Händel: Der Messias

  • Aber die saure Zitrone im Fach Koloraturgesang hat er sich hier auch erworben, und zwar für alle Ewigkeit... :pinch:

    Ich liebe ihn trotzdem.
    Endlich mal Äktschn.
    Büschen wie Salminen starring in "Mache dich, mein Herze, rein".

    "...es ist fabelhaft schwer, die überflüssigen Noten unter den Tisch fallen zu lassen." - Johannes Brahms

  • Entweder habe ich es übersehen, oder die in meinenn Augen überzeugendste Messias-Einspielung fehlt. Leute, das geht so nicht! :D

    Du hast natürlich Recht! Wenn man von den Herren Solisten absieht :o: , ist das auch für mich eine Spitzenaufnahme. Leider kann ich von den Herren nicht ganz absehen. ;( aber die Damen sind wahrlich ein Hochgenuss: Arleen Auger wurde bisher von keiner mir bekannten Messias-Sopranistin übertroffen(wobei ich Carolyn Sampson auch toll finde!) und Anne Sophie von Otter ist mir 100000...mal lieber als irgendein säuselnder Counter. Überhaupt sollte man den Messias vielleicht den Engländern und Französinnen überlassen...... :hide:

    Aber die saure Zitrone im Fach Koloraturgesang hat er sich hier auch erworben, und zwar für alle Ewigkeit... :pinch:

    Nö, diese Zitrone muss schon ein bisschen in Schnitze zerteilt werden, denn da gibt es noch reichlich andere Anwärter.
    Ich verstehe zwar den Wunsch nach alttestamentarischer Bass-Power, aber:
    Wotan mit Koloratur ist ein Paradox an sich, eine solche Stimmmasse kann niemals die Beweglichkeit aufbringen, die im Barockkoloraturgesang notwendig ist. Oder hat du schon mal einen Sumi-Ringer mit Spitzenschuhen klassische Ballett-Pirouetten drehen sehen????? 8|

    :fee:

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Meine einzige Aufnaheme ist die o.a. mit Paul McCreesh von 1997. Mangels Vergleich bin ich sehr zufrieden mit dieser Aufnahme, nichtdestotrotz höre ich sie relativ selten. Die Solisten sind schon von hoher Qualität, besonders Röschmann und Fink.

    Im Booklet nimmt Paul McCreesh auch Stellung zur Auswahl der Fassung; er bezieht sich hier auf die Findelhaus-Aufführung und verliert auch einige Worte zu der Oboenproblematik bzw zu den Bläserstimmen:
    "Die Stimmen der dritten Geigen in der Pifa und in All they that see him sind im Findelhaus-Material nicht überliefert, und so haben wir sie ergänzt. Oboen- und Fagottstimmen - zum größten Teil fehlen sie in Händels Autographen - haben wir unter leichten Änderungen dem Findelhaus-Material entnommen. Hörnerstimmen haben wir hinzugefügt, da diese Instrumente bekanntlich bei verschiedenen Aufführungen im Findelhaus mitgespielt haben. Sie folgen mit leichten Änderungen den Trompeten und sind in den Schlußchören von Teil II und III von herrlicher Wirkung."

    lg vom eifelplatz, Chris.


  • Ich verstehe zwar den Wunsch nach alttestamentarischer Bass-Power, aber:
    Wotan mit Koloratur ist ein Paradox an sich, eine solche Stimmmasse kann niemals die Beweglichkeit aufbringen, die im Barockkoloraturgesang notwendig ist.

    Liebe Fairy,
    da kann ich nur eines: Ich kann Dir nur Recht geben. Aber: Ob das notwenig ist oder nicht - ich brauche einfach Bass-Power. :D Da ist der grundsätzliche richtige Rest - ich will nicht sagen: egal -, aber für mich doch sekundär.

    Oder hat du schon mal einen Sumi-Ringer mit Spitzenschuhen klassische Ballett-Pirouetten drehen sehen????? 8|

    Nö. Und ich bin mir im Moment nicht mit mir einig, ob ich das möchte. Auf der anderen Seite muss so ein japanischer Pfundskerl auch eine gewisse Körperbeherrschung mitbringen. Insofern käme es auf den Versuch an. Das wäre doch mal ein echter Brocken als Schwan. Da hätte dann nicht Händel, sondern Orff seine Freude dran gehabt. :D

    Jetzt will ich aber noch ganz nonchalant die folgende Gretchenfrage ins Publikum schleudern:

    Wie haltet ihr's mit der Mozart-Bearbeitung des "Messias"?

    :wink: Agravain

  • Hallo Agravain,

    Was die Mozart-Bearbeitung anbetrifft, ist dieses hier für mich die Reverenzeinspielung. Ich finde, hier stimmt alles!

    Allerdings tue ich mich schwer mit den deutschen Texten. Mir kommt das immer irgendwie verkehrt vor. Na ja, Hörgewohnheiten...

    LG
    Juli

    "Eine Semmel enthält 140 Kalorien, 700 Semmeln pro Jahr ergeben 98000 Kalorien,
    diese benötigt man, um eigenhändig 1 Elefanten 9 Zentimeter weit zu tragen. Aber wozu?"
    (Loriot)

  • Du hast natürlich Recht! Wenn man von den Herren Solisten absieht :o: , ist das auch für mich eine Spitzenaufnahme. Leider kann ich von den Herren nicht ganz absehen. ;( aber die Damen sind wahrlich ein Hochgenuss: Arleen Auger wurde bisher von keiner mir bekannten Messias-Sopranistin übertroffen(wobei ich Carolyn Sampson auch toll finde!) und Anne Sophie von Otter ist mir 100000...mal lieber als irgendein säuselnder Counter. Überhaupt sollte man den Messias vielleicht den Engländern und Französinnen überlassen...... :hide:

    Nö, diese Zitrone muss schon ein bisschen in Schnitze zerteilt werden, denn da gibt es noch reichlich andere Anwärter.
    Ich verstehe zwar den Wunsch nach alttestamentarischer Bass-Power, aber:
    Wotan mit Koloratur ist ein Paradox an sich, eine solche Stimmmasse kann niemals die Beweglichkeit aufbringen, die im Barockkoloraturgesang notwendig ist. Oder hat du schon mal einen Sumi-Ringer mit Spitzenschuhen klassische Ballett-Pirouetten drehen sehen????? 8|

    Liebe Fairy, lieber Bernd, lieber Agravian!

    Auch ich finde die Pinnock-Aufnahme einen großen Genuss! Über Trevor Pinnock und seine "Anlage" des Werkes hat Agravain ja schon alles gesagt. Arleen Augér und Anne Sofie von Otter sind für mich das gesangliche Nonplusultra in ihren Partien (von Otter zieht hier sogar gleich mit Kathleen Ferrier, die ich ebenfalls höchst schätze). Auch John Tomlinson gestaltet die Basspartie hervorragend. Wie Agravain spricht auch mich die schwere Stimme in dieser Rolle sehr an, und ich nehme in diesem Fall Ungenauigkeiten in den Koloraturen dafür in Kauf. Ich weiß ja nicht: was haben schwer veranlagte Bassstimmen im Barock eigentlich gemacht? Nicht gesungen oder durch falsche (auf die Produktion leichter Stimmen abzielende) Ausbildung Stimmprobleme bekommen? Dazu kommt noch, dass es einige barocke Basspartien gibt (der Messias-Bass zählt allerdings nicht dazu), die für einen beweglichen Bassbariton sehr tief liegen und trotzdem mit Koloraturen nicht geizen (Bei Fux grundelt der Basssolist regelmäßig in der großen Oktave, bis zum E). Damit will ich jetzt nicht dem breitwandigen Romantobarock das Wort reden, ganz im Gegenteil - ihr wisst eh, dass mir an Stilsicherheit immer sehr viel liegt. Aber ich bin doch der Meinung, dass es auch für schwerere Stimmen einen ihnen zukommenden (und nicht nur notdürftig zugewiesenen) Platz in der Barockmusik gibt, wenn sie entsprechend sensibel singen, und das scheint mir hier der Fall zu sein.

    Michael Chance stört mich persönlich nicht, singt recht unauffällig. Der einzige wirkliche Schwachpunkt der Aufnahme ist für mich der Tenor Howard Crook, bei dem ich sogar bei kurzen schnellen Arien regelmäßig einschlafe. So viel Temperamentlosigkeit und so wenig Textausdeutung ist mir selten untergekommen, und von einer imposanten oder auch nur irgendwie besonders schönen Stimme kann man auch nicht gerade reden...

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Pinnocks Aufnahme zeichnet sich in meinen Ohren dadurch aus, dass sie die Vorzüge der älteren englischen Händel-Tradition wie auch der HIP vereint.

    Die Aufnahme ist mir bisher entgangen :hide: Übrigens bei unserem Partner gibt es die Aufnahme zu knapp dem halben Preis, was daran liegen dürfte, dass die DG die Einspielung in einer anderen Reihe neu veröffentlich hat:

    :wink: :wink:

    Christian

    Rem tene- verba sequentur - Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen

    Cato der Ältere

  • Der "Messias" wurde nämlich meines Wissens in der Regel mit einem Chor vernünftiger Größe gegeben und nicht bloß mit den Solisten.

    jaja, der Rifkin und seine (gewagte) Bach-Hypothese... Nee, der Händel hatte in Dublin ungefähr 20 namentlich bekannte Sänger, wobei die Soli aufgeteilt wurden. War also keine Trennung in "Chor" und "Solisten", sondern jeder durfte mal.

    Kontraste wie in "The people that walked in darkness" oder "As by one came death" werden so eben allein durch Lage der Stimmen und Harmonie erreicht, sind im Grunde sehr einfach gemacht,

    soso. Einfach gemacht. Hast Du das schon mal gesungen..? :D
    Also, dieses haltlose Umherwandern im Dunkeln hat schon auch seine Entsprechung in der Melodieführung, was es nicht unbedingt einfacher macht

    während Nummern wie die Pifa geradezu nach selbstständig agierenden Bläserstimmen schreien

    wobei ich es besonders bei der Pifa freilich auch schade finde, dass die Bläser nicht solistisch vorkommen

    Jawoll! Ja! Zum Beispiel mit zwei Blockflöten. Liegt ideal für diese Besetzung, die Pifa, als wenn's dafür geschrieben wäre... Liegt nur am Dirigenten, es so zu machen...

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Ich habe zwar erst heute die von einigen favorisierte Christie-Aufnahme gekauft, aber seitdem ich gelesen habe, dass die 3-CD-Box von McGegan als Bonus alle Varianten enthält und man sich somit von den 3 CDs mehr oder weniger (wer hat schon je einen Kastraten für den Messiah ins Tonstudio schicken können...) alle originalen Händel-Fassungen zusammenprogrammieren kann, gelüstet mich schon wieder nach einer weiteren Aufnahme. Ebendieser natürlich.

    Meine bisherige Lieblingseinspielung bleibt zunächst die von Paul McCreesh.

    Ich versuche in den kommenden Wochen/Monaten mal eine kleine Auflistung über die wichtigsten Unterschiede der originalen Händel-Fassungen zu erstellen.

    Nennt doch bitte, wenn ihr Aufnahmen vorstellt, um welche Fassung es sich handelt. JPC und amazon geben da selten Auskunft. Und manches booklet ist auch recht kleinlaut.

    Ich fange mal mit einer Liste an, die gerne jeder umkopieren und erweitern möge/darf.


    Originalfassungen oder Mischfassungen aus Originalfassungen:


    Pinnock / DG-Archiv [S, "Contraalto" (weibl.), A (männl.), T, B, gem. Chor] = Mischfassung Pinnock (?) (DG-Originals-booklet geizt mit Informationen über die Fassung)

    McCreesh / DG-Archiv [S I, S II, A (weiblich!), T, B, gem. Chor] = Foundling Hospital Version (1754)

    Christie / HMF [S I, S II, A (männl.), T, B, gm. Chor] = Dublin 1742

    Jacobs / HMF [S, A (weibl.), "Contre-ténor" (männl.), T, B, gem. Chor (Clare College)] = "1750 Version"

    Higginbottom / Naxos [Nur Knaben und Männer, HIP-Orchester] = Version 1751

    Gardiner / Philips = Mischfassung Gardiner (?) (Aufnahme liegt mir nicht vor)


    gaaaanz andere Fassungen:

    Bernstein / Sony = Katastrophe! Finger weg. Die Fassung Bernstein hat nicht viel mit Händel zu tun. LB drückt dem Messiah auch eine völlig neue Konzeption und Reihenfolge auf.

    Mackerras / DG-Archiv [SATB] = Mozart-Fassung, deutsch


    "http://gfhandel.org/messiah.html"

    Ins Gebüsch verliert sich sein Pfad, hinter ihm schlagen die Sträuche zusammen.

  • warum haben die beiden Trompeter so wenig zu tun...?

    Das Orchester in Dublin bestand aus Mitgliedern der Academy of Music und der Charitable Musical Society, beides Wohltätigkeitsvereine der Aristrokratie und der Gentry, die zu diesem Zweck regelmäßige Konzerte aufführten. Diese Gesellschaften haben auf stengsten Amateurstatus Wert gelegt, um nicht mit professionellem Musikern verwechselt zu werden, denen man allenfalls unteren Dienstbotenstatus zugestand: "No public mercenary performer, professor, or teacher of music shall ever be admitted into any rank of the academy on any account whatsover." (nach Th.W. Moody et al., A New History of Ireland 1691-1800, Oxford, 1986)

    Vielleicht haben zwei davon "nebenbei" auch noch Trompete gespielt, vielleicht auch nicht, und die beiden Trompeter haben die meiste Zeit nur zugehört, so what? Amateuren geht es auch heute noch überwiegend um die Ehre, dabeigewesen zu sein... Und die Trompete ist dort, wo sie spielt, auch noch exponiert! Was will Amateur mehr? ;+) Das ist hier keine Frage der Rentabilitätsbetrachtung: Wenn schon Trompeten (die Pauken haben übrigens noch weniger zu tun), dann müsste man sie auch beschäftigen...

    Mal im Ernst: Würden wir die gleiche Diskussion auch über die zweimal 40 Sekunden Chor in Mozarts Entführung führen? Da hat der Chor zwei Stunden auch nix zu tun.... Was hat sich der Mozart da nur gedacht...? ?(

    Was die Dubliner Streicher-Besetzung - Vl I/II, Vla, Vc/Kb, b.c. - betrifft: das ist eine ziemlich häufig anzutreffende Begleitung. Hier kommen sogar noch sporadisch Pauken und Trompeten als Effektinstrumente dazu. Streckenweise verwendet Händel sogar nur eine Triosonatenform: Violini unisono, Bassi/b.c. und Vokalstimme : 2.16B,a Thou art gone upon high, 2.16C,a How beautyful are the feet, u.a. Die Tenorarie 2.16C,b Their sound is gone out und andere Teile sind sogar nur b.c.-begleitet.

    Daran ist nichts auszusetzen; der Wert eines Musikstückes bemisst sich nicht nach dem apparativen Aufwand im Orchester. Und die Londoner Besetzung? Oboen (hier allerdings nicht wirklich nicht durchgängig!) colla parte mit den Violinen und die Fagotte colla parte mit den "Bassi" mitspielen zu lassen, war allgemeiner Brauch der Zeit, die Fagotte im Bass ganz ohne eigene Stimme findet man auch noch bei Mozart, Haydn und ihren Zeitgenossen. Das gibt einfach eine ganz spezifische Klangfärbung. Gleiches gilt für die im Barock mindestens ebenso häufige colla parte-Führung von Violinen und Block- bzw. Traversflöten. Sogar Oboen - Trompeten habe ich schon colla parte gesehen, irgendwo bei Graupner, wenn ich mich richtig erinnere. Insgesamt: nicht ungewöhnlich.

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Originalfassungen oder Mischfassungen aus Originalfassungen:

    Fassung: Covent Garden (1753), SATB

    Midori Suzuki (s)
    Yoshikazu Mera (ct)
    John Elwes (t)
    David Thomas (b)

    Bach Collegium Japan
    D: Masaaki Suzuki


    Die Besetzung besteht aus 4 Solisten, einem 21stimmigen Chor und 19 Instrumentalisten. Dementsprechend haben wir es mit einer sehr durchsichtigen, aber wuchtigen Interpretation zu tun. Mein erster Höreindruck war sehr positiv. David Thomas hat mir in "The Trumpet Shall Sound" sehr gut gefallen, der Countertenor Yoshikazu Mera klingt für mich auch angenehm (da habe ich schon deutlich unangenehmere gehört als ihn), und seine Technik ist brillant. John Elwes war ganz gut, und Midori Suzuki ist toll. Eine Einspielung, an der man sich auch erfreuen kann.


    jd :wink:

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • [...] aber seitdem ich gelesen habe, dass die 3-CD-Box von McGegan als Bonus alle Varianten enthält und man sich somit von den 3 CDs mehr oder weniger [...] alle originalen Händel-Fassungen zusammenprogrammieren kann, gelüstet mich schon wieder nach einer weiteren Aufnahme. Ebendieser natürlich.

    Ich habe mich dieser Gelüstung erfolgreich hingegeben:

    Es sind insgesamt neun verschiedene Varianten programmierbar. Jede CD beginnt mit einem kompletten Teil, und danach folgen die entsprechenden Varianten daraus. Zu erwähnen ist noch, daß McGegan sich selbst für eine Mischfassung entschieden hat, womit also zehn Varianten auf den CDs sind.


    Folgende Fassungen sind machbar:

    1. die des Autographs (September 1741)
    2. die der Erstaufführung in Dublin (13. April 1742)
    3.-6. die der Aufführungen in Covent Garden (1743, 1745, 1749, 1750)
    7. die der Aufführung im Londoner Findelhaus (1759)
    8. die des Direktionsexemplars mit handschriftlichen Zusätzen
    9. die der Aufführungen in Dublin (1750-1760)


    Die Varianten sind folgende:

    Part I
    Thus saith the Lord (bass - bass)
    But who may abide the day of His coming (alto - bass/soprano/recitative bass)
    And lo, the angel of the Lord came upon them (soprano - soprano)
    Rejoice greatly, O daughter of Zion (soprano - soprano)
    He shall feed His flock (alto & soprano - alto)

    Part II

    He was despised and rejected of men (alto - soprano)
    Thou art gone up on high (alto - bass/alto)
    How beautiful are the feet (soprano - soprano/alto I & II & chorus/alto)
    Their sound is gone out into all lands (chorus - soprano/tenor/alto I & II & chorus [als "Break forth into joy"])
    Why do the nations so furiously rage together (bass - bass)
    He that dwelleth in heaven (tenor - recitative tenor)
    Thou shalt break them with a rod of iron (tenor - recitative tenor)

    Part III
    O Death, where is thy sting? (alto & tenor - recitative alto)


    Es gibt eine hübsche Tabelle, wo die Varianten aller Fassungen aufgeführt sind. Damit läßt sich das simpel programmieren. Man hat übrigens viele Arien und Rezitative in einzelne Tracks zusammengefaßt, mit Indexen unterteilt; dadurch bleibt eine gewisse Übersicht vorhanden.

    32 Instrumentalisten und ein Chor mit 42 SängerInnen plus 6 Solisten (2x s, a, ct, t, b) ist die Besetzung, die McGegan dirigiert. Das klingt ja nach was, um kräftig Krach zu machen, aber im Gegenteil: McGegan läßt subtil, geradezu fragil musizieren. Die Streicher spielen selten forte oder lauter, der Chor hält sich auch dezent zurück. Wenn es lauter wird, dann entsteht ein immer noch durchhörbares Klanggeflecht mit guter Dynamikabstufung. Die Tempi sind gut gewählt. Die Solisten sind sehr gut, auch wenn mir Drew Minters Countertenor-Stimme etwas zu sehr quäkt. Insgesamt eine wirklich schöne Interpretation, die das Werk auf eine Art und Weise entschlackt, die überzeugend ist.

    Was mir aber dennoch übel aufstößt, ist die Klangqualität: man hat diese Einspielung in der Hertz Hall in der U.C. Berkeley gemacht, die eigentlich nicht gerade klein ist. Aber dennoch ist der Aufnahmeraum so begrenzt gewesen, daß die Mikros ein hallarmes Signal mit leichter Raumfärbung lieferten. Der Sound ist furztrocken, und der Hall ist praktisch nicht existent. Damit klingt die ganze Einspielung wirklich nach Kammermusik in der Schachtel. Für den Messiah absolut unpassend, wie ich finde. Immerhin hat man nichts nachträglich hinzugefügt.

    Beim Hallelujah kommt man sich lächerlich vor. Da spielt die ganze Besetzung auf, mit Trompete und Pauke, aber es klingt nach tiefster Provinz. Immerhin verspielt sich keiner oder singt schief, denn bei diesem Sound würde das sofort auffallen. Nur ein kleines bißchen mehr Hallanteil hätte Wunder gewirkt. Eine echte Schande. :cry:

    Fazit: sehr gut interpretiert, mit einer tollen Kombinationsmöglichkeit für die Fassungen, aber leider ein staubtrockener Sound. Als Alternativeinspielung definitiv zu empfehlen, für die Einsame Insel würde ich sie aber nicht haben wollen.


    jd :wink:

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    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • :-H


    einem 21stimmigen Chor


    Echt? Eine Messiah-Variante mit 21-stimmigen Chor? Das ist doch ein Sensation! :klatsch:
    ...aber vermutlich ist wohl doch nur ein Chor mit 21 Nasen gemeint... schade...

    Nur ein kleines bißchen mehr Hallanteil hätte Wunder gewirkt.


    Da gibt's tolle freeware-Programme, die das hinkriegen... ganz all gusto... :yes:

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • ...aber vermutlich ist wohl doch nur ein Chor mit 21 Nasen gemeint... schade...

    Genauso ist es... :D

    Da gibt's tolle freeware-Programme, die das hinkriegen... ganz all gusto... :yes:

    Blöd, daß sie es nicht schon damals aus dem Netz gesaugt hatten... :D :D


    jd :D :D :D

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Uauauauahh - zuerst habe ich mir den McGegan reingepfiffen, und heute kam das hier mit der Post:


    (P) 1959 RCA Victor "Red Seal" LDS 6409 (4-LP-Box)

    Jennifer Vyvyan (s)
    Monica Sinclair (a)
    Jon Vickers (t)
    Giorgio Tozzi (b)

    Royal Philharmonic Orchestra & Chorus

    Dirigent: Sir Thomas Beecham

    Meine Fresse! Einen größeren Unterschied zu McGegan ist wirklich nicht mehr möglich. Was Beecham mit seiner dritten und letzten Messiah-Einspielung auf den Plattenteller zauberte, ist der ultimative Overkill. Hier ist alles übergroß, ins Monumentale versetzt, mit einer Inbrunst und Wucht gesungen, das einem die Spucke wegbleibt. Das ist nicht HIP, das ist noch nicht einmal authentisch (technisch gesehen ist es eine Bearbeitung, weil Sir Eugene Goossens das Werk neu orchestriert hat), und irgendwie verstehe ich jetzt gut, weshalb sich solche Leute wie Harnoncourt nach einer neuen Sichtweise auf alte Werke umgesehen haben. Beechams Einspielung ist nicht mehr von dieser Welt...

    Aber was soll ich sagen: es funktioniert! :rolleyes:

    Wenn "Kitsch" mit brillantem Handwerk und einem exzellentem Konzept auf mich zutritt, hat es mich immer gefangengenommen, einfach weil es konsequent polemisch daherkommt. Das ist wohl auch der Grund, warum ein Film wie IMITATION OF LIFE bei mir so heftig eingeschlagen hat. Und hier ist es nicht anders.

    Denn man kann beim besten Willen nicht behaupten, daß diese Einspielung nicht exzellent gemacht worden ist. Der Chor ist klasse, das Orchester musiziert wunderbar, die Solisten dröhnen (zwar mit Vibrato) über alle hinweg, und die Aufnahmetechnik fängt alles gestaffelt ein. Und Beecham läßt die ganze Besetzung trällern, als würde es nötig sein, für den bevorstehenden Himmelgang noch schnell seine Sünden durch ein spezielles Frohlocken auszulöschen. Warum auch nicht? Er war damals schon 80 Jahre alt.

    Das Hallelujah kommt daher wie ein festlicher Marsch, wo man sich nicht wundern sollte, weshalb König George II. damals aufgestanden sein sollte. Überhaupt sind die Chorpartien zumeist sehr wuchtig orchestriert worden, zum Teil mit Schlagwerk und jeder Menge Dynamiksprüngen; das Worthy Is The Lamb endet in einem Amen, das so gewaltig besetzt ist, daß einem beim Zuhören schwindlig wird. Hier heißt es: Messiah hören...und sterben... ;+)

    Die Amis nennen sowas "Over The Edge", und ich zweifel nicht daran, daß Beecham ein letztes Mal noch ein großes Zeichen setzen wollte, bevor er aufhört. Deshalb pfiff er auf jede Authenzität, ließ den Messiah auf optimale Wirkung hin bearbeiten und gab der Welt seinen definitiven Jubelabschied. Und wir hören uns das noch über fünfzig Jahre danach an (oder auch nicht ;+) ) und zerreißen uns das Maul darüber, ob es korrekt ist, so zu musizieren oder nicht. Doch ich sage es ganz klar: in fünfzig Jahren wird diese Aufnahme ihre Faszination auf die Zuhörer immer noch nicht verloren haben. Egal, ob sie es toll finden oder furchtbar; vergessen werden sie es nicht.

    So - genug polemisiert! :D


    jd 8| :huh: :rolleyes: :D :thumbup: :faint: :juhu:

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    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Zitat

    Doch ich sage es ganz klar: in fünfzig Jahren wird diese Aufnahme ihre Faszination auf die Zuhörer immer noch nicht verloren haben.

    Jaja! Vor über einem Jahr schrob ich hier in diesem Thread das Posting Nummer 6! -

    Interessanterweise ist einer meiner Freunde, der in der HIP-Szene als Barockoboist seinen Lebensunterhalt verdient, auch ein besonderer Fan des Goosens/Beecham-Messias. Auf den ersten Blick mag es keinen größeren Unterschied als den zwischen dieser Messias-Bearbeitung und einer streng "historisch informierten" Interpretation der Originalfassung geben. Auf den zweiten Blick berühren sich die Gegensätze manchmal an ihren Enden. Das, was ich in der mich immer wieder vom Stuhl reißenden Beecham-Interpretation höre, trägt jedenfalls irgendwie auch *barocke* Züge (Zitat aus Wikipedia: "Der Begriff „Barock“ entstammt der portugiesischen Sprache, in der unregelmäßig geformte Perlen als „barrocco“, d. h. „schiefrund“ oder „merkwürdig“ bezeichnet wurden. Dieser Begriff wurde im französischen Raum zuerst abwertend für Kunstformen gebraucht, die nicht der gängigen Sichtweise entsprachen.").

    Wer Händels Messias besonders schätzt, möge sich die Goosens/Beecham-Version anschaffen und dann hören und staunen! Dieser Tipp erfolgt wie immer ohne Gewähr. Schadenersatz wird von mir nicht geleistet :D.

    Beste Grüße

    Bernd

  • Dieser Tipp erfolgt wie immer ohne Gewähr. Schadenersatz wird von mir nicht geleistet :D.

    Schade...ich wollte dir schon meine Rechnung für die CD-Box schicken... :D

    Ich denke, diese Einspielung zeigt mal deutlich, zu was es führen kann, wenn man die Partitur eines Werkes mehr oder weniger in ihren Grenzen ignoriert. Es muß nicht immer zu Kopfschmerzen führen.


    jd ;+)

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

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  • Soweit ich sehe bisher noch nicht hier erwähnt:

    Decca 1985

    Nach der Hallischen Händel-Ausgabe ed. John Tobin (ist das eine Mischfassung??)

    Kiri te Kanawa
    Anne Gjevang
    Keith Lewis
    Gwynne Howell

    Chicago Symphonie Chorus (ca. 100 Sänger)
    Ltg. Margaret Hillis

    Chicago Symphonie Orchestra (ca. 40 Musiker)
    Ltg. Sir Georg Solti

    Mir persönlich gefällt diese Aufnahme sehr; trotz der "Massen" wird durchsichtig gesungen und musiziert, und auch die Textverständlichkeit ist exzellent.

    :wink:

    Magus

    "Whenever we hear sounds, we are changed, we are no longer the same..." Karlheinz Stockhausen 1972

  • Das Hallelujah kommt daher wie ein festlicher Marsch, wo man sich nicht wundern sollte, weshalb König George II. damals aufgestanden sein sollte.


    Ja, der gute Schorsch und die Legende...
    Es ist ja auch zu schön, wenn sogar ein König so ergriffen ist von der Musik, daß er er sich spontan vom Platz erhebt. Und so wird das seit John Mainwaring seit gut 250 Jahren interpretiert und kolportiert...
    Allerdings gibt es auch eine weitere Erklärung für sein "arising" und die ist etwas profaner. Derzufolge hielt er nämlich das Halleluja für den Schlußchor und erhob sich deshalb - weil er gehen wollte. Als es anschließend weiterging, hat er sich halt wieder hingesetzt... Untermauert wird diese These durch den Umstand, daß es von Händel durchaus Chöre von ähnlicher Wucht gibt - etwa das Halleluja aus dem Judas Maccabäus - von denen aber keine vergleichbare Anekdote im Umlauf ist. Die sind aber alle "echte" Finalesätze, und daher wäre es kein Anlaß für entsprechende Überlieferungen gewesen, wenn sich dort der König vom Platz erhoben hätte.
    OK, die andere Interpretation ist die schönere, deswegen wird sie auch lieber geglaubt... ;+)

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Wieder so eine dumme entweder-oder-Frage, die bestimmt mit der Antwort "beide" enden wird... Bevorzugt ihr eher den alten oder den neuen Harnoncourt-Messias? Unterschiedliche Fassungen?


    und:

    In den letzten Tagen hatte ich mit der Mozart-Fassung zu tun. Finde ich eine wesentlich gelungenere Bearbeitung als beispielsweise Mendelssohn-Bach oder Schumann-Bach. Klar klingen die Klarinettenchöre irgendwie "falsch" aber nicht so pervers falsch wie bei Mendelssohn-Bach (Mt-Passion). Vielleicht werde ich demnächst einen thread zu Mozarts Messias eröffnen. Mackerras (DG/Archiv) habe ich, das war 1974 eine angemessene Pioniertat, aber da ist mittlerweile mehr zu holen. Danke schonmal für den Hinweis auf Hermann Max (leider nicht mehr regulär am Markt). Corboz ist unterwegs, bei Rilling greifen meine Rilling-Vorurteile, aber es gibt durchaus noch weitere vielversprechende Aufnahmen der Mozartfassung.

    Ins Gebüsch verliert sich sein Pfad, hinter ihm schlagen die Sträuche zusammen.

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