HÄNDEL: Orlando - Von rasender Liebe und virtuosem Wahn
Angesichts einer beispielhaften und furios schönen Aufführung der eher selten gespielten Oper "Orlando"(Premiere an der Opéra de Lille gestern, Dreamteam: Dirigat Emmanuelle Haïm, Regie David McVicars, die das Ganze auch in Paris schon auf die Bühne gebracht haben ) hier schonmal einige Sâtze zu dieser Oper. Fortsetzung folgt nach und nach.
Die Oper entstand 1732, mitten in den schlimmsten Londoner Kabalen und Opernintrigen, und wurde 1733 am King's Theatre Haymarket uraufgeführt. Es war dies die letzte Oper, die Händel seinem Lieblings-Kastraten Senesino in die Kehle komponierte. Die Uraufführung wurde zwar ein Erfolg, der Orlando wurde aber u.A. wegen Erkrankung der weiblichen Protagonistin nur 11mal aufgeführt.
Das Libretto von Capece beruht auf dem Versepos "Orlando furioso" (1516) von Ludovico Ariosto , das einer der beliebtesten Opernstoffe überhaupt war. Vorangegangen waren z.B. Vertonungen von Vivaldi, Lully, Scarlatti ( leider verschollen) und Händels Opern Ariodante und Alcina beruhen ebenfalls auf Ariosts Epos, sowie auch sämtliche Armida- Vertonungen und einiges mehr.(Haydn Orlando Paladino soll ebenfalls nicht verschwiegen werden) Der Stoff ist so überreich, dass jede einzelne Episode eine potentielle Oper in sich trägt.
Orlando ist leider weit weniger bekannt als Alcina oder gar Giulio Cesare. Wie ich seit gestern weiss: zu Unrecht! Diese Oper bietet einen unerhörten musikalischen Reichtum und Händel hat ausgetretene Pfade verlassen und sich sehr weit vorgewagt. Die Art und Weise wie der Wahnsinn des Protagonisten in Töne gesetzt wird mutet besonders im dritten Akt sehr modern an- da stellt die Musik aufs Anschaulichtste das Changieren zwischen Raserei und Depression dar:ausdrucksstarke Ariosi, kurze virtuose Ausbrüche, dazwischen melancholische Melodiefetzen- das weist für meine Ohren schon weit in die Zukunft!
Es gibt in dieser Oper nur 5 Sänger: Orlando (ehedem ein hochvirtuoser Kastrat- heute Koloratur-Alt oder Counter),
Angelica (Sopran), Dorinda (Sopran mit Soubrettenqualitäten) Medoro (Counter oder Alt) Zoroaste (Koloratur-Bass)
Von Orlando werden ganz aussergewöhnliche vokale und darstellerische Fähigkeiten verlangt, die Rolle ist schwierigst zu besetzen. Die beiden Sopranrollen sind ausserordentlich dankbar in Tessitura und Charakter und in ihrer gemässigten Virtuosität gleichwertig- wobei ich die Soubrettenrolle noch etwas anspruchsvoller finde, weil sie gleichzeitig tragische wie komische Elemente verkörpern muss und SEHR viel zu singen hat. Der Bass muss ebenfalls sehr virtuos sein, während Medoro ein echter "secondo uomo" ist, also Orlando in keinster weise die Show stiehlt und zwar etliches an Quantität (das Werk dauert immerhin an reiner Musik knapp 3 Stunden) aber nichts serh Virtuoses zu singen hat
Händels Sujet ist der Konflikt zwischen Liebe und Heldenpflichten, zwischen Mars und Venus, fast paranoidem Wahnsinn aus Leidenschaft und Selbstdisziplin.
Orlando hat Angelica das Lebengerettet und sich dabei unsterblich in sie verliebt. Von der Gegenseitigkeit dieser Liebe ist er zunächst fest überzeugt- wie kann frau denn auch ihren Retter nicht leiben und anbeten????? Undenkbar!
Angelica aber verliebt sich in Medoro, der wiederum mit der" Pastorella" Dorinda verbandelt war, diese aber wegen der weit besseren Partie verlässt. Es bleibt dabei etwas im Dunkeln, wie opportunistisch seine Gefühlswandlungen sind.....
Zoroaste tut alles um Orlando wieder auf den rechten Weg , nämlich weg von Amor und hin zu Mars, dessen Ruhm Jahrhunderte überdauert, zu bringen. Orlando aber wird so von seinem Eifersuchtswahn ûberrollt, dass er den Verstand verliert und im Delirium Angelica und Medoro ermordet. Beide werden am Ende jedoch von den Toten auferweckt und Orlando wird von seiner Raserei geheilt-Zoroaste ist ja glücklicherweise ein Magier.
Das zur Handlung. wie diese von Häim, MCVicars und dem Team umgesetzt wurde, folgt dann noch.
F.Q., mal wieder restlos begeistert, wie lebendig, kurzweilig und wunderschôin Barockoper in den richtigen Händen wird :jub: