MONTEVERDI: L'Incoronazione di Poppea (1642)

  • MONTEVERDI: L'Incoronazione di Poppea (1642)

    Von Monteverdi erhielten sich drei Opern - die jüngste ist diese hier:


    DIE KRÖNUNG DER POPPEA (SV 308)


    Oper mit Prolog und drei Akten
    Libretto: Giovanni Francesco Busenello (1598-1659)
    Uraufführung: Teatro Grimano, Venedig, Karneval 1642/43

    Im Jahr 1637 wurde in Venedig das erste öffentliche Opernhaus eröffnet: das Teatro San Cassiano. Monteverdi - damals 70 Jahre alt - nahm die Herausforderung an und komponierte wieder für dieses Genre. Er hatte allerdings in den 1620er Jahre einiges geschrieben (das Meiste davon für uns verloren), doch es waren zumeist Einakter oder Intermedien.

    Für die Karnevalssaison 1642/43, beginnend am 26. Dezember 1642, vertonte er das Libretto von Giovanni Francesco Busenello, einem venezianischen Juristen, der auch dichtete. Das Besondere war diesmal, daß es keine mythologische Geschichte war, die zu einer Oper werden sollte, sondern eine tatsächliche historische Begebenheit. Der Aufstieg Poppäa Sabinas von der Geliebten Neros zu seiner Ehefrau entspricht zwar nicht den historischen Tatsachen, aber Busenello verstand es vorzüglich, die einzelnen Charaktere eine gewisse emotionale Tiefe zu geben, mit der Monteverdi etwas anfangen konnte.

    Man kann tatsächlich behaupten, daß L'Incoronazione di Poppea die erste psychologische Oper der Welt darstellt. Nerone und Poppea sind bereits zusammengekommen, während der vorherige Geliebte Poppeas - Ottone - nun das Nachsehen hat. Ebenso ist auch Ottavia nicht glücklich über ihre Situation als betrogene Ehefrau des Kaisers. Seneca beschwört sie in ihrer Ehre, die Schmach aufrecht zu erdulden, was Ottavia aufbringt; später versucht er auf Nerone einzureden, womit er aber zu weit geht. Nerone befiehlt schließlich, daß Seneca Selbstmord begehen soll, was der dann auch tut.

    Währenddessen steigert sich Ottone in seiner Eifersucht und will Poppea töten; die ihn liebende Drusilla kann ihn davon abhalten, und er verspricht ihr die Ehe. Kurz darauf wird er zu Ottavia gerufen, die ihm befiehlt, Poppea zu töten. Nach anfänglichem Widerstand willigt er ein. Doch der Versuch Ottones wird mit Hilfe göttlicher Macht (Amore) vereitelt. Doch sieht Poppeas Zofe, wie sich Ottone, der sich mit Drusillas Kleidung getarnt hatte, verdrückt.

    Es dauert nicht lang, da steht Drusilla als Beschuldigte vor dem rasenden Nerone, aber Ottone stellt sich und gibt die Tat zu. Das wiederum paßt Nerone perfekt in den Kram, denn nun kann er sich seiner Ehefrau Ottavia mühelos entledigen. Als Strafe schickt er Ottone und Drusilla in die "Verbannung", während Ottavia ihr Schicksal als Verstoßene beklagt. Nerone nimmt Poppea zu seiner Frau, und die Senatoren machen sie zur Kaiserin Roms.


    L'Incoronazione di Poppea ist tatsächlich bemerkenswert in seiner Konsequenz: jeder, der aufrichtig liebt, wie falsch und verschlagen er auch sonst sein mag, wird vom göttlichen Schicksal immer bevorzugt. Somit ist es nicht überraschend, daß Seneca als die Vernunft und Ottavia als der Haß fallen, während Nerone und Poppea (wie auch Ottone und Drusilla) zu persönlichem Glück aufsteigen. Dieser fast schon bitterböse Gedanke, daß die Liebe alles erlaubt, gibt dieser Oper eigentlich ihre größte Durchschlagskraft. Weder Busenello noch Monteverdi haben das verwässert, sondern im Gegenteil auf die Spitze getrieben. Das finale Duett zwischen Nerone und Poppea ist großartigste Liebeslyrik mit den süßesten Melodien, und damit erreichen sie einen gewaltigen subversiven Schlag gegen die Moral, wonach der Aufrechte immer siegreich ist.

    Dieses Element macht Poppea auch heute zu einem modernen Werk. Es ist auch heute noch verblüffend, wie der Kindskopf Nerone seinen Willen trotz aller Widerstände durchsetzen kann; damals war es sicherlich unerhört. Aber Monteverdi mildert dieses Drama mit seiner Musik ab, ohne die emotionale Qualität aufzugeben. Obwohl die Charaktere alle eher stilisiert sind, haben sie lebensnahe Eigenschaften, die sie lebendig machen. Man identifiziert sich mit ihnen und kommt sehr schnell auf den Gedanken, daß dies eine etwas realere Darstellung der Wirklichkeit sein mag, weil schließlich das Leben noch nie ein Ponyhof war.


    Monteverdis Autograph existiert nicht mehr. Es sind nur noch zwei Abschriften erhalten geblieben, eine angefertigt in Neapel für die dortige Neuaufführung im Jahre 1651 (erst 1930 entdeckt), und die andere, gefunden 1888 in Venedig, die aus dem selben Jahrzehnt stammt wie die Kopie von Neapel. Es sind nur die Gesangsstimmen und eine BC-Stimme vorhanden, ohne weitere Instrumentation. Somit ergibt sich für alle Aufführungen oder Aufnahmen das gleiche Problem: eine eigene Instrumentierung anzufertigen, die jedoch nie einer exakten Rekonstruktion gleichkäme. Auch weichen die Manuskripte geringfügig vom Libretto ab, wodurch eine authentische Aufführungsfassung nahezu unmöglich wird.

    Seit die Oper im Jahre 1888 in Venedig wiederentdeckt wurde, bemühte man sich auch um ihre Erhaltung und Wiederaufführung: bereits in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts erschien die erste kritische Edition (Hugo Goldschmidt, Leipzig 1904), im Jahr darauf führte Vincent d'Indy eine konzertante Aufführung in Paris auf, die lediglich eine Auswahl der Szenen umfaßte. Die erste Operaufführung fand 1913 ebenfalls in Paris statt; es war die erste verbürgte seit Neapel 1651. Es folgten vereinzelte Aufführungen in den USA oder Großbritannien, aber erst in den 1960er Jahren begann die Oper eine größere Verbreitung zu erzielen.

    1952 wurde die erste Aufführung live aufgezeichnet und dann 1954 auf LP veröffentlicht (Tonhalle Orchester Zürich, Dirigent: Walter Goehr; Concert Hall Society CHS 1184 [3 LPs]). Bis heute sind nicht weniger als knapp 40 Einspielungen auf LP/CD/VHS/DVD erschienen. Dabei ist die Verteilung über die Jahrzehnte etwa gleich geblieben, etwa 5-6 über vier Jahrzehnte hinweg.


    jd :wink:


    Links:
    1. "http://en.wikipedia.org/wiki/L%27incoronazione_di_Poppea"
    2. "http://de.wikipedia.org/wiki/L%E2%80%9…zione_di_Poppea"
    3. "http://www.operone.de/opern/incoronazione.html"
    4. "http://en.wikipedia.org/wiki/L%27incor…pea_discography"
    5. "http://www.operadis-opera-discography.org.uk/CLMOINCO.HTM"

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Zunächst mal trage ich mal alle Einspielungen zusammen, die es gibt:


    1.
    Concert Hall Society CHS 1184 (3 LPs) ("http://www.operadis-opera-discography.org.uk/CLMOINCO.HTM#1)
    Chor & Orchester der Tonhalle Zürich
    D: Walter Goehr
    [1952]


    2.

    Chor & Orchester der RAI Milano
    D: Nino Sanzogno
    [1954]


    3.

    Royal Philharmonic Orchestra, Glyndebourne Festival Chorus
    D: John Pritchard
    [1962]


    4.

    Chor & Orchester der Wiener Staatsoper
    D: Herbert von Karajan
    [1963]


    5.
    Vox Records SVBX 5212 (3LPs)

    Santini Kammerorchester Münster
    D: Rudolf Ewerhardt
    [1963]


    6.
    Omega Opera Archive 4157 (1 CD) ("http://www.operadis-opera-discography.org.uk/CLMOINCO.HTM#5')
    Dallas Civic Opera Orchestra
    D: Nikola Rescigno
    [1963]


    7.
    Omega Opera Archive 3049 (1 CD) ("http://www.operadis-opera-discography.org.uk/CLMOINCO.HTM#7)
    Teatro Colón Chorus & Orchestra
    D: Bruno Bartoletti
    [1965]


    8.
    Lyric Distribution Incorporated ALD 2201 (1 CD) ("'http://www.operadis-opera-discography.org.uk/CLMOINCO.HTM#8)
    Chicago Lyric Opera
    D: Bruno Bartoletti
    [1966]


    9.
    Cambridge CRS B 1901 ("'http://www.operadis-opera-discography.org.uk/CLMOINCO.HTM#10)
    Oakland Symphony Orchestra,
    Chorus of the University of California of Berkeley
    D: Alan Curtis
    [1966]


    10.

    Chor & Orchester des Maggio Musicale Fiorentino
    D: Carlo Franci
    [1966]


    11.
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    Chor & Orchester des Teatro alla Scala
    D: Bruno Maderna
    [1967]


    12.

    Chor & Orchester der Sadler's Wells Opera
    D: Raymond Leppard
    [1971]


    13.
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    Concentus musicus Wien
    D: Nikolaus Harnoncourt
    [1974]


    14.
    House of Opera SFO-02 (CD-Rom) ("'http://www.operadis-opera-discography.org.uk/CLMOINCO.HTM#14')
    Chor & Orchester der Oper San Francisco
    D: Raymond Leppard
    [1975]


    15.
    Legendary Recordings LR 160 (3 LPs) ("http://www.operadis-opera-discography.org.uk/CLMOINCO.HTM#15')
    Chor & Orchester der Operá Paris
    D: Julius Rudel
    [1978]


    16.
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    Monteverdi Ensemble Opernhaus Zürich
    D: Nikolaus Harnoncourt
    [1979]


    17.

    Monteverdi Ensemble Opernhaus Zürich
    D: Nikolaus Harnoncourt
    [1979]

    18.

    Il complesso barocco
    D: Alan Curtis
    [1980]


    19.
    CBS 14M 39.728 (4 LPs) ('http://www.operadis-opera-discography.org.uk/CLMOINCO.HTM#20')
    La Grande Ecurie e la Chambre du Roy
    D: Jean-Claude Malgoire
    [1984]


    20.


    London Philharmonic Orchestra, Glyndebourne Festival Chorus
    D: Raymond Leppard
    [1984]


    21.
     [Blockierte Grafik: http://ecx.images-amazon.com/images/I/414eBRDMXmL._SL500_AA300_.jpg]
    City of London Baroque Sinfonia
    D: Richard Hickox
    [1988]


    22.

    Orchestra Pro Arte Bassano
    D: Albert Zedda
    [1988]


    23.


    Concerto Vocale
    D: René Jacobs
    [1990]


    24.

    Concerto Köln
    D: René Jacobs
    [1993]

    25.

    The English Baroque Soloists
    D: John Eliot Gardiner
    [1993]


    26.

    Les Talens Lyriques
    D: Christophe Rousset
    [1994]


    27.
    Premiere Opera Ltd. DVD 6216 (1 DVD) ("http://www.operadis-opera-discography.org.uk/CLMOINCO.HTM#27)
    Encore DVD 3015 (1 DVD) ("'http://www.operadis-opera-discography.org.uk/CLMOINCO.HTM#27')
    Teatro Colón, Ensemble Concerto Vocale
    D: René Jacobs
    [1996]


    28.

    Solisten des Bayerischen Staatsorchesters
    D: Ivor Bolton
    [1997]


    29.
    House of Opera DVD 424 ("'http://www.operadis-opera-discography.org.uk/CLMOINCO.HTM#29')
    Orchester der Welsh National Opera
    D: Rinaldo Alessandrini
    [1997]


    30.

    Ensemble Elyma, Coro Antonio Il Verso
    D: Gabriel Garrido
    [2000]


    31.

    Les Musiciens du Louvre Grenoble
    D: Marc Minkowski
    [2000]


    32.
    Encore DVD 3280 (1 DVD) ("'http://www.operadis-opera-discography.org.uk/CLMOINCO.HTM#32')
    Concerto Vocale
    D: René Jacobs
    [2004]


    33.

    Capella Musicale di San Petronio
    D: Sergio Vartolo
    [2004]


    34.
    Premiere Opera Ltd. CDNO 3351-3 (3 CDs) ("'http://www.operadis-opera-discography.org.uk/CLMOINCO.HTM#34')
    Los Angeles Opera
    D: Harry Bicket
    [2006]


    35.
    Premiere Opera Ltd. CDNO 2993-3 (1 CD) ("http://www.operadis-opera-discography.org.uk/CLMOINCO.HTM#35')
    Les Talens Lyriques
    D: Christophe Rousset
    [2007]


    36.
    premiereopera.net (3 CDs) ("http://www.operadis-opera-discography.org.uk/CLMOINCO.HTM#36')
    Orquestra Barroca del Gran Teatre del Liceu
    D: Harry Bicket
    [2009]


    37.

    Orchestra of the Age of Enlightenment
    D: Emmanuelle Haim
    [2009]


    38.

    La Venexiana
    D: Claudio Cavina
    [2010]


    39.

    Orchestra of the Norwegian National Opera
    D: Alessandro de Marchi
    [2012]


    Link:
    "http://www.operadis-opera-discography.org.uk/CLMOINCO.HTM"

    jd :wink:

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    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Das weckt gerade das in mir noch schlummernde Interesse an Monteverdis Opernschaffen.

    Dann wecke es auf, mein lieber Treborian... :klatsch:

    Die drei Opern Monteverdis sind alle ausgezeichnete Werke mit starkem Libretto und großartiger Musik. Mit denen macht man nichts falsch... :yes:

    Hier der Verweis zum L'Orfeo . Der Ulisse wird noch folgen...


    jd :angel:

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  • Monteverdis Autograph existiert nicht mehr. Es sind nur noch zwei Abschriften erhalten geblieben

    Irgendwo habe ich mal gelesen, dass die Oper allenfalls teilweise von Monteverdi selbst stammen soll. Da wurde u.a. Francesco Cavalli als Mitautor genannt.

    Ist das jetzt Verschwörungstheorie, aktueller Forschungsstand oder irgendwas dazwischen?


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Irgendwo habe ich mal gelesen, dass die Oper allenfalls teilweise von Monteverdi selbst stammen soll. Da wurde u.a. Francesco Cavalli als Mitautor genannt.

    Ist das jetzt Verschwörungstheorie, aktueller Forschungsstand oder irgendwas dazwischen?


    Viele Grüße

    Bernd

    Aktueller Forschungsstand. Leider. Obwohl man eigentlich nicht mit 100%iger Sicherheit weiß, wer noch die Bearbeiter waren. Man weiß nicht was NICHT von Monteverdi wäre. Die Schlussarie, "Pur ti miro", schreibt man oft Monteverdi ab...

    LG
    Tamás
    :wink:

    "Vor dem Essen, nach dem Essen,

    Biber hören nicht vergessen!"


    Fugato

  • Aktueller Forschungsstand. Leider. Obwohl man eigentlich nicht mit 100%iger Sicherheit weiß, wer noch die Bearbeiter waren. Man weiß nicht was NICHT von Monteverdi wäre. Die Schlussarie, "Pur ti miro", schreibt man oft Monteverdi ab...

    Weißt Du, lieber Tamás, ob diese Abschreibungen nur aus Gründen des musikalischen Personalstils vorgenommen werden oder gibt es auch Quellenbelege dafür? Kann man das irgendwo nachlesen?


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Weißt Du, lieber Tamás, ob diese Abschreibungen nur aus Gründen des musikalischen Personalstils vorgenommen werden oder gibt es auch Quellenbelege dafür? Kann man das irgendwo nachlesen?

    Ob es Quellenbelege gibt? Ich glaube eher nicht, aber ich bin mir da nicht sicher. Wenn ich mich richtig erinnere, war der erste Punkt der Zweifel, dass die beiden Manuskripten an manchen Stellen auseinandergehen. Beide sind später entstanden, als das Original. Eine in Venedig, und soll auf eine Erneuerung der Oper von Cavalli zurückgehen, der zweite ist aus Neapel, Man vemutet, dass beide bereits bearbeitet sind. Welche Gründe für die konkreten Abschreibungen gibt, das weiß ich nicht.

    LG
    Tamás
    :wink:

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    Biber hören nicht vergessen!"


    Fugato

  • Ob 3/4 Maestro Monteverdi und 1/4 Maestro Cavalli oder umgekehrt, das ändert nichts daran, dass es sich um eines der imponierendsten und besten Werke der Operngeschichte handelt, die damit gleich zu ihrem Beginn höchste Massstäbe für das Genre setzte. Diese Oper hat bereits Alles, was man sich nur wünschen kann: Dramatik, Romantik, Komik und beinhaltet ausserdem einen direkten Vorgänger bzw Alter ego von Mozarts Cherubino . Wenn man den Monteverdi Pagen mit Cherubino vergleicht: sie singen fast die gleichen Worte.
    Ich halte diese oper fûr das reine Wunderwerk, ein Höhepunkt jagt den Anderen, die Vielfalt der Figuren, die Schönheit der Musik und dieses Juwel von einem Liebesduett am Ende (egal wer's geschrieben hat: der konnte es jedenfalls! Ich weiss nciht, ob ich es lieber hôre oder lieber singe)
    Ein anderes Juwel ist der Seneca-Sterbe- nicht- Männner-Chor, das Wiegenlied fûr Poppea und das Duett des Pagen mit seiner "Susanna" Von den allegorischen Figuren und Amor mal ganz abgesehen. Was mich wundert ist der Mut der Komponisten, DANACH überhaupt noch eine Oper zu schreiben. Gottseidank haben sie's schamlos getan und gottseidank wussten und wissen sie , dass jede Zeit ihre eigenen Wunderwerke hervobringen kann. Es ist eben niemals Alles von Allen gesagt , auch wenn ich das bei der Poppea fast glauben könnte.
    Wir haben die Poppea im Mârz an unserer Oper. Natürlich mit Emmanuelle Haïm und dem Concert d'Astrée. :jub:
    Dafür muss ich auf Grigori Sokolov in Brüssel verzichten, der ausgerechnet am selben Abend spielt(und sonst nirgends in meioenr Nähe :cry: aber für Monteverdi lasse ich sogar ihn schweren Herzens stehen.....
    Sonja Yoncheva, die ich hier bereits in einigen "Händeleien" erleben konnte singt die Titelrolle. Und wenn sie so singt wie bei Händel.... :juhu:

    :fee: die auch eher für Monte als fûr Verdi ist.

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Bonjour, für die Monteverdi und Poppea-Fans hier ein Link zum Mitschnitt der Poppea unter Emmanuelle Haïm, die Anfang März ein grossartiges Live-Erlebnis für mich war. Max Emmanuel Cencic habe ich zum ersten mal gehört- er ist mit seiner etwas schrillen und nciht eben schônen Stimme für die Rolle des Nero wie geschaffen. auch als Bühnenfigur total überzeugend. Wunderschôn und kein bisschen schrill aber umso sensueller gesungen und gespielt dagegen Sonja Yoncheva in der Titelrolle. ann hallenberg als Ottavia m.E. falsch besetzt, die gehört ins grosse romantische Repertoire und war eine regelrechte Wuchtbrumme im Vergleich zur übrigen Besetzung, solche Unausgeglichenheit passiert bei Haïm normalerweise nie. Insgesamt ein Stimmenfest, auch Seneca und Ottone und Drusilla bestens besetzt. und an den Nebenrollen gibt es ebenfalls nichts auszusetzen..Serh interessant war, dass vor der Schlussszene und dem Hinschmelzduett "Pur ti miro" ein Sprecher auftrat und die Historie zurechtrückte. Es wurde haarklein berichtet, wie die Protagonisten nach diesem Happy End mit Mord und Folter, Selbstmord etc ihr Leben liessen:das richtige Ambiente für die hinreissenden Duettklänge, bei denen das Paar sich zum Abgrund bewegte .....

    Falls die Besetzung interessiert, liefere ich gerne nach, bin nur gerade en passant.
    Hier der Link, der 6 Monate aufzurufen ist.

    https://3c.web.de/mail-1.84.235.…selection=pid_1."link gibt Fehlermeldung, daher nicht deaktiviert; mto

    :fee:

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Wie Orfeo, Ulisse und die Marienvesper entdecke ich auch Monteverdis "Poppea" erst jetzt (und bin von all diesen Werken umso mehr tief bewegt und begeistert), hier ein paar persönliche Gedanken zu meinen mit Nikolaus Harnoncourt und hier auch mit Herbert von Karajan gemachten Erfahrungen:

    Nikolaus Harnoncourt verweist in seiner der ersten Tonträgerveröffentlichung beigelegten Einführung (erweitert auch im Buch „Der musikalische Dialog“ nachzulesen) darauf, dass die Musik den Text interpretiert und dramatisiert. Alle Figuren, so Harnoncourt, sind unsympathisch. Bemerkenswert sind die schnellen Affektwechsel. Komische Figuren erwecken Mitgefühl und Verständnis. Man kann das Werk ganz sparsam oder reich instrumentiert aufführen.

    Harnoncourts erste Aufnahme entstand 1973 (4 CDs Teldec 8.35247) mit dem Concentus Musicus Wien. Es ist eine wunderbare, herzrührende Aufnahme, die sofort für das Werk einimmt. Ottone ist ein Altus, Nerone ein Sopran (ursprünglich ein Kastrat). Man lernt rezitativisch und arios wunderschöne frühe Opernmusik kennen, liebevoll vielschichtig instrumentiert und charakterisiert, mit reizvoll eingestreuten Ritornellen und Sinfoniae, in der Schlussszene auch eine Passacaglia. Die Charaktere sind vordergründig musikalisch einfühlsam gezeichnete Figuren, sie offenbaren aber auch ihr taktisches Denken, wenn es opportun erscheint (Poppea!). Nerone ist ein verliebter, aber skrupelloser Machthaber, Poppea eine die Verliebtheit Nerones beinhart nutzende Karrieristin, Ottone ein aus Enttäuschung sogar zum Mord bereiter erpresster Handlanger der rachsüchtig verlassenen Ottavia, Drusilla hat auch nichts gegen einen Mord, wenn es ihrer Beziehung dient – und Amor geht locker über Leichen und Zerwürfnisse, wenn es der Liebe förderlich ist, die Liebe hat hier keine Moral. Seneca hat den „Draht“ zu den Göttern, Pallas Athene, Merkur. Hier werden besondere Klangfarben eingesetzt.

    Musikalische Höhepunkte in diesem an sich durchgehend auf gleich genial hohem Niveau sich abspielenden Musikdrama sind für mich im 1. Akt die Szene 1, Ottones „Arie“ voll vergeblicher Leidenschaft, die Szene 5, Ottavias „Arie“, von Nero verlassen, auch die Szene 10, ein „Duett“, in dem sich Poppea und Nerone an die letzte Nacht erinnern, im 2. Akt die Szene 3, in der die Freunde Seneca eindringlich ersuchen, nicht Selbstmord zu begehen (nahezu Rossini!), das „Liebesduett“ Valletto – Damigella der 5. Szene (wie Opera buffa!), das „leidenschaftliche Duett Nerones mit dem Dichter Lucano (Szene 6), der Amme Alnatras Wiegenlied für Poppea (Szene 12), Amores Auftritt, um Poppea zu beschützen (Szene 13) und die „Actionszene“ der Rettung Poppeas vor dem Mord (Szene 14) und im 3. Akt schließlich ein weiteres leidenschaftliches „Liebesduett“ Nerone-Poppea (Szene 5). Ottavias „Abschiedsarie“ (Szene 6, fast schon wie Verdi!) und nach der Krönung in der 8. Szene das Finale mit dem wohl schönsten „Liebesduett“ Nerone-Poppea. Meist geht es rezitativisch oder arios dahin, die Freunde Senecas singen als Terzett und die Konsuln und Tribune zur Krönung als Quartett. Senecas Szenen wirken bodenständig durch den Bass, melodisch sind sie nicht so markant. Witzig wirkt die Besetzung der Amme mit einem Mann.

    Im Gegensatz zu Harnoncourts zurückhaltenderen Erstaufnahmen von „Orfeo“ und „Ulisse“ wird die Dramatik stärker betont. Die ausführliche Aufnahme dauert dreidreiviertel Stunden und ist doch keine Minute zu lang.

    Die Filmaufnahme von Jean-Pierre Ponnelles Regiearbeit, die am 8.1.1977 im Rahmen des Ponnelle/Harnoncourt Monteverdi Zyklus am Züricher Opernhaus Premiere hatte, assoziiert eine Bühnenaufführung, mit dem ins Geschehen einbezogenen Orchestergraben und einem Bühnenbild, das man bereits aus dem „Orfeo“ kennt – ein großes Tor, an den Seiten Emporen. Das Tor legt wenn es geöffnet ist den Blick frei auf unterschiedliche Prospekte. Amore „aktiviert“ das Glück und die Tugend sowie das Geschehen an sich mit Flötenspiel (vgl. die Engelfigur, die im Salzburger „Figaro“ 2006 die Fäden zieht). Wie schon bei „Orfeo“ und „Ulisse“ korrespondiert auch das Orchester mit der Bühne, ist es ins Geschehen teilweise einbezogen. Ponnelles spielerisches Herangehen an die Geschichte verzaubert erneut. Die Tugend, das Glück und Amore schauen sich die ganze Zeit an, was passiert und ihre Blicke zeigen, was sie empfinden. Das historisierende Ambiente und die dazu passenden Kostüme sorgen für eine herrliche Theaterwelt. Ponnelle liebt die Figuren als menschliche, fehlbare Charaktere und macht sie herzlich, teilweise schelmisch, vielfach auch abgründig lebendig. Nero hat jetzt eine Männerstimme, witzig wirkt weiterhin und erst recht im Kostüm die Besetzung der Amme Arnalta mit einem Mann. Alles wirkt liebevoll kurzweilig, viele Seitenblicke, wie Beteiligte und Zusehende etwas aufnehmen, unterstreichen, dass es sich hier um eine Filmversion, nicht um eine mitgefilmte Aufführung handelt. Matti Salminen wirkt als Seneca mit weißem langem Bart und seiner mächtigen Stimme „wie ein lieber Gott“. Interessant löst Ponnelle die Liebessequenz Poppea-Nerone nach Senecas Kritik an Nerone: Poppea erscheint im Tor, wie eine Fee, Nerone blickt weiter nach vorne, träumt also die Kommunikation mit ihr, sieht sie innerlich als sinnliches Traumwesen. Die Spieldauer ist etwas flotter, 162 Minuten dauert die Filmfassung. Senecas Tod zeigt Ponnelle, indem ein weißes Leintuch ihn verdeckt, dann liegt er einfach da, und das Volk vergnügt sich, als läge da kein Toter hinter ihnen. Amor zieht den Vorhang zu, bevor sich der Page und die Kammerzofe den Liebesbeteuerungen hingeben. Nerone hingegen feiert um den Toten herum. Ponnelle verdeutlicht spielerisch liebevoll: die Liebe ist rücksichtslos, sie nimmt Opfer in Kauf und geht sogar über Leichen, bei Poppea erfüllt sich alles als Mittel zum Zweck. Was das Orchester betrifft, so wäre interessant zu erfahren, ob bei den Filmarbeiten nur die Szenen mit ihnen gefilmt wurde, in denen sie im Bild sind, also quasi „Cuts“ kurzer musikalischer Momente. Die Musikaufnahmen entstanden von 15. bis 23.6.1978 im Opernhaus Zürich, die Filmaufnahmen von 2. Bis 30.1.1979 bei Wien-Film (Wien).

    Und dann gibt es ja auch noch die Schallplattenaufnahme des Livemitschnitts aus Zürich (6 CDs Teldec 242 739-2 (1981 erstveröffentlicht). Die Besetzung entspricht der Filmaufnahme. Musikalisch ist diese Aufnahme wieder ganz unmittelbar, vollblütiger noch als die Erstaufnahme.

    Am 24.7.1993 brachten die Salzburger Festspiele im Großen Festspielhaus Monteverdis „L´incoronatione di Poppea“ als Festspielpremiere unter Harnoncourts Leitung, in einer Inszenierung von Jürgen Flimm und Bühnenbildern von Rolf Glittenberg. Folgevorstellungen: 26.7., 31.7., 4.8., 7.8., 11.8. und 18.8.1993. Die Bühne war hier zweigeteilt (mit Schiebewänden variabel) – ein Rundpavillon für Poppea und eine postmoderne Nerone-Kulisse. Dazu gab es TV-Geräte, Blitzlichter und Maschinengewehre. Die Kostüme würfelten sich durch alle Zeiten. Die Besetzung: Elisabeth von Magnus (Fortuna), Petra Lang (Virtù), Wilhelm Wiedl, Mitglied des Tölzer Knabenchors (Amor), Sylvia McNair (Poppea), Philip Langridge (Nerone), Marjana Lipovsek (Ottavia), Jochen Kowalski (Ottone) und Kurt Moll (Seneca). Es spielte wieder der Concentus Musicus Wien.

    Nach Paul Hindemiths „Orfeo“ Aufführung im Wiener Konzerthaus 1954 (unter anderem mit dem Instrumentarium des Concentus Musicus) konnte man in Wien 1963 erneut Monteverdis Musik erleben. Der Musikwissenschaftler, Bratschist und Dirigent Erich Kraack erstellte 1960 eine Neufassung des Werks für die Wiener Staatsoper, die unter der Leitung von Herbert von Karajan am 1.4.1963 Premiere hatte. Für die Regie zeichnete Günther Rennert verantwortlich, für die Bühne Stefan Hlawa. Der ORF Premieren-Monomitschnitt wurde 1998 auf CD veröffentlicht (2 CDs DGG 457 674-2). Aus dem Einführungstext von Peter Dusek erfährt man, dass Karajan von Hans Swarowsky nur die Schlussproben übernahm und Rennert nach einem Zerwürfnis mit Karajan wegen der Damigella Szene (die nach der Premiere gestrichen wurde) vorzeitig abreiste. Die Spieldauer beträgt 143 Minuten, gestrichen sind der Prolog und Armaltas letzte „Arie“ (vor der Krönung), die Liebesszene Page/Kammerzofe ist vor Senecas Ende vorgezogen, zweiter und dritter Akt sind als nur ein Akt zusammengefasst. Kraacks Fassung ist großorchestral archaisierend, sie wirkt spätromantisch wuchtig, man wähnt sich in der Römerzeit wie in Hollywood-Filmen nach der Art „Ben Hur“. Nerone und Ottone sind mit Männerstimmen besetzt, Arnalta ist eine Frauenrolle. Alle singen mit großem opernhaftem Nachdruck, Zurücknahmen sind kaum möglich bei diesem üppigen Orchestersatz. Besonders beeindruckt hat mich Sena Jurinac als Poppea, das ist stimmlich eine enorm präsente Rollengestaltung. Die Rolle des Ottone verliert etwas von der Counter-Intensität, es geht das Wehmütige doch ziemlich verloren. Musikdramatisch gewinnen die Seneca Szenen durch die Wucht durchaus. Der Wiener Staatsopernchor macht aus den Ensembles mächtige Chorsätze, in der Archaik an russische große Oper gemahnend, etwa „Chowanschtschina“. Längere Instrumentalpassagen, etwa gleich die eröffnende Sinfonia oder ein Ausklang nach Senecas Tod, unterstreichen die Tendenz zur großen romantischen Oper. Andere Passagen als in Harnoncourts Aufnahmen fallen auf, etwa Drusillas Freude im 2. Akt, bevor Ottone sie um ihre Kleider bittet. Pallas Athene und Amor hört man aus der Ferne, das klingt akustisch „opernhaft“ interessant. Ottavias „Addio, Roma“ kommt als große Arie incl. langer Einleitung mit Cellosolo daher. Insgesamt: Als wäre es ein anderes Werk, wuchtig, romantisch, archaisierend, durchaus sehr beeindruckend.

    Karajan, der damit die Dirigate seiner Wiener Direktionsära von Alter Musik bis zur Gegenwart (Pizzetti) absteckte, dirigierte drei Vorstellungen, am 1.4.1963, am 8.4.1963 und am 27.5.1963. Die Inszenierung stand bis 1970 auf dem Programm, 16mal dirigierte in der Folge Hans Swarowsky, einmal (1970) Hans-Georg Ratjen.

    Im Februar 2005 gab es an der Züricher Oper eine Neuproduktion des Teams Nikolaus Harnoncourt / Jürgen Flimm. Mit dabei damals: Jonas Kaufmann als Nerone und Laszlo Polgar als Seneca. Es spielte das Orchester La Scintilla, das speziell für die Alte Musik im Opernhaus zur Verfügung steht. Auf einer Gesprächs CD mit Alice und Nikolaus Harnoncourt ist ein kurzer Ausschnitt von den Proben dazu zu hören.

    Mir geht es jedenfalls so: Mein Leben ist durch das Kennenlernen dieser großen Monteverdi-Werke unendlich bereichert worden.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Mir geht es jedenfalls so: Mein Leben ist durch das Kennenlernen dieser großen Monteverdi-Werke unendlich bereichert worden.

    Du sprichst mir aus der Seele... :kuss1:


    jd :wink1:

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Wenn ich es richtig sehe, fehlt diese DVD noch:

    Teatro Real, Madrid (2010).
    Mit Philippe Jaroussky, Max Emanuel Cencic und Danielle de Niese. :thumbup:

    Demnächst wird "L' Incoronazione di Poppea" in Bielefeld aufgeführt und heute gab' s eine sehr interessante Einführungsveranstaltung zu dieser Inszenierung (und es wurden drei Arien daraus vorgestellt).

    Ich kenne diese Oper ja bereits, aber ich kenne halt nur die o. a. (Doppel-) DVD. Es hieß, dass hier generell wenige Instrumente zum Einsatz kommen, was mir, ehrlich gesagt, bisher nicht aufgefallen war. Kann jemand sagen, welche und wie viele Instrumente es - im Allgemeinen - so sind? Ich habe nur etwas von Cembalo und Streichern mitbekommen ... Ich hoffe, dass ich, als "Newbie", solche Fragen stellen darf. ^^

    Und ich frage mich zudem, weshalb diese Oper nur so selten aufgeführt wird. Sie wurde zwar zu Beginn der Operngeschichte geschrieben/ komponiert und hat einen anderen Stil als die, die sich später so entwickelt haben (ist also schlichter gehalten, wenn ich das mal so laienhaft formulieren darf ... ), aber dennoch eine tolle Oper, die alles hat, was eine Oper so zu bieten haben sollte; zudem ist das Libretto großartig. :verbeugung1: :verbeugung1:

    "Welche Büste soll ich aufs Klavier stellen: Beethoven oder Mozart?" "Beethoven, der war taub!" (Igor Fjodorowitsch Strawinsky)



  • Da stellst Du Fragen! Monteverdi und Instrumentierung.....welch weites Feld!
    Notiert ist da recht karg, erwartet wird wohl einiges mehr: wieviele Musiker aus den Stimmen zu lesen vermochten, wird wohl im Ermessen der Ausführenden bleiben.

    Ich hörte und sah vor Kurzem diese hier:
    http://culturebox.francetvinfo.fr/opera-classiqu…terverdi-253431

    Emmanuelle Haim spart ja nicht an instrumentalem Reichtum und musiziert doch fein und differenziert.
    Und stimmt schon: hat alles, was Oper braucht, viele spätere scheinen geradezu überflüssig.... was ich natürlich nie öffentlich sagen würde...vor allem nicht bei "Tamino" :etsch1: .
    Im Grunde also: nehmt, was ihr habt.
    Wie bei aller Barockmusik......

    Herzliche Grüße,
    Mike

    "Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst." Voltaire

  • Danke für deine Rückmeldung, Hempel! :wink:

    Was mir soeben noch einfiel: Die Regisseurin meinte, dass es nicht allzu viele Countertenöre gibt, die den Part des Nerone singen könnten (als Beispiel gab sie an, dass sie einige Countertenöre aus ihrem Umfeld fragte, die aber allesamt abgewunken haben, weil es ihnen wohl zu schwierig war). Nerone wird ja auch schon mal von einem Sopran gesungen, aber hier ging es halt nur um Countertenöre. Vielleicht könnte dies ein Grund dafür sein, dass diese Oper so selten aufgeführt wird? Weil diese Partie recht schwierig zu singen ist? *Schulterzuck*

    "Welche Büste soll ich aufs Klavier stellen: Beethoven oder Mozart?" "Beethoven, der war taub!" (Igor Fjodorowitsch Strawinsky)



  • Ganz wage: der Nerone muss gar nicht so perfekt gesungen sein, es genügt eine bühnenwirksame Persönlichkeit wie die Axel Köhlers ofer Jochen Kowalskis.

    Paul Eswood bei Harnoncourt ist auch alles andere als perfekt, manchmal eher kläglich, aber er hat Bühnenpräsens. Das genügt manchmal für die Partie, sofern das Ensemble den Schwächen Einzelner Rechnung trägt- wozu sonst :"Ensemble"?!?
    Kommt aber auch drauf an, wohin der Regisseur sein Augenmerk richtet; Ponnelle (bei Harnoncourt ca. 1980) hatte damals den Blick für Stärken in der Schwäche.
    Heutige Countertenöre, mit Verlaub, bringen die Stimme mit, aber sind nicht "Rampensau" genug, stark vereinfacht gesagt.

    Scheint mir ein Problem im Selbstverständnis der Alti, die vor dreißig Jahren noch gegen das Image anzusingen hatten, irgendwie Exot zu sein. Heute beinahe selbstverständlich, stimmlich auch nahe an der Perfektion, aber Fremdkörper mehr denn je.
    Weil Toleranz und Gleichstellung eben doch verschiedene Dinge sind.
    Je perfekter ein Altus heute, ums so befremdlicher wird er unterschwellig wahrgenommen mit so nie gestellten Fragen nach seinem wahren Geschlecht, seiner Sexualität etc.....selbt Schwule begegnen einem Jaroussky zweifelnd, weil sie ihn nicht einzuordnen wissen.

    Dazu aber kann man im Internet mehr nachlesen wenn man möchte und die Menschen, die Sänger, sich dazu vorsichtig äußern.
    Das Blöde: Monteverdi spielt mit der Ambivalenz des Nerone, legt ihn nie fest und das macht es Sängern heute nicht leichter, die Rolle zu übernehmen.
    Behelfen könnte man sich wie zu Monteverdis Zeiten und Hosenrollen kreieren, also das Durcheinander zum Prinzip machen.
    Den Zuhörer also in jeder Hinsicht irreführen, einziger Haltepunkt bliebe die Musik selbst.

    Keine Sorge, soll keineswegs zu einer Regie- Diskussion führen- falsches Forum :etsch1: .
    Will nur sagen: Monteverdis Ansatz des Nerone mit wohl einem Kastraten, der in der Rolle sowohl männlich als auch weiblich sein soll, findet sein Pendant heute wieder in der Unlust, die Rolle zu übernehmen. Naheliegend wäre ein Jugendlicher im Stimmbruch, aber wo findet man den einen, der das singen kann über eine Spielzeit?

    Bitte entschuldige, jetzt habe ich mich verbissen an der einen Rolle und vergaß die ganze, goße Oper dabei.

    Herzliche Grüße,
    Mike

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  • Vergiß nicht, Hempel - damals hat man die Stimme eher nach dem Alter der Rolle komponiert. Jung = Alt; alt = Baß.

    Später vielleicht mehr...

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  • Ich merke, es ist ein weites Feld. Lieben Dank, Hempel!!

    Ob Nerone allerdings immer von einer "Rampensau" dargestellt werden muss, weiß ich nicht so recht. Nerone ist in dieser Oper ja im Grunde nur ein liebeskranker Herrscher, der seine Funktion als Herrscher nicht mehr so richtig wahrnimmt, weil seine Sinne quasi benebelt sind. Manchmal verhält er sich wie ein kleiner, trotziger Junge, der mit dem Kopf durch die Wand möchte, aber solche Rollen müssen, wie ich finde, nicht unbedingt von Rampensäuen gespielt werden.
    In Bielefeld ist es Ray Chenez (hier als "Marzia" in "Catone in Utica" zu sehen):


    https://www.youtube.com/watch?v=cRvzy9KBYlU

    Ich fand ihn heute großartig und sehr überzeugend. :verbeugung1: :verbeugung1:

    "Welche Büste soll ich aufs Klavier stellen: Beethoven oder Mozart?" "Beethoven, der war taub!" (Igor Fjodorowitsch Strawinsky)



  • wie ein kleiner, trotziger Junge

    So empfinde ich ihn ja auch, obwohl er viel mehr ist, was mir ebenso bewusst ist. Das ist ja das Hakelige an der Rolle: so viel zu sein in der Rolle des "kleinen Jungen". Und ist damit die eigentliche Hauptrolle- zumindest in meinem Werkverständnis.
    Das natürlich anfechtbar ist und keineswegs über alle Zweifel erhaben....aus dem Alter bin ich raus :D .

    Herzliche Grüße,
    Mike

    "Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst." Voltaire

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