Mit Kindern in die Oper gehen (?)

  • Lieber merkatz,

    eine ähnliche Diskussion hatten wir ja bereits im Thread Engelbert Humperdinck: "Gretel und Hänsel" - passenderer Titel?..

    Humperdinck war ja ein großer Wagnerverehrer; seine Oper "Hänsel und Gretel" nannte er selber ein "Kinderstubenweihespiel"; ich finde, man hört dort deutliche Anlehnungen an die Tonkunst des von Humperdinck verehrten Bayreuther Meisters heraus (z.B. Orchestrierung, Gesangsführung, Leitmotiv).

    Insofern könnte man "Hänsel und Gretel" m.E. durchaus als Wagner für Kinder bezeichnen.

    :wink:

    Magus

    "Whenever we hear sounds, we are changed, we are no longer the same..." Karlheinz Stockhausen 1972

  • Naja, Strauss war auch ein Wagnerverehrer - wieso ist die Salome dann nicht "Wagner für Kinder"?

    Für mich ist HUG nicht Wagner für Kinder, sondern Humperdinck für Erwachsene.

  • Mit Kindern in die Oper: ein Erfahrungsbericht

    Meine Enkelin ist fünf, sie wird im Februar sechs. Im vorletzten Sommer waren wir mit ihr mal in der Kinderoper in Köln. Dort werden bekannte Stücke auf kindgerechtes Maß (ca. 1 Stunde) zusammengekürzt. Es gibt auch Auftragskompositionen in diesem Format. Seinerzeit war das etwas für die ganz Kleinen. Es hat ihr gefallen, für sie war es damals sehr aufregend und spannend.

    Inzwischen ist ihr Interesse gewachsen. Wir haben es also riskiert, sie mit in die "große" Oper zu nehmen. Naturlich "Die Zauberflöte". Ihre Mutter wollte auch mit (die geht nur alle paar Jahre mal in die Oper).

    Sie war das ganze Wochenende bei uns Großeltern. Schon am Freitag abend hat meine Frau ihr "ein wenig" aus dem Stück vorspielen wollen. Es endete damit, daß sie sich vom kompletten 1. Aufzug das Libretto vorlesen ließ, um anschließend die jeweiligen Musiknummern zu hören. Am Samstag lief dann, aber mehr im Hintergrund, der zweite Aufzug, ohne Libretto.

    Damit war sie offenbar ausreichend angefixt. Wir fuhren am Sonntag nachmittag nach Köln (Frühabendvorstellung). Ich zeigte ihr ein bißchen die Aufführungsstätte (in der derzeitigen Ausweichspielstätte "Oper am Dom" gibt's nicht soo viel zu sehen), als die Türen geöffnet wurden, war auch noch ein Ausflug zum Orchestergraben drin. Das fand sie alles interessant, dauerte aber zu lange. Das Stück sollte endlich anfangen1

    Im Forum über die Inszenierung zu berichten, habe ich leider nicht geschafft. Kurz: Die Regisseurin hat versucht, die Widersprüche des Librettos aufzulösen und dem Durcheinander einen Sinn zu geben, was ihr mE erstaunlich gut gelang (ich fand es eine ganz herausragend gute Inszenierung). Das Märchenhafte wurde dabei nicht ausgespart, also eine durchaus "sinnliche" Inszenierung. Oder anders: es gab auch was zu sehen. Leichte Kost ist aber was anderes. Nur ein Beispiel: Zu Sarastros Hallenarie wird Monostatos "ausgestoßen"; er wird schwer gedemütigt, indem er seine "Uniform" abgeben und sich dafür bis auf die Unterhose ausziehen muß (starke Szene!). Damit und mit vielem Anderem war die Fünfjährige offenbar über gut drei Stunden (eine Pause) keineswegs überfordert: sie stellte in der Pause und hinterher sehr gezielte Fragen, die sich alle zu ihrer Zufriedenheit beantworten ließen.

    Ihr erstes Statement nach der Aufführung: "Das war toll!" Ihr letztes an diesem Abend, als sie todmüde ins Bett sank: "Wann gehen wir wieder in die Oper?" Als sie infolge der unerwartet verfrühten Geburt ihrer Schwester über Weihnachten noch eine gute Woche bei uns bleiben mußte, bot ich ihr an, mal im Internet nach "Zauberflöten" zu suchen und das ein oder andere Stück (natürlich sind Papageno und die drei Knaben der Bringer!) anzusehen. Daraus wurden zwei komplette Aufführungen (Aix 2014 und Salzburg 2006) sowie einmal "Hänsel und Gretel" (London 2008). Und zwar ohne, daß das Kind dabei irgendwelche Müdigkeit oder gar Langeweile gezeigt hätte! An den folgenden Tagen hat die Zauberflöte abends im Bett den "Räuber Hotzenplotz" verdrängt; ein kompletter Akt bis zum Einschlafen!

    Nun hat sie zwar einen einigermaßen opernverrückten Opa, aber ihre Eltern sind da eher zurückhaltend; anders gesagt: klassische Musik spielt bei ihr zu Hause kaum eine Rolle.

    Ich bin wirklich erstaunt!

    Nächsten Samstag gehe ich mit ihr in Bonn zu "Hänsel und Gretel".

    Gibt es vergleichbare Erfahrungen bei anderen Capricciosi?

    Bernd

    Fluctuat nec mergitur

  • Mensch, Bernd ! Dein Bericht hätte von mir sein können. Allerdings ist meine Enkeltochter neun Jahre alt. Sie war im letzten Sommer mit ihrem Papa auf einigen Popkonzerten. Höchste Zeit also, sie endlich live mit der so genannten Hochkultur zu konfrontieren : Hänsel und Gretel in der Frankfurter Oper, Inszenierung Keith Warner. Ich bin im Oktober zunächst allein hin, weil man heutzutage ja nicht weiß, was einen erwartet :-I Schließlich waren wir zu zwölft dort, außer mir und meiner Frau, besagte Enkelin und Mitglieder meiner Gesangsklasse. Warners Regieansatz ist recht anspruchsvoll, weil er gezielt auf das Mitdenken und die Fantasie des Publikums setzt, wobei es viel zu sehen gibt und Aufregendes geschieht. Kurz : Alle, einschließlich meiner Enkeltochter, waren hellauf begeistert, zumal ich bewusst Plätze ausgesucht hatte, die hervorragende Sicht auf die Bühne und in den Orchestergraben ermöglichten .Mich freut diese Begeisterung natürlich ungemein, denn nun weiß meine Enkeltochter aus eigenem Erleben, dass es nicht nur Popevents gibt :suc: .

    Ciao. Gioachino

    miniminiDIFIDI

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