PUCCINI: Turandot - Kommentierte Diskographie
Ihr Lieben,
zu dieser wirklich bizarren Oper (die eine berühmte böse Zunge nicht ganz umsonst "Bühnenweihfestoperette" genannt hat) gibt es hier noch keinen Diskografie-Thread und ich möchte das, weil mir dieser Tage grade, warum auch immer, Stellen aus dem Finale im Ohr klingen, gerne ändern. Ich mache den Beginn mit:
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Eines der Dinge, die ich gleich zu Beginn laienhaft lobend anmerken möchte (laienhaft: denn ich habe keine Ahnung von Schallplattenaufnahmetechniken) ist der ausgewogene Gesamtklang dieser Aufnahme - nie sticht eine Solistenstimme ungebührlich hervor, die Ensembles sind von großem Wohlklang, und das Orchester stützt und trägt die dieses Werk dominierenden Chöre fast, als ob es ein Teil derselben wäre. Man meint fast, im besten Sinne, eine Live-Aufnahme zu hören - sie hat nichts Künstliches, falsch Brillantes.
Die Tempi von Erich Leinsdorf sind im Schnitt eher zügig, v. a. aber ist sein Dirigat, je nun, irgendwie sehr 'bindend', es ist wie ein episches Kontinuum, dem man zuhört. Das erzeugt bzw. verstärkt den Eindruck einer Geschichte "aus alter Zeit", das "Es war einmal" des Märchens. Gerade in dem in seiner zweiten Hälfte, wie ich finde, ziemlich schwächelnden ersten Akt ist das von Vorteil, weil es die Sentimentalitäten sowohl wie die forcierten Karikaturen 'wegrückt' und damit weniger penetrant macht. Im zweiten Akt hingegen fehlt dem Stück diese Schärfe seiner Disparatheiten ein wenig.
Zum Eindruck einer Geschichte aus einer legendären Vergangenheit trägt Jussi Bjoerling als Kalaf das Seine bei. Ich halte mich eigentlich nicht gerne lange bei Tenören auf, aber dieser Mann singt... wie ein ungeheures, kraftvolles und merkwürdig attraktives Fossil, das aus dem Meer dieses imaginären China emporsteigt. Ich glaube ihm im Einzelnen nicht unbedingt die lodernde Leidenschaft (die ja ein Hauptmotivans ist), aber er ist, dem Höreindruck nach, ganz eindeutig der Protagonist dieser Geschichte, und das muss ja auch eigentlich so sein.
Renata Tebaldi habe ich nie sonderlich gemocht, und auch hier zeigt sie Schwächen in der Emotionalität - etwa das Geschluchze nach "Signore, ascolta", bei dem es einem die Schuhe auszieht [so etwas gibt es allerdings in Studioaufnahmen jener Zeit zuhauf; selbst in der großartigen de-Sabata-Tosca gibt es diesen peinlichen Moment von Tito Gobbis Sterbeseufzer] - ABER: es ist eine ihrer sehr guten Aufnahmen insofern, als sie der Liù wirklich Kraft mitgibt, auch etwas nicht Mädchenhaftes, sondern Weibliches - beides bekommt dieser oft viel zu ätherisch aufgefassten Rolle sehr gut. Und sie hat sehr schöne Legati, natürlich.
Die Nebenrollen allesamt gut; selbst das ja quasi hineingeschriebene Buffoneske der Ping, Pong, Pang und des alten Kaisers - das ich oft als schnell ermüdend empfinde - wird mit Dezenz und Disziplin ausgeführt und fügt sich daher in den gelungenen Gesamtstil.
Man merkt, dass ich zögere, etwas zur Titelpartie zu sagen. Das liegt daran, dass ich einerseits Birgit Nilsson vom Stimmtyp eigentlich die Idealbesetzung finde - der eiskalte Schwedenstahl... und natürlich singt sie die gefürchteten Höhen der Rolle mit der üblichen mühelosen Grandezza. Aber: genau das macht auch, dass da etwas fehlt. Man könnte es die psychologische Dimension nennen. Das Sich-selbst-Überschreiende, Hysterische der Rolle kommt irgendwie nicht zur Geltung. Die Turandot bleibt von außem empfunden, als perfekte Projektion der männlichen Fantasien, die um sie kreisen. Von daher stimmt die Interpretation wiederum zu dem, was ich oben über den Kalaf sagte. Aber gerade in der Rätselszene ist diese Glätte, diese eisige Grandezza dann doch vielleicht zu wenig - sie lässt mich jedenfalls 'kalt', wo sie mir frostige Schauer über den Rücken jagen sollte.