Eben die Zeitung aufgeschlagen und geärgert
Zum Frühstück lese ich also die FAZ. Ein Blatt, dass sich nicht selten mit gewissem Selbstbewusstsein als führende deutsche Tageszeitung inszeniert. Sie muss wirklich sehr gut sein, denn eine Freundin unterbreitete mir mal als Begründung für eine Trennung von Ihrem alten Partner, der "Neue" lese sogar die FAZ. Das klingt komisch, die Frau ist es aber zugegebenermaßen auch.
Nun blätterte ich aber heute morgen durch den Feuilleton auf der Suche nach Mozarts "Entführung aus dem Serail", Neuinszenierung an der Berliner Staatsoper durch Michael Thalheimer, am Pult Philippe Jordan. Nun hat Mozart dieses Stück mit ebenso eindrucks- wie anspruchsvollen Gesangspartien ausgestattet. Von nicht wenigen wird dabei die Partie des Osmin herausgestellt. Diese Partie wurde dem Bassvirtuosen Ludwig Fischer seinerzeit von Mozart quasi auf den Leib geschneidert. Fischer, einer der berühmtesten Bässe seiner Generation, besaß laut Zeitzeugnissen einen ungewöhnlichen Stimmumfang von tiefen D bis zum a´. Aber auch die stimmliche Agilität des Sängers muss großartig gewesen sein, spickte doch Mozart die Partie mit virtuosen Schwierigkeiten, über Oktavsprünge bis hin sogar zu Trillern.
Insofern wird es nicht verwundern, dass ich neugierig war dahingehend, wie Maurizio Muraro diesen Anforderungen gerecht werden würde.
Der mitfühlende Leser wird schon ahnen, dass aus der, durchaus ausführlichen Besprechung von Jan Brachmann, keinerlei Informationen zu gewinnen waren. Wohlgemerkt, ich zetere hier nicht über irgendwelche ausbleibenden tief schürfenden Analysen der Gesangstechnik. Es ist in allen vier Spalten tatsächlich kein einziger Hinweis auf die Gesangsleistung des Osmin gegeben, hingegen darf man zur Kenntnis nehmen, dass er gerne den "eigenen Schwengel...a tergo ins Blondchen stoßen würde."
Ich muss zugeben, mich darüber mal wirklich geärgert zu haben. Dass der Autor beispielsweise den Belmonte von Pavol Breslik dahingehend charakterisiert, dass dessen "kehlig-offene Stimme" es ermögliche, das "pochende Herz" zu hören und die Eigenart, den "Ton kaum in die Maske" zu platzieren, zu dessen Idealismus passe; nun, dass klingt für mich zwar ein bisschen so, dass hier technisches Unvermögen - wie ja nicht selten - als rollendeckend verklärt wird. Aber es ist immerhin eine Beschreibung, aus der sich der Leser ein Bild machen kann. Hingegen muss ich mir nun denken, dass die sängerische Leistung von Muraro keiner Erwähnung wert sei, was ich mir nicht recht vorstellen mag. Oder, dass Herr Brachmann das Singen in der Oper nur als Nebensache begreift. Er redet denn ja auch konsequent von "Darstellern."
Wie auch immer, Christine Schäfer, offenbar der Höhepunkt im Ensemble, wird ausführlich und fast hymnisch gewürdigt. Und die Beschreibung von Thalheimers Regie, ( die spartanische Bühnenaustattung ist wohl auch dem bevorstehendem Umzug der Staatsoper geschuldet) inbesondere auch der wohl sehr ausgefeilten Personenführung, macht Lust doch hinzugehen. Auch möchte ich keineswegs behaupten, die FAZ tauge nur noch dazu, komische Frauen zu erobern.
Ich plane aber, Karten für den 21.06 zu erwerben. War zufällig schon jemand in der Premiere, und könnte so unwichtige Sachen wie den singenden Osmin ergänzen? Oder ist gar ein Capriccio auch am Sonntag da ?
aus Bärlin
Sascha