Edmund Rubbra (1901 bis 1986) - ein Poet unter den englischen Symphonikern

  • Edmund Rubbra (1901 bis 1986) - ein Poet unter den englischen Symphonikern

    Elgar, Vaughan Williams und Bax sind die Komponisten des 19. und 20. Jahrhunderts, die den meisten Musikinteressierten zum Thema englische Symphoniker wohl als erste einfallen dürften. Aber Edmund Rubbra? „Much admired by some connaisseurs in his native country, but … rarely heard overseas.“ (Steve Holtje). Doch auch im eigenen Land scheint Rubbra heute weniger bekannt zu sein, als es sich nach der Anzahl der inzwischen verfügbaren Platteneinspielungen vermuten ließe. In deutschen Konzertprogrammen existiert der Name Rubbra m.W. so gut wie überhaupt nicht.

    Meine erste eigene Bekanntschaft mit der Musik Rubbras liegt inzwischen 25 Jahre zurück, an meiner damaligen Bewunderung für sie hat sich bis heute nichts geändert. Die FAZ hatte im Februar 1986 in einer kurzen Notiz den Tod des Komponisten erwähnt und hinzugfügt, Rubbra gelte als einer der inspiriertesten Melodiker unter den englischen Symphonikern. Einige Tage später besaß ich eine LP von Rubbras 5. Symphonie – es war Liebe auf den „ersten Blick“. So begann meine Begeisterung für diesen Komponisten. Die LP-Einspielung ist heute (zusammen mit Werken von Bliss und Tippett) als CD (West Australian SO, Schönzeler, bei Chandos, ADD/DDD, 78/87) zu haben:

    Bald lernte ich die Symphonien Nr. 4, 6, 7, 8 und 10 kennen und auch sie überzeugten mich schon beim ersten Hören als musikalische Pretiosen. Vor allem faszinierten mich, faszinieren mich immer noch die hochpoetischen langsamen Sätze Rubbras (insbesondere V.3. Grave, VI.2. Canto) und die wundervolle Nr. 10. Ich persönlich kenne nichts Vergleichbares in der englischen Symphonik.

    Inzwischen gibt es eine Gesamtausgabe der Symphonien Rubbras unter der Leitung von Richard Hickox mit dem BBC National SO & Chorus Wales (Chandos, DDD, 1993-98):

    Symphony No. 1, Op 49 (1936)
    Symphony No. 2 in D, Op 45 (1937)
    Symphony No. 3, Op. 49 (1939)
    Symphony No. 4, Op. 53 (1941)
    Symphony No. 5 in B-flat, Op 63 (1947)
    Symphony No. 6, Op. 80 (1954)
    Symphony No. 7 in C, Op. 88 (1956)
    Symphony No. 8 “Hommage à Teilhard Chardin”, Op. 132 (1968)
    Symphony No. 9 “Sinfonia Sacra” (für Solo, Chor und Orchester), Op. 140 (1971)
    Symphony No. 10 ”Sinfonia da Camera”, Op. 145 (1974)
    Symphony No. 11, Op. 153 (1979)

    Eine ausgezeichnete Beschreibung von Rubbras Stil hat Christoph Schlüren ('Kleiner Lauschangriff' für Klassik Heute, 2001) gegeben, aus der ich an dieser Stelle ein paar zentrale Sätze zitieren möchte:

    „Er ging als einer der eigenwilligsten und fruchtbarsten englischen Symphoniker unerschlossene Wege abseits jeglicher Moden und Trends. … Rubbra kümmerte sich ebenso wenig um die Forderungen der Kritik nach „fortschrittlichem Idiom“ wie um das Verlangen des breiten Publikums nach unmittelbarer Eingängigkeit und sinnlichem Glanz. Er war einer der eminentesten Kontrapunktiker des 20. Jahrhunderts, und die Form eines Werks ergab sich bei ihm stets auf unvorhersehbare Weise aus dem motivischen bzw. intervallischen Keim, der als Kraftquelle am Beginn steht und aus dem alle weitere Bewegung geboren wird. Sein kompositorisches Denken war grundsätzlich von der organischen Ausfaltung des vielstimmigen Potentials bestimmt, was mit zunehmender Reife zu immer unkonventionelleren Lösungen führte.“

    Über die Zehnte:

    „Hier sind die Aspekte, die Rubbra sein Leben lang beherrschten, zu vollendeter Fusion geführt: Die unwillkürliche Entfaltung der kontrapunktischen Energie, deren Ausrichtung sich die farbige Harmonik anschmiegt; das Improvisatorische, Unvorhersehbare, welches den Fluss nie unterbricht, sondern ihm neue Reize und Kontraste zuführt und damit spannungsfördernd wirkt; die ornamentische Fraktur, die nicht zuletzt aus Rubbras Neigung zu orientalischer Musik gespeist ist; und, aus all dem resultierend, eine das Zeitempfinden sprengende, der stimulierten Bewegung übergeordnete Langsamkeit, jene meditative Dimension, die mit Rubbras fernöstlicher Geistigkeit zugeneigter Religiosität übereintimmt. Wer sich in dieser Tonwelt überschwänglicher Innigkeit wohlfühlt, wird sich natürlich auch für die umliegenden Werke interessieren. …
    Nach dem Krieg sorgte das fortschrittsbetonte Klima zunehmend für Gegenwind. Bald galt Rubbra als Konservativer. … Die Symphonien Nr. 5-7, zwischen 1947 und 1957 entstanden, waren zeitweise ziemlich erfolgreich und wurden unter Dirigenten wie Stokowski, Boult oder Barbirolli gespielt. Jedes dieser Werke hat seine eigenen, sich mit mehrmaligem Hören erschließenden Qualitäten. Besonders der ’Canto’ aus der Sechsten mit den herrlichen Quintparallelen ist von berückendem Zauber. … Der späte Höhepunkt seiner Symphonik ist meines Erachtens die 1974 entstandene Zehnte.“

    Symphonie Nr. 10, Bournemouth Sinfonietta, Schönzeler (Chandos, ADD, 1975):

    Schlürens vollständiger Text vgl. "http://www.musikmph.de/rare_music/com…a_edmund/1.html" .

    Vielleicht melden sich ein paar Capricciosi zu Wort: mit eigenen Erfahrungen, Ergänzungen, Empfehlungen, Fragen etc. ?

    Grüße von Auscultator

    Mozart und Beethoven reichen bis zum Himmel – Schubert kommt von dort. Oskar Werner

  • Dank an Auscultator für diese Vorstellung Edmund Rubbras. Sie brachte mich nämlich darauf, dass es endlich hoch an der Zeit sei, diese 'terra incognita' in meiner musikalischen Landschaft nun einmal zu erkunden. Aus nicht wirklich nachvollziehbaren Gründen machte ich um Rubbra bisher einen vollständigen Bogen - und das, obwohl mir die englische Sinfonik des 20. Jahrhunderts sehr liegt und meine Zuneigung deutlich über die Kenntnis und Verehrung der Elgarschen und Vaughan Williamschen Gattungsbeiträge hinausreicht. Manchmal ergeben sich komische Dinge!

    Also, auf meinem Wunschzettel (nicht dem für's Christkind, eher noch auf dem für den Nikolaus) steht nun sicher die CHANDOS-GA der Rubbra-Symphonien. Und was einmal auf meinen Wunschzetteln landet, wird gekauft.

    Schöne Grüße,

    Tabor

  • Lieber Auscultator,

    vielen Dank für diese hervorragende Einführung. Gut zu wissen, dass es einen weiteren Anglophilen in unserem Kreise gibt.
    Dass du Bax als Bekannte in Sachen englische Symphonik anführst, freut mich als eingefleischten Baxianer umso mehr (hatte lange Zeit eine Fotografie des jungen Bax als mein Avatar-Bild).

    Da die englische Musik des ausgehenden 19. Jhds. und vor allem der ersten Hälfte des 20. Jhds eine besondere Angelegenheit ist, habe ich mich natürlich auch mit Rubbra beschäftigt, der vielleicht nicht ganz die Bekanntheit eines RVW oder eines Bax erreicht, aber ähnlich dürfte es z.B. dem schrulligen Brian gehen. ;)

    Nun, ich muss gestehen, dass ich den rechten Zugang noch nicht gefunden habe, deshalb freue ich mich über deine Empfehlungen. Wirklich intensiv habe ich mich mti Rubbra allerdings auch noch nicht beschäftigen können.
    Die die 3. Symphonie abschließende Fuge sucht allerdings ihresgleichen, einfach nur großartig.

    Werde mich also demnächst mal wieder an Edmund ranwagen. Danke.

    :wink:
    Wulf

    "Gar nichts erlebt. Auch schön." (Mozart, Tagebuch 13. Juli 1770)

  • @ Tabor

    Danke, Tabor! Dass meine Rubbra-Bekenntnisse Dich bewogen haben, gleich den ganz großen Griff zu wagen (Hickox-GA), freut mich sehr. Ich hoffe jetzt nur, dass Du nicht allzu enttäuscht bist, wenn Du auch mal auf die eine oder andere Passage oder gar eine ganze Rubbra-Symphonie triffst, mit der Du Dich nicht gleich anfreunden kannst. Das könnte immerhhin bei den ersten zwei Symphonien passieren, die sich beim ersten Hören u.U. nicht ganz so zugänglich erweisen. Aber die Auswahl ist ja groß genug :)

    Grüße von Auscultator :wink:

    Mozart und Beethoven reichen bis zum Himmel – Schubert kommt von dort. Oskar Werner

  • @ Wulf

    Lieber Wulf,

    vielen Dank für Deine freundlichen Zeilen!

    habe ich mich natürlich auch mit Rubbra beschäftigt, der vielleicht nicht ganz die Bekanntheit eines RVW oder eines Bax erreicht, aber ähnlich dürfte es z.B. dem schrulligen Brian gehen. ;)

    Dass Rubbra und Brian nicht zu den bekanntesten Symphonikern gehören, das verbindet die beiden. Es ist allerdings wohl auch das einzige, was sie gemein haben. Der "schrullige" Brian hat aber manchmal auch etwas fast schon Genial-Schrulliges. Robert Simpson hat sich ja mächtig für ihn ins Zeug gelegt, was Mr. Brian dann eine Symphonie nach der anderen produzieren ließ.

    Was von Rubbra im einzelnen einem gefallen wird, wird sich zeigen, wenn man sich näher mit ihm befasst.

    Grüße von Auscultator :wink:

    Mozart und Beethoven reichen bis zum Himmel – Schubert kommt von dort. Oskar Werner

    2 Mal editiert, zuletzt von Auscultator (19. November 2011 um 15:38)

  • Lieber Ausculator,

    was Wulf geschrieben hat,

    Gut zu wissen, dass es einen weiteren Anglophilen in unserem Kreise gibt.

    das möchte ich doppelt unterstreichen. Ich bin ja hier im Forum - vielleicht hast Du es schon wahrgenommen - der Quotenelgarianer. Aber natürlich geht mein Interesse an englischer Musik wesentlich weiter. Und auch gerade die Zeit um die Jahrhundertwende bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein interssiert mich sehr. Und wie viel gibt es da zu entdecken. Nicht nur Bax, dessen Musik im Gegensatz zu seinem Namen immer noch zu unbekannt ist (wohl mit der Ausnahme von "Tintagel"), sondern auch die Stimmen von Ernest Moeran, Cyril Scott, Edgar Bainton, Rutland Boughton, Howard Ferguson, Bliss, Simspon und und und.
    Und eben Rubbra.

    habe ich mich natürlich auch mit Rubbra beschäftigt

    Ehrlicherweise muss ich sagen: ich kann mich nicht so glücklich schätzen. Tatsächlich ist Rubbras Musik, die ich lediglich aus Hörschnipseln und YouTube Darbietungen, für mich im grunde terra incognita.
    Um Rubbras Sinfonien in der Hickox-Box schleiche ich schon lange herum, nach dieser verlockenden Einführung habe ich aber nun keine Ausrede mehr.
    Chandos wird sich freuen. :rolleyes:

    :wink: Agravain

  • vielen Dank für diese hervorragende Einführung. Gut zu wissen, dass es einen weiteren Anglophilen in unserem Kreise gibt.
    Dass du Bax als Bekannte in Sachen englische Symphonik anführst, freut mich als eingefleischten Baxianer umso mehr (hatte lange Zeit eine Fotografie des jungen Bax als mein Avatar-Bild).


    Nein, da seid Ihr wahrlich nicht die Einzigen, ich bekenne mich auch...

    Den Rubbra habe ich vor einer Weile gekauft, als Saturn seine Downloads für manche dieser Boxen zum Albumpreis 'verschleuderte'. Bei dem Preis, dachte ich mir, kann man einfach nichts falsch machen.

    Ich muss sagen: ich war begeistert! Rubbra ist großartig und ein Muss für alle 'Anglophilen' in der Musik!

    Lucius Travinius Potellus
    Those who would give up essential Liberty, to purchase a little temporary Safety, deserve neither Liberty nor Safety. (B.Franklin)

  • @ Agravain

    Vielen Dank, lieber Agravain, für Dein nettes ausführliches Feedback!
    Auch wenn ich die Engländer sehr mag - in der englischen Musik, hier Symphonik, kenne ich mich doch längst nicht so gut aus wie Du, Wulf und Tabor. Die meisten der von Dir erwähnten Komponisten kenne ich zwar dem Namen nach, aber außer eingehender mit den Symphonien von Rubbra habe ich mich bisher gelegentlich nur mit den Werken von Simpson (Nähe zu Bruckner und Nielsen) und Brian (Empfehlung eines Freundes) etwas befasst. Da habe ich also noch viel aufzuholen.

    Um Rubbras Sinfonien in der Hickox-Box schleiche ich schon lange herum, nach dieser verlockenden Einführung habe ich aber nun keine Ausrede mehr.

    Ich wünsche Dir sehr, dass Du die Entscheidung nicht zu bereuen brauchst ;+)

    Grüße von Auscultator :wink:

    Mozart und Beethoven reichen bis zum Himmel – Schubert kommt von dort. Oskar Werner

  • Ich muss sagen: ich war begeistert! Rubbra ist großartig und ein Muss für alle 'Anglophilen' in der Musik!


    Danke, Travinius! Freut mich - dann war mein Beitrag doch nicht ganz fehl am Platze.

    Grüße von Auscultator :wink:

    Mozart und Beethoven reichen bis zum Himmel – Schubert kommt von dort. Oskar Werner

  • Hallo Auscultator,

    die Musik von Edmund Rubbra steht auf meiner "musikalischen To do-Liste" auch ganz weit oben. Dank deines Beitrages werde ich das jetzt endlich in die Tat umsetzen, und werde mir die Chandos-Aufnahmen mit Richard Hickox wohl zulegen.

    Gruß
    Lionel

    "Musik ist für mich ein schönes Mosaik, das Gott zusammengestellt hat. Er nimmt alle Stücke in die Hand, wirft sie auf die Welt, und wir müssen das Bild zusammensetzen." (Jean Sibelius)

  • Ich hoffe jetzt nur, dass Du nicht allzu enttäuscht bist, wenn Du auch mal auf die eine oder andere Passage oder gar eine ganze Rubbra-Symphonie triffst, mit der Du Dich nicht gleich anfreunden kannst.


    Hallo Auscultator,

    keine Sorge, das bin ich gewohnt. Dann bleiben manche Werke eben längere Zeit im 'Depot'; das macht nichts, denn irgendwann - so lehrt mich meine musikalische Erfahrung - kommt dann auch die Zeit derjenigen Werke, die mir vielleicht zum Zeitpunkt des Erstkontakts nicht so gefallen haben. Und wenn schon, dann nehme ich hier gleich die GA. Viel hilft viel, sagt der Volksmund. Ich bin jedenfalls schon auf die Symphonien Edmund Rubbras gespannt.

    Schöne Grüße,

    Tabor

  • im 'Depot'; das macht nichts, denn irgendwann - so lehrt mich meine musikalische Erfahrung - kommt dann auch die Zeit derjenigen Werke, die mir vielleicht zum Zeitpunkt des Erstkontakts nicht so gefallen haben.


    Das, lieber Tabor, kenne ich von mir selbst ;+)

    Schöne Grüße zum Wochenende
    von Auscultator

    Mozart und Beethoven reichen bis zum Himmel – Schubert kommt von dort. Oskar Werner

  • Die Begeisterung für Rubbra stimmt mich traurig.
    Ganz subjektiv: Ja, er war ein Komponist des Kontrapunkts. Das war Bach auch, und gemessen an Bach ist Rubbra... Lassen wir das. Es genügt, ihn an einem Kontrapunktiker wie Franz Schmidt zu messen, um zu wissen was es bei Rubbra geschlagen hat.
    Seine Musik ist einfach unglaublich schlecht und ungeschickt instrumentiert. Das Orchester ist unentwegt beschäftigt, die Schlingen eines völlig überladenen Kontrapunkts auszuführen, der auf ganz simplen Grundharmonien beruht, sich aber komplex gibt. Ich bringe ein Beispiel: Die Fortschreitung des Akkords c-e-g zum Akkord a-d-f kann man mit drei Stimmen bewältigen. Rubbra hingegen schreibt neun, nämlich c->a, c->d, c->f, e->a, e->d, e->f, g->a, g->d, g->f. Um das halbwegs hörbar zu machen, werden natürlich auch noch Stimmen verdoppelt, und das Ergebnis ist ein zähflüssiger Orchestersatz, der sich lindwurmartig dahinwindet.
    Aber es kommt noch schlimmer: Die Sätze haben keinen Aufbau, die Themen sind dermaßen amorph, daß man ihre Verwandlung mit dem Ohr nicht mitvollziehen kann. Man verliert sich in einer dicken kontrapunktischen Suppe, die mitunter etwas lauter wird, was dann wohl als Höhepunkt gemeint ist. Wenn's aus unerfindlichen Gründen etwas später noch lauter wird, ist halt das der Höhepunkt, strukturell ist es sowieso egal, da Rubbras Steigerungen allenfalls durch Satzverdickung, in den allerseltensten Fällen aber durch Verdichtung erzielt werden.

    Für mich ist das ein Komponist, der unbedingt groß sein will, in Wirklichkeit aber eine nette, an sich wenig bedeutende Musik aufbläht, in der Hoffnung, sie bedeutend erscheinen zu lassen. Dazu gehört auch das ausgiebige Verharren in langsamen Tempi, wohl in der Meinung, daß ein Adagio per se sehr tiefsinnig ist, infolge dessen also zwei Adagi zwangsläufig geradezu einen Abgrund eröffnen. Allerdings ist Rubbra kein Schostakowitsch...

    Ich will nun niemanden seinen Rubbra mies machen, ich glaube, es ist besser, Rubbra zu hören als Roy Harris oder Phil Glass, ich habe allerdings Bedenken, wenn man Rubbra zu einem bedeutenden Symphoniker erklärt. In Großbritannien gibt es einige solche Symphoniker, die alle recht gut anhörbar sind, über eine halbwegs solide Technik verfügen und halbwegs wissen, was Kontrapunkt ist. Wenn man aber Komponisten wie Rubbra, Robert Still, Ronald Corp, York Bowen oder, am schlimmsten, George Lloyd größere Bedeutung zuspricht, verkennt man die Leistungen des guten britischen "Mittelbaus" wie Daniel Jones, Alun Hoddinott, Joseph Holbrooke, Arnold Bax, William Mathias, Alan Bush, Rutland Boughton, Robert Simpson u.a., die sicherlich keine ganz großen Genies sind, sich also nicht in der Foulds-Bridge- und schon gar nicht in der Britten-Region bewegen, auf ihre Weise aber durchaus Brauchbares zuwege gebracht haben, das man als ehrliche, empfundene, mitunter sogar hinreißend erfundene Musik einstufen kann. Wie gesagt: Rubbra mit Freude hören - nichts dagegen einzuwenden; ihn aber zum großen Komponisten erklären, steht meiner Meinung nach auf einem anderen Blatt.
    :wink:

    Na sdarowje! (Modest Mussorgskij)

  • Wenn man aber Komponisten wie Rubbra, Robert Still, Ronald Corp, York Bowen oder, am schlimmsten, George Lloyd größere Bedeutung zuspricht, verkennt man die Leistungen des guten britischen "Mittelbaus" wie Daniel Jones, Alun Hoddinott, Joseph Holbrooke, Arnold Bax, William Mathias, Alan Bush, Rutland Boughton, Robert Simpson u.a., die sicherlich keine ganz großen Genies sind, sich also nicht in der Foulds-Bridge- und schon gar nicht in der Britten-Region bewegen, auf ihre Weise aber durchaus Brauchbares zuwege gebracht haben, das man als ehrliche, empfundene, mitunter sogar hinreißend erfundene Musik einstufen kann.


    Und was hältst Du von Kenneth Leighton? Von dem habe ich letztes Jahr durch Zufall den Liederzyklus "Earth, Sweet Earth" kennengelernt, und es hat mir sehr gefallen!

    zwischen nichtton und weißem rauschen

  • Die Begeisterung für Rubbra stimmt mich traurig.

    Seine Musik ist einfach unglaublich schlecht ...


    Man kann sich der Musik offensichtlich auf verschiedene Weise nähern. Ich selbst werde gar nicht erst versuchen, mich mit Deinem Urteil auseinanderzusetzen, sondern verschanze mich lieber hinter dem Schutz bietenden Rücken des von mir zitierten Christoph Schlüren, den ich persönlich für einen durchaus kompetenten Beurteiler in Sachen Klass. Musik halte.
    Danke für Deinen kritischen Beitrag. Audiatur et altera pars.

    Grüße von Auscultator :wink:

    Mozart und Beethoven reichen bis zum Himmel – Schubert kommt von dort. Oskar Werner

  • Dieser Thread scheint mit Edwins Bannfluch gegen Rubbra sein Ende gefunden zu haben. Ich hoffe dennoch, dass Interessierte sich nach der vernichtenden Kritik an dem Komponisten nicht allzusehr irritieren lassen. Mit seiner Feststellung, Rubbras Musik sei „ungeschickt instrumentiert“ und man habe sich ständig mit einem „völlig überladenen Kontrapunkt“ herumzuschlagen, bezieht Edwin sich auf die Symphonien Nr. 1 und 2, an denen man solche Schwächen auch sonst schon – wohl nicht ganz zu Unrecht – kritisiert hat. Ab der 3., endgülig aber ab der 4. und 5. Symphonie sind die genannten Kritikpunkte völlig gegenstandslos, wovon sich jeder unvoreingenommene Hörer überzeugen mag.
    Daher meine persönliche Empfehlung an skeptisch gewordene Rubbra-Interessierte: Auch wenn Ihr Euch für die Anschaffung der Hickox-GA entschieden haben solltet, macht den Anfang mit der 5. Symphonie und lasst dann die 6. und 7. folgen.

    Zum Schluss das Statement eines Engländers zu den Eröffnungstakten der 4. Symphonie: „They possess a serenity, a remarkable stillness and an inner repose. This is music free from any kind of artifice, and it is this that makes it resonate so long in the memory. For me this is one of the most beautiful openings not just in Rubbra but in all English music.” (Robert Layton, Booklet-Text zur Lyrita-CD mit der 3. und 4. Symphonie).

    Grüße von Auscultator

    Mozart und Beethoven reichen bis zum Himmel – Schubert kommt von dort. Oskar Werner

  • Dieser Thread scheint mit Edwins Bannfluch gegen Rubbra sein Ende gefunden zu haben.


    Das glaube ich nicht.

    Ich hoffe dennoch, dass Interessierte sich nach der vernichtenden Kritik an dem Komponisten nicht allzusehr irritieren lassen.


    Das glaube ich noch weniger.

    Aber ich mutmaße, dass es (ich darf mich ja hier durchaus hinzuzählen) nicht allzuviele Forianer gibt, die Rubbras Werk tatsächlich so gründlich kennen, dass sofort eine Flut von Beiträgen losbrechen könnte. Ich mag mich da selbstverständlich auch irren.
    Für diejenigen, die sich an Rubbras symphonischen Werk interessiert gezeigt haben, heißt es ja nun erst einmal a) bestellen und b) hören und erst dann c) schreiben. Ist zumindest in meinem Falle so. In jedem Fall hat Deine Eröffnung Interesse geweckt und ich kann mit gut vorstellen, dass es über kurz oder lang auch zu entsprechendem Rücklauf kommen wird.

    :wink: Agravain

  • heißt es ja nun erst einmal a) bestellen und b) hören und erst dann c) schreiben.


    So könnte, sollte es eigentlich sein. Ich habe im übrigen auch keinesfalls erwartet, dass der Beitragsthread endlos weitergeht, was ja unsinnig wäre. Mir lag nur daran, die Beitragsreihe nicht mit einer so massiven Negativbilanz (vorläufig) enden zu lassen, sondern an dieser Stelle doch etwas Positives dagegenzusetzen.

    Grüße von Auscultator :wink:

    Mozart und Beethoven reichen bis zum Himmel – Schubert kommt von dort. Oskar Werner

  • Zitat


    Und was hältst Du von Kenneth Leighton? Von dem habe ich letztes Jahr durch Zufall den Liederzyklus "Earth, Sweet Earth" kennengelernt, und es hat mir sehr gefallen!

    Genau solche Komponisten meine ich, wenn ich vom "guten Mittelbau" spreche. Leighton ist, gemessen am Stand der kontinentalen Avantgarde, sehr konservativ. Aber seine Musik (ich kenne die Orchesterwerke, die auf Chandos vorliegen) ist technisch gut gearbeitet, färbig instrumentiert, und die Musik ist spannungsreich. Außerdem hat Leighton Themen, die plastisch genug sind, damit sie den Zuhörer durch den Satz führen. Nun würde ich Leighton nicht zu den großen Komponisten seines Landes rechnen, aber seine Musik hat Kraft und ist teilweise wirklich originell. Damit hat Leighton für mich den Rang eines Komponisten, mit dem man sich in guter Gesellschaft befindet - er hat mich nicht vom Hocker gerissen, aber meine volle Aufmerksamkeit gehabt und ich habe ihn im Gedächtnis als einen registriert, der ab und zu wieder aus dem Regal hervorzukramen ist.
    :wink:

    Na sdarowje! (Modest Mussorgskij)

  • Dieser Thread scheint mit Edwins Bannfluch gegen Rubbra sein Ende gefunden zu haben. Ich hoffe dennoch, dass Interessierte sich nach der vernichtenden Kritik an dem Komponisten nicht allzusehr irritieren lassen. Mit seiner Feststellung, Rubbras Musik sei „ungeschickt instrumentiert“ und man habe sich ständig mit einem „völlig überladenen Kontrapunkt“ herumzuschlagen, bezieht Edwin sich auf die Symphonien Nr. 1 und 2, an denen man solche Schwächen auch sonst schon – wohl nicht ganz zu Unrecht – kritisiert hat. Ab der 3., endgülig aber ab der 4. und 5. Symphonie sind die genannten Kritikpunkte völlig gegenstandslos, wovon sich jeder unvoreingenommene Hörer überzeugen mag.
    Daher meine persönliche Empfehlung an skeptisch gewordene Rubbra-Interessierte: Auch wenn Ihr Euch für die Anschaffung der Hickox-GA entschieden haben solltet, macht den Anfang mit der 5. Symphonie und lasst dann die 6. und 7. folgen.

    Zum Schluss das Statement eines Engländers zu den Eröffnungstakten der 4. Symphonie: „They possess a serenity, a remarkable stillness and an inner repose. This is music free from any kind of artifice, and it is this that makes it resonate so long in the memory. For me this is one of the most beautiful openings not just in Rubbra but in all English music.” (Robert Layton, Booklet-Text zur Lyrita-CD mit der 3. und 4. Symphonie).

    Grüße von Auscultator

    Ich würde sagen, die beiden ersten Symphonien sind noch schlimmer als die restlichen... :D
    Meine Kritik bezieht sich allerdings auch auf die 4. Symphonie, die ich seit langer Zeit kenne - damals noch auf Lyrita-Schallplatte erstanden. Daß ein Booklet-Text das besprochene Werk nicht gerade verdammen wird, ist logisch. Aber wenn jemand schreibt, diese halbwegs gelungenen, aber keineswegs außerordentlichen Takte wären "one of the most beautiful openings not just in Rubbra but in all English music", dann ist das geradezu verrückt. Allein Vaughan Williams, den ich auch nicht sehr schätze, hat zumindest in seiner fünften und in seiner neunten Symphonie Eröffnungen geschrieben, die das angesprochene Gefühl wesentlich tiefer wiedergeben, und von den "magischen Momenten", an denen Holsts Musik so reich ist, will ich jetzt gar nicht erst reden.
    Übrigens hatte auch Österreich einen Rubbra, hier hieß er Raimund Weißensteiner, hat massenhaft Symphonien geschrieben und zu Lebzeiten auch Anhänger um sich gesammelt, die genau diese Innerlichkeit und den tiefsinnigen Kontrapunkt rühmten. Hätte er Raymond Whitestone geheißen, hätte ihn Hickox sicher bei Chandos aufgenommen... :rolleyes:
    :wink:

    Na sdarowje! (Modest Mussorgskij)

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