Mein Idol erweist sich als miese Figur - was nun?

  • Zitat

    Mich wundert allerdings etwas, dass hier manche anscheinend kaum zwischen Mörder, Knabenschänder usw. einerseits und "cholerisch und schwierig im Umgang", "hat seiner Frau verboten zu komponieren", "Schürzenjäger" andererseits unterscheiden mögen. Es mag ja fair sein, nicht vorschnell zu urteilen, aber ich sehe hier schon erhebliche Unterschiede.

    Diese großen Unterschiede sehe ich allerdings auch! Und was die Kategorie der "kleineren Sünden" angeht, ist es Mode geworden, die Biographien großer Künstler so lange zu durchforsten, bis man etwas einigermaßen Fieses gefunden hat. Und irgendetwas findet sich immer, wenn man nur entsprechend lange und gründlich herumwühlt. Der blinde Heroenkult vergangener Zeiten ist ins (für meine Begriffe nicht minder ätzende) Gegenteil umgeschlagen, nämlich in die Sucht, die menschlichen Schwächen herausragend kreativer Persönlichkeiten beí jeder Gelegenheit unters Vergrößerungsglas zu zerren und mittels Zoomperspektive nachzuweisen, dass von Sokrates bis Dali eigentlich jeder Meister ein Ekel war.

    Am Rande interessiert es mich auch, wie Beethoven mit seiner Wirtschafterin umgesprungen ist. Aber eben nur sehr am Rande. Wir haben alle unsere Macken und moralischen Gebresten.

    Beste Grüße

    Bernd

  • Vielleicht sollte ich mal provokant einwerfen:

    Normale Menschen sind langweilig

    Matthias


    Meines Erachtens bedarf es schon einer gewissen "Abnormalität", um etwas zu schaffen, was künstlerisch bedeutend ist.

    Aber, findet man die "normalen" Menschen nicht nur deswegen besonders langweilg, weil man sich in diesen selbst spiegelt ;+) ?
    (Provokation II)

    Grüße
    Achim :wink:

  • Gesualdo

    Gesualdos Musik hat Jahrhunderte überdauert, über seine Vergehen wissen wahrscheinlich die wenigsten Bescheid. Und falls doch, mag man vielleicht denken: Meine Güte, das Ganze liegt mehr als 400 Jahre zurück, der ("schlechte") Mensch ist längst gegangen, sein von den "schlechten" Taten unabhängiges Werk ist aber immer noch da und hat sich gelöst und emanzipiert.

    Und was wäre, wenn Gesualdo erst durch die ungeheuerliche Tat dazu in die Lage versetzt worden wäre, diese unglaubliche Musik zu schreiben? Eine Musik, die weit über ihre Zeit hinaus zu weisen scheint? Eine Musik, der man anzuhören glaubt, wie sehr der Mann der sie komponiert hat, zerissen war? Gehört Gesualdo aus dem CD-Regal direkt in den Giftschrank der Musikgeschichte verbannt?

    Der Kunst ihre Freiheit

  • ich finde es ziemlich absurd, jemandem zu unterstellen, er würde Gewalt gegen Frauen nicht angemessen verurteilen, weil er weiterhin Miles Davis hört und diesen Künstler hochschätzt...

    Falls das falsch geklungen haben sollte: Das finde ich auch.

    Gehört Gesualdo aus dem CD-Regal direkt in den Giftschrank der Musikgeschichte verbannt?

    Ich stelle gar keinen Giftschrank auf. Allerhöchstens einen, der nur für mich zu gelten hat. Und selbst das mache ich eigentlich nur im ganz seltenen Ausnahmefall. Ich schrob doch oben: Eine Entscheidung hinsichtlich Edwins Ausgangsfrage kann nur jeder für sich selbst treffen.

    LG
    C.

    „Beim Minigolf lernte ich, wie man mit Anstand verliert.“ (Element of Crime)

  • Mich wundert allerdings etwas, dass hier manche anscheinend kaum zwischen Mörder, Knabenschänder usw. einerseits und "cholerisch und schwierig im Umgang", "hat seiner Frau verboten zu komponieren", "Schürzenjäger" andererseits unterscheiden mögen



    Besonders, wenn sich das mit dem angeblichen "Komponierverbot" bei allen drei genannten doch in einigen Biographien etwas anders und komplizierter liest, z. B. bei Jens Malte Fischer in Bezug auf Mahler, was sich für mich ziemlich schlüssig liest.

    Aber, wenn das hier eine Art Sammelthread der realy bad boys werden soll, Voltaire, der sein Vermögen in Sklavenschiffen angelegt hat, finde ich dann schon ein anderes Kaliber. Und wer hat heute sein Vermögen 'gut' angelegt und erwartet Dividende, egal ob dabei ganze Volkswirtschaften draufgehen? Das fände ich schon eine interessantere Frage.

    :wink: Matthias

  • Und was wäre, wenn Gesualdo erst durch die ungeheuerliche Tat dazu in die Lage versetzt worden wäre, diese unglaubliche Musik zu schreiben?

    Lieber alviano,

    die Frage verstehe ich als etwas Gesualdo-Ferner nicht ganz. Weil die Tat in ihm selbst psychologische Bereiche geöffnet hat, die ihm dieses Komponieren ermöglichten? Kann man den Madrigalen aus Ferrara die Qual, die Reue und die Dämonen der dunklen neapolitanischen Vergangenheit anhören?
    Wenn dem so sei und wenn man diese Musik als maßstabsetzend oder richtungsweisend anerkennt, würde die Ausgangsfrage ja fast noch eine zusätzliche Komponente bekommen: Dann würde es nicht mehr heißen: Ich verehre Gesualdos Musik, obwohl er ein Mörder war. Dann müsste es im vermeintlichen Wissen um die künstlerischen Auswirkungen der Taten doch eher heißen: Ich verehre Gesualdos Musik, die sich durch seine Morde zu solchen Höhen empor gehoben hat.
    Da komme ich auf meinen obigen Beitrag zurück und sage: Mir ist das Verbrechen von vor über 400 Jahren ziemlich wurscht. (Wie war das eigentlich im damaligen Kontext zu sehen? War das ein zu jenen Zeiten "gesellschaftlich akzeptierter" Ehrenmord?) Ich nehme auch niemandem wirklich ab, dass er Gesualdos Musik aus dem Mord-Grund nicht hören kann. Mir persönlich bereitet - die Reichsmusikkammer im Hinterkopf - das Strauss-Hören weit größere Beklemmungen.

    LG
    C.

    „Beim Minigolf lernte ich, wie man mit Anstand verliert.“ (Element of Crime)

  • Zitat von Alviano

    ...Und was wäre, wenn Gesualdo erst durch die ungeheuerliche Tat dazu in die Lage versetzt worden wäre, diese unglaubliche Musik zu schreiben?...

    Lieber Alviano,

    dann müsste man ggf. analysieren und differenzieren, ob die "Besonderheit" (also die Tat, das Verbrechen) seiner Biographie indirekte Auswirkungen auf seine Werke hatte und wäre m. E. vielmehr eine biographische, psycholgische oder psychoanalytische Betrachtung würdig und würde dem Postulat 'Trennung Person und Werk' nicht im Wege stehen; oder ob er das Verbrechen beging, um ein Werk realisieren zu können, also mit dem Werkentstehungsprozess im engen/direkten Zusammenhang stand...?

    Bis dann.

  • Also, ich bin eigentlich ein ganz netter Mensch.


    --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------


    Immer noch da ... ab und an.

  • Falls das falsch geklungen haben sollte: Das finde ich auch.

    Ich wollte Dir auch nicht widersprechen, sondern, was Du anzudeuten schienest, bestärken. Ohne jetzt genau zu wissen, was sich Davis u.a. haben zuschulden kommen lassen. Und ohne Gewalt gegen Frauen zu verharmlosen, muss man hier auch sehen, dass es sich zum einen oft um komplexe persönliche Verhältnisse handelt. Zum anderen ist es m.E. absurd, moderne emanzipatorische Maßstäbe anzulegen und zB Schumann oder Mendelssohn vorzuwerfen, dass sie im Verhältnis zu Frau bzw. Schwester Kinder ihrer Zeit waren und nicht des späten 20. Jhds.
    Dass in einem Topf mit Mord oder Sklavenhandel zu werfen (selbst wenn das seinerzeit ein anerkanntes Geschäft gewesen sein mag) ist einigermaßen bizarr und entweder eine Überdramatisierung des einen oder eine Bagatellisierung des anderen.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Im Grunde müßten wir, wenn wir strikt moralische Maßstäbe anlegen, fast die gesamt Kunst und Kultur der Vergangenheit ad acta legen, denn in irgendeiner Weise war direkt oder indirekt Verwerfliches im Spiel - wobei die Bandbreite natürlich groß ist und von eher läßlichen Vergehen bis zum Schwerverbrechen gegen die Menschlichkeit und weiß ich was reicht. Schwerverbrechen sind aber leider in der Überzahl.

    Daß der Künstler einer gewissen Abnormalität bedarf, um zu schaffen (populär hat das, glaube ich, Leo Slezak ausgedrückt: Er ist eben ein Künstler und hat daher ein größeres Recht, narrisch zu sein als andere Leute oder so ähnlich), ist eine alte Legende. Sie wurde schon vor Jahren in einer Untersuchung von Rudolf Wittkower ("Born under Saturn") widerlegt. Unter Künstlern gibt es, statistisch gesehen, nicht und nicht weniger "abnormes" Verhalten wie unter anderen Menschen auch. Nur redet man bei Künstlern eben mehr davon als bei Herrn Müller oder Frau Meier.

    Übrigens noch zu Carstens Anfrage bezüglich Schiele: Details sind in der Schiele-Monographie von Christian Nebehay nachzulesen. Schiele war kein Kinderschänder, aber sein Verhalten war nicht nur nach heutigen Gesetzen strafbar. Glücklicherweise hat er sich meistens ja mit erwachsenen Partnerinnen und Modellen umgeben, wobei alles darauf hindeutet, daß er ein faszinierender Partner war und die alles mehr oder weniger freiwillig taten (innerhalb der der damals herrschenden Umstände).

    Je größer der Abstand, desto leichter ist es natürlich, Mensch und Werk auseinanderzuhalten. Dabei soll man aber die Persönlichkeit nie ganz ausblenden, was nicht heißt, daß man das Werk nicht schätzen darf. Auch die größten Untiere unserer Spezies hatten ihre besseren Seiten. Das hat ja bei der Aufdeckung diverser Naziverbrechen oft so verstört, daß dabei ganz divergente Verhaltensweisen bei ein und derselben Person herausgekommen sind. Oder denken wir an Joseph Fouché, der in seiner Laufbahn an charakterlicher Scheußlichkeit einem Heydrich o.dgl.sicher nicht nachstand, privat aber teilweise ganz anders reagierte. Nun, Luzifer ist bekanntlich auch ein gefallener Engel... Und wir alle haben unsere teuflischen und unsere guten Facetten, ohne Ausnahme.

    Liebe Grüße
    Waldi


    Beim ersten Abschicken dieser Zeilen muß ich irgendwo an ein paar falsche Tasten angekommen sein, denn eine Passage wurde verschluckt. Ich habe sie jetzt etwas verkürzt wieder ergänzt.

    ______________________

    Homo sum, ergo inscius.

  • - Carlo Gesualdo da Venosa, Komponist: Wegen Mordes (oder, bei geschickter Verteidigung) Totschlag im Gefängnis.


    Gesualdo war nie im Gefängnis. Er verließ Neapel noch vor der Fahndung, furh nach Venosa und wurde nie "verurteilt".

    LG
    Tamás
    :wink:

    "Vor dem Essen, nach dem Essen,

    Biber hören nicht vergessen!"


    Fugato

  • Und genau um diese Problematik geht es mir: Was, wenn das Werk aus der Tat erwächst? Bei Gesualdo, dessen bin ich sicher, gibt es eine Verbindung. Immerhin dürfte er nach der Tat (ob Mord, Ehrenmord oder Totschlag sei einmal dahingestellt - bitte nicht vergessen: ich schrieb irrtümlich von einem Doppelmord; es war jedoch ein Dreifachmord, Gesualdo tötete nämlich auch ein Kind seiner Frau, dessen Vaterschaft er für unklar hielt) so durchgeknallt sein, daß er eigenhändig einen Wald abholzte und sich von seinen Dienern schlagen ließ.Es wäre ein Wunder, wenn ein Mensch, dessen ganzes Leben dermaßen unter dem Zeichen von Schuldkomplexen stand, sich ausgerechnet in seinem Schaffen davon gelöst hätte. Ich bin also ziemlich sicher, daß Gesualdo durch seine Tat zu dem Menschen wurde, der diese Musik schrieb. Deshalb habe ich auch meine Probleme mit einer Trennung der Tat von ihren Folgen.


    Wenn Carsten schreibt:

    Zitat

    Mir ist das Verbrechen von vor über 400 Jahren ziemlich wurscht. (Wie war das eigentlich im damaligen Kontext zu sehen? War das ein zu jenen Zeiten "gesellschaftlich akzeptierter" Ehrenmord?) Ich nehme auch niemandem wirklich ab, dass er Gesualdos Musik aus dem Mord-Grund nicht hören kann. Mir persönlich bereitet - die Reichsmusikkammer im Hinterkopf - das Strauss-Hören weit größere Beklemmungen.


    dann habe ich übrigens auch Probleme mit einem solchen Argument. Wie weit historisch entfernt muß ein Verbrechen sein, um nicht mehr ins Gewicht zu fallen? Ich halte einen eigenhändig ausgeführten Dreifach-Mord immer noch für ein wenig gravierender als unter einer Diktatur zu leben und seinem Beruf nachzugehen. Menschenskind, Strauss war ein alter Mann, der völlig im deutsch-österreichischen Kulturkreis verankert war. Was hätte er denn tun sollen? Eine Spur menschliches Verständnis sollte man sogar für einen Strauss aufbringen - zumal dann, wenn man zu einem Dreifach-Mord nur mit den Schultern zuckt.
    :wink:

    Na sdarowje! (Modest Mussorgskij)


  • Gesualdo war nie im Gefängnis. Er verließ Neapel noch vor der Fahndung, furh nach Venosa und wurde nie "verurteilt".


    Lieber Tamás,
    völlig richtig, das habe ich verkürzt und mißverständlich formuliert - auch andere der Genannten waren nicht im Gefängnis für ihre Tat. Ich habe daher jetzt den Zusatz angebracht
    Ein paar Beispiele, und was daraus nach unserer Rechtssprechung geworden wäre
    um Mißverständnisse auszuschließen.
    Danke für den Hinweis.
    :wink:

    Na sdarowje! (Modest Mussorgskij)

  • Ein paar Beispiele, und was daraus nach unserer Rechtssprechung geworden wäre


    naja, aber er lebte ja nicht in unserer Zeit... ob er sich da anders entschieden hätte? Vielleicht einfach nur die Scheidung eingereicht hätte?

    :D

    :wink:

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    Biber hören nicht vergessen!"


    Fugato

  • Bei Gesualdo, dessen bin ich sicher, gibt es eine Verbindung. Immerhin dürfte er nach der Tat (ob Mord, Ehrenmord oder Totschlag sei einmal dahingestellt - bitte nicht vergessen: ich schrieb irrtümlich von einem Doppelmord; es war jedoch ein Dreifachmord, Gesualdo tötete nämlich auch ein Kind seiner Frau, dessen Vaterschaft er für unklar hielt) so durchgeknallt sein, daß er eigenhändig einen Wald abholzte und sich von seinen Dienern schlagen ließ.Es wäre ein Wunder, wenn ein Mensch, dessen ganzes Leben dermaßen unter dem Zeichen von Schuldkomplexen stand, sich ausgerechnet in seinem Schaffen davon gelöst hätte. Ich bin also ziemlich sicher, daß Gesualdo durch seine Tat zu dem Menschen wurde, der diese Musik schrieb. Deshalb habe ich auch meine Probleme mit einer Trennung der Tat von ihren Folgen.

    ähm... das Kindesmord ist nur ein Gerücht, was sich nicht beweisen lässt. Die Fahndungsberichte schreiben nur über die beiden getöteten Geliebten. Auch das Abholzen des Waldes und dass er von da an sadistische Neigungen hätte sind eher spätere Legenden die um seine Figur ranken, aber nicht bewiesen werden können. Ob er "Schuldkomplexe" gehabt hat, kann man ja auch nicht wissen. Das ist nur so romantisch uns das so vorzustellen.

    LG
    Tamás
    :wink:

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    Fugato

  • ob er das Verbrechen beging, um ein Werk realisieren zu können

    Oh yeah, so ne Art Konzept-Mord????

    Ich halte einen eigenhändig ausgeführten Dreifach-Mord immer noch für ein wenig gravierender als unter einer Diktatur zu leben und seinem Beruf nachzugehen.

    Find ich nicht so eindeutig. "Seinem Beruf nachzugehen" oder sich von Verbrechern zum Oberkomponisten küren zu lassen ist schon zweierlei...
    Kann trotzdem Strauss hören.
    So wie auch Wagner, über dessen charakterliche Widerlichkeit ich mich schon zeitweise sehr aufgeregt habe.

    Ich kann das nicht so recht glauben, mit dem engen Zusammenhang - eher umgekehrt: Wenn Beethoven z.B. nicht so viel Energie für den sinnlosen Kampf gegen seine Schwägerin vergeudet hätte, gäbs vielleicht nochn paar schöne Stücke Musik mehr.

    Gruss
    Herr Maria

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht


  • Zum anderen ist es m.E. absurd, moderne emanzipatorische Maßstäbe anzulegen und zB Schumann oder Mendelssohn vorzuwerfen, dass sie im Verhältnis zu Frau bzw. Schwester Kinder ihrer Zeit waren und nicht des späten 20. Jhds.
    Dass in einem Topf mit Mord oder Sklavenhandel zu werfen (selbst wenn das seinerzeit ein anerkanntes Geschäft gewesen sein mag) ist einigermaßen bizarr und entweder eine Überdramatisierung des einen oder eine Bagatellisierung des anderen.

    Um weiteren Vorwürfen dieser Art einen Riegel vorzuschieben: ich wollte weder etwas dramatisieren noch bagatellisieren noch Vergehen bzw. Verbrechen unterschiedlichster Art vergleichen oder gar gleichsetzen.

    Ich wollte lediglich darauf hinweisen, dass wir mit solchen Maßstäben sehr schnell in die Bredouille geraten, und das in den verschiedensten Graden, wenn wir pauschale Fernurteile ohne Abwägen der jeweiligen individuellen Umstände aussprechen und unsere Wertschätzung von Kunstwerken vom Charakter ihrer Schöpfer abhängig machen. Deswegen wird mir auch immer mulmig, wenn Werke über die Biographie ihrer Schöpfer interpretiert werden. Sie dürfen und müssen nämlich das Recht haben, für sich selbst zu stehen und zu sprechen.

    Der Eintopf wird nicht von mir angerührt, wenn ich dazu mahne, den jeweiligen Einzelfall zu beachten, und zwar sowohl den des "Täters" wie den des Betrachters. Pauschale Urteile, zum Beispiel über Mitläufertum in einer schweren Zeit aus dem Blickwinkel von Menschen, die solche Konflikte nicht durchstehen müssen, mögen bei der schnellen Einordnung praktisch sein, sollten zumindest bei der der Beurteilung von künstlerisch beabsichtigten Werken (ich vermeide den Begriff Kunstwerk als Ausschlusskriterium) aber keine Rolle spielen.

    Klar ausgenommen sind und bleiben natürlich Werke zur Verherrlichung oder Verharmlosung jeglichen Verbrechens oder Ungeistes von der Speer-Architektur bis zum Nazi-Rock. Aber die wird wohl auch kaum jemand ernsthaft als künstlerisch relevant ansehen.

    :wink: Rideamus

    Ein Problem ist eine Chance in Arbeitskleidung

  • Weil die Tat in ihm selbst psychologische Bereiche geöffnet hat, die ihm dieses Komponieren ermöglichten?

    Ich denke, die Eigenschaften, die es einem ermöglichen, so etwas zu tun, lassen sich sicher irgendwo im Personalstil auch wiederfinden. Nur, die hat auch mancher Andere, ohne zur verbrecherischen Tat zu kommen...
    Manchmal sind es auch die Eigenschaften, die eine Berühmtheit fördern: Ellenbogen etc, die garnichts mit der Qualität der Musik zu tun haben.

    Gruss
    Herr Maria

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Klar ausgenommen sind und bleiben natürlich Werke zur Verherrlichung oder Verharmlosung jeglichen Verbrechens oder Ungeistes von der Speer-Architektur bis zum Nazi-Rock. Aber die wird wohl auch kaum jemand ernsthaft als künstlerisch relevant ansehen.

    Vorsicht. Was ist mit kirchlichen Werken aus der Zeit der Inquisition? Sind das keine Kunstwerke für Dich? Auch wenn da - Credo in unam sanctam katholicam ecclesiam - eine zumindest teilweise in übelste Verbrechen verstrickte Organisation verherrlicht wird?
    Ich meine, es gibt große Kunst zweifelhaften Inhalts.

    Deswegen wird mir auch immer mulmig, wenn Werke über die Biographie ihrer Schöpfer interpretiert werden. Sie dürfen und müssen nämlich das Recht haben, für sich selbst zu stehen und zu sprechen.

    Ich denke eher, wir haben das Recht, von einem Kunstwerk zu erwarten, daß es auch ohne biographisches Wissen funktioniert. Daß der Stoff so restlos bewältigt wurde, daß nur noch rein innerkünstlerische Kriterien hinreichen, das Werk zu würdigen. Außer es heißt "Tagebuch" oder Memoiren" oder so.

    Gruss
    Herr Maria

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

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