Chopin: Die Mazurken - unterschätzte Miniaturen?

  • Chopin: Die Mazurken - unterschätzte Miniaturen?

    Zu meinen Lieblingsaufnahmen der Werke Chopins gehört eine der - drei - Gesamteinspielungen der Mazurken durch Arthur Rubinstein. Bei JPC habe ich die Aufnahme nicht mehr gefunden, dort ist nur noch die dritte der Einspielungen aus den Jahren 1965/ 66 gelistet:

    Der Einfachheit halber, zitiere ich mich jetzt ganz schlicht einmal selbst - ;+)

    Zitat

    Robert Schumann schrieb in der Neuen Zeitschrift für Musik:

    "Chopins Werke sind Bomben, unter Blumen versteckt"- (mit Bezug auf die Mazurken op. 30 und 33) und so spielt sie Arthur Rubinstein auch. Nicht als künstliche, geruchlose Papierblumen (um im Bild zu bleiben), Rubinstein spielt mit berückend schönem Ton, aber unter der Oberfläche lauert mehr- und das macht Rubinstein in jedem Augenblick deutlich: Tänze ja, aber keine harmlose Kaffee-Haus-Tanzmusik.

    Insgesamt hat Rubinstein die Mazurken dreimal aufgenommen: 1938/39, 1952 und 1965/66. Die Aufnahme von 1952 steht nicht nur zeitlich in der Mitte, sie vereint in gewisser Weise die beiden Vorzüge der beiden Schwestern: Die Frische und Unbekümmertheit der frühen Einspielung und der leuchtende Ton der späteren Stereoversion.

    Alle drei Interpretationen sind im Rahmen der Rubinstein-Collection erschienen und digital überarbeitet. Der Klang ist ein wenig trocken, mit wenig Hall. Mir persönlich gefällt die 52´ Version ein wenig besser als die Aufnahme von 1965/66- aber das ist Geschmacksache. Und im Idealfall hat man beide im Schrank.

    Bei der Mazurka handelt es sich ursprünglich um einen polnischen Gesellschaftstanz im 3/4 Takt, der ursprünglich aus der Provinz Masowien stammt. Chopin komponierte Zeit seines Lebens eine ganze Reihe dieser Tänze, insgesamt 51 dieser Miniaturen, sie spiegeln in gewisser Weise die künstlerische Entwicklung des Komponisten Chopin wider.

    Welchen Stellenwert haben für Euch die Mazurken unter den Klavierwerken Chopins, welche Aufnahmen schätzt Ihr? Ich könnte mir vorstellen, dass diese Miniaturen gelegentlich neben den "größeren" Kompositionen, den Balladen, den Sonaten etc. in den Hintergrund treten, wie ist das bei Euch?

    :wink: :wink:

    Christian

    Rem tene- verba sequentur - Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen

    Cato der Ältere

  • Die Aufnahme von 1952 steht nicht nur zeitlich in der Mitte, sie vereint in gewisser Weise die beiden Vorzüge der beiden Schwestern: Die Frische und Unbekümmertheit der frühen Einspielung und der leuchtende Ton der späteren Stereoversion.

    Lieber Christian, könnte ich sich um diese Einspielung handeln (interessierte Nachfrage, da irgendwann mal eine Chopin-Box angeschafft werden soll):

    [Blockierte Grafik: http://ecx.images-amazon.com/images/I/61D1V…L500_AA300_.gif]?
    http://www.amazon.de/51-Mazurken-Ar…14536681&sr=1-4

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Gibt es nicht beim Chopin-Wettbewerb einen Sonderpreis für die bestgespielte Mazurka?

    Es scheint jedenfalls, dass diese Werke mehr als alle anderen mit dem "polnischen Charakter" in Zusammenhang gebracht werden (mehr als z.B die "Polonaisen")
    Obwohl sie (ohne jetzt originale Tänze aus entsprechender Zeit und Gegend zu kennen), eher selten "volkstümlich" klingen. Es gibt ein paar mit Bordunstellen u.ä., aber verglichen mit Liszts und Brahms', "ungarischem" oder Dvoraks tschechisch/slawischen Kolorit, sind das für mich eher Andeutungen.

    Ich mag die Mazurken sehr, aber während ich mir bei den Nocturnes oder Etuden inzwischen manchmal die Nummern der Favoriten gemerkt habe, kann ich das bei diesen Werken noch nicht.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • RE: Chopin: Die Mazurken - unterschätzte Miniaturen?

    Zu meinen Lieblingsaufnahmen der Werke Chopins gehört eine der - drei - Gesamteinspielungen der Mazurken durch Arthur Rubinstein. Bei JPC habe ich die Aufnahme nicht mehr gefunden, dort ist nur noch die dritte der Einspielungen aus den Jahren 1965/ 66 gelistet:

    Dies könnte die Aufnahme aus den 50ger Jahren sein:

    [Blockierte Grafik: http://ecx.images-amazon.com/images/I/51LAcGxd6uL._AA300_.jpg]

    Ich schätze und liebe die Mazurken sehr. Chopins letztes - unvollendetes Stück - war ja auch eine Mazurka in f moll.

    Für mich sind die Mazurken - neben den Preludes - die Stücke die für sein Schaffen am charakterstischsten sind. Voller Poesie und Trauer aber immer mit einer gewissen Unbeschwertheit und Heiterkeit (klingt paradox, aber ich kann es nicht besser beschreiben).

    Viele Grüße, Bernd

  • Ich mag die Mazurken sehr, aber während ich mir bei den Nocturnes oder Etuden inzwischen manchmal die Nummern der Favoriten gemerkt habe, kann ich das bei diesen Werken noch nicht.

    Das geht mir auch so - vielleicht liegt das auch einfach an der reinen Menge. Denn einprägsam und prägnant sind die Mazurken eigentlich immer.

    Dies könnte die Aufnahme aus den 50ger Jahren sein:

    Die ist es ;+)

    Meine erste bewusste Bekanntschaft mit den Mazurken habe ich durch Arturo Benedetti Michelangeli gemacht, ABM hat auf diesem Album einige der "klassischen" Mazurken eingespielt:

    Überhaupt scheint es ja so zu sein, dass es zwar einige Gesamtaufnahmen der Mazurken gibt, aber dass man sie im Konzert wohl er als Zugaben, oder auch auf CD´s eher als Programmergänzungen findet.

    :wink: :wink:

    Christian

    Rem tene- verba sequentur - Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen

    Cato der Ältere

  • Ashkenazy

    Gerade gehört, die CDs 5 & 6 aus dieser Box

    mit den Mazurken eingespielt von Vladimir Asheknazy.

    Gefällt mir sehr gut. Sehr feinsinnig mit viel Gefühl, aber ohne sentimental zu wirken.

    Könnte imo durchaus eine Alternative zu Rubinstein sein.

    Die Aufnahme von ABM kenne ich - noch - nicht, ist aber bestellt.

    Viele Grüße, Bernd

  • Die Mazurken sind schon höchst originell, vermutlich noch weiter von der Tanzmusik entfernt als etwa die Tänze von Brahms oder Dvorak. Oder fängt so etwa normalerweise ein Tanz an?:

    capriccio-kulturforum.de/index.php?attachment/329/

    Es gibt auch eine in D-Dur mit einem Kanon über 3 Zeilen zum Schluss, auch ziemlich irre. Weiß gerade leider nicht welche Nummer/Opus. Den hatte ich mal versucht in der zweiten von zwei Pseudo-Chopin-Mazurken (Ansätzen) mit einem dreistimmigen (zweistimmig beginnend) zu überbieten. Nummer 2 ist eher Reger geworden. :D - Wen's interessiert:

    "http://www.cdeclan.de/mazurka1.pdf"
    "http://www.cdeclan.de/mazurka2.pdf"

  • Nicht zuletzt da zwei Platten/CDs benötigt werden, gibt es etwas weniger Gesamtaufnahmen als bei den Walzern oder Scherzi. Dennoch gar nicht so wenige, etliche von Pianisten, von denen ich noch nie gehört habe, etwa 20 sind bei jpc lieferbar!
    (Ich vergleiche jetzt nicht mit der ersten Ballade oder der 2. Sonate, da dürfte es wohl in den dreistelligen Bereich gehen.)

    Rubinstein (3x, 1930er, um 1950, 1960er)
    Harasiewicz (2x)
    Francois
    Magaloff
    Ashkenazy
    Fou Ts'ong
    Ohlson
    Luisada (2x)
    Szilasi (hist. Instrument)
    Indjic
    Ovtscharov
    Biret
    Shebanova
    Chiu
    Poblocka
    Rahman el Bacha

    Völlig unübersehbar wird es natürlich, wenn man Recitals und Auswahlplatten dazunimmt. Vermutlich hat praktisch jeder Pianist, der überhaupt Chopin eingespielt hat, auch einige Mazurken aufgenommen.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Nicht alle 51Mazurken sind Meisterwerke, und so eine Gesamtaufnahme am Stück anzuhören, kann leicht ermüdend werden.

    Eine sehr schöne Auswahl von 29 Mazurken, die stets kurzweilig bleibt, hat die Russin Anna Gourari auf ihrer Aufnahme im Chopin-Jahr 2010 zusammengestellt. Für meine Begriffe kann ihr geschmackssicheres, unsentimentales, die dunklen Stimmungen betonendes Spiel mit den ganz großen Namen sehr gut mithalten. Eine sehr schöne CD, die inzwischen auch noch sehr günstig zu haben ist - zugreifen!


    Cheers,

    Lavine :wink:

    “I think God, in creating man, somewhat overestimated his ability."
    Oscar Wilde

  • Robert Schumann schrieb in der Neuen Zeitschrift für Musik:

    "Chopins Werke sind Bomben, unter Blumen versteckt"- (mit Bezug auf die Mazurken op. 30 und 33)


    Das Zitat lautet:

    Zitat

    Denn wüßte der gewaltige selbstherrschende Monarch im Norden, wie in Chopins Werken, in den einfachen Weisen seiner Mazurkas, ihm ein gefährlicher Feind droht, er würde seine Musik verbieten. Chopins Werke sind unter Blumen eingesenkte Kanonen.


    Eusebius (Schumann) bezog sich hier nicht auf besondere Mazurken, denn das Zitat befindet sich in einem Artikel über die Klavierkonzerte.

    Alles, wie immer, IMHO.

  • Danke für die Anmerkung, lieber Philbert! Mir war der ursprüngliche Kontext des Zitats nicht präsent ;+)

    :wink: :wink:

    Christian

    Rem tene- verba sequentur - Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen

    Cato der Ältere

  • Ich höre gerade sehr viel Chopin, aber die Mazurken halte ich nur in kleinen Dosen aus. Der in jedem Stück klar hervortretende Grundrhythmus lullt einen total ein, wenn man sich nicht stark konzentriert. Ueberhaupt sind bei Chopin gemischte Recitals für mich attraktiver als Gesamtaufnahmen en bloc. Die Gourari-Aufnahme habe ich auch und sie gefällt mir ebenso. Rubinstein gebe ich aber noch den Vorzug (Aufnahme von 1965).

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Ich höre gerade sehr viel Chopin, aber die Mazurken halte ich nur in kleinen Dosen aus. Der in jedem Stück klar hervortretende Grundrhythmus lullt einen total ein, wenn man sich nicht stark konzentriert. Ueberhaupt sind bei Chopin gemischte Recitals für mich attraktiver als Gesamtaufnahmen en bloc.

    Die Mazurken sind natürlich auch nicht dafür gedacht, en bloc hintereinander gespielt bzw. gehört zu werden (genausowenig wie die vier Balladen oder Scherzi). Ich würde normalerweise nicht mehr als ein Opus auf das Programm setzen. Der Querschnitt von zehn Mazurken, den Grigory Sokolov in der letzten Saison gespielt hat, funktioniert so meines Erachtens schon nur bei ihm.

    Christian

  • Die vier Balladen kann ich mir hintereinander recht gut anhören, auch die Scherzi. Aber bei den Mazurken und Etüden, eigentlich auch Nocturnes, finde ich das ungünstig.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Der Querschnitt von zehn Mazurken, den Grigory Sokolov in der letzten Saison gespielt hat, funktioniert so meines Erachtens schon nur bei ihm.

    Ja, das war schon großartig, nicht wahr? Trotz langer Suche habe ich keine CD-Aufnahme von wem auch immer gefunden, in der die Mazurken so nach profunden Meisterwerken klingen wie in Sokolovs Darbietung.

    Die Gourari-Aufnahme habe ich auch und sie gefällt mir ebenso. Rubinstein gebe ich aber noch den Vorzug (Aufnahme von 1965).

    Kann ich nachvollziehen - ich habe aber bei meiner Kaufentscheidung mal ganz bewusst nach Rubinstein-Alternativen gesucht. Gourari bietet einen guten Mittelweg zwischen den langatmigen Gesamtaufnahmen und den Recitals, in denen sich bloß drei bis vier Mazurken finden.

    Die vier Balladen kann ich mir hintereinander recht gut anhören, auch die Scherzi. Aber bei den Mazurken und Etüden, eigentlich auch Nocturnes, finde ich das ungünstig.

    Yep, obwohl ich durchaus in langen romantischen Nächten mal alle Nocturnes mit der Pires habe laufen lassen :rolleyes: aber die Höchststrafe ist, alle Polonaisen am Stück zu hören :faint: Deshalb wundert mich die Vielzahl an Polonaisen-Gesamtaufnahmen.

    “I think God, in creating man, somewhat overestimated his ability."
    Oscar Wilde

  • Die vier Balladen kann ich mir hintereinander recht gut anhören, auch die Scherzi. Aber bei den Mazurken und Etüden, eigentlich auch Nocturnes, finde ich das ungünstig.


    Die Etüden und die Préludes kann ich mir alle hintereinander anhören. Warum, weiß ich nicht - vielleicht, weil ich recht viele davon selbst mal gespielt habe... Die anderen Gattungen würde ich eher in zwei Teilen an zwei Tagen hören.

    BG - elo

    Klemperer: "Wo ist die vierte Oboe?" 2. Oboist: "Er ist leider krank geworden." Klemperer: "Der Arme."

  • Die Préludes ich auf jeden Fall auch, aber bei den Etüden sind doch einige recht mechanische Stücke dabei (es sind ja schließlich trotz allem Etüden). Aber ein Opus, vorzugsweise op. 10, schaffe ich auch auf einen Sitz.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Die Aufnahmen mit Idil Biret fand ich sehr hörenswert. Habe sie aber nicht mehr im Ohr.

     

    Die Krone gebührt aber wohl dem bereits erwähnten ABM.

    Viele Grüße
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Die Preludes bilden aber auch alle zusammen ein Opus, wärend immer nur ein paar Mazurken oder Nocturnes zusammengefasst sind. Ich habe aber kein Problem, mir eine komplette CD davon anzuhören.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • William Kapell hat 1951/52 eine Auswahl von 29 Mazurken eingespielt, die damals eine LP gut gefüllt haben.

    Die aktuell billig zu bekommene Gesamtaufnahme enthält noch ein paar mehr.

    Makelloses Spiel, ohne einen Hauch von Sentimentalität, aber auch ohne die Trockenheit des frühen Rubinstein. Manchmal vermisse ich bei Kapell aber auch die kaum spürbaren rhythmischen Abweichungen, die in einigen Stücken das Gefühl von leichter Betrunkenheit auslösen können, so dass einem ganz schwerelos zumute wird.

    Genau deshalb werde ich auch nicht müde, die alte Chopin-Gesamtaufnahme zu loben, die irgendwann Ende der 50-er, Anfang der 60-er bei Polskie Nagrania erschienen ist, hierzulande für ein kurze Zeit auch mal als LP-Kassette der Teldec.
    Henryk Sztompka spielt die Mazurken technisch nicht weniger makellos als Rubinstein oder Kapell, ganz unsentimental, fast nüchtern - aber eben auch nur fast, und gerade das ist es, was dieses einmalige Gefühl der Schwerelosigkeit auslöst. Die alte Platten klingen wie aus einer anderen Zeit. Man soll die Mazurken nicht alle hintereinander hören, heißt es - aber bei Sztompka fällt es mir schwer, irgendwann aufzuhören.

    Zu Sztompka gibt es hier ein paar Details:"http://en.chopin.nifc.pl/chopin/persons/detail/id/26"

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