Wie bereitet Ihr Euch auf einen Opernbesuch vor?

  • Ich ziehe mich auch gerne schick an in die Oper. Ich bin auch gern frühzeitig da, trinke noch ein Glas Sekt, und gucke Leute. Ich gebe auch immer meine Jacke an der Garderobe ab, da ich es nicht mag, bepackt in der Vorstellung zu sitzen.

    Glücklich sind die, die in ihnen unbekannte Musikstücke leicht reinkommen -- ich gehöre da nicht dazu. Deshalb versuche ich jede Oper, sollte ich sie noch nciht kennen, vor dem Besuch mindestens einmal anzuhören und mich über Handlung und Kontext zu informieren. Je besser ich ein Stück kenne, umso mehr kann ich aus einem Opernbesuch mitnehmen. Gerne informiere ich mich auch über Diregenten, Sänger und Regisseure, um auch hier etwas Kontext zu haben und die Aufführung besser einordnen zu können.

  • Den größten Teil meiner Vorbereitungen macht meist die Auswahl dessen, was ich mir überhaupt ansehe aus. Ich bin immer auf der Suche nach Werken, die ich noch nie sah. Die Musik muss mich da in jedem Fall ansprechen. Wenn ich diese noch nicht kenne, sind meist der Komponist und die Entstehungszeit ein erstes Auswahlkriterium, ansonsten eventuell Hörbeispiele aus dem Internet.
    Bei Premieren in meiner näheren Umgebung besuche ich meist die Einführungsmatinee ein bis zwei Wochen vorher. Wenn es weiter weg ist, sind Anreise und Hotelübernachtung zu planen. Eintrittskarten besorge ich mir meist im Vorverkauf. Inwiefern ich mich darüber hinaus noch inhaltlich mit dem Werk beschäftige, hängt davon ab, was ich davon schon weiß und wieviel Zeit ich habe.
    Unmittelbar vor der Veranstaltung ist dann noch „Aufbrezeln“ angesagt. Ein schickes Abendkleid oder eine festliche Rock-Bluse-Kombination sind für mich ein Muss. Ich versuche immer rechtzeitig da zu sein und schlendere dann noch ein wenig durchs Haus, bevor ich meinen Platz einnehme. Jetzt muss nur noch die Inszenierung passen, dann wird es ein wunderschöner Opernabend.

    Viele Grüße aus Sachsen
    Andrea

  • Also bei den gegenwaertigen Spielplänen, brauchts wohl nicht nur einen Flachmann im Frack, sondern eine ganze Pulle Ruß, um bis zum letzten Akt durchzuhalten!

    Ernstlicherseits sollte ein kleines Tablet nicht fehlen, mit allen wissenswerten FAkten und dem Libretto zur Hand anstatt dem sperrigen Opernführer.

    Gute Nacht!

  • brauchts wohl nicht nur einen Flachmann im Frack, sondern eine ganze Pulle Ruß, um bis zum letzten Akt durchzuhalten!

    zu diesem Behuf greife ich eher zu Oropax und wattierter Schlafmaske. Vielleicht funzt auch Petersilie wie bei Asterix..

    (Vom Flachmann ganz zu schweigen.)

    Flachmann würde ich eher nach Event mir reinschütten oder diskret zur Premierenfeier, weil da oft bloß teure und miese Weine und schlecht gekühlte Biere im Angebot..

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Ich habe die bisherigen Posts in diesem Thread (noch) nicht gelesen, aber vor ein paar Minuten anderswo etwas zu diesem Thema geschrieben. Gurnemanz hat mich - danke! - auf diesen Thread aufmerksam gemacht, daher kopiere ich die beiden Beiträge hierher:

    Ich plädiere bekanntlich immer dafür, dass man sich als Theaterbesucher vorher das Libretto durchliest (nur das Libretto, keinen Opernführer) und das Stück dann für sich selbst im Kopf inszeniert. Beim Besuch der Aufführung konfrontiert man dann seine eigene Idee des Stückes mit der des Regisseurs. Wobei eine gewisse Aufgeschlossenheit gegenüber der Gedankenwelt von anderen Personen nicht schaden kann...

    Die Frage, worin die "ideale" Vorbereitung auf einen Opernbesuch besteht, ist eine andere, aber durchaus wert, behandelt zu werden.Ich bin anderer Meinung als Du, ich denke, man sollte möglichst unbedarft an ein persönlich neues Stück herangehen. So kann man sich möglichst vorurteilsfrei an ein Stück herantasten, und ich denke übrigens auch, dass das durchaus auch im Sinne des Komponisten/Librettisten ist. Das schließt natürlich die Möglichkeit ein, dass man ein Stück mehrmals sehen kann und nicht nur ein einzigesmal.
    Wenn Du vorschlägst, man sollte zuerst das Libretto lesen, nicht aber den Opernführer, würde ich gerne fragen: Wieso ausgerechnet keinen Opernführer? Freilich, es gibt solche und solche, aber wenn es ein guter ist, der einem einen kompakten Überblick über die relevanten Begebenheiten gibt?
    Und wieso sollte man nur das Libretto lesen, nicht aber die Musik hören? Wir alle wissen, dass in Opern nicht alles durch den Text ausgedrückt wird, sondern manches Wichtige nur durch die Musik, also wieso darauf bei der vorbereitung verzichten?
    Daraus ergibt sich leider, dass man durch das Hören einer Aufnahme jedenfalls "vorbelastet" wird, also man hat dann eine bestimmte Realisierung im Kopf, die man unbewusst zum Maßstab für die in Zukunft gehörten erhebt. Also dürfte man sich nur nur eine Aufnahme anhören, sondern möglichst viele, sagen wir 10. Wenn man aber die Zeit aufgebracht hat, 10 Aufnahmen genau zu hören, hat man womöglich gar keine Lust mehr auf das Live-Erlebnis oder kann es dann womöglich gar nicht richtig genießen.
    Außerdem sind bei manchen Opern die Libretti nur mit Mühe zu kriegen. Meine zuletztgesehene Oper war vor ein paar Tagen Król Roger von Szymanowski, dessen Libretto ich im Internet nur im polnischen Original aufgetrieben habe. Und Polnisch kann ich leider gar nicht. Ein deutsches oder englisches Libretto habe ich nicht gefunden, und ich bezweifle, dass es mein Erlebnis verbessert hätte, wenn ich den Text gekannt hätte.
    Insofern bin ich der Meinung: Am besten keine Vorbereitung, um sich unbeeinflusst auf das Stück einlassen zu können. :) Je tiefgehender man sich mit einem Stück beschäftigt, desto tiefgehender wird auch das Wissen um selbiges - aber das muss man ja nicht gleich bei der Erstbegegnung haben, denke ich.


    Ansonsten: Meine Vorbereitung besteht eigentlich nur im Auswählen der Termine (Oper+Konzert+Liederabend+...), Kaufen der Karten, Ausdrucken per Print@home und losgehen. Ich ziehe mich überhaupt nicht "besonders" dafür an, ich habe auch keine Ahnung, wieso ich das tun sollte. Mir ist auch ganz egal, was sich die anderen Besucher angelegt haben. Ehrlich gesagt geht mir das weitverbreitete "Wir müssen uns dafür unbedingt schön anziehen" etwas auf die Nerven. Aber jeder, wie er will!

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

  • Meine zuletztgesehene Oper war vor ein paar Tagen Król Roger von Szymanowski, dessen Libretto ich im Internet nur im polnischen Original aufgetrieben habe. Und Polnisch kann ich leider gar nicht. Ein deutsches oder englisches Libretto habe ich nicht gefunden


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    edit
    achso, du hast sicher einen online-Text gesucht, nix käufliches.

    gibts engl. hier:
    http://duszenko.northern.edu/szymanowski/index.html

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Ich denke, man sollte möglichst unbedarft an ein persönlich neues Stück herangehen. So kann man sich möglichst vorurteilsfrei an ein Stück herantasten, und ich denke übrigens auch, dass das durchaus auch im Sinne des Komponisten/Librettisten ist. Das schließt natürlich die Möglichkeit ein, dass man ein Stück mehrmals sehen kann und nicht nur ein einzigesmal.
    Wenn Du vorschlägst, man sollte zuerst das Libretto lesen, nicht aber den Opernführer, würde ich gerne fragen: Wieso ausgerechnet keinen Opernführer? Freilich, es gibt solche und solche, aber wenn es ein guter ist, der einem einen kompakten Überblick über die relevanten Begebenheiten gibt?
    Und wieso sollte man nur das Libretto lesen, nicht aber die Musik hören? Wir alle wissen, dass in Opern nicht alles durch den Text ausgedrückt wird, sondern manches Wichtige nur durch die Musik, also wieso darauf bei der vorbereitung verzichten?

    Du sagst es doch selbst: Unbedarft herangehen. Ein Opernführer bringt bereits eine oder mehrere Deutungen. Nach dem Lesen desselben ist man nicht mehr frei in seinem Denken.

    Natürlich spart das Lesen des Opernführers Zeit. Aber gleichzeitig nimmt er einem das Denken ab. Die "relevanten Begebenheiten" stehen auch im Libretto.

    Hinsichtlich der Vorhören der Musik bin ich unschlüssig. Theoretisch braucht man das nicht. Die Möglichkeit hatte man früher auch nicht. Allerdings las man früher auch keine Libretti vorab. Ich vermute aber, dass die Leute früher eine entsprechende Vorbildung hatten. Die Stoffe aus der Mythologie waren den Leuten geläufig. Und die Komödien waren zeitgenössisch, man musste da nicht jedes Wort verstehen, um dem Inhalt folgen zu können.

    Heute gehen die Regisseure davon aus, dass sowohl Inhalt einer Oper als auch die "konservative" Inszenierung derselben allgemein bekannt sind. Darauf aufbauend entfernen sie sich bis zu einem gewissen Grad vom wortwörtlichen Inhalt. Dem Opernbesucher fällt es also leichter, der Inszenierung zu folgen, wenn er die Grundlage kennt. Bei der Musik ist das anders. Da wird ja kaum etwas verändert. Wobei ich zugeben muss, dass ich selbst so gut wie immer die Musik vorher schon kenne

    Bei meinem Italienisch-Kurs vor ein paar Jahren war es so: Der Lehrer teilte den zu besprechenden Text (Kurzgeschichte, Zeitschriftenartikel, etc.) immer eine Woche vorher aus. Im folgenden Unterricht wurde der Text besprochen. Aber ohne auch nur einen einzigen Satz daraus gemeinsam zu lesen. Es wurde vorausgesetzt, dass die Schüler den Text gelesen hatten. Wer das nicht getan hatte, saß 90 Minuten stumm im Unterricht. Das passierte einem aber nur einmal.

    Vorteil: Man übte freies Reden und Argumentieren, und man verstand den Inhalt wesentlich besser, als wenn die Hälfte des Unterrichts nur aus dem Ablesen des Textes bestanden hätte.


    Thomas

  • Ja, unbedarft und möglichst frei von festgefahrenen Erwartungen an die Sache herangehen, habe ich gemeint. Aber findest Du nicht, dass nicht nur ein Opernführer eine Deutung bringt, sondern es ebenfalls eine Deutung ist, wenn man bloß das Libretto liest und sich darauf aufbauend seine Meinung bildet? Wie gesagt, Musik und Text sind eine Art Einheit. Okay, wir verlieren uns jetzt in unnötigen Haarspaltereien... aber wir sind uns einig, dass wir hier nicht ganz einig sind :D

    Offen gestanden weiß ich nicht, was in einem normalen Opernführer steht und was nicht, aber ich habe vor ca. zwei Monaten als einen meiner ersten Capriccio-Beiträge eine Threaderöffnung zu Strauss' "Frau ohne Schatten" geschrieben. Ich wollte im ersten Beitrag des Threads grundlegende Informationen geben, da gehört natürlich eine Inhaltsangabe dazu, die mir sehr ausführlich geraten ist. Aber gleich im zweiten Satz gibt es schon eine Interpretation:

    In der Frau ohne Schatten geht es - abstrakt gesprochen - um den Triumph der Gesamtheit der positiven menschlichen Empfindungen und über die Niederlage der Gesamtheit der negativen menschlichen Empfindungen.

    Aber wenn man liest, was andere für die Aussage eines Stückes halten oder wie andere ein Stück halten, und wenn man dann darüber nachdenkt, hilft das wohl auch, um zur eigenen "Erkenntnis" zu gelangen. Alles, was wir denken, wird ja durch andere beeinflusst (ich denke, dass jeder Mensch nach seinen persönlichen Werten und nach seiner persönlichen Weltanschauung handelt - beides wird durch sein Umfeld geprägt).

    Deine Beobachtung, dass derzeit häufig die Szenierie verändert wird, die Musik aber nicht, ist natürlich völlig richtig. Ja, das habe ich nicht bedacht, und spricht natürlich für Deinen Vorschlag, zuerst nur das Libretto zu lesen, aber keine Musik zu hören. Trotzdem kann ich mich da nicht anschließen :D

    Was Du aus Deinem Italienisch-Kurs beschreibst, halte auch ich für eine gute Methode, sofern man sie nicht überstrapaziert. Früher war das in der Schule verboten, jetzt hat man ihr einen englischen Namen gegeben ("Flipped Classroom") und auf einmal ist sie wieder cool und methodisch hilfreich. Naja, so ist das halt..

    Danke! Ja, ich habe einen online-Text gesucht und auf die Schnelle keinen gefunden. Danke für den Link, ich habe ihn schon angeklickt.

    Am Opernhaus Zürich beinhalten die Programmhefte immer auch das Libretto, was ich sehr lobenswert finde.

    Ich denke nicht, dass ich das gut finde. Das Programmheft wird dann ja immer dicker und immer dicker und frisst zu Hause immer mehr Platz... Bei Liederabenden finde ich den Text auch sehr hilfreich - obwohl man dann immer abwägen muss, ob man lieber mitliest oder den Sänger beobachtet. Aber was soll ein Opernlibretto im Programmheft? Normalerweise findet man das Libretto flugs im Internet.

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

  • Niemand wird gezwungen das Programmheft zu erwerben. Die darin enthaltende übrige Informationen findet sich (grösstenteils) auch auf der Webseite des Opernhauses.
    Ich lese weiterhin gerne auf Papier. Ausserdem beinhaltet das Libretto des Opernhauses immer auch die Übersetzung ins Deutsche gleich in der rechten Spalte. Diesen Komfort findet man nicht immer im Internet.

  • Welche Vorbereitung für einen Opernabend angemessen ist, ist - wie man auch unter den Antworten hier lesen kann - sehr individuell. Ich halte es gleichermaßen für legitim, sich ganz intensiv und akribisch vorzubereiten wie auch völlig unvoreingenommen und von jeder Sachkenntnis unbeleckt eine Oper zu besuchen: Es kommt halt darauf an, welche Art von Erlebnis man sich verschaffen möchte.

    Ich bereite mich oft gar nicht vor, weil ich direkt von der Arbeit irgendwo hingehe. Ich gehöre dabei nicht zu den Leuten, die alles schon fünf mal gesehen und gehört haben. In der Regel lese ich den Wikipedia-Artikel über die Oper unmittelbar vorher und kaufe mir ein Programm (aber vor allem, damit ich später rekonstruieren kann, wer da gesungen hat, und wie die Bildsprache der Inszenierung war (->Fotos!)). Die Texte aus dem Programm lese ich meistens nur auszugsweise.
    Wenn ich zeitig genug da bin (was meistens der Fall ist), höre ich die Einführungen (die übrigens oft grotesk schlecht gemacht und auch noch schlecht vorgetragen werden).
    Intensivere Vorbereitung gönne ich mir, wenn ich extra irgendwo hinreise und mir der Stoff suggeriert, dass ich ohne Vorbereitung nichts damit anfangen kann. Die Wagner- und Strauss-/Hofmannsthal-Libretti bzw. die Wilde-Salome habe ich z.B. vor dem ersten Besuch auch mal gelesen. Bei Wozzeck und Lulu habe ich die Urtexte nochmal gelesen. Und das war im Nachhinein auch immer gut so. Aber das geht halt nicht immer und für alles...

    Und deshalb gestehe ich mir auch manchmal zu, einfach hinzugehen und das über mich ergehen zu lassen. Und machmal ist das sogar echt super, weil ich dann ganz überraschende Highlights erlebe. Mein erster Eugen Onegin, meine erste Cavalleria Rusticana und meine erste Händel-Alcina waren solche Abende, bei denen ich am Ende dachte: "Wow, was für ein Werk! Und damit hast du dich nie beschäftigt!"

    Heute gehen die Regisseure davon aus, dass sowohl Inhalt einer Oper als auch die "konservative" Inszenierung derselben allgemein bekannt sind.

    Das nehme ich auch so wahr und bin darüber etwas gespalten: Einerseits ist es für die frequent listeners unter den Besuchern gerade der Reiz eine erklärungsarme Regieinterpretation zu erleben, andererseits ist es für das Gelegenheitspublikum oft sehr sperrig. Selbst wer jahrzehntelang brav ein Abo an einem durchschnittlichen deutschen Opernhaus hat, wird in all den Jahren wahrscheinlich nur ein, zwei Male mit einzelnen Werken (außerhalb des 08/15-Kanons) behelligt - und zwar obwohl er/sie schon zu den überdurchschnittlich engagierten TheatergängerInnen gehören dürfte. Ich erlebe häufig, dass die Leute rechts und links von der Regiearbeit überfordert sind, seltener diese ganz grundsätzlich ablehnen.

    Und im übrigen stellt sich schon die Frage: Wo soll man sich denn als Neueinsteiger/in heute die "konservativen" Inszenierungen ansehen, bevor man sich an die Regieinterpretationen traut? Oft kommt man also, wenn man wirklich verstehen will, was da läuft, um eine Lektüre des Stoffes aus dem Libretto nicht herum.

    Am Opernhaus Zürich beinhalten die Programmhefte immer auch das Libretto, was ich sehr lobenswert finde.

    Das sehe ich ehrlich gesagt - wie schon Sadko - skeptisch: erstens werden aus Programmheften dicke Programmbücher (und, wenn man ein Werk mehrfach betrachtet, Ihre Inhalte redundant); zweitens werden sie teuer, nicht zuletzt wegen der Lizenzgebühren für den Abdruck der Werke. Ich war unlängst in Paris, wo ein Programm für Lady Macbeth (inklusive Libretto mit französischer Übersetzung) 15 Euro kostete, und beobachtete schon, dass deutlich weniger Menschen eines kauften als in Essen, Düsseldorf oder Köln.

    Außerdem ist der Zeitpunkt der Zugänglichmachung des Textes für mich persönlich auch sinnbefreit: Was habe ich davon, wenn ich mir 30 Minuten vor Beginn das Libretto durchlesen kann?

    ...auf Pfaden, die kein Sünder findet...

  • Idealer Weise kaufe ich das Programmheft schon ein paar Tage vorher. (Man kann es sich auch zuschicken lassen.) Aber das gelingt mir zugegebenermassen nicht immer. Trotzdem kaufe ich stets das Programmheft. Auch, wenn vor der Vorstellung keine Zeit mehr ist, es zu lesen. Aber es gibt ja auch eine Nachbereitung... Ausserdem dient es mir als Souvenir.
    Wenn ich die Oper später aus der Konserve höre, bin ich meist froh über das gut leserliche Libretto. Meiner Callas-Box liegen die Libretti z. B. nicht bei.
    Wahrscheinlich geht ihr aber viel häufiger in die Oper als ich. Zumindest entsteht bei mir im Regal kein Platzproblem durch zu dicke Programmhefte. Auch werden nicht laufend in Zürich die gleichen Opern neu inszeniert, so dass mir das Problem mit den Doubletten keine Kopfschmerzen bereitet.

    Hudebux

  • Ich stimme dem Beitrag von Diskursprodukt im großen und ganzen zu! - Außer dass ich es mir schon abgewöhnt habe, in Werkeinführungen zu gehen, weil ein Großteil davon wirklich schlecht gemacht wird. (aber ich habe auch schon wirklich gute Werkeinführungen gehört, wie zB im Juni 2018 bei Puccinis Edgar in Regensburg).

    Ich schlage vor: Wie wäre es, wenn man in der Oper ein Programmheft (soll enthalten: Inhaltsangabe, Werkgeschichte, ein Interview mit dem Regieteam und im Optimalfall ein weiteres mit dem Dirigenten und den Hauptrollensängern, Nennung der Premierenbesetzung, Aufführungsgeschichte am Haus, Fremdsprachige Inhaltsangaben, Fotos) um einen recht niedrigen Preis erwerben kann (sagen wir mal: 3 Euro) und separat die Reclam-Ausgabe um den Preis, um den sie auch im Buchhandel zu haben ist? Bei seltenen Fällen (Opern, deren Libretto nicht in einem billigen Verlag veröffentlicht ist) könnte man auch das Libretto im Programmheft abdrucken oder ganz darauf verzichten.

    Ich selbst kaufe manchmal Programmhefte, manchmal nicht - aber eines um 15 Euro hätte ich sicher nicht gekauft, das ist viel zu viel. Eine Angabe der tagesaktuellen Besetzung ist mir viel wichtiger als das Programmheft, denn die Besetzung trage ich nachher in mein Excel-Archiv ein, das ist mir wichtig.

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

  • Allerdings las man früher auch keine Libretti vorab

    Aber nicht doch. Das stand sogar üblicherweise auf den Plakaten, wo man die kaufen konnte. Und die Bibliotheken sind voll mit derartigen Textbüchern aus vergangenen Jahrhunderten....
    Übertitel gab's damals noch nicht.

    Ich vermute aber, dass die Leute früher eine entsprechende Vorbildung hatten. Die Stoffe aus der Mythologie waren den Leuten geläufig.

    Naja: Erstens gibt's nicht nur mythologische Stoffe in der Oper- auch nicht in der ernsten. Und die sind dort nicht notwendigerweise so dargestellt, wie in der jeweiligen Vorlage. Und zweitens tät's auch heute keinem schaden, sich mal den Gustav Schwab, den Michael Köhlmeier oder ein anderes einschlägiges Kompendium zu Gemüte zu führen. Und auch die sonst relevante Literatur - Shakespeare, Schiller, Wilde et alias. Zumindest, wenn er Anspruch auf Bildung erhebt.Tasso wär' dann schon für Fortgeschrittene...
    OK: ich bin da altmodisch.

    Und die Komödien waren zeitgenössisch, man musste da nicht jedes Wort verstehen, um dem Inhalt folgen zu können.

    Erster Teilsatz: In dieser Einschränkung? Seit wann das? Zweiter Teilsatz: echt? Wäre nicht gerade da das Verständnis elementar? Die hehren Stoffe der großen Oper hätte man ja zumindest zum Teil als bekannt voraussetzen können - aber die des komischen Genres? Wo es doch gerade da u.U. auf Sprachwitz ankommt? (mein diesbezügliches Musterbeispiel: Dulcamare in L'Elisir d'Amore: "...i portenti infiniti son noti all'universo ... e in altri siti."

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Und zweitens tät's auch heute keinem schaden, sich mal den Gustav Schwab, den Michael Köhlmeier oder ein anderes einschlägiges Kompendium zu Gemüte zu führen

    Wer nicht lesen will, für den gibt's Köhlmeier auch auf youtube:
    https://www.youtube.com/playlist?list=…ShDjuEsbXEJs1j2
    - insgesamt ca. 20 Stunden
    Gustav Schwab gibt's auf Youtube auch...

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Und zweitens tät's auch heute keinem schaden, sich mal den Gustav Schwab, den Michael Köhlmeier oder ein anderes einschlägiges Kompendium zu Gemüte zu führen. Und auch die sonst relevante Literatur - Shakespeare, Schiller, Wilde et alias. Zumindest, wenn er Anspruch auf Bildung erhebt.Tasso wär' dann schon für Fortgeschrittene...OK: ich bin da altmodisch.

    Ich bin Deiner Meinung (und ich nenne diese Einstellung nicht altmodisch, sondern vernünftig), aber bitte auf keinen Fall diesen fürchterlichen Köhlmeier. Den hält man doch nicht aus, reine Zeitverschwendung und völlig peinlich, was er so schreibt. Da kann man ja gleich die Texte der ahnungslosen Antike-Verehrerin Vea Kaiser lesen (aber gut, die ist hoffentlich nicht außerhalb Ostösterreichs bekannt), die beiden sind auf einem ähnlichen "Niveau".

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

  • Allerdings las man früher auch keine Libretti vorab. Ich vermute aber, dass die Leute früher eine entsprechende Vorbildung hatten. Die Stoffe aus der Mythologie waren den Leuten geläufig. Und die Komödien waren zeitgenössisch, man musste da nicht jedes Wort verstehen, um dem Inhalt folgen zu können

    hier ist zwar nicht von "vorab" die Rede, sondern von "während", aber immerhin:

    Libretto
    Wörtlich „Büchlein“; bezeichnet zunächst nur die kleinformatigen Drucke zum Mitlesen während der Aufführung, später im übertragenen Sinn den Text von musikdramatischen Werken.

    http://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_L/Libretto.xml


    Die vermutl. erste Taschenpartitur war ein Druck des Giulio Cesare von Händel 1723. Die Noten sind so klein, daß als Musiziervorlage ungeeignet. Möglicherweise zum Mitnehmen in die Opernvorstellung gedacht. [frei zitiert]

    Partiturdruck und Archiv. Zur Rolle der Aufbewahrungsysteme bei der Rezeption und kompositorischen Praxis von Händels Londoner Opern / Bernhard Jahn, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft, 24. Bd., Kunst als Ästhetisches Ereignis (1997), pp. 281-292 (S. 285)
    http://www.jstor.org/stable/1348699 (jstor-Zugang)

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • aber bitte auf keinen Fall diesen fürchterlichen Köhlmeier. Den hält man doch nicht aus, reine Zeitverschwendung und völlig peinlich, was er so schreibt.

    naja - die Menschen sind ja nicht gleich, und vielleicht liegt der/dem einen oder anderen seine flappsige Art mehr, als die weihevolle Sprache eines Schwab... ;)

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • hier ist zwar nicht von "vorab" die Rede, sondern von "während", aber immerhin:

    Libretto
    Wörtlich „Büchlein“; bezeichnet zunächst nur die kleinformatigen Drucke zum Mitlesen während der Aufführung, später im übertragenen Sinn den Text von musikdramatischen Werken.

    Ich erinnere mich, dass ich verwundert aus dem 'Olymp' der Scala hinunter ins Parkett schaute und mich fragte, warum da so viele kleine Lichter während der Aufführung leuchteten. Dann ging mir auf und wurde mir auch erklärt, dass das Leser von Libretti wären. Es passiert also auch heute noch. (Passiert übrigens während italienische Opern dargebracht wurden.)

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

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