Notenschlüssel in der Vokalpolyphonie

  • Notenschlüssel in der Vokalpolyphonie

    Vielleicht weiss jemand von Euch in wie weit in Partituren der Vokalpolyphonie für die einzelnen Stimmen bestimmte Notenschlüssel festgelegt sind ?

    Diskant und Bass dürfte klar sein.

    Aber in den Mittelstimmen bin ich mir nicht sicher - es dürften wohl von Werk zu Werk verschiedene Schlüssel geschrieben sein.

    Eine vernünftige Möglichkeit wäre sicher:

    Countertenöre und Tenöre : Violinschlüssel

    Baritone und Bässe : Bassschlüssel

    Aber in wie fern können auch andere Schlüssel verwendet sein ?

  • Lieber Prometeo!

    In moderner Notation haben Sopran und Alt (inkl. Countertenor) Violinschlüssel, Tenor ebenfalls Violinschlüssel, aber eine Oktave höher notiert als es klingt, und der Bass Bassschlüssel.

    In historischer (Barock und Renaissance) Notation haben Sopran, Alt und Tenor C-Schlüssel, wobei der Alt-Schlüssel jener ist, der noch immer im Orchester bei der Viola verwendet wird; der Sopran-Schlüssel liegt eine Notenlinie tiefer, der Tenor-Schlüssel (der heute noch manchmal für Violoncelli verwendet wird) eine Notenlinie höher.

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Ich stimme den Ausführungen zu was die Entwicklung der verschiedenen Schlüssel angeht, muss aber sagen das es mir manchmal doch lieber ist man hätte die alte Notationsweise beibehalten da ich selbst Komponist oftmals gerne die Oboe wie zu Bachszeiten in einem Altschlüssel notiere umso einen weicheren Klang zu erhalten :pfeif:

  • Gibt's auch noch etwas komplizierter: Sopran bzw. Cantus gibts auch noch im französischen Violinschlüssel = G-Schlüssel auf der e-Linie.


    Notabene: Die C- und G-Schlüssel können von Notenzeile zu Notenzeile die Lage wechseln.
    Notabene 2: Die Vierstimmigkeit ist in der Vokalpolyphonie nicht unbedingt Standard, sondern die Fünfstimmigkeit
    Notabene 3: Falsettisten (heute sagt man wohl eher Countertenöre) und Kastraten haben genausowenig eine eigene "Stimme" wie Knaben, die fallen unter die 3 (von 5) bzw. 2 (von 4) bzw. 1-2 (von 3) "normalen" Oberstimmen. Sie haben daher per se auch keine eigene Schlüsselkonvention.
    Notabene 4: "Vokalpolyphonie" oder besser "altklassische Vokalpolyphonie" ist eine Begrifflichkeit aus dem 19. Jh. Zu ihrer Zeit war diese Musik durchaus auch mal instrumentenbegleitet...

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)


  • Gibt's auch noch etwas komplizierter: Sopran bzw. Cantus gibts auch noch im französischen Violinschlüssel = G-Schlüssel auf der e-Linie.

    Zur Sicherheit eine Nachfrage: Verstehe ich dich richtig, da ist dann die unterste Linie des Systems das g'?

    Zitat


    Notabene 2: Die Vierstimmigkeit ist in der Vokalpolyphonie nicht unbedingt Standard, sondern die Fünfstimmigkeit

    Hast du einen Überblick über alle zusätzlichen Stimmbezeichnungen, die es da so gibt? Abgesehen von banalem "Tenore I, Tenore II" oder "Basso I, Basso II" sind mir beim Chorsingen bislang fünfstimmige Sätze mit Soprano, Canto, Alto, Tenore, Basso und welche mit Soprano, Alto, Tenore, Quinto, Basso untergekommen.

    Ich weiß eigentlich nicht, warum sich später dann die Vierstimmigkeit eigentlich als Standardbesetzung durchgesetzt hat, die Fünfstimmigkeit hat m.E. durchaus klangliche und kompositorische Vorteile. Oder war die Vierstimmigkeit eine Art Kompromiss zwischen kompositorischen Möglichkeiten und Kosten?

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Zur Sicherheit eine Nachfrage: Verstehe ich dich richtig, da ist dann die unterste Linie des Systems das g'?

    korrekt! (Findet sich im Barock häufig auch in Stimmen für flauto dolce in F)

    Hast du einen Überblick über alle zusätzlichen Stimmbezeichnungen, die es da so gibt? Abgesehen von banalem "Tenore I, Tenore II" oder "Basso I, Basso II" sind mir beim Chorsingen bislang fünfstimmige Sätze mit Soprano, Canto, Alto, Tenore, Basso und welche mit Soprano, Alto, Tenore, Quinto, Basso untergekommen.

    dann hätten wir noch haute contre, contralto, taille und noch ein paar andere. Übersicht hab ich irgendwo, müsste aber suchen....

    Ich weiß eigentlich nicht, warum sich später dann die Vierstimmigkeit eigentlich als Standardbesetzung durchgesetzt hat, die Fünfstimmigkeit hat m.E. durchaus klangliche und kompositorische Vorteile. Oder war die Vierstimmigkeit eine Art Kompromiss zwischen kompositorischen Möglichkeiten und Kosten?

    gute Frage! nächste Frage? Insbesonders, wenn man auch berücksichtigt, daß auch die Streicher von fünf Baugrößen auf vier (Vl, Vla, Vlc, Kb) reduziert wurden, wobei die entsprechenden ursprünglichen Stimmen oft auf nur drei Baugrößen (2Vl, 2Vla, Vlc) verteilt wurden. Ok, solange damit auch nur das diesen Instrumenten entsprechende zeitgenössische Repertoire gespielt wurde. Aber irgendwann im 19.Jh. hat man die fünfstimmige Musik früherer Epochen entdeckt, und spätestens da hätte man sich überlegen müssen, daß das mit vier bzw. drei Baugrößen vielleicht nur ein Kompromiss ist...

    In historischer (Barock und Renaissance) Notation haben Sopran, Alt und Tenor C-Schlüssel, wobei der Alt-Schlüssel jener ist, der noch immer im Orchester bei der Viola verwendet wird; der Sopran-Schlüssel liegt eine Notenlinie tiefer,

    Die Chrysander-Ausgabe der Händelschen Werke notiert (ich weiß allerdings nicht, ob durchgängig) den Sopran im "normalen" C-Schlüssel auf der 3. Linie, den Tenor mit "normalem" G-Schlüssel, ohne Oktavierungs-8. Ich habe in alten Ausgaben um oder vor der Jahrhundertwende aber auch schon C-Schlüssel (auf der mittleren Linie) bei der Alt- oder Tenorstimme gesehen. Und in "ganz alter" Musik kann der C-Schlüssel auch schon mal auf der obersten oder untersten Linie sitzen.

    Die Rationale für die unterschiedliche Verwendung der unterschiedlichen Schlüssel war einfach die Einsparung von Hilfslinien.

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • dann hätten wir noch haute contre, contralto, taille und noch ein paar andere. Übersicht hab ich irgendwo, müsste aber suchen....

    Stimmt, die französischen Bezeichnungen hab ich ganz vergessen!

    Zitat

    gute Frage! nächste Frage? Insbesonders, wenn man auch berücksichtigt, daß auch die Streicher von fünf Baugrößen auf vier (Vl, Vla, Vlc, Kb) reduziert wurden, wobei die entsprechenden ursprünglichen Stimmen oft auf nur drei Baugrößen (2Vl, 2Vla, Vlc) verteilt wurden. Ok, solange damit auch nur das diesen Instrumenten entsprechende zeitgenössische Repertoire gespielt wurde. Aber irgendwann im 19.Jh. hat man die fünfstimmige Musik früherer Epochen entdeckt, und spätestens da hätte man sich überlegen müssen, daß das mit vier bzw. drei Baugrößen vielleicht nur ein Kompromiss ist...

    Hm. Auch bei den Bläsern wurden die Instrumentenfamilien z.T. empfindlich verkleinert, bei der Oboe ist wenigstens nur die d'amore weitgehend entschwunden, aber die Blockflöten in allen Größen, Formen und Farben wurden durch Querflöte in nur noch zwei Bauweisen (piccolo und "normal") ersetzt, bei den Posaunen fast nur noch Tenorposaune verwendet... Die Klarinette hat andererseits wieder mehrere Größen... Insgesamt lässt sich wohl der Schluss ziehen, dass Renaissance und Barock eher ein Faible für homogenen Klang (gleichartige Instrumente in allen Stimmen), Klassik und Romantik eher ein Faible für Klangmischungen hatten. In der Moderne gibt es dann wieder öfter Bestrebungen, homogene Klänge zu erzeugen. Aber das erklärt wohl noch nicht die vokale Vierstimmigkeit. Und es erklärt auch nicht, wie man zur eigentümlichen Besetzung des Streichquartettes mit zwei gleichen Stimmen, Alt und Tenor kam (oder zählt Cello als Bass, dann fehlt halt der Tenor).

    Zitat

    Die Chrysander-Ausgabe der Händelschen Werke notiert (ich weiß allerdings nicht, ob durchgängig) den Sopran im "normalen" C-Schlüssel auf der 3. Linie, den Tenor mit "normalem" G-Schlüssel, ohne Oktavierungs-8. Ich habe in alten Ausgaben um oder vor der Jahrhundertwende aber auch schon C-Schlüssel (auf der mittleren Linie) bei der Alt- oder Tenorstimme gesehen. Und in "ganz alter" Musik kann der C-Schlüssel auch schon mal auf der obersten oder untersten Linie sitzen.

    Die Rationale für die unterschiedliche Verwendung der unterschiedlichen Schlüssel war einfach die Einsparung von Hilfslinien.

    Natürlich, ich hab versucht, die gebräuchlichsten Verwendungen aufzuzählen. Die Schlüssel sind halt so gesetzt, dass es sich mit möglichst wenig Hilfslinien ausgeht. Schön zu sehen bei Gregorianik.

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Insgesamt lässt sich wohl der Schluss ziehen, dass Renaissance und Barock eher ein Faible für homogenen Klang (gleichartige Instrumente in allen Stimmen), Klassik und Romantik eher ein Faible für Klangmischungen hatten.


    Hm, ich weiß nicht? Barockmusik (und früher) ist meiner Meinung eher farbiger instrumentiert, was man auch an dem obertonreicheren, schärferen Klang der damaligen bzw, damals verwendeten Instrumente ablesen kann. Den homogeneren Klang bekommt man doch eher durch Reduzierung der unterschiedlichen Klangquellen, zumal wir seit über 200 Jahren eine Tendenz zu weniger Obertönen im Instrumentenbau beobachten können, was die Individualität noch weiter einschränkt.

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

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