Bach-Kantaten: Diskographische Empfehlungen

  • BWV 51 „Jauchzet Gott in allen Landen“

    Eine neuere Aufnahme ist diese:


    Die Kantate "Jauchzet Gott in allen Landen" wurde bearbeitet von Wilhelm Friedemann Bach.

    Diese Kantaten BWV 82 und 199, werden von Lorraine Hunt Lieberson ganz, ganz wunderbar gesungen. Irgendwo in diesem Forum schrieb ich einmal, daß mich diese Aufnahme zu Tränen rühren würde.

    Schöne Grüße von calisto

  • :wink:

    Die genannten Sängerinnen sind wirklich fabelhaft. Mein Favorit ist bei "Jauchzet Gott in allen Landen" diese Aufnahme mit Emma Kikrby:

    Vielen ist das zu schnell, aber ich liebe das sehr und Emma kann das wunderbar.

    Gruß, Frank

    Gruß, Frank

    Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu.

  • Soderle, ich habe mich bemüht, ein möglichst breites Spektrum, sowohl was die Art der Kantate als auch was die Besetzung angeht, abzudecken. Ich schlage vor, du kaufst sie dir alle. :D

    Alle? Sofort? Ist das ein Befehl? :D Im Ernst: Vielen Dank, lieber Thomas, für die vielen Tips; ich werd's in Ruhe bedenken.

    Heute habe ich mir erstmal auf Bernds Hinweis dieses Buch bestellt:


    Christoph Wolff, Ton Koopman: Die Welt der Bach-Kantaten (Bärenreiter/Metzler)

    Mit Christoph Wolffs Bach-Büchern (Bach-Biographie, Buch über die H-Moll-Messe) habe ich bislang sehr gute Leseerfahrungen gemacht. Unbedingt zu empfehlen!

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Zitat

    Den Unterschied, HIP und Non-HIP mache ich gar nicht mehr, nachdem mich Rilling oder Richter sowas von überhaupt nicht ansprechen. Bei mir ist jetzt eher die Frage, ob die Chöre solistisch gesungen werden oder nicht. Aber da kann ich beiden Varianten extrem viel abgewinnen.

    Da sieht man, wie unterschiedlich die Schwerpunkte gesetzt werden. Ich bin zugegebenermaßen ziemlich orchesterfixiert, danach kommen bei mir dann die Gesangssolisten (es sei denn, sie wären ganz ungewöhnlich gut oder schlecht - dann können sie in der Prioritätenliste schon nach oben rücken) und das letzte Kriterium ist für mich die Leistung des Chors :schaem:. Man muss das vielleicht als eine Art Berufskrankheit sehen; bei Peter, der selber in einem Chor singt, sieht das natürlich schon wieder ganz anders aus.

    Zitat

    aus der Erinnerung heraus kann ich nur "berühmte" Kantaten als Empfehlungen nennen, in denen mir Leusink sehr gut gefällt:

    BWV 56 /82 mit Bas Ramselaar ( " Kreuzstab" und " Ich habe genug")

    Mit BWV 82 in der Leusink-Fassung habe ich mich wie gesagt heute nachmittag beim Aufbinden meiner Röhrchen etwas näher beschäftigt. Bas Ramselaar singt in der Tat sehr kultiviert und trotzdem ungekünstelt, die Stimme erscheint mir als nahezu ideal für eine solche Kantate. Das ist also schon mal ein eindeutiger Pluspunkt dieser Aufnahme. Gut gefallen mir auch die ruhigen, gelassenen Tempi in den ersten beiden Arien; hier wird alles schön ausmusiziert. Den letzten Satz habe ich seinerzeit eine Spur flotter gespielt; etwas mehr Schwung als bei Leusink würd ich hier lieber hören.
    Moppern muss ich dann aber doch etwas - wer hätte das geahnt - über die Solooboe. Peter Frankenberg bedient sein Stuhlbein durchaus gekonnt, intonationsmäßig sicher, fingertechnisch souverän und nicht unbedingt unmusikalisch. Mir fehlt es aber doch an Dynamik, an Akzenten vor allem in der hohen Lage. Im ersten Satz gibt es immer wieder mal hohe Cs, auf die man mehr hinspielen und die man mehr betonen könnte. Ich denke aber, dass man hier mit dem barocken Instrument doch schnell an gewisse Grenzen stößt.
    Und außerdem fehlt mir einfach das innere Knistern, welches sich regelmäßig bei mir einstellt, wenn ich diese Musik mit einer gut gespielten modernen Oboe höre. Dass mir der Klang des Stuhlbeins unangenehm wäre, kann ich nicht sagen, aber er erreicht mich einfach nicht so, dass Spannung in mir entsteht. Bei Manfred Clement oder Günter Passin ist das anders - da genügt alleine das instrumentale Timbre, die "Stimme" halt, um bei mir sofort eine Gänsehaut hervorzurufen....

    Alles in allem ist das aber eine gute, erfreulich zu hörende Einspielung, die mich dazu verleitet hat, auch noch BWV 42 ("Am Abend aber desselbigen Sabbats") auszupacken. Diese Kantate mag ich ebenfalls sehr gerne.

    Naja, in der einleitenden Sinfonia dümpeln die Oboen und die Streicher ein wenig müde vor sich hin, ohne dass mir das allzu großen Kummer bereitet. Aber dann - dann kommt er, nämlich Sytse Buwalda:

    Zitat

    Übrigens: Ich finde Leusinks Aufnahme wesentlich besser als ihr Ruf es behauptet. Sie könnte sogar die Einsteigerreferenz für den kleinen Geldbeutel sein - wenn, ja wenn die Altus- Partien nicht oft mit Sytse Buwalda besetzt wären. Sein Timbre gefällt mir leider gar nicht.

    Warum Stefan die zitierten Zeilen geschrieben hat, weiß ich jetzt! Er hat mich regelrecht vom Sessel gerissen, der Altus - aber nicht, weil er so schön singt! Die blechig-jaulerige Manier, mit der er diese Arie gestaltet, ist kaum zu beschreiben; man muss das einfach selber gehört haben. Abgrundtief scheußlich - so eine Stimme habe ich auf einer käuflich erworbenen CD schon lange nicht mehr erlebt. Wenn der Mann immer so singt, ist es mir ein Rätsel, warum man in einer Gesamtaufnahme, deren Ambitionen dann doch ein wenig über die Kreisliga B hinausgehen, viele Partien mit ihm besetzt hat...... :wacko:

    Viele Grüße

    Bernd

  • Da sieht man, wie unterschiedlich die Schwerpunkte gesetzt werden. Ich bin zugegebenermaßen ziemlich orchesterfixiert, danach kommen bei mir dann die Gesangssolisten (es sei denn, sie wären ganz ungewöhnlich gut oder schlecht - dann können sie in der Prioritätenliste schon nach oben rücken) und das letzte Kriterium ist für mich die Leistung des Chors :schaem:. Man muss das vielleicht als eine Art Berufskrankheit sehen; bei Peter, der selber in einem Chor singt, sieht das natürlich schon wieder ganz anders aus.

    Auf der anderen Seite ist es allerdings anders man schnell denken mag. Ja, Rillings Chor ist nicht eben klein, Richters Chor ist groß. Dafür, dass sie jedoch so üppig besetzt sind, schaffen es doch beide Dirigenten, dass die Strukturen des Satzes nicht wirklich verschwimmen. Waberig ist das selten (denken wir beispielsweise an die exzellente Durchhörbarkeit der Turbae in Richters 1958er Matthäuspassion), es klingt eben nach großem Chor, ein Klang, der für viele Hörer ja zu Recht mit der romatischen Tradition verbunden und nicht so recht "Bachisch" ist. Bedenken wir, das Bachs Thomaner nicht allzu üppig ausgestattet waren und dass sich Bach bisweilen (ich müsste jetzt nachsehen wo genau) über die Qualität seiner Sänger beschwert, so sind Richter und Rilling natürlich recht weit weg vom Originalklang. Am nächsten dran sind dann eben doch Leusink oder Harnoncourt/Leonhardt, die Knaben besetzen, ganz getreu dem Motto: wenn schon HIP, dann nicht nur mit alten Instrumenten, sondern auch mit den richtigen Stimmfarben.

    Ich kann aber auch das Interesse an solistischer Besetzung verstehen, wobei da meiner Hör- / Konzerterfahrung nach dem Experiment Grenzen gesetzt sind, beispielsweise bei Live-Aufführungen von stark besetzten Kantaten (z.B. BWV 63). Hier scheint mir das Klangverhältnis zwischen solistisch besetztem Chor und Orchester unrealistisch. Da freuen dann doch die tontechnischen Möglichkeiten, die die Aufnahme für Tonträger bietet.

    Er hat mich regelrecht vom Sessel gerissen, der Altus - aber nicht, weil er so schön singt! Die blechig-jaulerige Manier, mit der er diese Arie gestaltet, ist kaum zu beschreiben; man muss das einfach selber gehört haben. Abgrundtief scheußlich - so eine Stimme habe ich auf einer käuflich erworbenen CD schon lange nicht mehr erlebt. Wenn der Mann immer so singt, ist es mir ein Rätsel, warum man in einer Gesamtaufnahme, deren Ambitionen dann doch ein wenig über die Kreisliga B hinausgehen, viele Partien mit ihm besetzt hat...... :wacko:

    Das habe ich oben zwar etwas milder formuliert, tatsächlich kann ich das, was Du schreibst, nur unterschreiben. Am Altus hängt viel, hat Bach doch einige seiner schönsten Arien für Alt komponiert. Das bedeutet ganz milchmädchenhaft gesagt, dass man nicht nur einen exzeptionellen Altus besetzen sollte, wenn man die Passionen einspielt, sondern und auch und gerade bei einem solchen Großprojekt wie der Aufnahme aller Kantaten. Wie Leusink und das Label auf Buwalda verfallen sind? Es ist mir vollkommen unklar. Es ist ein Grausen und das eigentlich durchgehend. Man höre zum besseren Verständnis nicht nur BWV 42, sondern auch die von Knulp schon erwähnte Alt-Kantate BWV 170 oder - noch brutaler - BWV 83: "Erfreute Zeit im neuen Bunde" (an Mariae Reinigung). Wie soll man dafür gute Beurteilungen erhalten? Das Orchester unter Leusink agiert ganz tadellos, gerade der festliche Eingsangssatz gelingt ausgesprochen klangschön - bis der Solist einssetzt. Grusel. Aber genug des Bashings.

    :wink: Agravain

  • Zitat

    ....so sind Richter und Rilling natürlich recht weit weg vom Originalklang. Am nächsten dran sind dann eben doch Leusink oder Harnoncourt/Leonhardt, die Knaben besetzen, ganz getreu dem Motto: wenn schon HIP, dann nicht nur mit alten Instrumenten, sondern auch mit den richtigen Stimmfarben.

    Mir ist es nicht wichtig, dass eine Interpretation möglichst nahe dran am Originalklang ist. Entscheidend ist, dass mich die Musik abholt und mitnimmt - wenn sie das nicht tut, kann sie im musealen Sinne noch so erstklassig interpretiert sein - und umgekehrt.

    Zitat

    Ich kann aber auch das Interesse an solistischer Besetzung verstehen....

    Wie ich im d´amore-Thread schrieb, finde ich die im Chor solistisch besetzte h-moll-Messe unter Andrew Parrot ganz vortrefflich. Diese Aufnahme, die ich mit einem Freund auf einer nächtlichen Rohrholz-Einkaufsfahrt nach Südfrankreich rauf und runter gehört habe, hat mir das große Werk erst richtig erschlossen.

    Zitat

    Wie Leusink und das Label auf Buwalda verfallen sind? Es ist mir vollkommen unklar. Es ist ein Grausen und das eigentlich durchgehend....

    Da sind wir uns bislang ja weitgehend einig. Allerdings habe ich mal auf youtube nachgeschaut - Buwalda hat da durchaus seine Fans. Die dort eingestellten Aufnahmen klingen auch nicht alle so gruselig wie seine Arie in BWV 42, das muß man gerechterweise schon sagen. Aber trotzdem ist das eine Stimme, die mich in alles andere als in Begeisterung versetzt.

    Als nächstes werde ich mir die hier gelobte Ruth Holton anhören. Schaun mer mal...

    Beste Grüße

    Bernd

  • Mir ist es nicht wichtig, dass eine Interpretation möglichst nahe dran am Originalklang ist. Entscheidend ist, dass mich die Musik abholt und mitnimmt - wenn sie das nicht tut, kann sie im musealen Sinne noch so erstklassig interpretiert sein - und umgekehrt.

    Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Ich bin - wie oben zu lesen - kein orthodoxer HIP-Fanatiker. Ich liebe auch meinen Richter - da wo er meinem Empfinden nach passt. Insofern muss ich sagen, dass Dein Statement auch für mich gilt. Allerdings finde ich es immer wieder abstrus, dass viele HIP-Fans in Diskussionen die Fahne des Originalklangs hochhalten und mir dann im Anschluss den Monteverdi Choir als das Nonplusultra des Bach-Gesanges unterjubeln wollen. Das erscheint mir dann wiederum nicht schlüssig. Sicher, die Jungs und Mädels singen ausgesprochen gut, ich höre sie selbst sehr gerne (und regelmäßig live), sie sind aber von dem Klang eines verhältnismäßig kleinen Knabenchores jedoch recht weit weg. Darauf zielte meine Äußerung.

    Zitat

    Ich kann aber auch das Interesse an solistischer Besetzung verstehen....

    Wie ich im d´amore-Thread schrieb, finde ich die im Chor solistisch besetzte h-moll-Messe unter Andrew Parrot ganz vortrefflich. Diese Aufnahme, die ich mit einem Freund auf einer nächtlichen Rohrholz-Einkaufsfahrt nach Südfrankreichr auf und runter gehört habe, hat mir das große Werk erst richtig erschlossen.

    Auch das kann ich nachvollziehen, wenngleich es bei mir vollkommen anders war, bin ich doch von Richters Aufnahme geprägt. Ich habe die h-moll-Messe aber schon mehrfach live in solistischer Besetzung gehört, war aber vom Liveeffekt dann aber doch etwas ernüchtert. Mir schien das Klangverhältnis beide Male nicht überzeugend. Ich habe sie häufiger gesungen, wobei meist in großen (Capell-) Chor und Favoritchor unterteilt wurde. Das fand ich ganz schlüssig.

    :wink: Agravain

  • Als nächstes werde ich mir die hier gelobte Ruth Holton anhören. Schaun mer mal...

    Ruth ist schon nicht übel. Ihre größten Minuten hat sie in BWV 127, und zwar in der Arie für Sopran:"Die Seele ruht in Jesu Händen". Vielleicht mal reinhören - auch des Obeoensolos halber?! :thumbup:

    :wink: Agravain

  • Mache ich heute noch, Agravain! Aber jetzt gibt es erst mal - auch auf deinen Hinweis hin - BWV 8 in der dritten Version (nach Leusink und Richter folgt Rilling).

    Ich bin ja schon lange begeisterter Kantatenhörer, aber jetzt bricht bei mir offenbar eine regelrechte Manie aus. Was so ein Forum doch für Folgen zeitigen kann.....

    Beste Grüße

    Bernd

  • Die genannten Sängerinnen sind wirklich fabelhaft. Mein Favorit ist bei "Jauchzet Gott in allen Landen" diese Aufnahme mit Emma Kikrby:

    Ich liebe die Stimme von Emma Kirkby, habe allerdings bei dieser Kantate (für mich eine der schönsten!) noch eine andere Favoritin:
    Carolyn Sampson mit dem Bach Collegium Japan unter Masaaki Suzuki.

    Hör dir Frau Sampson mal an, sie singt zauberhaft! Gardiner nimmt mir diese Kantate viel zu schnell, da kann sich der Jubel gar nicht richtig entfalten.

    LG
    Juli

    PS Ich habe mir Sytse Buwalda mal angehört, den ich bisher nicht kannte (und auch weiterhin eigentlich nicht kennen möchte)
    Sowas Grauenhaftes ist mir noch nicht untergekommen, das würde mir eine Kantate komplett versauen.

    Nachtrag: Ich sehe gerade, dass Carolyn Sampson schon von Christian erwähnt worden war. na ja, doppelt gemoppelt... :whistling:

    "Eine Semmel enthält 140 Kalorien, 700 Semmeln pro Jahr ergeben 98000 Kalorien,
    diese benötigt man, um eigenhändig 1 Elefanten 9 Zentimeter weit zu tragen. Aber wozu?"
    (Loriot)

  • Das vergleichende Hören von BWV 8 war richtig spannend; ich sollte so etwas viel öfter machen!

    Im Eingangschor trifft Leusink das Tempo für meine Begriffe sehr schön, der Knabenchor ist in guter Form, und die beiden Oboisten bedienen ihre d´amores gewohnt gepflegt. Allerdings werde ich es wohl nie lernen, dem Sound der ollen Dinger mit richtiger Freude zu lauschen - gerade hier kommt mir das kanglich wieder sehr flach vor; unwillkürlich denke ich an Kinderinstrumente (Melodicas oder etwas in der Art).

    Bei Richter wirkt der Eingangschor vergleichsweise sehr schleppend und statisch. Die Oboen d´amore (Horst Schneider, den heute keiner mehr kennt, sowie Edgar Shann) klingen kaum besser als bei Leusink, sondern tendieren in eine ziemlich dünne und plärrige Richtung. Erstes Urteil: Das geht gar nicht!

    Aber dann kommt Rilling mit zwar tonlich etwas besseren, aber immer noch nicht ganz überzeugenden Bläsern (Hedda Rothweiler und Klaus Kärcher - bei letzterem hatte ich während der BW-Zeit mal ein Jahr Unterricht, eigentlich ist das ein guter Oboist), jedoch mit einem fast doppelt so schnellem Tempo wie Richter. Was für eine unchristliche Hetze! Sicher will ich bald sterben :D, aber doch nicht völlig abgestresst und außer Puste! Nein, da kommt mir angesichts des Charakters der Musik Richters molto schlepptando noch eher entgegen....

    In den Arien macht Rilling so weiter, wie er angefangen hat. Das wirkt alles irgendwie unschön überhastet.

    Im Vergleich zu Richter wählt Leusink für meine Begriffe in allen Nummern die passenderen Tempi, Richter verfügt dafür über die in meinen Ohren eindrucksvolleren Sänger. Das gilt vor allem für Ernst Haefliger, der seinen Tenorkollegen Marcel Beckman stimmlich bei weitem übetrifft.

    Alles in allem hat Leusink für mich die Nase vorne, da er eine dem Geist des Werkes besonders angemessene Interpretation abliefert. Auf Platz zwei landet Richter, und mit seinen mäßigen Sängern findet sich Rilling diesmal weit hinten wieder.

    Vorurteilsmäßig sollte man ja meinen, der mit den ollen Instrumenten und dem hippen Interpretationsansatz hätte auch die flottesten Tempi, aber weit gefehlt! Und der Schnellste ist in der Musik ja bekanntlich nicht immer der Sieger...

    Viele Grüße

    Bernd

  • Zitat

    zumindest die Frisur ist gelungen.

    Auch darüber lässt sich durchaus streiten! :D

    Zitat

    Die Hörproben der Solo-CDs lassen die Stimme wie ein Nebelhorn klingen.

    Ach, das liegt bestimmt nur an den Lautsprechern deines Rechners! :D :D

    Beste Grüße

    Bernd

  • Nebelhorn? Passt irgednwie zu dieser Rezension:

    Sytse Buwalda sounds like a smooth and healthy fish in clear water…

    :wink:

    Ins Gebüsch verliert sich sein Pfad, hinter ihm schlagen die Sträuche zusammen.

  • Fische sind wenigstens stumm.
    Und versuchen sich nicht an Bachkantaten.

    "Eine Semmel enthält 140 Kalorien, 700 Semmeln pro Jahr ergeben 98000 Kalorien,
    diese benötigt man, um eigenhändig 1 Elefanten 9 Zentimeter weit zu tragen. Aber wozu?"
    (Loriot)

  • Ich vermute mal, dass die Heranziehung Buwaldas bei den Leusink-Aufnahmen einem besonders konsequenten HIP-Denken geschuldet ist.

    Zu dieser Schlussfolgerung bringt mich jedenfalls Agravains obenstehende Formulierung:

    Zitat

    ...und dass sich Bach bisweilen (ich müsste jetzt nachsehen wo genau) über die Qualität seiner Sänger beschwert....

    :D

    Beste Grüße

    Bernd

  • Zitat

    Ruth ist schon nicht übel. Ihre größten Minuten hat sie in BWV 127, und zwar in der Arie für Sopran:"Die Seele ruht in Jesu Händen". Vielleicht mal reinhören - auch des Obeoensolos halber?!

    Heute nachmittag habe ich BVW 127 sowohl in der Rilling-als auch in der Leusink-Version gehört, und zwar mit einem nach den BVW -8- Erfahrungen recht verblüffenden Ergebnis:

    Unter Rilling empfinde ich den Eingangschor, der bislang aus unerklärlichen Gründen komplett an meinen Ohren vorbeigegangen ist (die Arie kannte ich zumindesten der Oboenstimme nach aus meinen "Bachstudien"), als wunderbares Erlebnis. Der punktierte Rhythmus erscheint in einem vergleichsweise ruhigen, aber trotzdem selbstverständlich fließenden Tempo, eher triolisch als wirklich peinlich korrekt punktiert; er gewinnt dadurch etwas inegal Schwebendes, das zum Charakter des Satzes hervorragend passt. Die ausgezeichneten Blockflöten und Oboen (Simon Dent an der ersten Oboe spielt mit herrlich weichem, aber trotzdem vielschichtigem Ton) erzeugen dazu rein klanglich eine ganz besondere Atmosphäre, die mich sofort in ihren Bann zieht.

    Die Qualitäten des Solooboisten prägen dann auch die in einem weitgespannten Bogen musizierten Sopranarie. Sehr gut gefallen mir zudem die Flöten, die ihre "Glocken"akzente kurz, aber nicht abgehackt , sondern flexibel klingend in die gesanglichen Linien werfen. Einzig Arleen Auger überzeugt mich nicht hundertprozentig, sie singt streckenweise mit zu viel Vibrato und wird klanglich manchmal minimal schrill. Aber wirklich schwach finde ich auch ihre Leistung nicht.

    Insgesamt ist das eine Interpretation, die mich ziemlich begeistert.

    Leusink nimmt den Eingangschor schneller und mit stereotyp zackigen, marschmäßigen Punktierungen, die Bläser klingen aber trotzdem rein von der Farbe her wie in Watte eingehüllt. Die von Rilling evozierte metaphysische Atmosphäre kommt überhaupt nicht auf - wenn ich mit dieser Aufnahme angefangen hätte, wäre mir die Schönheit des Satzes weiter nicht aufgefallen. Hier wird für meinen Geschmack der *spirit* der Komposition auf dem Altar eines Hopsigkeits-Kürze-Dogmas geopfert. Wenn das Ganze wenigstens noch tänzerisch wirken würde, wäre es etwas angenehmer zu hören, aber so ruft es bei mir eher Assoziationen an einen preussischen Militärmarsch hervor :thumbdown: .

    In der Arie stören mich zunächst die sehr gleichförmig und extrem *brut* hingehackten Blockflötenachtel enorm. Was unter Rilling glockenartig flexibel klingt, erscheint hier wie gleichförmig mit der Machete abgehauen. Ruth Holtons Stimme wirkt - bei grundsätzlich feinem Timbre - auf mich dann doch etwas dünn-kleinmädchenhaft. Streckenweise gelingt ihr keine überzeugende Linie (was aber angesichts der abgerissenen Flöteneinwürfe auch kein Wunder ist), und die Intonation scheint mir - das kann aber auch an meinen Hörgewohnheiten liegen - manchmal leicht daneben. Das Beste an der Arie ist dann noch die musikalisch gut geführte Solooboe, aber wenn man zuvor den fabelhaften Simon Dent auf dem modernen Instrument gehört hat....

    Hier gelange ich also zu einem genau entgegengesetzten Ergebnis wie bei BWV 8: Die Rilling-Aufnahme finde ich großartig, die Einspielung unter Leusink werde ich mir freiwillig so schnell nicht wieder anhören.

    Auf der Leusink-Scheibe folgt dann noch mit BWV 95 eine meiner liebsten Kantaten. Nach der Hälfte des Eingangschors habe ich erst mal den Aus-Knopf gedrückt, weil ich dachte, ich sei in einem Bierzelt oder in einer sonstigen Schunkelbude. Aber zu BVW 95 schreibe ich dann demnächst noch mehr.

    Viele Grüße

    Bernd

  • Eben habe ich mir - vom Weismannthread getrieben :D - noch BVW 106 ("Actus tragicus") und BWV 161 ("Komm, du süße Todesstunde") unter Leusink genehmigt. Abgesehen vom bekannten Buwalda-Problem (das in BWV 106 für meine Ohren stärker zu Tage tritt als in BWV 161) und einigen anderen sängerischen Schwächen spricht mich der Grundduktus dieser Interpretationen durchaus an. Rilling folgt morgen noch zum Vergleich - mal schauen, was sich dann ergeben wird.

    In meinen Ohren kommt Leusik mit langsameren, getrageneren Kantaten deutlich besser zurecht als mit solchen, die einen eher schwungvollen Grundcharakter besitzen - aber auf Ausnahmen von dieser gerade gefundenen :D Regel werde ich sicherlich auch noch stoßen.

    Jedenfalls bedanke ich mich noch einmal bei Gurnemanz, dessen Thread-Eröffnung bei mir zu einer neuerlichen und vertiefenderen Reise in Bachs Kosmos geführt hat!

    Herzliche Grüße

    Bernd

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