MONTEVERDI: L'Incoronazione di Poppea (1642)
Von Monteverdi erhielten sich drei Opern - die jüngste ist diese hier:
DIE KRÖNUNG DER POPPEA (SV 308)
Oper mit Prolog und drei Akten
Libretto: Giovanni Francesco Busenello (1598-1659)
Uraufführung: Teatro Grimano, Venedig, Karneval 1642/43
Im Jahr 1637 wurde in Venedig das erste öffentliche Opernhaus eröffnet: das Teatro San Cassiano. Monteverdi - damals 70 Jahre alt - nahm die Herausforderung an und komponierte wieder für dieses Genre. Er hatte allerdings in den 1620er Jahre einiges geschrieben (das Meiste davon für uns verloren), doch es waren zumeist Einakter oder Intermedien.
Für die Karnevalssaison 1642/43, beginnend am 26. Dezember 1642, vertonte er das Libretto von Giovanni Francesco Busenello, einem venezianischen Juristen, der auch dichtete. Das Besondere war diesmal, daß es keine mythologische Geschichte war, die zu einer Oper werden sollte, sondern eine tatsächliche historische Begebenheit. Der Aufstieg Poppäa Sabinas von der Geliebten Neros zu seiner Ehefrau entspricht zwar nicht den historischen Tatsachen, aber Busenello verstand es vorzüglich, die einzelnen Charaktere eine gewisse emotionale Tiefe zu geben, mit der Monteverdi etwas anfangen konnte.
Man kann tatsächlich behaupten, daß L'Incoronazione di Poppea die erste psychologische Oper der Welt darstellt. Nerone und Poppea sind bereits zusammengekommen, während der vorherige Geliebte Poppeas - Ottone - nun das Nachsehen hat. Ebenso ist auch Ottavia nicht glücklich über ihre Situation als betrogene Ehefrau des Kaisers. Seneca beschwört sie in ihrer Ehre, die Schmach aufrecht zu erdulden, was Ottavia aufbringt; später versucht er auf Nerone einzureden, womit er aber zu weit geht. Nerone befiehlt schließlich, daß Seneca Selbstmord begehen soll, was der dann auch tut.
Währenddessen steigert sich Ottone in seiner Eifersucht und will Poppea töten; die ihn liebende Drusilla kann ihn davon abhalten, und er verspricht ihr die Ehe. Kurz darauf wird er zu Ottavia gerufen, die ihm befiehlt, Poppea zu töten. Nach anfänglichem Widerstand willigt er ein. Doch der Versuch Ottones wird mit Hilfe göttlicher Macht (Amore) vereitelt. Doch sieht Poppeas Zofe, wie sich Ottone, der sich mit Drusillas Kleidung getarnt hatte, verdrückt.
Es dauert nicht lang, da steht Drusilla als Beschuldigte vor dem rasenden Nerone, aber Ottone stellt sich und gibt die Tat zu. Das wiederum paßt Nerone perfekt in den Kram, denn nun kann er sich seiner Ehefrau Ottavia mühelos entledigen. Als Strafe schickt er Ottone und Drusilla in die "Verbannung", während Ottavia ihr Schicksal als Verstoßene beklagt. Nerone nimmt Poppea zu seiner Frau, und die Senatoren machen sie zur Kaiserin Roms.
L'Incoronazione di Poppea ist tatsächlich bemerkenswert in seiner Konsequenz: jeder, der aufrichtig liebt, wie falsch und verschlagen er auch sonst sein mag, wird vom göttlichen Schicksal immer bevorzugt. Somit ist es nicht überraschend, daß Seneca als die Vernunft und Ottavia als der Haß fallen, während Nerone und Poppea (wie auch Ottone und Drusilla) zu persönlichem Glück aufsteigen. Dieser fast schon bitterböse Gedanke, daß die Liebe alles erlaubt, gibt dieser Oper eigentlich ihre größte Durchschlagskraft. Weder Busenello noch Monteverdi haben das verwässert, sondern im Gegenteil auf die Spitze getrieben. Das finale Duett zwischen Nerone und Poppea ist großartigste Liebeslyrik mit den süßesten Melodien, und damit erreichen sie einen gewaltigen subversiven Schlag gegen die Moral, wonach der Aufrechte immer siegreich ist.
Dieses Element macht Poppea auch heute zu einem modernen Werk. Es ist auch heute noch verblüffend, wie der Kindskopf Nerone seinen Willen trotz aller Widerstände durchsetzen kann; damals war es sicherlich unerhört. Aber Monteverdi mildert dieses Drama mit seiner Musik ab, ohne die emotionale Qualität aufzugeben. Obwohl die Charaktere alle eher stilisiert sind, haben sie lebensnahe Eigenschaften, die sie lebendig machen. Man identifiziert sich mit ihnen und kommt sehr schnell auf den Gedanken, daß dies eine etwas realere Darstellung der Wirklichkeit sein mag, weil schließlich das Leben noch nie ein Ponyhof war.
Monteverdis Autograph existiert nicht mehr. Es sind nur noch zwei Abschriften erhalten geblieben, eine angefertigt in Neapel für die dortige Neuaufführung im Jahre 1651 (erst 1930 entdeckt), und die andere, gefunden 1888 in Venedig, die aus dem selben Jahrzehnt stammt wie die Kopie von Neapel. Es sind nur die Gesangsstimmen und eine BC-Stimme vorhanden, ohne weitere Instrumentation. Somit ergibt sich für alle Aufführungen oder Aufnahmen das gleiche Problem: eine eigene Instrumentierung anzufertigen, die jedoch nie einer exakten Rekonstruktion gleichkäme. Auch weichen die Manuskripte geringfügig vom Libretto ab, wodurch eine authentische Aufführungsfassung nahezu unmöglich wird.
Seit die Oper im Jahre 1888 in Venedig wiederentdeckt wurde, bemühte man sich auch um ihre Erhaltung und Wiederaufführung: bereits in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts erschien die erste kritische Edition (Hugo Goldschmidt, Leipzig 1904), im Jahr darauf führte Vincent d'Indy eine konzertante Aufführung in Paris auf, die lediglich eine Auswahl der Szenen umfaßte. Die erste Operaufführung fand 1913 ebenfalls in Paris statt; es war die erste verbürgte seit Neapel 1651. Es folgten vereinzelte Aufführungen in den USA oder Großbritannien, aber erst in den 1960er Jahren begann die Oper eine größere Verbreitung zu erzielen.
1952 wurde die erste Aufführung live aufgezeichnet und dann 1954 auf LP veröffentlicht (Tonhalle Orchester Zürich, Dirigent: Walter Goehr; Concert Hall Society CHS 1184 [3 LPs]). Bis heute sind nicht weniger als knapp 40 Einspielungen auf LP/CD/VHS/DVD erschienen. Dabei ist die Verteilung über die Jahrzehnte etwa gleich geblieben, etwa 5-6 über vier Jahrzehnte hinweg.
jd
Links:
1. "http://en.wikipedia.org/wiki/L%27incoronazione_di_Poppea"
2. "http://de.wikipedia.org/wiki/L%E2%80%9…zione_di_Poppea"
3. "http://www.operone.de/opern/incoronazione.html"
4. "http://en.wikipedia.org/wiki/L%27incor…pea_discography"
5. "http://www.operadis-opera-discography.org.uk/CLMOINCO.HTM"