Sir George Shearing, britischer Jazzpianist (1919-2011)

  • Sir George Shearing, britischer Jazzpianist (1919-2011)

    [Die folgende Diskussion, die sich ursprünglich an einer Stelle, die dem Totengedenken gewidmet ist, befand, bezieht sich auf einen Jazzpianisten und um die Frage, ob eine Anekdote im Zusammenhang mit diesem Musiker als "rassistisch" angesehen werden kann. Die Anekdote selbst bleibt hier im dunklen, so daß es für Nichteingeweihte wie mich schwierig ist zu verstehen, worum genau es geht. Vielleicht mag einer der Jazzenthusiasten das Nötige, ggf. auch Informationen zum Leben und zur Person des Musikers, ergänzen...? ;+)
    :wink:
    Gurnemanz]

    Die Anekdote, welche hier zum Gedenken an den am 14.2.2011 verstorbenen George Shearing von mir wiedergegeben wurde, ist ein alter Hut in Musikerkreisen und wurde noch niemals böse oder rassistisch aufgefaßt.

    Ich bin ehrlich geschockt, was für eine Reaktion von Matthias nun kam.

    Völlig überzogen, ganz ehrlich!

  • Die Anekdote finde ich aber gar nicht mehr „nett“, wenn man sich die damaligen Produktionsverhältnisse des Jazz vergegenwärtigt: Afroamerikaner, die den Jazz erfinden und, wie Monk, seine innovativsten Erneuerer sind, Weiße, die damit das Geld machen, als Clubbesitzer, Plattenbosse, Produzenten oder als wesentlich mehr in der weißen Presse Beachtung findende und wesentlich besser bezahlte weiße Musiker, gerade wenn ihr „elegantes“ Spiel die bequeme unterhaltungsmusikalische Verdünnung und Glättung der kantigeren schwarzen Originale ist. Hat schon was von als würde André Rieu einen Judenwitz über ‚den Fiedelputzer’ Jascha Heifetz machen.

    :wink: Matthias

  • Hat schon was von als würde André Rieu einen Judenwitz über ‚den Fiedelputzer’ Jascha Heifetz machen.

    Also, ich habe den Shearing kaum in Erinnerung, aber DER Vergleich ist mE überzogen (die political correctness ist mir dabei BTW schnurzegal). Daß ein Monk manch einem "eleganten" Traditionalisten ein Dorn im AugeOhr gewesen ist, kommt kaum unerwartet und muß deshalb für sich gesehen noch keine rassistische Konnotation haben. Mal abgesehen davon, daß der "Klavierstimmer" auch tatsächlich ein "nett" gemeinter Scherz gewesen sein kann - so gaaanz geht das an Monks Stil ja nicht vorbei...

    Bernd

    Fluctuat nec mergitur

  • Ich kannte die Anekdote auch. Sie ist so bekannt, dass sie auch einige Kommentare schwarzer Musiker herausgefordert hat – und die waren noch ganz anders, als mein Beitrag, - u.a. von Monks Saxophonisten Charlie Rouse, der die Bemerkung damals mitbekommen hatte und das Verhalten des Clubbesitzers: Da spielt Monk und er bittet Shearing zu spielen. Irgendwie kollegial fair wäre etwas anderes von Shearing gewesen. Sorry, aber das war damals respektlos und rassistisch und nicht so harmlos, wie es euch heute erscheint.

    Nun könnte man die Äußerung Shearings vielleicht sogar als ironisch-sarkastische Zurückweisung des Clubbesitzers und dadurch gerade als kollegial verstehen, aber Rouse berichtete eben etwas anderes.

    Okay, Vergleiche hinken immer etwas, Shearing war kein André Rieu, sondern ein ernsthaft seine Art des Jazz ausübender Pianist mit sehr guter Technik. Auch wenn ich mit seiner Art des Jazz nichts anfangen kann, hat er verdient, das zu würdigen. Aber eben auch jemand, dessen Musik ohne die der großen schwarzen Jazzmusiker nicht möglich gewesen wäre, in deren direkterer Tradition mit größerer Innovationsfähigkeit und Originalität Monk stand, insofern so, wie der Erfolg Rieus die Kunst der großen klassischen Geiger voraussetzt.

    :wink: Matthias

  • Ich glaube, das hier ist nicht der richtige Platz, um sich über Befindlichkeiten afro-amerikanischer Musiker auszulassen.
    Wie gesagt, es handelt sich um eine Anekdote und mir war bis heute nicht bewußt, daß dies ganz bitterer Ernst ist.

    Für mich war das immer eine überhaupt nicht bösartige Bemerkung, es werden noch ganz andere Witze unter Musikern gerissen.
    Nun ist es mir peinlich, hier auf das Ableben von George Shearing aufmerksam gemacht zu haben und dabei durch diese Anekdote auch noch sämtliche afro-amerikanischen und überhaupt alle schwarzen Musiker beleidigt zu haben.

    Hiermit beantrage ich, daß wegen Shearings ungebührlichem Verhalten diese letzten Postings gelöscht werden und damit auch kein Nachruf auf diesen schnöseligen weißen Musiker hier stattfindet.

    Überhaupt sollte in Zukunft äußerst kritisch betrachtet werden, ob überhaupt Beiträge über weiße Jazz-Musiker erlaubt sind.

    So, das war's mal wieder.
    Schön hier......

  • Zitat

    Sorry, aber das war damals respektlos und rassistisch


    Lieber Matthias,
    ich schätze Dich sehr , aber warum bitte sollte eine Bemerkung eines technisch brillianten Pianisten über einen äh, im besten Sinne eigenartigen Pianisten(was seine Technik angeht) rassistisch sein?
    Und wieso respektlos?

    Frotzeleien sind völlig normal auch unter Musikern, welche sich sehr schätzen.

  • Lieber Michael,

    ich schätze dich auch sehr. Und wenn hier an einen Jazzmusiker wie Shearing erinnert wird, freut mich dass auch sehr.

    Über weiße Jazzer schreibe ich ja auch hier. Und auch viele von ihnen sind natürlich aus der Jazzgeschichte nicht wegzudenken, wie wir uns z.B. ja bei Bill Evans sehr einig sind.

    Natürlich hast du auch recht, dass noch ganz andere Frotzeleien unter Musikern harmlos und weit verbreitet sind. Gerade zum ‚Jazz-Speech“ gehören sie fest dazu.

    Warum fanden im damaligen, sehr rassistischen Kontext viele afro-amerikanische Musiker solche Bemerkungen zwischen Weißen nicht so lustig?

    Ich fürchte, mir fällt nicht viel mehr ein, als mich zu wiederholen: Ein bedeutender schwarzer Musiker, der sehr eng an eine fast nur schwarze große Tradition, die des Stride-Pianos anknüpft und darin auch brilliant ist, bei allen Eigenarten „im besten Sinne“, wie du schreibst, spielt gerade. Ein weißer Jazz-Musiker betritt den Laden. Der weiße Clubbesitzer kommt auf ihn zu und bittet sofort, ihn zu spielen, obwol da gerade auch nicht irgendwer spielt. Auch die Kunst des so Umschwärmten beruht erst einmal vor allem auf der Kunst der großen schwarzen Musiker. Dieser frotzelt nicht etwa in der Pause Monk selbst an, sondern unter Weißen über den schwarzen „Klavierstimmer“. Der Schwarze ist hier im Gespräch unter Weißen wieder auf die Servant-Funktion gebracht. Aber die technisch brilliante, viel beachtenswertere Musik wird von Weißen gemacht, die Jazz aus dem „Rohen“, „Wilden“und Dilettantischen herausholen und erst zur Kunstform veredeln. Und darüber, wer spielt, verständigen sich Weiße unter sich, wie sie unter sich ausmachen, wer materielle und ideelle Anerkennung findet und, dass dies auch in einer primär afroamerikanischen Kunstform ungleichgewichtig zum realen Beitrag mehr Weiße zu bekommen haben. Ist das nicht der Sub-Text?

    So ist es jedenfalls von einigen verstanden worden, was ich gut nachvollziehen kann, in einer Situation, in der Weiße die Produktionsverhältnisse des Jazz beherrschen, auch die Jazzpresse und weiße Musiker in einer erst einmal primär afroamerikanischen Kunstform mehr öffentliche Beachtung finden und wesentlich besser verdienen als Schwarze.

    Alles völlig überinterpretiert? Vielleicht scheint es heute so, weil die Verhältnisse sich schon glücklicherweise etwas geändert haben.

    Aber wenn man den damaligen Kontext betrachtet, gerade auch die Diskurse in der weißen (us-amerikanischen) Presse über Jazz, dann bin ich sicher, dass ich nicht überinterpretiere.

    Vielleicht ist es so etwas nachvollziebarer.

    Dass ich natürlich nicht dich oder deinen Beitrag für respektlos oder gar rassistisch halte, das war hoffentlich eh klar.

    :wink: Matthias

  • Hallo Mathias,
    dann ist es wohl am besten, ohne weiteren Kommentar darauf hinzuweisen, daß Sir George Shearing am 14.2.2011 gestorben ist.

    Die Diskussion über das Thema schwarze und weiße Jazzmusiker wollte ich nicht damit anstoßen.
    Selber habe ich immer diese Anekdote aus einer reinen kollegialen Frotzelei heraus empfunden.

    Wir sollten das interessante Thema woanders weiterführen.

    In diesem Sinne alles liebe und Schwamm drüber, bitte.

    :wink:
    Michael

  • Die Diskussion über das Thema schwarze und weiße Jazzmusiker wollte ich nicht damit anstoßen.

    Klar.

    Zitat

    Selber habe ich immer diese Anekdote aus einer reinen kollegialen Frotzelei heraus empfunden.

    In einem anderen Kontext wäre sie es ja auch bloß.

    Zitat

    Wir sollten das interessante Thema woanders weiterführen.

    Ja, das gehört wirklich besser woanders hin. Und wenn jetzt noch jemand etwas zu Shearings Würdigung als Musiker schreiben könnte, der sich mit seiner Musik besser auskennt als ich oder dem sie näher steht, fände ich das auch toll.

    Dir auch alles Liebe und Gute und sorry, für den "Schock". Hätte ich vielleicht anders einleiten oder formulieren sollen.

    :wink: Matthias

  • Zitat

    Dir auch alles Liebe und Gute und sorry, für den "Schock". Hätte ich vielleicht anders einleiten oder formulieren sollen.


    Lieber Matthias,
    danke Dir!
    Damit ist für mich alles erledigt und ich danke Dir für Deine Erläuterungen, aus welchen ich mal wieder was gelernt habe.

    Ganz ehrlich, ich wußte überhaupt nicht, daß diese "Anekdote" wirklich wahr ist und sich genau so zugetragen hat.
    Denn dann hätte ich sie nicht wiedergegeben.
    Ich dachte wirklich,daß das gut erfunden ist im Sinne von Frotzeleien.

    Gute Nacht,

    :wink:
    Michael

  • Aber wenn man den damaligen Kontext betrachtet, gerade auch die Diskurse in der weißen (us-amerikanischen) Presse über Jazz, dann bin ich sicher, dass ich nicht überinterpretiere.

    Vielleicht ist es so etwas nachvollziebarer.

    Keineswegs.
    Normalerweise beachte ich den Sterbe-Thread nicht, blieb aber der Anekdote wegen, meinen Augen immer weniger trauend, hängen:
    Aus allgemeinen historischen Einschätzungen (deren Berechtigung ich in diesem Falle ja durchaus nicht in Frage stellen möchte) auf den einzelnen Fall Schlüsse zu ziehen, ist fragwürdig, wenn zum konkreten Fall so dürftige Informationen vorhanden sind.
    Shearing als Beispiel für einen weissen Jazzer mit rassistischen Motiven?!? - Bevor man solche Unterstellungen ins öffentliche Gerede einspeist, sollte man sich erst mal über seine Biographie (z.B. sein Verhalten als Leader schwarz-weisser Bands in übelsten Umständen) informieren. Dann würde sich die Reinigungsattacke gegen die Anekdote als das herausstellen, was sie m.E. ist: als überflüssig.

  • Shearing als Beispiel für einen weissen Jazzer mit rassistischen Motiven?!?

    Nein, darüber weiß ich nichts und das habe ich auch nicht unterstellt. Aber das Problem mit rassistischen Diskursen ist ja gerade, dass sie dieser Motive auch gar nicht bedürfen, um trotzdem fortgesetzt zu werden in einem Kontext des strukturellen Rassismus.

    Mir ging es auch gar nicht um irgendwelche „Bereinigung“, sondern um eine Kontextualisierung der Anekdote unter Berücksichtigung der existierenden Äußerungen zu ihr von schwarzen Musikern, u.a. von Monks Saxophonisten Rouse.

  • Also halten wir mal fest, daß Shearing gestorben ist.
    Es sollte hier um nichts anderes mehr gehen.

    Dies ist der Nekrologthread, hier geht es um Trauer über verstorbene Musiker, nicht um soziophilosophische Befindlichkeiten und Besserwissereien.
    Das hier ist nur ein Ort, um Respekt für einen Toten zu bekunden.

    Den Respekt kann man auch mit einer eigentlich harmlosen Anekdote bekunden.

    Diskutieren darüber sollte man an anderer Stelle.

    Finde ich.
    In diesem Sinne eine gute Nacht.

  • Lieber Michael!

    Mit der letzten Antwort hast Du völlig Recht, Anekdoten sind aber auch dazu da, einen Dahingegangenen näher zu bringen, und sie haben keinerlei negative Eindrücke hinterlassen, bei mir zumindest bei mir nicht.

    Liebe Grüße sendet Dir Peter aus Wien. :wink: :wink:

  • Diskutieren darüber sollte man an anderer Stelle.

    Sehr richtig! Und wenn noch jemand die Anekdote vorlegt, um die es hier geht (oder habe ich etwas übersehen?), und noch eine kleine Einführung verfaßt, könnte die Moderation die entsprechenden Beiträge ins Jazzforum auslagern.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Da bislang kein Widerspruch erfolgte, habe ich jetzt gehandelt wie oben angekündigt. Eine Einführung kann noch nachgetragen werden.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Ich kenne die Anekdote nicht, doch möchte dazu nach einigen Jahren Abstand doch das ein oder andere Wort darüber verlieren. George Shearing war Brite und blind gewesen. Ob diese beiden Punkte nun etwas mit dieser für alle beteiligten Musiker/Personen wichtig war, vermag ich nicht zu sagen. Doch sollte man auch einmal die Seite Shearings sehen, denn er wurde ja vom BESITZER des Clubs gebeten zu spielen und nicht von irgend einem "Hanswurst".

    Sollte er Monk tatsächlich als "Klavierstimmer" tituliert haben, muss man zunächst erst einmal beide Stile vergleichen. Und da kann ich seine Aussage durchaus nachvollziehen, denn was Monk mit drei Noten auszusagen hatte, konnte Shearing nur mit weitaus mehr Noten erreichen. Monks spröder Spiel könnte man im weitesten Sinne in der Tat als eine Art "Stimmen" bezeichnen, so wie man das Spiel Mal Waldrons, der von Monk herkam, als eine Art "Morse-Zeichen-Spiel" bezeichnete.

    Ich vergleiche das mal mit den beiden Bigband-Stilen von Duke Ellington und Stan Kenton. Was Ellington mit wenigen Noten und drei Musikern aussagen konnte, und dabei einen Klang erzeugte, der nicht zu kopieren war, würde Kenton nicht mit 20 Trompeten und Posaunen hinbekommen. Beide Auffassungen haben uns aber letztendlich fantastische Musik beschert.

    Natürlich war Shearings Spruch aus HEUTIGER Sicht völlig daneben, doch damals vermutlich eine eher "normale" Sache gewesen. Für UNS heute nicht mehr nachvollziehbar und daher nicht mehr akzeptabel.

    Shearing selbst hat im Grunde keinen wirklich "eigenen" Stil gehabt, sondern den vom Pianisten und Organisten Milt Buckner begründeten "Locked-Hand-Stil" weiter-bzw. zur Perfektion entwickelt. Dazu das Vibraphon und die Gitarre mit eingebaut, fertig war sein "Erfolgsrezept" für den Rest seines Lebens. Dass er mit "Lullabye of Birdand" auch noch einen Jazz-Standard schrieb, sollte man auch nicht vergessen.

    Ich denke mal, dass diese Situation so früher täglich vorgekommen ist, egal an welchem Ort und welchen Club in den Staaten. Und ich würde es auch heute noch im Süden der USA für denkbar halten, dass es noch solche Szenen in den Clubs dort geben könnte.

    Thelonious Monk war sicher ein meisterhafter, stilbildender Musiker gewesen, der einen Stil spielte, der auf der großen Tradition der Stride-Pianisten basierte, auch wenn man davon später kaum noch etwas hören konnte. Doch wer die Einspielungen von 1941 aus dem "Minton's Playhouse" kennt, wird wissen, dass er noch 1941 sehr diesem alten Stil verbunden war. Hier waren Charlie Parker, Charlie Christian, Jimmy Blanton und auch Dizzy Gillespie mit ihren Ideen bereits weiter fortgeschritten gewesen. Harmonisch hat sich damals erst angebahnt, was um 1945 herum dann vollendet wurde: Der "moderne" Klavierstil, also das sparsame Einsetzen der Akkorde mit der linken Hand, und das "hornartige" Spiel der rechten Hand. Doch auch hier gibt es mit Bud Powell einen Pianisten, der Monk überlegen war.

    Ich sehe Monks Stil mehr als einen "modernen Ellington" an, und wenn man seine LP anhört, in der er Ellington-Stücke spielt, und man vor allem sich den späten Ellington anhört, wird man meiner Meinung nach mehrere Verbindungen feststellen können im Spiel der beiden so wichtigen Musiker. Wobei Monk mir perkussiver erscheint als Ellington.

    George Shearing hingegen hat nur wenige Musiker direkt beeinflusst, darunter vielleicht (!!!) Errol Garner in Ansätzen und vor allem den Franzosen André Persiany (1927-2004).

    Ich hoffe, nun hier ein wenig dazu beigetragen zu haben, die Diskussion weiterzuführen, wenn auch mehr über die so unterschiedlichen Stile von Monk und Shearing.

    Der Dritte im Bunde war, wie bereits geschrieben, Bud Powell gewesen, den ich als eine Art "Genie" bezeichnen möchte. Denn er machte den modernen Klavierstil erst möglich. Fast alle Pianisten, die mit und nach ihm spielten, bauen auf seine Änderungen auf. Mal mehr, mal weniger stark beeinflusst. Powell kam übrigens von Earl Hines her, der dieses sog. "hornartige" Spiel bereits Ende der 1920-er Jahre entwickelt hat. Powell brachte dann seine Auffassung davon mit ein. Vor allem veränderte er Hines Stil der linken Hand völlig. Man spricht dabei sogar um eine Art der "Verkümmerung", da links nur noch Akkorde gespielt wurden.

    Erroll Garner steht hier vielleicht völlig alleine da. Seine Auffassung hat bis heute im Grunde keine Weiterführung erfahren, denn er war in der Art des Spielens absolut einmalig gewesen. Er beherrschte das Spiel mit 10 Fingern so perfekt, dass er sogar die linke Hand völlig unabhängig von der rechten Hand einsetzen konnte. So "schleppte" er links ganz gerne, obwohl er sie fast wie ein Rhythmus-Gitarrist einsetzte, der gleichmäßig vier Viertel "schrummte", während er mit der rechten Hand rasante Läufe spielte, dabei oft das Thema sehr lange hinauszögerte, bis dann am Ende alles im perfekten Einklang sich befand. Durch das "Schleppen" der linken und dem mehr nach vorne preschenden Spiel der rechten Hand erreichte er einen Swing, den man als einzigartig bezeichnen muss.

    Garner spielte deshalb weitgehend nur mit seinem Trio. bzw. Quartett (hier dann Klavier, Bass, Drums und Congas). Es gibt aber auch Aufnahmen mit einer All Star-Band von 1947.live mitgeschnitten auf einem "Just Jazz-Konzert" des Promotors Gene Norman, dem Gegenstück zu Norman Granz. Ähnliche Namen, aber zwei verschiedene Personen, die ab 1945 die "Jam Sessions" als Konzerte öffentlich veranstalten ließen.

    Ein weiterer Pianist, den ich noch nicht genannt habe, der aber im Grunde alles zusammenpackte, was es bis ca. 1949 an Klavierstilen gab, war natürlich der großartige Oscar Peterson gewesen, der schwarze Kanadier mit geradezu akrobatischer Technik und vehementem Swing.

    Ein Vorbereiter des modernen Klavierspieles war der leider 1945 früh verstorbene Pianist Clyde Hart (1910-1945). Er verstarb bereits im März 1945 an Tuberkolose, machte aber wichtige Einspielungen mit u.a. Charlie Parker, Dizzy Gillespie, Coleman Hawkins, Lionel Hampton, Chu Berry, John Kirby, Lucky Millinder, Roy Eldridge, Ben Webster oder Billie Holiday. Auch als Arrangeur machte er sich einen Namen ("In the Bag" für Lionel Hampton 1942).

    Ich vermute, dass Letztgenannter auch hier im Forum unbekannt sein dürfte.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!