem traumschönen silbrigen Timbre und mit einer Rollengestaltung, die mit dem Begriff "Innigkeit" ein wenig inhaltsarm, aber doch erschöpfend beschrieben ist. Die Stimme klingt jugendlich und rein, die Rolle einschließlich der Verzierungen beherrscht sie sicher. Einfach schön!

    Beim "Questa o quella" ist Eredes Tempo langsamer als Clevas fünf Jahre später, und schon hört sich Richard Tuckers Herzog erheblich abgeklärter an. Überraschenderweise wurde bei dieser Aufführung die Cabaletta des Duca "Possente amor mi chiama" nicht gestrichen, offenbar entgegen der Aufführungstradition des Hauses: Jedenfalls in den Livemitschnitten von 1935, 1939, 1945, 1956 und 1959 fehlt sie. Tucker darf sie nun singen und hat, wie überhaupt mit der Rolle, wenig Mühe, auch wenn er das (nicht notierte) hohe D am Ende der Cabaletta auslässt. Tucker singt den Duca nicht als jugendlich-schnittigen Traumprinzen und auch nicht als gewissenlosen Feudalschnösel, sondern mit der hedonistischen Attitüde eines tenoralen Don Giovanni, der erfahren, selbstsicher und berechnend, aber dennoch mit Spaß bei der Sache ist. Ich finde das gelungen.

    Alois Pernerstorfer hat man den Sparafucile gegeben, keine schlechte, aber auch nicht unbedingt eine nahe liegende Wahl, da der Bass des Österreichers nicht besonders viel von der saftigen Schwärze besitzt, die man sich von dem finsteren Bravo erhofft. Jean Madeira ist eine stimmlich sehr dralle Maddalena.

    Alberto Eredes Orchesterleitung macht mich hingegen ein wenig ratlos. Der erste Eindruck beim Hören der Aufnahme ist jedenfalls ein negativer: Müde und richtiggehend spannungslos klingt das Vorspiel unter Eredes Händen. Im Verlauf der Aufnahme wird die Handschrift des Dirigenten aber durchaus erkennbar, wobei vor allem auffällt, dass auch reine Begleitfiguren sehr akzentuiert ausgespielt werden, z.B. bei Warrens "Cortigiani". Die vorgegebenen Tempi sind oft ungewöhnlich, tendenziell bei längeren Sängersoli eher langsam ("Caro nome", "Parmi veder le lagrime", "Tutte le feste"), bei Chor- oder Ensembleszenen dann wieder fast aberwitzig schnell (z.B. der "Zitti, zitti"-Chor). Und der Dirigent zieht "sein Ding" unbeirrt von jedwedem Szenenapplaus durch. Insgesamt dirigiert Erede aufmerksam und korrekt, aber der Funke springt bei mir nicht über.

  •  

    Rigoletto: Renato Bruson
    Gilda: Andrea Rost
    Il Duca di Mantova: Robert Alagna
    Sparafucile: Dimitri Kavrakos
    Maddalena: Mariana Pentcheva

    Coro del Teatro alla Scala
    Orchestra del Teatro alla Scala

    Riccardo Muti

    (live, 13. - 21. Mai 1994)

    Nun, die beste aller Rigoletto-Einspielungen mag diese aus dem Jahre 1994 vielleicht nicht sein. Gut ist sie allemal, obwohl sie keinen audiophilen Genuss darstellt. Ich frage mich, wie Sony das überhaupt hinbekommen hat. Die Aufnahme klingt (und nochmals sei darauf verwiesen, dass wir von einem modernen Mitschnitt sprechen) selbst für eine Bühnenmitschnitt dumpf, streckenweise sogar muffig, die Sänger scheinen ausgesprochen weit weg, das Orchester ist enorm weit vorne, sodass man, dreht man am Lautstärkeregler, um die Sänger gut hören zu können, bei Orchesterausbrüchen darauf gefasst sein muss, dass auch noch der Nachbar zwei Häuser weiter aus dem Schlummer spontan in die Vertikale getrieben wird.

    Ignoriert man das und sieht stattdessen das Gute im Schlechten (schließlich lernt man so ja auch einmal den Orchesterpart sehr intim kennen), so kann man schön gemachten Verdi hören.

    Renato Brusons Darstellung des buckligen Narren Rigoletto ist bestens durchdacht. Die komplizierte Psychologie dieser Figur, die hier widernatürlich seine Frau zur Gattin machen und darum unter allen Umständen ihr Erwachen zur eigenständigen Weiblichkeit unterbinden will, ist durchaus Brusons Sache. Sei es Boshaftigkeit ("Allora la testa...)", seien es zärtliche Töne ("Ah! veglia, o donna, questo fiore"), sei es die schiere Verzweiflung ("Cortigiani, vil razza dannata"): Bruson findet stets den rechten Ton, die schlüssigste Phrasierung. Auch ist er trotz seiner zum Aufnahmezeitpunkt 58 Lenze noch gut bei Stimme, lediglich in tiefer Lage fehlt seiner Stimme der Biss, die Tragfähigkeit und zu Beginn des "Sì, vendetta" schwimmt er kurz. Aber das ist halt auch live.

    Ganz ausgesprochen gut gefällt mir Andrea Rost als Gilda und es wundert mich nicht, dass diese Mailänder Aufführung(en) ihr Durchbruch waren. Wie herrlich naiv ist sie doch, dabei jedoch gleichzeitig kein Dummchen und kein schnell zu habendes Mädel. Sie ist in der Tat der Engel, den ihr Vater permanent besingt, ein leuchtendes Wesen in dieser von Männern und deren dunklen Gelüsten dominierten Welt. Ihr "Caro nome" ist ein kleines, helles Wunderwerk, ihre Aufopferung für die Liebe glaubwürdig, ihr Tod berührend.

    Schließlich passt auch Roberto Alagna in die Rolle des Triebgesteuerten Libertins. Er bringt eine frische Jugendlichkeit in die Partie, eine flatterhafte Verantwortungslosigkeit, einen schamlosen und reizvollen Hang zum schnellen Sex. Das macht ihn zwar nicht sympathisch, aber auch nicht durchweg abstoßend. Im Grunde zeichnet er den Duca wie einen hormongesteuerten Siebzehnjährigen, der die Frauen feiert, wie sie fallen. Das ist moralisch zwar sicher nicht astrein, aber - seien wir ehrlich - nicht ganz unrealistisch. Zupass kommt Alagna dabei seine leicht geführte, dennoch aber kernige und glänzende Stimme, die mit der Tessitura dieser Partie keinerlei Probleme hat.

    Nicht ganz überzeugen mich die Nebenrollen. Dimitri Kavrakos' Sparafucile fehlt nach meinem Dafürhalten die Dämonie, das Nachtschwarze der Stimme. Sicher, er legt den serviceorientierten Mörder anders an. Er gibt eher den Dienstleister, den Geschäftsmann, für den es ebenso natürlich wie unaufregend ist, jemanden für zwanzig Scudi um die Ecke zu bringen. Andere Leute belegen Pizza, dieser legt Leute um. Kann man so machen, ist auch nicht weit her geholt, gefällt mir aber trotzdem nicht so recht. Seine Schwester Maddalena ist mit Mariana Pentcheva nicht sonderlich reizvoll besetzt. Man hört eine dicke Stimme, die etwas Matronenhaft-Waberndes hat. Dass der Duce auf diese Maddalena anspringt kann so nur zwei Gründe haben. Entweder nimmt er alles, was nicht bei Drei auf dem Baum ist, oder er hat ein Mutterproblem.

    Dass man den Orchestersatz gegenüber den Sängern stets sehr präsent erlebt, habe ich ja oben schon gesagt. Sieht man von der so entstehenden Missbalance einmal ab, so hört man, wie glänzend Muti Verdis Musik durchleuchtet. Da wird sehr detailreich gearbeitet, die hier wirklich wichtigen Holzbläser kommen gut zur Geltung, die Übergänge und das Timing sind perfekt, das Ganze steht unter hohem Innendruck, ohne dass man den Eindruck hätte, das Werk würde gewaltsam durchgeprügelt.

    Für mich - von der Tontechnik abgesehen - eine recht runde Sache.

    :wink: Agravain

  • Na, dann stelle ich doch auch mal die Aufnahmen vor, die ich habe und die hier noch nicht aufgetaucht sind:




    Cast:
    Carlo Bergonzi (Duca)
    Renata Scotto (Gilda)
    Dietrich Fischer-Dieskau (Rigoletto)

    Ivo Vinco (Sparafucile)
    Fiorenza Cossotto (Maddalena)


    Rafael Kubelik und das Orchester der Scala


    Eigentlich komisch, dass die Aufnahme hier noch nicht besprochen wurde, ich denke, sie ist eigentlich sehr bekannt.
    Die großen Vorteile: Der Sound ist exzellent, das Dirigat von Kubelik sehr schön ansprechend, Orchester und Chor haben schöne Klangfarben und spielen sehr genau, aber niemals, nun, nur wie eine Kapelle. Ivo Vinco hat zwar keinen sehr schwarzen Bass, macht seine Rolle als Sparafucile aber gut, Cossotto als Maddalena ist sogar sehr gut. Die Harmonie zwischen den beiden ist unglaublich, was sicher auch damit zusammenhängt, dass die beiden verheiratet waren.


    Die größte Überraschung für mich ist aber Fischer-Dieskau als Rigoletto. Ich hatte schon viel Schlechtes über und mit ihm in Verdi gehört- sowohl über ihn in dieser Aufnahme als auch mit ihm in Aufnahmen von Traviata, Falstaff und Macbeth. Als Rigoletto macht er seine Sache aber sehr interessant-- nein, er hat nicht die Stimmgewalt eines Warren oder Herlea, auch nicht die italianità eines italienischen Sängers, aber trotzdem ist seine Interpretation gewohnt durchdringend, die "böse" Klangfarbe, die man von Fischer-Dieskau gewohnt ist -- ich weiß nicht wie ich das besser beschreiben soll, der nasale Klang den er bekommt, wenn er etwas gemeines, hinterhältiges singt, im Lied wie in der Oper-- passt gut zu Rigoletto.


    Renata Scotto singt sehr schön, ist mir als Gilda aber zu wenig zerbrechlich. Das merkt man beispielsweise sehr gut in der vorletzten Phrase des Quartetts-- ihre Aufwärtslinie knallt komplett aus den pianissimi aller drei anderen Sänger raus und macht die Stimmung ziemlich kaputt. Sie kann hier keine großen Akzente setzen, ist aber durchaus solide.


    Das gilt auch für Bergonzi-- einerseits hat er einfach ein wunderschönes Timbre-- keine große Stimme, aber sehr schön geführt, sehr grazil, sehr elegant. Es fehlt ihm aber auch nur das kleinste bisschen Humor, Witz, Biss oder sonst auch nur irgendeine *Interpretation* der Rolle. Er singt schön, phrasiert schön, aber nicht besonders intelligent. Selbst in den Phrasen, die man fast gar nicht singen KANN ohne ein wenig Charakter und Ironie zu zeigen (z.B. "Si! Un mostro son!-- Ja, ich bin ein Monster!" im Quartett "Un di se ben rammentomi") singt er komplett geradeaus, ernst, lyrisch. Wahrscheinlich eine der besten Stimmen für den Duca-- seine mezza voce auf hohen Tönen dürfte zumindest zu seiner Zeit unerreicht gewesen sein-- , und leider eine der schlechtesten Charakterdarstellungen gleich mit dazu. Übrigens ist hier die Cabaletta "Possente amor mi chiama" nicht geschnitten, anders als bei den anderen beiden Aufnahmen.


    Im großen und ganzen eine sehr schöne Aufnahme, die man aber wahrscheinlich nicht mehr als ein- oder zweimal hören wird, wenn man schon eine kleine Rigoletto-Sammlung hat.




    #2
    [/size][/font]
    Die ASIN (B00003A9QT) scheint hier nicht zu funktionieren, deswegen hier stattdessen ein Link-- http://www.amazon.de/Verdi-Rigolett…s/dp/B00003A9QT


    Cast:

    Róbert Ilosfalvy (Il Duca di Mantua, oder, wie es in der Aufnahme heißen würde, A mantuai herceg)

    Margit László (Gilda)
    Györgi Melis (Rigoletto)

    Zsusza Barlay (Maddalena)

    Jószef Bódy (Sparafucile)

    Lamberto Gardelli, Orchester der Ungarischen Staatsoper


    Die Aufnahme ist beim zweiten Mal wesentlich besser als beim ersten Mal-- nämlich dann, wenn man es schafft, sich nicht mehr ununterbrochen über den ungarischen Text zu amüsieren. Musikalisch ist diese Aufnahme nämlich wirklich gut. Melis ist ein erstklassiger Bariton, der hier durchaus zur erweiterten Spitze der Rigolettos gehört-- sowohl vom Instrument als auch der Interpretation her. Sein Vibrato ist mir etwas zu weit, um ihn zur engeren Spitze zu zählen, aber sehr gut ist er trotzdem. Seine große Arie--"Cortigiani!", oder dann halt eben "Szolgalélek!" ist wirklich beeindruckend.


    Wer einen Eindruck von dem Stil dieser Oper erhalten will, sollte sich das hier anschauen-- Melis mit dem "Prologue" aus den Pagliacci auf Ungarisch. Der Gesang ist erstklassig, und wer da über den Text hinwegsehen kann, für den ist auch diese Aufnahme etwas.
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    Margit Lászlós Gilda ist schön gezeichnet, ihr Sopran ist schlank und beweglich-- in den leiseren Stellen ist das ausgezeichnet, ihr "Lassú in ciel.." ist wunderschön, die oben erwähnte Stelle im Quartett macht sie wesentlich geschickter als Scotto. Vom Volumen kann sie allerdings nicht ganz mit den männlichen Protagonisten mithalten, und die nehmen darauf nicht immer Rücksicht.

    Der Herzog Róbert Ilosfalvys braucht den Vergleich mit Bergonzi durchaus nicht zu scheuen. Wo Bergonzi vielleicht die schönere Stimme hat, ist auch Ilosfalvys durchaus sehr ansprechend, und seine Interpretation ist meilenweit besser. Er entdeckt die Rolle zwar nicht völlig neu, aber er klingt immerhin nicht nur schmachtend, sondern auch teilweise autoritär, humorvoll, gewitzt... eben all das, was auch noch zu der Rolle gehört und bei Bergonzi völlig unsichtbar bleibt.

    Dirigat und Chor sind adäquat, aber weder ist die ungarische Staatsoper mit ihrem Chor und Orchester auf Scala-Niveau, noch ist Gardelli ein Kubelik. Große Orchestermomente wird man hier nicht finden.

    Bódy macht als Sparafucile seinen Part gut, aber nicht umwerfend gut, und ähnliches gilt für Barlay als Maddalena. Sie ist nicht so gut wie Cossotto- was aber auch unfair ist, Cossotto ist wohl eine der besten Maddalena-Besetzung aller Zeiten, und Barlay ist eher auf lokalem Hausensemble-Niveau. Aber sie schlägt auch nicht wirklich nach unten aus, und leistet ihren Part in "Un di se ben..Bella figlia"--pardon, "Egy szep napón... Nincs a földon"-- souverän ab.

    Insgesamt eine wunderbare Rigoletto-Aufnahme. Aufgrund der Sprache sicher keine Referenz, aber ich komme immer gern wieder zu der Aufnahme zurück.


    #3
    Letztlich--

    hierzu habe ich leider keinen jpc- oder amazon-Link gefunden--


    Cast

    Mario Filippeschi (Duca)
    Lina Pagliughi (Gilda)
    Tito Gobbi (Rigoletto)

    Giulio Neri (Sparafucile)
    Anna Maria Canali (Maddalena)


    Tullio Serafin-- keine Ahnung mit welchem Orchester


    Zunächst: Die Tonqualität hier ist unglaublich schlecht. Das kenne ich von Liveaufnahmen dieser Zeit (1946) besser, und das hier ist nicht mal eine.
    Trotzdem: Die gesangliche Qualität ist sehr überzeugend, sofern sie nicht von Rauschen überlagert ist.
    Über Gobbi als Rigoletto muss ich wohl nicht viele Worte verlieren. Der wahrscheinlich beste Rigoletto auf Band (naja, Warren hat sicher die gewaltigere Stimme, aber Gobbis Interpretation ist einmalig)-- eine der besten Rollen eines unglaublichen Sängers, zusammen mit seinem Scarpia und sicher auch seinem Michele (Il Tabarro).
    Eine Besprechung von Pagliughi war irgendwo weiter oben auch schon mal da, hier steht sie in der Blüte ihrer Karriere und singt eine ausgezeichnete Gilda.
    Neri ist der wohl beste Sparafucile, den man sich wünschen kann- schwarz, düster, böse, laut.


    Filippeschi-- hmm. Er gehörte zur sogenannten Melocchi-Schule, die mit runtergedrücktem Kehlkopf singt, wie auch etwa Mario del Monaco. Das erzeugt einen stimmgewaltigen, lauten, stentorhaften Klang, aber es verhindert teilweise auch die detaillierte Färbung des Timbres. Meiner Meinung nach passt das nicht so gut zum Herzog, sondern eher zu solchen Rollen wie Manrico oder Radames. Es fällt hier auch auf, dass Filippeschi an den leisen Stellen, etwa im Finale des Quartetts, wesentlich weniger piano singt als sowohl Bergonzi (der unglaublich schmelzend verklingt, allerdings auch in einer Studioaufnahme, also nach anderen Standards) oder Ilosfalvy (nicht auf Bergonzi-Standard, aber auch sehr schön). Bei Filippeschi klingt das eher nach mp. Trotzdem, eine solide Performance, und in der Canzone kann er mit seiner Stimme natürlich wunderbar punkten.


    Anna Maria Canali ist als Maddalena auch sehr gut-- ich würde Cossotto vorziehen, aber sie ist durchaus ein würdiger Teil des Sängerquintetts hier.


    Das Dirigat Serafins ist gut, inspiriert, aufmerksam-- nichts daran auszusetzen. Große Details kann man durch das Rauschen eh nicht hindurchhören.


    Fazit: Hätte diese Aufnahme Studioqualität-- oder sogar das übliche Niveau von MET-Mitschnitten der späten 40er und frühen 50er, und vielleicht einen Richard Tucker als Grafen, sie wäre mit Sicherheit meine Lieblingsaufnahme. So wie sie ist, macht die Tonqualität vieles kaputt, man kann aber viele große Momente zumindest gut erahnen.


  • Rigoletto am ROH, 2012

    Ich habe die Aufnahme zwar selbst noch nicht ganz gesehen, aber falls jemand eine Erinnerung braucht, wieviel eine gute Regie und ein sorgfältiger Dirigent für eine Wiederbelebung selbst der abgenutztesten Oper ausmachen können, dann empfehle ich, sich einmal David McVicars londoner Inszenierung am Royal Opera House, Covent Garden, anzusehen. Am 17. April des Jahrfes lief sie in Kinosälen in aller Welt, und eben habe ich entdeckt, dass man sie (wer weiß, wie lange noch? auf YouTube ansehen kann, und zwar hier: "

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    ".

    McVicars Inszenierung gehört zu den drastischsten, die ich je gesehen habe, ist aber auch eine der besten. Hier die Besetzung:

    Rigoletto: Dimitri Platanias;
    Gilda: Ekaterina Siurina;
    Herzog von Mantua: Vittorio Grigolo;
    Matteo Borsa: Pablo Bemsch;
    Graf Ceprano: Jihoon Kim;
    Gräfin Ceprano: Susana Gaspar;
    Marullo: ZhengZhong Zhou;
    Graf Monterone: Gianfranco Montresor;
    Giovanna: Elizabeth Sikora;
    Page: Andrea Hazell;
    Höfling: Nigel Cliffe;
    Maddalena: Christine Rice.
    Royal Opera Chorus. Orchestra of the Royal Opera House.
    Dirigent: John Eliot Gardiner.
    Regie: David McVicar

    Hoffentlich gibt es sie in bester Qualität eines Tages auch auf DVD in guter Qualität und mit Untertiteln, aber bis dahin gibt dieser Link zumindest einen ordentlichen Eindruck davon, warum sich das lohnt

    :wink: Rideamus

    Ein Problem ist eine Chance in Arbeitskleidung

  • Ganz herzlichen Dank für diesen Link, Rideamus,

    es ist wirklich ein "Rigoletto", der unter die Haut geht.

    Und die Sänger...

    ...der Rigoletto ist ja ein absolutes Wahnsinnstalent, und ein Konservatoriums-Diplom für Klassische Gitarre hat er auch!
    Aber wie alt mag er sein? Ich war zu blöd, um auf die Schnelle im Netz eine Altersangabe zu finden.

    ...und auch die Ekaterina Siurina hat mir sehr gefallen. Aus Russland kommen herrliche Soprane!
    (...aus Griechenland ja auch nicht nur der "Rigoletto"...)

    Überhaupt, alle.

    Witzig, wie "griesgrämig" im Vergleich zu den anderen Darstellern der Rigoletto beim Schlussapplaus auf der Bühne steht,
    er hat das ganze Drama anscheinend noch nicht ganz verdaut. ( ;+) )

    Nochmals vielen Dank, Rideamus!
    (Und jetzt bin ich, was die Details der Handlung anbelangt, auch wieder auf einem guten Stand - denke noch an meinen letzten "Schnitzer" ( ;+) ) )


    :wink:

    amamusica :pfeif:

    Ein Blümchen an einem wilden Wegrain, die Schale einer kleinen Muschel am Strand, die Feder eines Vogels -
    all das verkündet dir, daß der Schöpfer ein Künstler ist. (Tertullian)

    ...und immer wieder schaffen es die Menschen auch, Künstler zu sein.
    Nicht zuletzt mit so mancher Musik. Die muß gar nicht immer "große Kunst" sein, um das Herz zu berühren...


  • Der guten Ordnung halber sei ergänut:

    Dieselbe Inszenierung gibt es auf dieser DVD:

    Sie hat den Vorteil des noch besseren Rigoletto in Paolo Gavanelli, einer vorzüglichen Gilda in Christine Schäfer und natürlich der Untertitel.

    Mindestens der Dirigent John Eliot Gardiner, der angenehm frei von jeder Verdi-Routine ist und klingt, und der exzellente Herzog Vittorio Grigolos sprechen aber eindeutig für die neue Version.

    Wie so oft gilt: am besten kennt man beide, zumal die Inszenierung bestens aufgefrischt wurde, in manchen Szenen vielleicht sogar noch etwas subtiler geworden ist..

    :wink: Rideamus

    Ein Problem ist eine Chance in Arbeitskleidung

  • der exzellente Herzog Vittorio Grigolos

    Mir hat die Inszenierung auch gut gefallen, danke für den Link, aber ich frage mich, ob Grigolo nicht doch eher eine Fehlbesetzung ist. Sicher, er singt sehr gut, sieht fabelhaft aus und ist jung genug, um sich Gilda gegenüber endlich einmal glaubhaft als Student ausgeben zu können. Dass die sich Hals über Kopf in ihn verliebt, ist nur allzu verständlich. Andererseits müsste die Figur des Herzogs doch auch so etwas wie sexuelle Besessenheit, Brutalität und Menschenverachtung ausstrahlen - all das geht Vittorio Grigolo völlig ab, mindestens kann er es schauspielerisch nicht darstellen. Genauso scheiterte übrigens Juan Diego Flórez vor ein paar Jahren an dieser Rolle. Beides sind wonnige Strahle-Tenöre, zum skrupellosen Wüstling reicht es irgendwie nicht ;+) Bei den Ausschweifungen am Hofe im ersten Akt guckt Grigolo die ganze Zeit so, als ob ihm das halbnackte Rumgemache seiner Mitspieler auf der Bühne eher peinlich wäre...

  • Zu den wenigen Verdi-Opern, denen ich ernsthaft etwas abgewinnen kann, zählt auch der Rigoletto. Die erste Aufnahme, die ich je hört, war die unter Giulini :

    Sie hat in mir aber alles andere als Liebe geweckt, ganz im Gegenteil hat sie mich lange für das Werk verschreckt, ich finde sie orchestral gar ncith mal so schlecht, aber die Besetzung hat bei mir keine Funken überspringen lassen.
    Besser finde ich dann schon diese :

    Okay, ganz objektiv bin ich als Bastianini-Liebhaberin da möglicherweise nicht, aber als Gesamtpaket gefällt mir die Aufnahme auch besser und Alfredo Kraus als Duca ist sowieso ein Traum.
    Noch besser zumindest, was die Rolle des Rigoletto angeht...bei youtube gibt es eine Anzahl von Ausschnitten von einer Aufführung des "Rigoletto" aus Chicago von 1962 in der Bastianini die Titelrolle sang (Richard Tucker gibt den Duca) und diese Ausschnitte waren es, die mich diese Oper entdecken ließen. Die Aufnahmequalität ist zugegeben grottenschlecht (wahrscheinlich hat jemand sein Aufnahmegerät in der Jackentasche mitgetragen), vieles geht unter, es überschreit sich oft usw. , aber trotzdem, für mich klang Bastianini hier so spannend und besser als in der anderen Version, dass mich die Oper erst danach anfing zu interessieren.
    Zwei Beispiele : "

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    Ansonsten bin ich ein großer Fan der ersten Rigoletto/Sparafucile-Szene und wenn Sparafucile von Giulio Neri (grandioser Partner mit Gobbi) oder von Siepi (weniger guter Partner mit Protti) gesungen wird, bin ich eh hin und weg.
    Genauso wie, wenn der gute Hermann Uhde Szenen aus Rigoletto singt (auf deutsch) :love:

    "Allwissende! Urweltweise!
    Erda! Erda! Ewiges Weib!"

  • Diese Aufnahme habe ich unlängst im Radio gehört - leider nur einmal, sodaß mein Urteil noch überprüft werden müßte. Was mir auffiel, war das superbe Dirigat Julius Rudels, das mit leidenschaftlicher Italianità überwältigt, ohne gehetzt zu wirken, ein - natürlich - großartiger Alfredo Kraus als Herzog, der viriler wirkt als sonst, Beverly Sills als berührende Gilda, Sherrill Milnes als sehr gut singender Rigoletto, Samuel Ramey als so richtig schwarzer Bösewicht.

    Auch diese DVD sah ich nur einmal im Fernsehen. Aufgenommen in Parma 2008 besticht diese an sich konventionelle Inszenierung , die teilweise mit sparsamen Mitteln und ohne übertriebene Action auskommt, durch Spannung und optische Gediegenheit; sie ist zugleich betont an der Musik ausgerichtet und drängt das thaetralische Geschehen nicht zu sehr in den Vordergrund. Das müßte nicht nur Staubis gefallen.
    Massimo Zanetti dirigiert gekonnt und schwungvoll - der Mann hat mit recht eine internationale Karriere hinter und auch natürlich noch vor sich, war einmal "bester Nachwuchsdirigent" (was ich nicht über-, aber auch nicht unterschätzen würde). Die Überraschung für mich war Leo Nucci in der Titelrolle. Daß er die großartig spielt, hatte ich ja erwartet, aber daß von stimmlichem Verschleiß nichts zu hören war, kam unerwartet. Er sang wundervoll und reihte sich unter die allerbesten Rigolettos, die ich kenne. Nino Machaidze gab eine ausgezeichnete Gilda. Sehr erfreulich auch der mir bisher unbekannte Tenor Francesco Demuro (* 1978), der den Herzog tadellos singt und ihn als pubertären, unreifen Jungen interpretiert, der einerseits großen Charme entwickelt, andererseits gar nicht merkt, was er alles anrichtet - kein böser Schuft, sondern ein verzogener Bub, aus dem ein guter Erzieher vielleicht noch den guten Kern herausschälen könnte (wenn's nicht schon zu spät ist).

    Beide Editionen stehen jetzt auf meiner Wunschliste, ich möchte sie aber zu schlichteren Preisen bekommen können.

    ______________________

    Homo sum, ergo inscius.

  • Der Meinung von Agravain über diesen Live-Mitschnitt schließe ich mich im wesentlichen an. Es gibt vier gute Gründe, sich diese Aufnahme zuzulegen: das präzise lodernde Dirigat von Riccardo Muti (ewig schade, daß er aus der Scala vegrault wurde), der berührende Rigoletto von Renato Bruson, die phantastische Gilda von Andrea Rost und der mitreißende Duca von Roberto Alagna. Wer wie ich Timbre besonders schätzt, fühlt Vollgenuß. Andrea Rost gibt keinen scheuen Teenager, sondern eine starke Persönlichkeit, die trotzdem über Seelentöne verfügt, , Alagna versprüht eine quasi-rücksichtslose, aber attraktive Virilität (ich empfinde ihn eigentlich nicht als Teenie), besitzt Kraft, Farbe, Volumen. Zwar ist er keiner elegantesten Herzöge, aber höfisch genug und verführerischer als ein Don Giovanni. Bei Bruson spürt man ganz stark das Menschliche durch, das so perfekt mit dem musikalischen Empfinden verschmilzt.

    Daß man während des Hörens des Öfteren nachregulieren muß und die Balance zwischen Orchester und Stimmen nicht immer ausgeglichen ist, hat mich weniger gestört als erwartet und die Hörfreude eigentlich nicht beeinträchtigt. Die kleineren Partien sind ordentlich besetzt, allerdings fehlt es ein wenig an herausragenden Eigenschaften. Giorgio Giuseppini singt den Monterone schön, aber die Partie verlangt eine etwas schwerere Stimme. Ein passender Sparafucile stand offenbar nicht zur Verfügung, Dimitri Kavrakos singt zwar sauber, aber, wie schon Agravain kritisierte, fehlt es ihm an Bedrohlichkeit und Schwärze, aber dafür kann er nichts. Die Maddalena Mariana Pentchevas fällt kaum auf, was bei dieser Partie nicht passieren sollte. Aber diese Einwände reichen nicht aus, um das dicke Lob über die Einspielung zu übertönen.

    ______________________

    Homo sum, ergo inscius.

  • Metropolitan Opera 1977 (Deutsche Grammophon 2004)

    Diese Aufnahme hat schon bei Severina etwas gemischte Gefühle ausgelöst. Ich habe mir die DVD auch nur wegen Ileana Cotrubas zugelegt, denn daß Placido Domingo weder vom Stimmtyp noch von der Persönlichkeit ein Duca ist, war klar. Ich habe noch nie so einen biederen Herzog erlebt! Natürlich singt Domingo ausgesprochen schön, aber für die Rolle eben unangemessen. Er tut alles, was er kann - im falschen Stück.
    Auch Cornell MacNeil ist nicht jemand, den ich für den Rigoletto als unbedingt passend ansehe, noch dazu wenn ihn der Regisseur immer wieder als Zappelfigur agieren läßt. So kann dieser Sänger nur in wenigen Augenblicken zeigen, wozu er fähig ist bzw. war. Severinas Urteil - die beste Zeit leider gewesen -, trifft größtenteils zu. Justino Diaz paßt stimmlich als Sparafucile, sein hölzernes Agieren schreibe ich hingegen der Regie zu. John Dexter versagt für mein Gefühl in der Personenführung weitgehend. Das Bühnenbild von Tanya Moiseiwitsch ist ziemlich uninteressant, die Kostüme demonstrieren, daß brauchbare Einzelheiten allein noch keinen guten Gesamteindruck garantieren. Zusammengenommen wirkt alles zu gekünstelt und vermittelt wenig echtes Gefühl. Dieser "Rigoletto" geht nur selten unter die Haut. Eine gute Staubi-Inszenierung verlangt Qualität, doch was geboten wird, ist bestenfalls bescheidenes Hand- und Stückwerk.
    Die Cotrubas tut was sie kann, aber sie allein vermag auch keine Wunder zu wirken. Levine und das Orchester bieten für mein Gefühl braven Oberdurchschnitt, manchmal besser, manchmal aber auch zu schleppend. Von den Nebenrollen prägt sich keine Stimme dauerhaft bei mir ein.
    Insgesamt ein tolerables Resultat, aber nicht mehr. Die Interviews im Anhang sind eher belanglos.

    ______________________

    Homo sum, ergo inscius.

  • a propos...

    (i) dieser (zugegeben nicht ganz neue) Hörvergleich ist viell. nicht ganz uninteressant - - -
    Walldorff`s Kalenderblätter - edited
    (<= lange bin ich zurückgeschreckt vor dieser Art Eigenwerbung, aber warum eigtl. ... steckt schließlich nicht übel Arbeit drin ... :) )

    (ii) einer Empfehlung im Schmidt`schen Forum folgend, hatte ich vor c. 2, 3 Jahren diese Aufnahme
    geordert...
    hab bisher nur in Akt I. ab und an hineingehört . . . das klang mir gar nicht übel . . . es reicht mir aber nicht, um hier einen profunderen Höreindruck wiederzugeben...

    n`Morgn :)

    Das TV gibt mehr 'Unterhaltung' aus, als es hat - in der bürgerl. Gesetzgebung nennt man das 'betrügerischen Bankrott' Werner Schneyder Es ging aus heiterem Himmel um Irgendwas. Ich passte da nicht rein. Die anderen aber auch nicht. FiDi über die Teilnahme an seiner ersten (und letzten) Talkshow

  • Quadri! Gencer!! Raimondi!!! MacNeill in früheren Jahren!!!! Das klingt in der Tat äußerst verführerisch. Die Frage ist bei Buenos Aires nur, wie steht es mit Technik- und Tonqualität? Denn da handelt es sich klarerweise um einen Live-Mitschnitt.

    Falls MYTO die Aufnahme neu auflegt (der für die alte Edition momentan verlangte Preis schreckt mich ab), würde ich aber das Risiko schon eingehen. Danke jedenfalls für den Hinweis!

    ______________________

    Homo sum, ergo inscius.

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