Plagiate in der klassischen Musik?

  • Kommt die Arie später auch noch mal vor? Ich höre das gerade und obwohl vor einigen Jahren mehrfach gehört, kenne ich Aci etc. eigentlich nicht so gut, aber die Arie kommt mir ziemlich bekannt vor. Und von Bononcini habe ich höchsten einzelne Arien oder Kantaten auf Recitals, daher kenne ich sie gewiss nicht...


    Bei Handel kann man das nie wissen... :D (Ich weiß es nicht: kann es mir aber gut vorstellen.)

    LG
    Tamás
    :wink:

    "Vor dem Essen, nach dem Essen,

    Biber hören nicht vergessen!"


    Fugato

  • Gibs zu, dieser Satz ist ein Plagiat!

    Aber kein musikalisches! Deshalb bitte ich Euch hiermit ergebenst, an dieser Stelle nicht weiter die Dissertation des Verteidigungsministers zu besprechen; sollte sich herausstellen, daß Herr von und zu Guttenberg unter eigenem Namen auch Symphonien veröffentlicht hat, die in Wirklichkeit vom Herrn Papa stammen, wären wir natürlich wieder beim Thema. ;+)

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Zitat von kunnukun

    Wird Plagiieren absichtlich benutzt, d. h. als Plagiieren und als künstlerisches Mittel eingesetzt, heißt das doch wohl, dass der Rezipient das merken soll. Und dann, meine ich, handelt es sich eher um Zitieren.

    Wird hingegen plagiiert, ohne dass der Rezipient es merken soll (das macht meines Erachtens Plagiieren gerade aus), dann ist das Plagiieren nicht ein künstlerisches Mittel, sondern dann ist allenfalls der betr. Abschnitt/Teil des betr. Werks einem anderen so ähnlich, dass er ähnliche Wirkungen wie dieser hervorruft/hervorrufen soll und sich ähnlicher künstlerischer Mittel wie dieser bedient.

    Ja, von dieser Warte aus gesehen ist das alles nur eine Frage der Definition.

    Aber mal unabhängig davon, was ein Rezipient jetzt merkt oder merken soll gibt es doch graduelle Unterschiede in der Herangehensweise des Plagiierens/Zitierens (ich ganz persönlich finde es nicht so spannend, sich über den Unterschied zwischen Plagiieren und Zitieren das Hirn zu zermartern, daher benutze ich hier jetzt beide Wörter gleichzeitig). Also:

    Ist es eine (künstlerische) Aussage, in die aber punktuell Fremdanteile einfließen? (aus Gründen der Verehrung, weil auf Inspirationen hingewiesen werden soll, mit der Hoffnung auf eine steigende Akzeptanz der eigenen Aussage...)
    Ist es eine (künstlerische) Aussage, in der aber etliche Fremdanteile einfließen? (weil der Bildungshorizont des Künstlers unter Beweis gestellt werden soll, weil das Werk in einer gesamten Kultur verankert werden soll bzw. ist, aus Gründen der Zeitersparnis...)
    Ist es eine (künstlerische) Aussage, die durch die Übernahme von Fremdanteilen gerade das Plagiieren/Zitieren thematisiert? (um eine Stellungnahme zum Informationsüberfluss zu liefern, um eine Gegenposition zum Geniekult einzunehmen...)
    Ist es eine (künstlerische) Aussage, die durch Plagiieren/Zitieren einer bestimmten Quelle (oder ausgewählter mehrerer Quellen) eine Position zu genau dieser/n Quelle(n) einnimmt? (um die Quelle zu kritisieren, in einem neuen Umfeld zu aktualisieren, zu entmystifizieren...)
    (sicherlich sind noch andere Kategorien denkbar)

    Und da finde ich einfach, dass es für mich als Einzelrezipienten spannendere Fragen gibt, als die, welchem Urheber nun die Ehre gebührt. Spannend finde ich, ob das Plagiieren/Zitieren an sich einen Einfluss auf den Inhalt der künstlerischen Aussage hat. Das ist bei den letzten beiden Möglichkeiten manchmal recht interessant... egal wie die Vorgehensweise nun heißen mag.

    Tharon.

  • Zitat

    (ich ganz persönlich finde es nicht so spannend, sich über den Unterschied zwischen Plagiieren und Zitieren das Hirn zu zermartern


    Ich glaube, dass der Unterschied wesentlich ist. Denn beim Zitieren setzt man gerade auf die Erkenntnis des Rezipienten, dass der Komponist (allgemeiner: Sender) sich auf das Zitierte bezieht. Dadurch - nicht durch Plagiieren - kann beispielsweise ein ironischer Bezug zustande kommen.

    Zitat

    Ist es eine (künstlerische) Aussage, die durch die Übernahme von Fremdanteilen gerade das Plagiieren/Zitieren thematisiert?


    Eben - thematisierender Bezug auf ein Stück Musik (z. B. Melodie) geht nur zitierend, nicht plagiierend.

    Ich bin weltoffen, tolerant und schön.

  • Wird Plagiieren absichtlich benutzt, d. h. als Plagiieren und als künstlerisches Mittel eingesetzt, heißt das doch wohl, dass der Rezipient das merken soll. Und dann, meine ich, handelt es sich eher um Zitieren.

    Zitat

    Wird hingegen plagiiert, ohne dass der Rezipient es merken soll (das macht meines Erachtens Plagiieren gerade aus), dann ist das Plagiieren

    [Hervorhebung durch Fettung durch mich]


    Sollte Letzteres etwa nicht vorsätzlich, d.h. mit Wissen und Wollen, Du schreibst absichtlich, geschehen?

    Gruß

    t.

  • Zitat

    Sollte Letzteres etwa nicht vorsätzlich, d.h. mit Wissen und Wollen, Du schreibst absichtlich, geschehen?

    Ja, ich denke schon, das gehört zum richtigen Plagiieren dazu. Es ist eine Art Täuschen, da Verheimlichen.

    Zitieren hingegen ist absichtlich sozusagen in die andere Richtung: wer zitiert, zeigt seine Absicht absolut offen an (scheint sich dabei um Kommunikation im strengsten Sinne zu handeln - wer genau nachlesen will, inwiefern Kommunikation absolut offen ist, kann das mit Muße und Ruhe in einem Text Meggles tun, der auf seiner Homepage steht: Georg Meggle:


    (1993e)


    Kommunikation, Bedeutung, Implikatur - eine Skizze

    auf seiner Seite der Uni Leipzig (Schriftenauswahl online)


    :wink:

    Ich bin weltoffen, tolerant und schön.

  • Zitat von kunnukun

    Zitat

    Ich glaube, dass der Unterschied wesentlich ist. Denn beim Zitieren setzt man gerade auf die Erkenntnis des Rezipienten, dass der Komponist (allgemeiner: Sender) sich auf das Zitierte bezieht. Dadurch - nicht durch Plagiieren - kann beispielsweise ein ironischer Bezug zustande kommen.


    Eben - thematisierender Bezug auf ein Stück Musik (z. B. Melodie) geht nur zitierend, nicht plagiierend.

    Hm. Vielleicht habe ich mich schlecht ausgedrückt. Vielleicht hätte ich auf den Begriff Plagiieren ganz verzichten sollen (dann allerdings wäre der Beitrag offtopic gewesen...). Womit ich mir schwertue, ist, dass es offenbar nur zwei Möglichkeiten zu geben scheint. Plagiieren oder Zitieren. Einfacher wird es für mich, wenn über ein konkretes Beispiel gesprochen wird. Ich versuche es nochmal mit John Oswalds Arbeit zu Michael Jacksons Bad:

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    Alle Töne und Geräusche der Arbeit sind dem Stück von Michael Jackson entnommen. Durch die Neuordnung des in kleinste Samples zerlegten Hits verändert sich aber die Wirkung. Im Endeffekt entsteht ein Werk, das eindeutig auf das Original von Jackson Bezug nimmt, dieses aber (für mein Gefühl) ironisch hinterfragt. Jetzt heißt es, das sei ein Zitat, da der Bezug zum Original für den Rezipienten leicht ersichtlich sei. Von mir aus, ich bin einverstanden. Diese Erkenntnis ist in meinen Augen aber nicht so irrsinnig viel wert, wichtiger finde ich, dass hier eine ganz andere Art von Zitieren zum Ausdruck kommt, als ein Stückchen Don Giovanni in den Diabelli-Variationen. Wahrscheinlich imponiert mir die ausschließliche Beschränkung auf vorgefundenes Material, das durch Oswalds Zugriff seiner Banalität/Eindeutigkeit entrissen und in ein vielschichtiges Endprodukt transformiert wird. Interessant finde ich auch den Ansatz, dass hier Popmusik, die sich ja selbst oft genug bei anderer Popmusik bedient, im Prinzip mit eigenen Waffen geschlagen wird. Auf diese Weise wird deutlich, auf was für eingefahrenen Wegen in aller Regel versucht wird, durch Stilkopien immer ähnliche oder gleiche Wirkungen zu erzeugen.

    Tharon.

  • Hier noch mal solche Themen (teilweise schon vorher erwähnt

    1)
    Beethoven Sinfonie Nr 3 Es Dur op 55 Eroica 1. Satz - Hauptthema
    geklaut bei:
    - Mozart Ouverture zu Bastien und Bastienne

    2)
    J S Bach Brandenburgisches Konzert Nr 5 D Dur 1. Satz
    geklaut bei
    - Vivaldi Violinkonzert D Dur RV 213

    3) Mozart Ouverture zur Zauberflöte
    - geklaut bei
    - Clementi Klaviersonate op 24 Nr 2 1. Satz

    J S Bach Brandenburgisches Konzert Nr 5 D Dur langsamer Satz
    geklaut bei
    - Louis Marchand

    Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum (Nietzsche)
    In der Tat spuckte ... der teuflische Blechtrichter nun alsbald jene Mischung von Bronchialschleim und zerkautem Gummi aus, welchen die Besitzer von Grammophonen und Abonnenten von Radios übereingekommen sind Musik zu nennen (H Hesse)
    ----------------------------
    Im übrigen bin ich der Meinung, dass immer Sommerzeit sein sollte (gerade im Winter)

  • Aus dem Bereich der Musik, die wir gewöhnt sind, "klassische Musik" zu benennen, fällt mir kein Beispiel ein.


    mir schon: Schuberts G-Dur-Messe D167. "Neupubliziert" 1846 in Prag mit dem hochtrabenden Titel "Messe in G, komponiert zur Installation Ihrer Kaiserlichen Hoheit, der Durchlauchtigsten Erzherzogin Maria Carolina als Äbtissin des K.K. Theresianischen adeligen Damenstiftes am Hradschin von Robert Führer". Aufgedeckt wurde das Plagiat 1848 von Schuberts Bruder Ferdinand. Führer war immerhin einer der seinerzeit bekannteren Kirchenmusiker, dem sogar Bruckner in Verkennung der tatsächlichen Verteilung der Begabung mit tiefer Unterwürfigkeit entgegengetreten ist und sich von Führer "belehren" ließ. Er endete übrigens im Gefängnis - wegen Betrugs.

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • 1)
    Beethoven Sinfonie Nr 3 Es Dur op 55 Eroica 1. Satz - Hauptthema
    geklaut bei:
    - Mozart Ouverture zu Bastien und Batienne

    Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Beethoven Mozarts Jugendwerk gekannt hat, das seit der (nicht eindeutig belegten) Uraufführung wohl bis zum Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr gespielt und natürlich auch nicht gedruckt worden ist. Was einmal mehr zeigt, dass sich durch ähnliches musikalisches Vokabular einer Epoche, zumal bei relativ einfach strukturierten Themen, auch zufällig solche Identitäten ergeben können.


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Beethoven Mozarts Jugendwerk gekannt hat, das seit der (nicht eindeutig belegten) Uraufführung wohl bis zum Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr gespielt und natürlich auch nicht gedruckt worden ist. Was einmal mehr zeigt, dass sich durch ähnliches musikalisches Vokabular einer Epoche, zumal bei relativ einfach strukturierten Themen, auch zufällig solche Identitäten ergeben können.


    Darüberhinaus empfinde ich die Wirkung des Themas in den beiden Werken so grundlegend verschieden, dass ich vielleicht von ähnlichen Noten, nicht aber von einem "geklauten" Thema sprechen würde. Es stehen zufällig einander ähnliche Noten in vollkommen verschiedenen Kontexten.

    Lucius Travinius Potellus
    Those who would give up essential Liberty, to purchase a little temporary Safety, deserve neither Liberty nor Safety. (B.Franklin)

  • Leonard Bernstein hat darauf hingewiesen, dass die ersten vier Akkorde des Schlusssatzes der 5. Symphonie von Dmitri Schostakowitsch einem Satzanfang in der Wassermusik von Händel entsprechen- imho sicher weder ein Plagiat, noch ein Zitat, noch eine Referenz. Wenn man die Charaktere der Stücke gegeneinander stellt, sehe ICH keinerlei Ähnlichkeit zwischen dieser Stücken- und es tut Schostakowitsch auch keinen Abbruch.

    Händel hat sich ja an vielen Stellen bei eigenen Stücken, aber auch bei seinen Zeitgenossen bedient (Simone Kermes war bei Aufdeckung der sehr großen Nähe von Händels und Bononcinis (again!) Vertonung der Auftrittsarie Ombra mai fu aus dem Serse geradezu entsetzt: Händels Largo gar nicht von ihm. [Bonocinis Version auf ihrem Album Colori d'Amore]. Sie hat das Stück einmal in Göttingen bei den Händel-Festspielen gesungen. Und fand in einem Interview, dass das Publikum genau so empört wie sie hätte sein sollen.)

    Es gibt von Händel auch ein Zitat, das ich leider nicht mehr genau finde, aber dem Sinn nach sagt: er hätte aus den Stücken ja erst was Gescheites gemacht. Und ich als Händelianer finde, dass er nicht ganz unrecht hat: Vergleicht man die beiden Serse-Arien, dann hat das Stück erst durch die geringen Modifikationen durch Händel die Ohrwurm-Qualitäten, die es zu einer der 'unsterblichen' Melodien gemacht haben, die auch im 19. Jh. Anerkennung gefunden haben.

    Gruß Benno

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

  • Mir ist Händels Wassermusik jetzt nicht so präsent aber ich wüsste jetzt nicht, welche Stelle daraus den vier Akkorden aus dem Finale von Schostakowitschs 5. Sinfonie entsprechen soll. Bezüglich Händel fällt mir aber ein, dass der 2. Satz aus seinem Orgelkonzert Nr. 4 d-moll, op. 7 aus Telemanns Tafelmusik (Ouvertüre D-Dur, 2. Satz Air-Tempo giusto) übernommen wurde.

    "Musik ist für mich ein schönes Mosaik, das Gott zusammengestellt hat. Er nimmt alle Stücke in die Hand, wirft sie auf die Welt, und wir müssen das Bild zusammensetzen." (Jean Sibelius)

  • Bei Beethovens einzigem Streichquintett (op 29) hat im ersten Satz das 2. Thema:

    "

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    mE klar eine Stelle aus dem Quartett für Flöte und Streichtrio op 14 Nr. 3 von Carl Stamitz als "Vorlage", und zwar ebenfalls das 2. Thema aus dem ersten Satz.

    Hier kann man es hören:

    http://www.jpc.de/jpcng/classic/…-3/hnum/7890341

    - man klicke mal Track 6 an und warte den Einsatz des 2. Themas (ab der 35. Sekunde) ab...

    zwischen nichtton und weißem rauschen

  • Nicht zu vergessen natürlich der Anfang des Haupthemas aus dem Finale von Beethovens 5. - klar adaptiert von "A - B - C, die Katze lief im Schnee"! :D

    zwischen nichtton und weißem rauschen

  • Plagiat in der Musik - das ist halt so eine Sache. Man darf vor allem nicht vergessen, daß der Wert des geistigen Eigentums umso höher bemesser wird, je näher wir an unsere Gegenwart herankommen. Plagiate zur Bach-Zeit sind an der Tagesordnung, was wohl auch damit zu tun hat, daß die Musik dieser Zeit bis in weite Bereiche hinein lehr- und erlernbar ist; Originalität ist erst eine Forderung der Romantik.

    Was die Komponisten späterer Tage betrifft: Sie hören schließlich nicht nur eigene Werke, und mitunter setzt sich in ihrem Gedächtnis etwas fest, das sie irgendwann einmal für eine eigene Idee halten mögen. Ich glaube einfach nicht, daß beispielsweise Bernstein, der den Satz prägte "Gestohlen haben alle, aber die Großen haben genial gestohlen", mit voller Absicht Wagners "Götterdämmerungs"-Erlösungsthema für die "West Side Story" ("I have a love") klaute, und ob Mahler den Anfang seiner Dritten bewußt im letzten Satz von Brahms Erster entlehnt hat, wage ich ebenso wenig zu entscheiden wie die Frage, ob Richard Strauss die Noten von Schumanns Klavierkonzert vor sich hatte, als er die Überreichung der silbernen Rose schrieb.

    A propos Strauss. Oh ja, der Anfang von "Elektra" ist der Anfang von Gnecchis "Kassandra". Bei Strauss folgt darauf eine Oper, die ich nicht mag, der ich aber eine kompositorische Meisterschaft sonder gleichen zubillgen muß. Bei Gnecchi folgt eine tüchtige Oper von der Art, wie sie damals in Italien oft geschrieben wurde, von Alfano und Respighi etwas besser, von Pizzetti und vielen anderen etwas schlechter.

    Eine andere Frage ist, wie weit Wagners Marschner-Plagiate reichen. Das Todverkündigungs-Thema stammt aus "Hans Heiling", gut, kann passieren. Aber wäre der "Holländer" ohne "Vampyr" möglich? Das ist keine Frage der abgeschriebenen Noten (es gibt solches nicht einmal in diesem Fall) sondern der Übernahme von Ideen und ihrer Umsetzung durch eine bestimmte musikalische Sprache - also eher geklaute Ästhetik als geklaute Noten.
    :wink:

    Na sdarowje! (Modest Mussorgskij)

  • Ich glaube einfach nicht, daß beispielsweise Bernstein, der den Satz prägte "Gestohlen haben alle, aber die Großen haben genial gestohlen", mit voller Absicht Wagners "Götterdämmerungs"-Erlösungsthema für die "West Side Story" ("I have a love") klaute, und ob Mahler den Anfang seiner Dritten bewußt im letzten Satz von Brahms Erster entlehnt hat, wage ich ebenso wenig zu entscheiden wie die Frage, ob Richard Strauss die Noten von Schumanns Klavierkonzert vor sich hatte, als er die Überreichung der silbernen Rose schrieb.

    Schließt sich denn "genial gestohlen" und "bewußt entlehnt" aus? oder muß es bewußt sein, um genial zu sein? ich finde die Spur mit der "gestohlenen Ästhetik" sehr fruchtbar..

    Gruss
    Herr Maria

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Wagner und Mendelssohn

    gestohlenen Ästhetik

    Mehr noch als bei Marschner (den ich kaum kenne), Meyerbeer und Weber hat Wagner mMn bei Mendelssohn entlehnt - und zwar vor allem im o.g. Sinne (wenn ich Dich und Edwin da recht verstanden habe); auch, wenn es bei ihm sozusagen ein auf den Kopf gestellter Mendelssohn wird. Die harmonischen Entwicklungen Wagners sind Fortführungen derer Mendelssohns, die "sprechende" Orchesterbehandlung kommt auch von ihm. Daneben habe ich schon immer zwei unmittelbare "Plagiate" (ich besetze das nicht negativ - der "Diebstahl geistigen Eigentums" ist eine blödsinnige Abstraktion einer auf Geldverwertung fixierten Gesellschaft) Wagners bei Mendelssohn gehört: der Beginn der Sommernachtstraum-Ouvertüre (im Lohengrin-Vorspiel) und das Thema der "Schönen Melusine" (annähernd dem Rheingold-Beginn identisch). Nachdem ich mir dieser Tage erstmalig Mendelssohns "Reformations-Sinfonie" angehört habe, kommt noch ein viel direkteres Zitat hinzu: eines der wichtigsten Leitmotive des "Parsifal" ist so ziemlich wörtlich und sogar ganz ähnlich instrumentiert dieser Mendelssohn-Sinfonie entnommen.

    Bernd

    Fluctuat nec mergitur

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