Thomas Quasthoff beendet seine Karriere

  • Wo wird ein Contergan-Geschädigter verhöhnt?

    Das frage ich mich auch. Oder darf man, so wie über die Toten, auch über Menschen mit Behinderung nur "nihil nisi bene" sprechen? Dann hättest Du mit dieser Feststellung:

    Dieser Beitrag zeigt die Unmöglichkeit, über Quasthoff zu diskutieren.

    leider Recht.

    Viele Grüße,

    Christian

  • Lieber Fugato,

    bitte überdenke dies doch noch einmal! Auch ich finde einige Beiträge in diesem Thread befremdlich, teilweise gar respektlos. Dies bedeutet aber nicht, daß man einem gesamten Forum den Rücken kehren muß!

    Hallo Fugato!

    Auch ich ersuche Dich, Deine Entscheidung zu überdenken. Dein Verbleib in diesem Forum würde mich sehr freuen, ich habe Deine Beiträge immer sehr geschätzt!

    Lieber Fugato,

    ich hoffe ebenfalls auf deinen Verbleib und teile Symbols Beitrag voll und ganz. Ich verstehe dein Erschrecken, wünsche mir aber, dass es sich nicht um ein gänzliches Abgeschreckt-Sein handeln wird.

    LG
    C.

    „Beim Minigolf lernte ich, wie man mit Anstand verliert.“ (Element of Crime)

  • Die Art und Weise, wie hier teilweise diskutiert wird, ist für mich eine skandalöse, niveaulose, geradezu unglaubliche Verhöhnung der Contergan-Geschädigten.

    Auch ich finde einige Beiträge in diesem Thread befremdlich, teilweise gar respektlos.

    Ich verstehe dein Erschrecken

    Offenbar sind Edwin und ich die einzigen, die nicht verstehen, wo und wodurch hier Contergan-Geschädigte verhöhnt worden sind. Kann einer von den Verstehenden sich mal erbarmen, uns diesbezüglich aufzuklären? Dieses moralische Geraune ohne jede konkrete Begründung geht mir mehr und mehr auf die Nerven.

    Viele Grüße,

    Christian

  • Hallo Christian,

    ich sei, gewähret mir die Bitte, in Eurem Bund der Dritte. Ich habe hier niemanden gefunden, der T. Q. ob seiner schlimmen Behinderung verhöhnt hätte. Aber man wird doch noch anmerken können, dass er als Sänger überschätzt worden ist. Ich habe nie verstanden, warum er und nicht Andere mit Grammys und Echos überhäuft wurde. Gerhaher hat lange, viel zu lange auf eine dieser Auszeichnungen ( Echo ) warten müssen.

    Ciao. Gioachino

    miniminiDIFIDI

  • Ich meine, Diskriminierung findet dann nicht nehr statt, wenn "normal" mit den Betreffenden umgegangen wird. "Normal", d.h. die hier, dass die zweifellos exponierte Persönlichkeit, als welche wohl alle bekannten und berühmten klassischen SängerInnen wahrgenommen werden, nach rein fachlichen oder auch geschmacksorientierten Kriterien gewürdigt werden: Der Stimme, der Präsenz und letztlich auch gemäß dem öffentlichen Auftreten insgesamt. Eine Behinderung darf kein Grund sein, Kritik zurückzuhalten, nur zu loben und auch nicht, in Bausch und Bogen zu verdammen. Wer sich z. B. mies benimmt, sollte auch darin ernst genommen werden und entsprechende Rückmeldung bekommen, egal, ob krank oder gesund.

    Vieles zeigt sich an Quasthoff schillernd, einiges unangenehm (Rüpeligkeit) und einiges ist sicher aus der Biografie zu erklären. All diese Eigenschaften trifft man bei anderen auch an, gerade auch in dieser Sparte, die sicher prägt. Seine stimmliche Präsenz habe ich als schwankend erlebt von extrem berührend bis unpassend für das jeweilige Stück, aber das Werk kenne ich keinesfalls umfassend. Was passende und unpassende Optik betrifft, so habe ich schon des Öfteren die Meinung vertreten, dass diese im Bereich von Oper und Klassik überbetont wird zu Ungunsten der Stimme und dass hierzu böse Dinge gesagt werden, trifft mehrere, egal, ob man sich uneingeschränkt rühren kann oder nicht.

    Jedenfalls zeugt es von einer durchdachten Selbsteinschätzung, dass er die Konsequenz aus seiner wohl bestehenden Befindlichkeit zieht, bevor dies Einfluss auf die Ausübung seiner Arbeit hat. Das bekommt nicht jede/r hin. Geleistet hat er jedenfalls viel und aufgrund seiner besonderen Situation, die immer noch auf Vorbehalte für diesen Beruf stößt, hat er sicher einige ermutigt, an sich selbst zu glauben. Einen Anspruch auf eine differenzierte Würdigung, auch wenn die zuweilen hart ausfällt, hat er auf jeden Fall.

    LG
    :wink:

    Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren (Bert Brecht)

    ACHTUNG, hier spricht Käpt´n Niveau: WIR SINKEN!! :murg: (Postkartenspruch)

  • Ich meine, Diskriminierung findet dann nicht nehr statt, wenn "normal" mit den Betreffenden umgegangen wird. "Normal", d.h. die hier, dass die zweifellos exponierte Persönlichkeit, als welche wohl alle bekannten und berühmten klassischen SängerInnen wahrgenommen werden, nach rein fachlichen oder auch geschmacksorientierten Kriterien gewürdigt werden: Der Stimme, der Präsenz und letztlich auch gemäß dem öffentlichen Auftreten insgesamt. Eine Behinderung darf kein Grund sein, Kritik zurückzuhalten, nur zu loben und auch nicht, in Bausch und Bogen zu verdammen. Wer sich z. B. mies benimmt, sollte auch darin ernst genommen werden und entsprechende Rückmeldung bekommen, egal, ob krank oder gesund.

    Genauso ist es. Ich bin erstaunt und verärgert über den Vorwurf der "Verhöhnung", der hier von Fugato ohne jede Konkretisierung oder Begründung, statt dessen allein mit massiver moralischer Entrüstung vorgebracht und von anderen ebenso pauschal bestätigt wird. Auch auf mehrfache Nachfrage ist bisher kein Beleg gebracht worden. Es drängt sich daher mehr und mehr der Verdacht auf, dass Quasthoff eben doch einen besonderen Behinderten-Schutz genießen soll. Wer das verlangt, betreibt aber die eigentliche Diskriminierung, nicht derjenige, der ihn mit guten oder schlechten Gründen kritisiert.

    Ich habe erlebt, dass Quasthoff sich nach einer Abschlussprüfung seines eigenen Schülers im Restaurant in voller Lautstärke über dessen Unfähigkeit sowie die Inkompetenz der Kollegen aus der Prüfungskommission ausgelassen hat, die angeblich eine viel zu gute Zensur vergeben hätten, so dass jegliches Gespräch an allen anderen Tischen verstummte. Wer sich so benimmt, hat sich meines Erachtens eine nicht zitierfähige Bezeichnung redlich verdient, ob er nun behindert ist oder nicht.

    Viele Grüße,

    Christian

  • Ich meine, Diskriminierung findet dann nicht nehr statt, wenn "normal" mit den Betreffenden umgegangen wird.

    Das ist die Stimme der Vernunft. Diskriminierung äußert sich nämlich nicht nur im "Schlechtermachen" sondern auch im "Bessermachen". Vereinfacht gesagt: Diskriminierung ist jeder aufgrund von Behinderung, Hautfarbe, Religion etc. andersartige Umgang mit einem Menschen. Ich halte z.B. die Forderung, man möge sich mit dem Bundesverband für Contergangeschädigte in Verbindung setzen, ehe man Quasthoff kritisiert, und ein undifferenziertes Erschrecken über eine Kritik an Quasthoff für wesentlich schlimmere Diskriminierungen als die Kritik an Quasthoff selbst.
    :wink:

    Na sdarowje! (Modest Mussorgskij)

  • Nur zur Klarstellung: ich habe nie den Vorwurf der "Verhöhnung" von Quasthoff ausgesprochen oder bestätigt! Ich habe aber sehr wohl angebracht, daß ich einige Beiträge in diesem Thread befremdlich finde und meine, daß sich diese an der Grenze zur Respektlosigkeit bewegen. Ich werde dies später noch näher erläutern und begründen, da ich im Moment wenig Zeit habe und dies nicht zwischen Tür und Angel tun möchte.

    LG :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Ich werde dies später noch näher erläutern und begründen, da ich im Moment wenig Zeit habe und dies nicht zwischen Tür und Angel tun möchte.

    Das halte ich doch für ein starkes Stück. Du beschuldigst einen oder mehrere Personen des respektlosen Umgangs, ohne das zu präzisieren, und wenn um die Präzisierung gebeten wird, dann fehlt dafür die Zeit. Hauptsache, daß sie für die nochmalige Erhebung der Vorwürfe ("daß ich einige Beiträge in diesem Thread befremdlich finde und meine, daß sich diese an der Grenze zur Respektlosigkeit bewegen") da war...
    :wink:

    Na sdarowje! (Modest Mussorgskij)

  • Das halte ich doch für ein starkes Stück. Du beschuldigst einen oder mehrere Personen des respektlosen Umgangs, ohne das zu präzisieren, und wenn um die Präzisierung gebeten wird, dann fehlt dafür die Zeit. Hauptsache, daß sie für die Erhebung der Vorwürfe da war...
    :wink:


    Lieber Edwin,

    ich habe keinen Vorwurf formuliert, ich habe einen Eindruck wiedergegeben. Außerdem ist es wohl meine Sache, wann ich Zeit habe, was im Forum zu schreiben. Ich habe gestern abend auf Fugatos sehr wütenden Beitrag hin auch das persönliche Bedürfnis gehabt (ich schätze Fugato nämlich und finde seinen Rückzug sehr bedauerlich), mit einigen knappen Worten auf seinen Vorwurf einzugehen, obwohl ich danach nicht weiter an der Diskussion teilnehmen konnte. Dann kam das wiederholte Nachfragen durch Christian und Dich, verbunden mit dem Verweis auf die ausbleibende Erläuterung trotz mehrfachen Nachfragens (Christian, Beitrag Nr. 46). Ich fand es daraufhin angebracht, heute um 11.25 h in einem Zeitfenster von knapp 5 Minuten, die mein Terminplan mir ließ, kurz klarzumachen, daß ich Eure Bitte um Erläuterung sehr wohl gelesen habe und dieser selbstverständlich nachkommen werde, sobald mein Terminplan dies zuläßt. Daraus wird jetzt gedreht, ich habe mir "ein starkes Stück" geleistet. Das ist stilistisch, mit Verlaub gesagt, gewöhnungsbedürftig. Übrigens diente mein Beitrag Nr. 48 auch dazu klarzustellen, daß ich keinesfall den Vorwurf der "Verhöhnung" geäußert habe, was durch die Methode der kumulierten Zitation in Christians Beitrag Nr. 43 evtl. unklar war.

    Zur Sache: ein Beitrag, der zu meinem o. g. Eindruck beigetragen hat, stammt in der Tat von Dir. Es ist nämlich der Beitrag Nr. 10. Dort hast Du geschrieben:

    Zitat

    Daß er trotz seiner Behinderung viel erreicht hat, glaube ich indessen nicht. Das Wort "trotz" gehört meiner Meinung nach sogar durch ein "wegen" ersetzt.

    Wenn ich diese Aussage "befremdlich" oder "teilweise respektlos" finde, so ist dies eigentlich noch ein recht mildes Urteil - man könnte beinahe von Zynismus sprechen. Du siehst nämlich nur die eine Seite, nämlich die der öffentlichen Wahrnehmung, die Quasthoffs Karriere in der Tat befördert haben mag, da man ihn nicht nur für seine sängerische Leistung bewundert hat, sondern eben auch dafür, daß er diese trotz seiner Lebensumstände erbracht hat. Die andere Seite, nämlich der Weg zu dem Niveau, welches er erreicht hat, klammerst Du aber vollkommen aus. Die Kindheit und Jugend mit dieser schweren Behinderung (inkl. Daueraufenthalt im Streckbett), die Ablehnung an der Hochschule, das Durchbeißen über Gesangslehrer, die viele harte Arbeit trotz körperlicher Beeinträchtigung und nicht zuletzt auch der Aufwand, den Konzertbetrieb inkl. der Reisen und Hotelaufenthalte mit dieser Beeinträchtigung durchzuhalten. Die strikte Planung und Disziplin, die dies erfordert, kann man sich m. E. als gesunder Mensch nur sehr vage vorstellen.

    Wenn jemand anführt, daß Quasthoff sich bei der Bitte, seine Behinderung bei der Beurteilung seiner Leistung quasi auszuklammern, einer Illusion hingegeben hat, da diese Trennung nicht funktioniert - einverstanden! Wenn jemand anführt, daß seine Behinderung Quasthoff nicht legitimiert, andere Menschen schlecht zu behandeln - auch einverstanden (wiewohl es menschlich verständlich wäre, wenn ein derartiger Lebensweg jemanden hart macht)! Wenn jemand von Quasthoff als Sänger nichts hält und dies vielleicht sogar noch begründen kann - bitte sehr! Die Hypothese aber, seine Behinderung habe ihm geholfen, wird zumindest von mir so beurteilt, wie ich dies getan habe.

    Davon unabhängig finde ich es wenig nachvollziehbar, einen Sänger, der den überwiegenden Teil seiner Karriere dem klassischen Repertoire mit voller Ernsthaftigkeit gewidmet hat, als Crossover-Sänger darzustellen, weil er im beginnenden Winter seiner Karriere mal ein paar Jazz-Projekte gemacht hat. Das hat aber nichts mit Quasthoffs Behinderung zu tun.

    Du, lieber Edwin, bist aber nicht der einzige, auf den sich mein Eindruck bezieht. Es wurde auch noch Quasthoffs Autobiographie besprochen, die ich zugegebenermaßen nicht gelesen habe. Ich will also gar nicht in Abrede stellen, daß dieses Buch evtl. kompletter Mist ist, da ich nichts beurteilen kann, was ich nicht kenne (es handelt sich ja nicht um Musik von David Bowie... :D ;+) ). Honoria Lucasta hat in Beitrag Nr. 20 (der insgesamt betrachtet eigentlich sehr ausgewogen ist) folgendes hierzu geschrieben:

    Zitat

    Genau aus diesem Grund ist seine vor ein paar Jahren erschienene Autobiographie für mich unerträglich und beklemmend zugleich. Wer einerseits in allen Details schildert, in welcher Weise ihm das Leben aufgrund des Schicksals, als "Contergan-Kind" geboren zu werden, erschwert wird, gleichzeitig damit kokettiert [...]

    (Hervorhebung und Auslassung von mir)

    Dieses Wort "kokettieren" halte ich für einen Vorwurf an Quasthoff, der erstmal verdaut werden muß. Läßt sich dies aus dem Text wirklich begründen? Man möge sich vor Augen führen, daß hiermit einem behinderten Menschen unterstellt wird, daß er seine Behinderung, die ihm viel Erschwernis im Leben gebracht hat, gleichsam benutzt und damit spielt. Dies finde ich, wie oben angegeben, "befremdlich".

    Gerade mal einen Beitrag später schreibst Du, Edwin, hierzu:

    Zitat

    Meiner Meinung zielt diese Autobiographie auf die Sensationslust eher als auf das Informationsbedürfnis.

    Dieser Vorwurf an Quasthoff ist noch einen Zacken heftiger als der der Koketterie, und ich frage mich, ob dies in der Beurteilung einer inhaltlich notgedrungen sensiblen Autobiographie eines behinderten Künstlers wirklich so scharf formuliert werden muß. Du unterstellst Quasthoff hier nichts anderes als eine Bedienung der niederen Instinkte seiner Leserschaft. Und dies soll ich nicht "befremdlich" oder "teilweise respektlos" finden dürfen?

    Zusammengefaßt: natürlich befindet sich der Künstler und Mensch Quasthoff wegen seiner Behinderung nicht in einem Astralraum der Unangreifbarkeit und Kritiklosigkeit. Aber manches, was ich in diesem Thread gelesen habe, hat mich dann doch gewundert. Nachfragen oder Einwände hierzu beantworte ich gerne so zügig wie möglich und bitte um Verständnis dafür, daß ich meinen Terminplan nicht zur vorherigen Absprache zusende. ;+)

    LG :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Lieber Symbol, wenn Du den Vorwurf der "Koketterie" unverdaulich findest, schlage ich vor, doch einmal zu versuchen, die Quasthoff'sche Autobiographie zu lesen - dann wüßtest Du, wie das empfunden und gemeint ist, und würdest das Wort unverdaulich mglw. eher auf die Selbstbetrachtung Quasthoffs anwenden.
    Im übrigen bin ich gerne bereit, jederzeit jeden zu bewundern, der ein schweres Schicksal meistert und dabei gegen Widerstände, Ignoranz und Mißgunst kämpfen muß und tue dies auch bei Quasthoff, der sicher über überdurchschnittliche Energie und Zähigkeit verfügt, sonst wäre er trotz seines sängerischen Talents und seiner unzweifelhaft vorhandenen gestalterischen Begabung niemals so weit gekommen - ; bemerkenswert, wenn ihm oder ihr das gelingt. Ein schweres Schicksal allein ist aber kein Freibrief für Geschmacklosigkeit und allgemein schlechtes Benehmen; und die Behauptung, daß man solches bei einem Behinderten (oder, wie die Amerikaner sagen: in besonderer Weise Herausgeforderten) eigentlich nicht negativ vermerken dürfe, fügt der alltäglichen Diskriminierung m.E. noch einmal ein gerüttelt' Maß hinzu.

    Grüße!

    Honoria

    "...and suddenly everybody burst out singing." (Busman's Honeymoon)

  • Gerade online entdeckt:

    Der Online-Ausgabe des österreichischen Magazin News sagte Quasthoff: "Ich bin nicht mehr so gesund wie vor zehn Jahren, und ich bin des Reisens müde." Der Konzertsänger deutete allerdings an, dass ihn auch andere Gründe bei seiner Entscheidung bewegt hätten: "Außerdem ist mir die Klassik-Branche zu oberflächlich geworden. Man hat den Eindruck, außer David Garrett gäbe es niemanden mehr ." ?(

    viele Grüße von musica

  • Lieber Symbol, wenn Du den Vorwurf der "Koketterie" unverdaulich findest, schlage ich vor, doch einmal zu versuchen, die Quasthoff'sche Autobiographie zu lesen - dann wüßtest Du, wie das empfunden und gemeint ist, und würdest das Wort unverdaulich mglw. eher auf die Selbstbetrachtung Quasthoffs anwenden.
    Im übrigen bin ich gerne bereit, jederzeit jeden zu bewundern, der ein schweres Schicksal meistert und dabei gegen Widerstände, Ignoranz und Mißgunst kämpfen muß und tue dies auch bei Quasthoff, der sicher über überdurchschnittliche Energie und Zähigkeit verfügt, sonst wäre er trotz seines sängerischen Talents und seiner unzweifelhaft vorhandenen gestalterischen Begabung niemals so weit gekommen - ; bemerkenswert, wenn ihm oder ihr das gelingt. Ein schweres Schicksal allein ist aber kein Freibrief für Geschmacklosigkeit und allgemein schlechtes Benehmen; und die Behauptung, daß man solches bei einem Behinderten (oder, wie die Amerikaner sagen: in besonderer Weise Herausgeforderten) eigentlich nicht negativ vermerken dürfe, fügt der alltäglichen Diskriminierung m.E. noch einmal ein gerüttelt' Maß hinzu.

    Grüße!

    Honoria


    Liebe Honoria,

    wie oben geschrieben habe ich an der Ausgewogenheit Deines vorherigen Beitrags keine Zweifel (gleiches gilt übrigens für den zitierten neuen Beitrag). Es ging um das von mir angeführte Befremden angesichts einiger Äußerungen in diesem Thread, und zu diesem Befremden trug eben auch der von Dir gewählte Begriff "kokettiert" bei. Wenn Du diesen aus dem Text von Quasthoffs Buch ableiten kannst, so nehme ich dies zunächst so hin und vermerke für mich, daß ich dieses Buch vielleicht in der Tat mal lesen sollte. Davon unabhängig wollte ich klarmachen, daß ich dies für einen nicht ganz unwesentlichen Vorwurf gegenüber Quasthoff halte, der dementsprechend "erstmal verdaut werden muß" (von "unverdaulich" war nie die Rede).

    Die Behauptung, daß man ein etwaiges schlechtes Benehmen eines behinderten Menschen nicht vermerken dürfte, würde ich übrigens niemals aufstellen. Ich wäre allerdings sehr wohl dafür, sich zu vergegenwärtigen, daß ein über viele Jahre hinweg gemeistertes schweres Schicksal das Gemüt eines Menschen verändern und diesen hart und unerbittlich machen kann.

    LG :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler


  • Die Behauptung, daß man ein etwaiges schlechtes Benehmen eines behinderten Menschen nicht vermerken dürfte, würde ich übrigens niemals aufstellen. Ich wäre allerdings sehr wohl dafür, sich zu vergegenwärtigen, daß ein über viele Jahre hinweg gemeistertes schweres Schicksal das Gemüt eines Menschen verändern und diesen hart und unerbittlich machen kann.

    Ich stimme Dir zu, auch zu Deinen anderen Beiträgen, und ergänze, daß ich es sogar für erlaubt halte, ihn auf "schlechtes Verhalten/Benehmen" anzusprechen, denn auch er bewegt sich in einer Gesellschaft, die nur aufgrund ihrer "Nicht-Behinderung" von einem Behinderten nicht anders behandelt werden möchte als von einem Nicht-Behinderten.

    Klar ist Toleranz notwendig, und klar führen Behinderungen zu anderen menschlichen Ausprägungen. Wichtig ist aber, daß von allen Seiten gegenseitige Toleranz gelebt wird.

    Ich bin immer wieder verblüfft, wie wenig Menschen es schaffen, sich in andere hineinzudenken, oder schlimmer, wie viele Menschen davon ausgehen, daß ihre Sichtweise die einzig richtige sei, und von allen akzeptiert und auch geteilt werden muß. Das führt dann immer wieder zu In-Toleranz, oder schlimmer, Verunglimpfung des Anderen.

    Das beziehe ich aber nun nicht auf diesen Thread, sondern lasse es als allgemeine Aussage stehen.

    Matthias

    "Bei Bachs Musik ist uns zumute, als ob wir dabei wären, wie Gott die Welt schuf." (Friedrich Nietzsche)
    "Heutzutage gilt es schon als Musik, wenn jemand über einem Rhythmus hustet." (Wynton Marsalis)
    "Kennen Sie lustige Musik? Ich nicht." (Franz Schubert)
    "Eine Theateraufführung sollte so intensiv und aufregend sein wie ein Stierkampf." (Calixto Bieito)

  • Ergänzung, als weitere vereinfachte Erklärung:

    Ein Rüpel ist ein Rüpel, egal, ob er behindert oder nicht behindert ist.

    Die Rüpelhaftigkeit wird dann zwar durch Wissen über die Behinderung leichter erklärlich, und evtl. sogar verständlich, daraus folgt aber nicht, daß ich das rüpelhafte Verhalten tolerien muß.

    OK, ich will damit nun aber nichts über Thomas Quasthoff sagen, denn ich kenne ihn nicht, und habe seine Biografie auch nicht gelesen.

    Matthias

    "Bei Bachs Musik ist uns zumute, als ob wir dabei wären, wie Gott die Welt schuf." (Friedrich Nietzsche)
    "Heutzutage gilt es schon als Musik, wenn jemand über einem Rhythmus hustet." (Wynton Marsalis)
    "Kennen Sie lustige Musik? Ich nicht." (Franz Schubert)
    "Eine Theateraufführung sollte so intensiv und aufregend sein wie ein Stierkampf." (Calixto Bieito)

  • Die Rüpelhaftigkeit wird dann zwar durch Wissen über die Behinderung leichter erklärlich, und evtl. sogar verständlich, daraus folgt aber nicht, daß ich das rüpelhafte Verhalten tolerien muß.

    Dem möchte ich, allein schon aus der persönlichen Erfahrung mit einem schwer pflegebedürftigen Familienmitglied, zustimmen.

    Grüße
    Achim :wink:

  • Daß er trotz seiner Behinderung viel erreicht hat, glaube ich indessen nicht. Das Wort "trotz" gehört meiner Meinung nach sogar durch ein "wegen" ersetzt.

    Eine Hypothese.
    Edwins Hypothese.
    Eine ziemlich gewagte, wie ich finde, eine, die Emotionen auslöst und Zündstoff birgt.

    Doch was ist dran an dieser Behauptung?
    Birgt sie auch nur einen Funken Wahrheit ?

    Sollte eine Contergan-Schädigung einen Benefit, gleich welcher Art, für einen "Merkmalsträger" beinhalten, so würde ich vermuten, dass es bei über 10 000 Betroffenen, doch einige "Vorteilsträger" von gewissem Bekanntheitsgrad gibt.

    Mir ist keiner bekannt - es sei denn Quasthoff wäre der einmalige Sonderfall.

    Eine derartig geringe Wahrscheinlichkeit kann mich jedenfalls nicht überzeugen.
    Sorry, Edwin, für mich geht der Wahrheitsgehalt Deiner Behauptung gegen Null.

    Nichts für ungut,
    Berenice

    Liebe Grüße,
    Berenice

    Colors are like music using a short cut to our senses to awake our emotions.

  • Sorry, Berenice : Ohne Contergan - Schädigung wäre aus ihm ein guter Sänger geworden, mit durchschnittlichem nationalen Bekanntheitsgrad - nicht weniger, aber auch nicht mehr. Auf seinem Niveau singen Baritone wie z. B. Trekel, Holzmair oder Henschel, Sänger, die nur Insidern bekannt sind. Hampson, Gerhaher, Terfel und Goerne singen in einer anderen Liga, um nur bei den Stimmfachkollegen zu bleiben.

    Ciao. Gioachino

    miniminiDIFIDI

  • Es ging doch Edwin gar nicht ums Contergan, sondern um den Sentimentalitäts- und Sensationsfaktor, der bei der heutigen Vermarktung eine wichtige Rolle spielt.

    :wink:

    M.

    "To me, Eurotrash is Zeffirelli." Graham Vick

  • Um Edwins These, dass man über Quasthoff schlechterdings nicht diskutieren kann, zu überprüfen, habe ich gerade mal in die Amazon Kundenrezensionen seiner Autobiographie und einiger seiner CDs hineingelesen. Die größte Überraschung: Zu etlichen der - eher seltenen - schlechteren Bewertungen gibt es Kommentare eines gewissen "Prof. Thomas Quasthoff" aus Berlin, in dessen Profil ausdrücklich "Real Name" steht. Ein paar Beispiele:


    "leider haben sie nicht viel begriffen"
    "ihr benehemen ist typisch deutsch,nur das geld im kopf"
    "sie haben keine ahnung"
    "unverschämt"
    "wie arrogant muss jemand sein,der so einen schwachsinn von sich gibt,zu beurteilen,was die künstler erfassen oder nicht,erst mal selber versuchen und dann erst mal schweigen,in ihrem falle besser länger!!!"

    Ich sträube mich innerlich dagegen, dass diese Kommentare wirklich von ihm stammen, kann mir aber andererseits nicht vorstellen, dass so etwas sonst über Jahre hinweg stehen bliebe. Weiß jemand, inwieweit man sich auf das Etikett "Real Name" bei Amazon-Rezensionen verlassen kann?

    Viele Grüße,

    Christian

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