... bei Spohr und Loewe
In diesem Faden soll ja nicht unbedingt nur von Mendelssohn und Wagner die Rede sein. Darum jetzt mal das Vorkommen des Dresdner Amen bei Spohr und Carl Loewe.
Zuvor aber noch eine Bemerkung zum Vorhergehenden:
Ich bin nicht mehr so ganz davon überzeugt, ob die von Clemens Brinkmann übernommene Unterscheidung zweier Traditionsstränge (katholisch und protestantisch) so ganz Hand und Fuß hat. Die beiden Hauptbeispiele bei Brinkmann unterscheiden sich vor allem durch die Setzweise der Unterstimmen - in tiefer, enger Lage (Terzparallelen) im kath. Zweig, Auflösung der engen Lage durch Versetzungen im protestantischen Zweig. Aber sind das wirklich Eigenheiten von konfessionellen Traditionssträngen? Oder handelt es sich eher um ältere, am Chorgesang orientierte Versionen gegenüber neueren, die mehr z.B. für orgelbegleiteten einstimmigen Gemeindegesang vorgesehen sind? Das wird bei Brinkmann m.E. nicht hinreichend deutlich. Die Orientierung es D.A. im Parsifal an der "katholischen" Version könnte auch mit dem Bestreben Wagners zu tun haben, einen düsteren Grundklang zu erzielen.
OK, jetzt aber zu Spohr und Loewe.
Beide Fälle haben insofern eng etwas miteinander zu tun, als das Dresdner Amen hier sozusagen programmatische, man könnte sagen illustrative Funktion hat. In der Ballade "Der Gang nach dem Eisenhammer" nach Fr. Schiller von Carl Loewe gibt es eine Schilderung einer Meßfeier, bei der das D.A. vorkommt. Spohrs Duett für Violine und Klavier op. 96 ist betitelt "Nachklänge einer Reise nach Dresden und in die Sächsische Schweiz"; der 2. Satz heißt "Katholische Kirche", Spohr schreibt dazu in seiner Selbstbiografie: "Das folgende Adagio gibt eine Scene aus der katholischen Hofkirche wider[!], welche mit dem Orgelpräludium auf dem Pianoforte allein beginnt; darauf spielt die Geige die Intonation des Priesters [...], woran sich das Responsorium der Chorknaben genau in denselben Tönen und Modulationen, wie man sie in den katholischen Kirchen und auch in der Dresdener hört, anschließt" (zit. nach C. Brinkmann, S. 69). Hier ist das "Dominus vobiscum" mit dem Responsorium "et cum spiritu tuo" gemeint - letzteres wird nach Brinkmann ebenso als Textierung des D.A. verwendet wie "Amen" selber. Der erste Akkord des D.A. wird dann der Silbenzahl wegen rhythmisch gebrochen, die Textunterlegung sieht so aus: | et cum spiritu | tu - - - | o ___ |. Spohr vereinfacht den Rhythmus etwas, die vollständige Silbenzahl hätte ihm womöglich auf dem Klavier deplaziert geklungen. Die Noten zu Spohr findet man hier:
http://digital.staatsbibliothek-berlin.de/dms/werkansich…HYSID=PHYS_0017
2. Satz T. 17 - 20.
die Klavierstimme hat leider keine übergelegte Violinstimme, muß man sich zusammensetzen.
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Die Ballade von Carl Loewe ist insofern ein besonders interessanter Fall, als es sich bei dieser Komposition um eine Bearbeitung, wahrscheinlich besser gesagt "Umarbeitung" eines Werkes von einem Bernhard Anselm Weber (1764 - 1821) handelt, der die Schillersche Ballade melodramatisch, nämlich für Sprecher, Orchester (und Chor?) komponiert hat. Loewe hat aus diesem Werk ein Stück für Singstimme und Klavier gemacht, wobei aber eine Aufführung mit verschiedenen Instrumenten ebenfalls möglich sein soll (im Klavierpart sind zu diesem Zweck häufig Stellen markiert, die auch von anderen Instrumenten übernommen werden können, z.B. Klarinette oder Orgel). Es existiert auch eine Fassung mit großem Orchester. - Über Inhalt und Text der Ballade kann man sich leicht im Netz informieren.
Die Noten siehe hier:
http://hz.imslp.info/files/imglnks/…Loewe_Bd.10.pdf
Die Musik von B. A. Weber ist in den Noten durch Kleinstich gekennzeichnet, so daß man sich ein Bild von Loewes Umarbeitung machen kann.
Das Dresdner Amen findet sich zweimal in dem Werk. Zunächst, als von einer Messe die Rede ist (S. 47):
Darauf die Dame von Savern
versetzt mit sanftem Ton:
"Die heilge Messe hört ich gern,
doch liegt mir krank mein Sohn."
Beim Doppelpunkt erscheint das D.A. umgeformt zu einer Modulation von halbschlüssigem Es-Dur nach As-Dur.
Zweite Stelle am Schluß dieser Messe (S. 53):
und wird nicht müde bis zum Schluß
bis beim Vobiscum Dominus
der Priester zur G'mein sich wendet
Die Singstimme bringt die Intonation "Vobiscum Dominus" ganz ähnlich wie es bei Spohr die Geige getan hat, darauf ergänzt Loewe im Klavier das in Schillers Text nicht vorkommende Responsorium durch ein Zitat des Dresdner Amens.