Claudio Monteverdi - Vespro della Beata Vergine (1610) - Marienvesper
Die Marienvesper, als Druck 1610 erschienen, steht in der Schnittstelle zwischen dem Alten (der Renaissance) und dem Neuen (dem Frühbarock), zwischen prima prattica und seconda prattica, zwischen der Polyphonie und der Monodie. Hier werden zum ersten Mal konsequent die Stilmerkmale beider konzeptionell miteinander verschmolzen und zu einem neuen Ganzen gemacht.
Monteverdi hatte bis dato keine geistliche Musik komponiert, obwohl er einer der bekanntesten Komponisten Italiens war. Mit der Oper "L'Orfeo" hatte er im Jahre 1607 der neuen Gattung den entscheidenden Zündfunke verpaßt, und diese Lunte brennt bis heute. Doch diesem Triumph folgte bald eine Tragödie, die der Beginn einer beruflichen Neuorientierung werden sollte.
Im September 1607 starb nach 8 Jahren Ehe seine Frau und hinterließ ihn als getroffenen Witwer mit zwei kleinen Söhnen. Dann schienen die Probleme am Hof Gonzaga, wo er als Kapellmeister angestellt war, sich zu häufen: er arbeitete recht viel für wenig Salär, und er konnte wohl zunehmend auch seine Ambitionen nicht mehr sinnvoll umsetzen. Nach über zwanzig Jahren in Mantua war er an einem toten Punkt angelangt.
In der Zeit der Drucklegung der Vesper schien er sich beruflich befreien zu wollen. Er widmete die Sammlung Papst Paul V. und schielte eventuell auf eine Anstellung in Rom oder vielleicht Venedig. Daraus wurde zunächst aber nichts. Spätestens 1612 war er durch den Tod seines Arbeitgebers, dem Herzog Vincenzo Gonzaga, arbeitslos geworden, und nun war es nötig, sich neu umzusehen. Im Jahr darauf verstarb der Kapellmeister des Markusdoms in Venedig, Giulio Cesare Martinengo, und Monteverdi bewarb sich für das Amt. Er wurde genommen und blieb in dieser Position bis zu seinem Tod im Jahre 1643.
Die Marienvesper zeigt vielleicht am Deutlichsten, wie konsequent Monteverdi seine musikalische Ausrichtung den Gezeiten anpaßte. Er fing mit seinen 1. Madrigalbuch stilistisch noch in der Tradition der Spätrenaissance an und endete beim letzten Madrigalbuch komplett in der frühbarocken Moderne. Die Vesper steht dazwischen, als ein Monument der damaligen Kunst.
Die Vesper besteht aus fünf Psalmvertonungen, drei Concerto, einer Motette, einem Hymnus, einem Responsorium, einer Sonata und einem Magnificat. Die Besetzung ist mit sieben Solostimmen, einem Doppelchor und Instrumente angegeben. Die Reihenfolge der Stücke ist im Druck so festgelegt:
I.
Intonation Deus in adiutorium meum intende / Responsorium Domine ad adiuvandum me festina (sex vocibus & sex Instrumentis, si placet)
II.
Psalm 109 Dixit Dominus Domino meo (sex vocibus & sex Instrumentis, Modus IV)
III.
Motette Nigra sum (motetto ad una voce)
IV.
Psalm 112 Laudate pueri, Dominum (a otte voci sole nel Organo, Modus VIII)
V.
Concerto Pulchra es (a due voci)
VI.
Psalm 121 Laetatus sum (a sei voci, Modus II)
VII.
Concerto Duo Seraphim (tribus vocibus)
VIII.
Psalm 126 Nisi Dominus (a dieci voci, Modus VI)
IX.
Concerto Audi coelum (sex vocibus)
X.
Psalm 147 Lauda Jerusalem (a sette voci, Modus III)
XI.
Sonata sopra Sancta Maria Ora pro nobis (a otte voci)
XII.
Hymnus Ave maris stella (a otte voci, Modus I)
XIII.
Magnificat I (septem vocibus & sex Instrumentis, Modus I) oder:
Magnificat II (a sei voci, Modus I)
Mit den Psalm- und Magnificat-Teilen erfüllt das Werk die Voraussetzung als feierliche Vespervertonung in der Liturgie der damaligen Zeit; die fehlenden Antiphonen wurden als einstimmige Choräle beibehalten und sind deshalb nicht notiert worden. Die restlichen Teile gelten sozusagen als zusätzliche Erbauung.
Man rätselt schon lange, ob die Marienvesper als komplettes Werk konzipiert wurde oder eine Ansammlung einzelner Kompositionen darstellt. Bis heute gehen die Meinungen darüber auseinander. Aufgeführt wird sie heutzutage als geschlossenes Werk, entweder mit den fehlenden Antiphonen (und einer leicht veränderten Reihenfolge) oder ohne ihnen.
In den 1950er Jahren begann das Interesse an der Vesper zu erwachen. Die ersten Einspielungen erfolgten (Hans Grischkat, Vox 1953; Anthony Lewis, L'Oiseau-Lyre 1953), und das Werk begann sich allmählich zu etablieren. Heute gehört es zum Kanon jener Glanzstücke, die einfach nicht mehr wegzudenken sind. Man hat die Auswahl zwischen zwei Dutzend Einspielungen verschiedenster Konzeptionen und unzähligen Aufführungen weltweit. Und egal, wie man es früher aufgeführt hatte oder heutzutage aufführt, irgendwie schafft man es eher selten, es komplett zu ruinieren. Dafür ist es einfach zu brillant komponiert worden.
Links:
"http://de.wikipedia.org/wiki/Marienvesper_%28Monteverdi%29"
"http://de.wikipedia.org/wiki/Claudio_Monteverdi"
"http://www.medieval.org/emfaq/cds/sear…nteverdi+vespro"
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