Bach, J. S.: Weihnachtsoratorium BWV 248

  • Interessante und spannende Info zu Bachs WO.

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Was ich die ganze Zeit schon fragen wollte: Liebes Mauerblümchen, wie hat dir diese Aufnahme gefallen, auch im Vergleich zu Harnoncourts älterer Aufnahme aus den 1970ern, die du in der Weihnachtszeit ebenfalls gehört hast?

    Der Hintergrund der Frage ist folgender: Ich bin im Frühjahr zum Angebots-Opfer geworden und habe die dicke Harnoncourt-Box von Sony erstanden mit seinen Aufnahmen, die er vor allem zu Beginn dieses Jahrhunderts für dieses Label gemacht hat. In dieser Box ist auch dieses Weihnachtsoratorium von 2006, so dass naheliegenderweise dieses Jahr dieses Weihnachtsoratorium bei mir in den CD-Spieler kam. Ich tue mich etwas schwer mit einer Meinung zu der Aufnahme. Ich fand sie durchaus gut, das ist lebendig gespielt, da geht nichts schief, die Sängerinnen und Sänger, die Instrumentalistinnen und Instrumentalisten machen durch die Bank ihre Sache tadellos - aber ich könnte nicht sagen, was das Besondere nun gerade dieser Aufnahme des Weihnachtsoratoriums ist, was das ist, was mir von ihr in Erinnerung bliebe. Kannst du das für dich sagen?

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

  • Oh, danke für Deine Nachfrage, lieber Cherubino! Ich habe die Aufnahme jedenfalls sehr gerne gehört. Tolle Solisten, ein Chor aus der ersten Liga, der Concentus Musicus Wien und später Harnoncourt ohne den Harnoncourt-Zeigefinger ... was ist das Besondere?

    Das ist schwierig. Das WO ist so oft eingespielt, dass die Aufnahmen auch auf diesem Niveau m. E. in vielen Aspekten austauschbar sind - freilich vor dem Hintergrund persönlicher Geschmackspräferenzen.

    Ich mag es eigentlich noch lieber etwas fetziger als bei Harnoncourt II und greife darum auch gerne zu van Veldhoven oder Gardiner, komme auch mit Ralf Ottos Aufnahme sehr gut zurecht. Wenn es einen Tick verhaltener sein soll, stehen Suzuki und Herreweghe vorne.

    Bei Karlchen Richter sind es die Solisten einschließlich Maurice André, die die Aufnahme retten, bei Kurt Thomas eigentlich nicht mal mehr das.

    Eigentlich greife ich auch nicht mehr zu einer bestimmten Aufnahme mit dem Gedanken "Ich höre die jetzt, weil ...", sondern schaue, welche ich am längsten nicht mehr gehört habe und lege diese dann auf. Und freue mich dann an den Dingen, über die ich mich freuen kann ... und da gibt es mit Ausnahme der Kurt-Thomas-Aufnahme eigentlich bei jeder Aufnahme mehr als nur eine oder zwei Stellen. Finde ich schön.

    Desiderat wäre das WO mit Pierlot ... wobei ich Kuijken in solistischer Besetzung auch nochmal hören wollte. Der hat so etwas Erdiges im Instrumentalspiel (bei seinen Kantaten-Aufnahmen für das Label accent), das finde ich nicht unbedingt schön, aber irgendwie faszinierend.

    Gruß

    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Ich möchte die geneigte Leser- und Hörerschaft einmal von allzu akademischen Diskussionen weg- und zu einer speziellen WO-Aufführung mit einem Augenzwinkern hinführen:

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    Es macht wirklich (!) Spaß. Nicht umsonst heißt die Überschrift:

    PARTY DEFINITELY!

    Gruß

    Wolfgang (in der Hoffnung, daß der Thread korrekt ist)

  • Als gar nicht besonders geheimer Geheimtip unter den HIP-Aufnahmen gilt doch schon länger die knapp zwanzig Jahre alte Einspielung unter Ralf Otto (Concerto Köln, Vokalensemble Frankfurt, Ziesak, Groop, Pregardien, Mertens). Höchstes instrumentales und vokales Niveeau (leichte Abstriche bei Monica Groop), ganz flüssiges, aber sorgfältiges Musizieren. Manches kann man vielleicht pointierter machen (wie Jacobs). Und diejenigen unter uns, die immer noch zuhause heimlich die Karl-Richter-Aufnahme auf den Plattenteller legen :D, vermissen möglicherweise den weihnachtsbürgerlich-mystischen Touch. Aber insgesamt ist das eine tolle Interpretation. Und auch sehr preiswert!

    Vielleicht lässt sich dieser Thread wiederbeleben :)

    Das dort oben ist jedenfalls genau die Aufnahme in genau der Ausgabe, die ich gerade höre und über die ich dies eben schrieb:

    Die Aufnahme mit dem Concerto Köln unter Ralf Otto ist aus 1991. Ich hatte vor Jahren mal nach einer Einspielung gesucht, diese befand ich für meine Zwecke (ich höre das Werk nur an Heiligabend) als gut. Der Klang des Concerto gefällt mir, es geht besinnlich genug zu (bisschen mehr Energie wäre hier und da wünschenswert) und an Prégardien und den anderen Gesangsanteilen habe ich nichts auszusetzen, was mich stören würde.

    Habe gerade gesehen, dass es eine neuere Einspielung (aus 2018) unter Ralf Otto gibt. Die Klangschnippsel klingen nach mehr Temperament und Ausdruck als in der alten Aufnahme. Außerdem hat er Thomas Bauer, den ich sehr mag.

    In meiner Aufnahme wiederum gefällt mir Christoph Prégardien in seinem Part besser.

    Kennt jemand beide Aufnahmen und kann vergleichen?

  • Kennt jemand beide Aufnahmen und kann vergleichen?

    Die Aufnahme mit dem Frankfurter Vokalensemble Frankfurt kenne ich. Mit dem Bachchor Mainz habe ich nur die Johannes-Passion gehört.

    Die Frankfurter Aufnahme des WO ist auch eine meiner Lieblings-Aufnahmen. Otto hatte das Frankfurter Ensemble noch in seiner Studentenzeit gegründet und damit etliche nationale und internationale Preise abgeräumt. Ein semiprofessionelles Ensemble, zumindest Anfang der 1990er hatten aber fast alle Mitwirkenden ein Gesangsstudium, Haupt- oder Nebenfach. Man muss sehr genau hinhören, um Inhomogenitäten im Sopran herauszuhören. Das ist schon klasse und muss sich vor den einschlägigen Ensembles aus Belgien, den Niederlanden, England oder Japan kaum verstecken.

    Bei der JohPa - ja, das war halt groß besetzt im Chor. Nachwehen der bürgerlichen Chortradition im 19. Jhd. Aber das auf sehr hohem Niveau. MIt der großen Besetzung bekommt man halt die Präzision z. B. in der synchronen Aussprache, nicht mehr so ganz hin. Da haben kleinere Ensembles, egal welcher Qualität, einen Vorteil. - Als lokales Erinnerungsstück von unschätzbarem Wert, auch für die ganze hocherfolgreiche Ära Otto, auf dem Weltmarkt der Johannes-Passion leider nicht vorne dabei aus meiner Sicht. - Dafür waren die Aufnahmen der großen vier Vokalwerke Bachs aber auch nicht gedacht.

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Die Frankfurter Aufnahme des WO ist auch eine meiner Lieblings-Aufnahmen. Otto hatte das Frankfurter Ensemble noch in seiner Studentenzeit gegründet und damit etliche nationale und internationale Preise abgeräumt. Ein semiprofessionelles Ensemble, zumindest Anfang der 1990er hatten aber fast alle Mitwirkenden ein Gesangsstudium, Haupt- oder Nebenfach. Man muss sehr genau hinhören, um Inhomogenitäten im Sopran herauszuhören. Das ist schon klasse und muss sich vor den einschlägigen Ensembles aus Belgien, den Niederlanden, England oder Japan kaum verstecken.

    Das ist interessant. Danke. :)

    Ich habe nochmal hin und her gehört. Ich werde bei der alten Aufnahme bleiben. Sie hat viele Pluspunkte gegenüber der Einspielung aus 2018, die für mich wichtig sind:

    Sie ist weniger üppig und pathetisch (was mir generell entgegenkommt), auch damit transparenter; Prégardien gefällt mir besser; der kleinere Chor klingt klarer; das schlanke und schöne Klangbild insgesamt behagt mir mehr.

    Welche anderen Lieblingseinspielungen hast Du noch? Ich würde da auch gerne mal zum Vergleich reinhören.

  • Welche anderen Lieblingseinspielungen hast Du noch?

    Veldhoven und Suzuki.

    Gardiner und Herreweghe kann ich auch gut hören. Manchmal auch Karl Richter - das ist dann "something special". Tolle Solisten und Maurice André an der ersten Trompete.

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Welche anderen Lieblingseinspielungen hast Du noch?

    Veldhoven und Suzuki.

    Gardiner und Herreweghe kann ich auch gut hören. Manchmal auch Karl Richter - das ist dann "something special". Tolle Solisten und Maurice André an der ersten Trompete.

    Von den genannten Aufnahmen gefiel mir auf Anhieb der Veldhoven am besten. Dies ist bestimmt eine tolle Aufnahme, das klingt alles so lebendig, klar und natürlich, genau nach meinem Geschmack. Super schönes Klangbild auch. Sie hat wohl auch das Mehr an Temperament und Ausdruck, das mir ein klein wenig bei Otto fehlt.

    Schade ist, dass die Aufnahme nur noch als Teil einer Box oder als sehr teure SACD-Einzelaufnahme zu bekommen ist. ;(

  • Nikolaus Harnoncourts dritte Aufnahme von Bachs Weihnachtsoratorium (2006/07) wird tlw. als zu opernhaft und zu willkürlich kritisiert. Für mich hat sich heute beim Durchhören aber doch das Bekenntnishafte der Interpretation gleichwohl glaubwürdig erschlossen. Und einmal mehr das Wunder dieser sechs Teile! Meine Highlights einmal mehr: Im Teil 1 der große Chor „Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage“ und die berühmte Arie „Bereite dich, Zion“, im Teil 2 die eröffnende Pastorale, die Tenorarie „Frohe Hirten“ mit der Traversflöte, und natürlich auch die so wunderbar pastorale Alt-Arie „Schlafe, mein Liebster“, im Teil 3 das ausführliche Sopran-Bass-Duett „Herr, dein Mitleid“ und die Alt-Arie „Schließe, mein Herz“ mit Violine und Cello, im Teil 4 (mit den Hörnern in den Chören) die Sopranarie „Flößt, mein Heiland“ mit Oboe und Sopranecho, in Teil 5 die Bass-Arie „Erleucht auch meine finstre Sinnen“ mit Oboe d´amore und das Terzett „Ach, wenn wir die Zeit erscheinen?“ mit Violine, und dann noch die festlichen Chöre in Teil 6.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Schade ist, dass die Aufnahme nur noch als Teil einer Box oder als sehr teure SACD-Einzelaufnahme zu bekommen ist. ;(

    Naja, ich kann die Box eigentlich empfehlen:

    Das ganze Bach-Paket in wirklich superben Aufnahmen. Ist dir das zuviel?

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Das ganze Bach-Paket in wirklich superben Aufnahmen. Ist dir das zuviel?

    Ja. Wenn es eine Einzelaufnahme gäbe, hätte ich sofort zugeschlagen.

    Geistliche Vokalwerke gehören - bis auf wenige Ausnahmen - nicht zu meinen Interessen. Insofern wäre in diesem Fall das Kosten-Nutzen-Verhältnis für mich extrem ungünstig. :)

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