Beethoven: Symphonie Nr. 3 in Es-Dur, op. 55 "Eroica" – Werk und Aufnahmen

  • Normalerweise werden dieses Thema und die folgenden, die Phrase ab 1:40 und besonders das "abstürzende" g-moll-Motiv ab ca. 1:46 als Überleitungsmotive gezählt

    war ich mir eigentlich unschlüssig. .. okay ,okay richtigen Seitensatzcharakter hat das 3. Thema.
    Ich hab das "Motiv" deshalb als 2. Thema bezeichnet, weils in der Durchführung wichtig ist.. (So ähnliches "Problem" bzw. Unschlüssigkeit hab ich im 1. Satz von Schuberts Es-Dur-Trio und im 1. Satz von Beethovens Quartett op. 130.)

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Ich habs deshalb als 2. Thema bezeichnet, weils in der Durchführung wichtig ist..


    Das ist genauso im Kopfsatz von Bruckners Vierter ... in der Durchführung gibt's eigentlich nur das erste Thema und das Überleitungsmotiv Thema 1 -> Thema 2.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • @ Amfortas: Danke für die sehr plastische Beschreibung von einer meiner allerliebsten Musiken überhaupt! :verbeugung1:

    ... Alle Menschen werden Brüder.
    ... We need 2 come 2gether, come 2gether as one.
    ... Imagine there is no heaven ... above us only sky

  • Das ist genauso im Kopfsatz von Bruckners Vierter ... in der Durchführung gibt's eigentlich nur das erste Thema und das Überleitungsmotiv Thema 1 -> Thema 2.

    Bruckner 4. hab ich gar nicht mehr auf Schirm, bis auf das Thema 1 ... also dann wäre bei Bruckners Vierter Thema 2 bloß Überleitungsmotiv ? Aber ich glaube mich irgendwie noch zu erinnern, dass es da sowas wie einen "richtigen" Seitensatz gibt...

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Danke für die sehr plastische Beschreibung von einer meiner allerliebsten Musiken überhaupt!

    danke fürs Feedback... vielleicht dient sowas ein klein wenig, um Gernhörergemeinde für Beethovens Mucke zu vergrößern...

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  • @ Amfortas: Danke für die sehr plastische Beschreibung von einer meiner allerliebsten Musiken überhaupt!

    von mir auch...
    Deiner verlinkten YT-Version nicht ganz unähnlich:
    hr-Symphonieorchester mit Andrés Orozco-Estrada

    was das 2.Thema angeht, empfinde ich es eher wie Du.
    Auch wenn wirkliche Beruhigung im traditionellen "Seitenthema"-Sinne erst später eintritt.

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • was das 2.Thema angeht, empfinde ich es eher wie Du.
    Auch wenn wirkliche Beruhigung im traditrionellen "Seitenthema"-Sinne erst später eintritt.

    ebenfallls Danke für dein Feedback.
    bei Gelegenheit werd ich mal in den entsprechenden Threads versuchen Klarheit für meine ungelösten Fragen zu den Themen der Kopfsätze von Schuberts Es-Dur-Trio und Beethovens op. 130 zu finden..
    Ich hab auch einen Mitschnitts-String auf Player mit SWRlern unter Gielen. Da bin ich immer wieder beim Reinziehn total geflascht, wie da Strukturen des Allegro con brio schier skelettartig rüberkommen und die beklemmenden Emotionen beim Fugato vom Marcia funebre .. .... um Mr. Spock zu zitieren: "faszinierend" ...

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  • was das 2.Thema angeht, empfinde ich es eher wie Du.
    Auch wenn wirkliche Beruhigung im traditionellen "Seitenthema"-Sinne erst später eintritt.


    Eben. Das Motiv ab T.45 rundet sich nicht zu einer Phrase, sondern mündet in eine ff-Passage (55), die wieder ein neues Motiv (57-64) und dann (65) das "abstürzende" Thema bringt. Alle drei sind wichtig, besonders das "flehende" erste und das "abstürzende" in der DF wohl wichtiger als der eigentliche Seitensatz ab T.83. (Sofern man nicht meint, das neue "4.Thema" sei vom Seitensatz abgeleitet.)

    Bei Bruckner 4,i ist das Seitenthema doch das "zizibeeh"-Vogelstimmen-Motiv, oder? Bei Bruckner gibt es ja eh mehr Themen. Bei Beethoven ist die Menge von ziemlich unterschiedlichen Gestalten im Kopfsatz der Eroica schon eher ungewöhnlich. Wobei ein deutliches "3.Thema" in der Schlussgruppe schon bei Mozart mehrfach vorkommt (am bekanntesten das "voi siete un po' tondo..." in der Jupitersinfonie). Bei Haydn gibt es oft nicht so einprägsame Überleitungsmotive, dann dient eine Variante des Hauptthemas als "Seitensatz" in der Dominante und ein melodisch unterschiedliches "Seitenthema" kommt erst danach (wenn überhaupt). Die Praxis in der Wiener Klassik ist immer viel reichhaltiger gewesen als die von einigen bekannten Werken Beethovens extrahierten Schulbuchmodelle.
    Wobei der Eroica-Kopfsatz aufgrund seiner Komplexität und Mannigfaltigkeit seinerzeit meiner Erinnerung nach schon als ungewöhnlich, "eher wie eine Fantasie" eingeordnet wurde. Und das neue e-moll-Thema ist definitiv weit ungewöhnlicher als zwei oder drei weitere Themen in Überleitungen oder Schlussgruppe der Exposition.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • die beklemmenden Emotionen beim Fugato vom Marcia funebre

    ja, da frage ich mich auch manchmal, was uns die sagen sollen...

    Könnte sich vielleicht diese finstere Mucke auch in Vorwegnahme des Scheiterns von ersehnten politisch-utopischen Veränderungen entzündet haben ?

    .
    sind so Fragen, die man 100 bzw 228 Jahre nach besonders siegreichen Revolutionen mal stellen kann...
    Aber irgendwie gibt das Finale ja auch Antworten, oder zumindest irgendwie einem Glauben an die Möglichkeit der "ersehnten politisch-utopischen Veränderungen" Ausdruck, oder verhöre ich mich da?

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  • Und das neue e-moll-Thema ist definitiv weit ungewöhnlicher als zwei oder drei weitere Themen in Überleitungen oder Schlussgruppe der Exposition.

    und doch trägt es Elemente der verschiedenen "Seitenthemenkandidaten" weiter - also überraschend an dieser Stelle finde ich immer wieder, wie stimmig sie klingt, auch wenn hier wirklich eine neue Melodie gebaut wurde aus Trümmern der früher erklungenen...

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  • sind so Fragen, die man 100 bzw 228 Jahre nach besonders siegreichen Revolutionen mal stellen kann...
    Aber irgendwie gibt das Finale ja auch Antworten, oder zumindest irgendwie einem Glauben an die Möglichkeit der "ersehnten politisch-utopischen Veränderungen" Ausdruck, oder verhöre ich mich da?

    ja, da frage ich mich auch manchmal, was uns die sagen sollen...

    Mein Brägen fragt sich das auch und versucht an deine Frage anzudocken.

    Dein „was uns“ checkt er als Perspektive der Gegenwart (ist andere überhaupt möglich ?)...
    .. also daraus höchst subjektiv aus der Hüfte geballert und ohne Marcia funebre dabei einzig darauf festnageln zu wollen:
    dies verstörende und gleichzeitig auch hoch pathetische Fugato käme einen möglicherweise rüber als ästhetischer Ausdruck von Verzweiflung über den verruchten Weltlauf und/oder von Schmerz über das ständige Scheitern politisch-sozialer Veränderungen. Und das nicht bloß auf unmittelbare Gegenwart bezogen. Die Ansprüche der Vergangenheit, in der die Eroica entstand, wären somit keinesfalls erledigt, abgeschlossen, abgegolten oder spurlos verklappt in ewige Müll-Gründe.. ... ....Marcia funebre-Fugato könnte uns damit auch sagen: „Es soll nicht so sein und es sollte/darf nicht so gewesen sein “ ....

    . .. wenn Beethovens geile Mucke anschließend mit fiesen Blechfanfaren dem andächtigen Hörer so brutal-sarkastisch seine Fresse poliert, dann sagt sie ihm vielleicht damit: „Hä, Hä, Denkste ! Von wegen ! Deine Hasen-Löffel sollen nicht in pathetischer Innerlichkeit abchillen, sondern checken, dass sie innerhalb des ästhetischen Scheins eingeknebelt sind, wie in so einer Art Video-Spiel. Aber die Realität ist ungleich schrecklicher “.

    Somit würde diese Passage den ästhetischen Schein vom Fugato partiell in die Tonne treten. Aber andererseits dabei nicht komplett den Kunstcharakter der „Eroica“ abschmieren lassen. Im Gegentum. Das verstärkt m.E. die Spannung der Mucke. ... ... wäre so was wie Moment von Aufklärung gegen den ästhetischen Schein, aber eben ohne ihn komplett zu verkacken ... mir kommt Coda vom Allegro con brio ähnlich rüber, indem mir da das „Heroische“ quasi tendenziell verarscht wird...
    .. justament hab ich dazu Lachenmann-Talk auf Schirm, der in seinem geilen Vortrag sehr überzeugend einen verklickerte, wie Beethovens 5. Sinfonie am Ende ihren Spielcharakter einbekennt...

    Beim Finale ist mein Brägen noch zu sehr im Grübel-Modus verhaspelt, aber der will versuchen auch da anzudocken....

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  • dies verstörende und gleichzeitig auch hoch pathetische Fugato käme einen möglicherweise rüber als ästhetischer Ausdruck von Verzweiflung über den verruchten Weltlauf und/oder von Schmerz über das ständige Scheitern politisch-sozialer Veränderungen.

    also so was wie: dieser Trauermarsch mit seinen Verästelungen als Klage über Verlauf und Scheitern der französischen Revolution?

    . .. wenn Beethovens geile Mucke anschließend mit fiesen Blechfanfaren dem andächtigen Hörer so brutal-sarkastisch seine Fresse poliert, dann sagt sie ihm vielleicht damit: „Hä, Hä, Denkste ! Von wegen ! Deine Hasen-Löffel sollen nicht in pathetischer Innerlichkeit abchillen, sondern checken, dass sie innerhalb des ästhetischen Scheins eingeknebelt sind, wie in so einer Art Video-Spiel. Aber die Realität ist ungleich schrecklicher “.

    Somit würde diese Passage den ästhetischen Schein vom Fugato partiell in die Tonne treten.

    ja, daß zwischen Fugato und anschließenden Fanfaren eine Art Perspektivwechsel stattfindet, empfinde ich auch so.

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • also so was wie: dieser Trauermarsch mit seinen Verästelungen als Klage über Verlauf und Scheitern der französischen Revolution?

    Zu mindestens spricht m.E. einiges dafür, dass franz. Revo und daraus resultierende Events, einen oder möglicherweise den Impuls zur Gestaltung der Marcia-funebre-Mucke bzw. für die "Eroica" gaben......

    ja, daß zwischen Fugato und anschließenden Fanfaren eine Art Perspektivwechsel stattfindet, empfinde ich auch so.

    Wobei der Begriff Perspektivwechsel sogar m.E. den großen Vorteil hat, dass er viel offener dem Marcia-funebre sich stellt und Mucke quasi weniger identifiziert bzw. festnagelt. Mit "behutsamer" begrifflichen Annäherung sinkt das Risiko am Gehalt der Mucke vorbeizuschrammen oder auch dass er möglicherweise sogar einen dabei wegflutscht...

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  • Finale: Allegro molto

    Erstemal Gliederung bzw. Versuch derselben - quasi als Navi für Eroica-Newcomer (Järvi-String)

    youtube.com/watch?v=6hNmLlm3yxA

    35: 32 .... Einleitung
    35: 47 .... 1. Thema zunächst Saitenquäler mit Pizzicato
    36:55 .... Variation vom 1. Thema
    37:27 .... 2. Thema
    38:09 .... 1. Thema wird variiert als Fuge (Saitenquäler)
    38:58 .....2. Thema als Variation
    39:28 .... 3. Thema (ist das jetzt Marsch oder Tanz ? Jedenfalls fetziger Drive)
    40:09 ....für mich so was wie Durchführungsabschnitt mit Thema 1 + 2
    41:36 .... 2.Thema variiert mit Holz (Poco Andante) und ab
    43:23 .... 2. Thema in Gestalt des Blechs (-> „Götterhämmerungs“-Abschnitt -> Gielen)
    44:13 .... allmählicher Zerfall des 2. Themas
    45:48 ..... Presto-Coda (ohne vorherige Fermate)

    Noch ein paar Anmerkungen:

    Gielen bestimmt Coda bereits ab Takt 351 also 43:36.

    Beim Finale bisher unschlüssig, ob Rondo, Variationssatz oder sogar Sonate, weil Chose eigentlich mit Elementen von allen dreien.

    Immer mehr Stimmen, dann erst das Thema, dann Variationen.

    Wäre Bezeichnung „Variationsrondo“ einigermaßen okay ?

    Feeling, dass die Themen 2 und 3 sich vom 1. Thema ableiten.

    Und die Einleitung hat es wieder in sich: Abkrachende 16tel der Saitenquäler gefolgt von einer Akkord-Breitseite als Schützenhilfe. Somit kriegt der arme Hörer ein Einleitungs-Paket in voller ff-Dröhnung in seine arglosen Löffel reingepfeffert. Nach Fermate folgt gleich weitere Überraschung (bald ist ja Weihnachten): nämlich (ohne h) das 1. Thema ausgerechnet in Pizzicato und p.

    „Götterhämmerungsabschnit“ 43:23 (also was Gielen in einem TV-Talk als Coda bestimmt)
    Der vorangehende Abschnitt endet mit Fermate (die gibt es in diesem Finale sowieso häufig).
    Ab Takt 351/352 ändert sich Tempo. Poco Andante, inklusive veränderter Metronombezeichnung. Das 2. Thema mit Holzbläser durch con espressione in hoher Intensität. Bei z.B. Järvi und Gielen kommt das dann auch sehr emotional rüber.

    Wenn jedoch diese Passage aber breit-quarkig genommen wird, dann kackt sie erst zum Gefühls-Kitsch ab, um daraufhin weiter umzubiegen ins Hohle, Platte, Plakative. Und so was erinnert im schlimmsten Fall an Mucken-Untermalung von Nazi-Wochenschauen. Besonders ab Takt 382; beim Einsatz vom Blech.

    Gielen hat diese gedehnte Spielweise in einem TV-Talk beschrieben, als ob es dann darum ginge, den Schluss von Wagners Götterhämmerung zu übertreffen (daher gab ich diesen Final-Teil den gleichlautenden Ritterschlag) Eine lustige Kostprobe davon in diesem String:
    https://www.youtube.com/watch?v=ZZwXUCJYJYA ab 51:04

    Ohne dröges Schleppen gewinnt dagegen dieser Abschnitt drängenden Charakter. Etwa so, als ob Mucke vergeblich versucht, das Thema erst mit erst Holz- und später Blechbläsern zum Einstand zu bringen, es gleichsam vor Verlust, Verschwinden zu bewahren.

    Aber irgendwie gibt das Finale ja auch Antworten, oder zumindest irgendwie einem Glauben an die Möglichkeit der "ersehnten politisch-utopischen Veränderungen" Ausdruck, oder verhöre ich mich da?

    Dem stimme ich voll & ganz zu und will es mir zu eigen machen (ohne es einzig darauf fest zu tuckern).

    In welche Gestalt träten dann diese Antworten ?

    Im Anschluss an der eher beschwörenden als siegreichen „Apotheose“ vom Blech (43:23) drängt sich der Eindruck auf, dass ästhetischer Ausdruck von utopischer Erwartung endgültig in sich zerbricht...
    Die anschließende fetzige Aggro-Coda (45:48), mit Rückgriff auf die Einleitung vom Finale, vermag es nicht mir diesen Bruch zu kaschieren. Im Gegentum.

    Denn so ab 44:13 beginnt das Thema zunehmend stärker zu zerfasern. Am Ende bleiben bloß davon übrig 1/2- und 1/4- und später sogar in 1/16-Fragmente. Dissoziiert von 1/8-Pausen... .. dann käme den Lauscherchen/Brägen Beethovens Eroica-Finale rüber wie die Worte von Leonore (Fidelio), die in ihrer Verzweiflung mental schier zu ersticken droht:
    ...Komm, Hoffnung, lass den letzten Stern
    Der Müden nicht erbleichen!...

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Was mich an diesem Satz immer wieder aufs Neue fasziniert und immer wieder grosse Freude bereitet ist es, wie der "Master of funk first edition" (oder auch gerne Meister der "Fetzigkeit" :) ) hier die Hauptmelodie vom Kleinen fast schon kammermusikalischen Geschehen zur grossen Geste kurz vor der Coda entwickelt. Das ist echt grosses "Ohrenkino" :verbeugung1: :verbeugung1: :verbeugung1: :verbeugung1: :verbeugung1: :verbeugung1:
    Und dann immer wieder diese herrlichen kontrapunktischen Ausschweifungen, ein ihm sehr eigenes Stilmittel.

    OT: ich war am 21.04.2017 an seinem Platz, in seiner letzten Wohnung vor seinem Flügel - freu, und - ja an seinem Ehrengrab war ich natürlich auch.

    http://www.goettgen.de/schmuck-foren/…php?pic_id=4076

    ... Alle Menschen werden Brüder.
    ... We need 2 come 2gether, come 2gether as one.
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  • Ach ja, mit dem Marcia funebre betritt der Musiker ein Land, welches seiner Zeit um mindestens 100 Jahre voraus war. Dieser Satz gehört für mich auch zu einem der schönsten Orchesterstücke überhaupt!

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  • Feeling, dass die Themen 2 und 3 sich vom 1. Thema ableiten.

    das "Feeling" beruht darauf, daß es immer der gleiche Bass ist, also eigentlich alles schon Variationen über 1 Thema sind.
    Wobei im "wilden" g-moll-Teil und noch mehr in der Coda der "thematische Kern" auf den Wechsel Tonika-Dominante zusammenschrumpft. Im g-moll Teil finden allerdings die chromatischen Anteile des Anfangs-Basses nochmal Verwendung, in Form der Neapolitaner-Schlüsse. Die chromatischen Umspielungen der Holzbläser ganz kurz vor der Coda kann man auch daher ableiten.

    Das 2. Thema mit Holzbläser durch con espressione in hoher Intensität. Bei z.B. Järvi und Gielen kommt das dann auch sehr emotional rüber.

    Wenn jedoch diese Passage aber breit-quarkig genommen wird, dann kackt sie erst zum Gefühls-Kitsch ab, um daraufhin weiter umzubiegen ins Hohle, Platte, Plakative. Und so was erinnert im schlimmsten Fall an Mucken-Untermalung von Nazi-Wochenschauen. Besonders ab Takt 382; beim Einsatz vom Blech.

    das höre ich nicht so. die utopischen Hoffnungen generieren eben auch starke Emotionen. Ich empfinde die "modernistische Masche", diese Stelle durch Flottheit möglichst lapidar zu überspielen, als emotionale Kastration. Wobei "breit-quarkig" natürlich nicht geht - aber das ist ja Geschmackssache. Mir gefällt der von mir verlinkte hr-Mitschnitt auch in diesem Punkt ganz gut. Daß es in diesem "Kampf" auch Momente entspannter Siegesgewissheit geben muss, sollte man nicht verkennen - zumal es eben hier nicht um den Schluß der Symphonie und damit ein irgendwie abschließendes Statement geht, sondern nur eine Episode, deren Stimmung nicht als bleibend vertont ist, sondern:

    Im Anschluss an der eher beschwörenden als siegreichen „Apotheose“ vom Blech (43:23) drängt sich der Eindruck auf, dass ästhetischer Ausdruck von utopischer Erwartung endgültig in sich zerbricht...

    interessant ist ja, wie die "beschwörende Apotheose" sich beruhigt, ausläuft, durch eine Modulation nach As-Dur quasi in neue ruhige Bahn geleitet wird und dann erst "zerfällt" bzw katastrophisch einfärbt - die Triolen erinnern deutlich an die "Fanfaren" im 2.Satz, laufen aber weiter in diese "zerfaserte", unklare Stimmung, in die hinein dann die Coda fährt.

    Man könnte frei assoziierend eine Art "nachrevolutionärer Dynamik" phantasieren: das siegreiche Blech ist nur ein Stadium, die revolutionäre Dynamik erlahmt und es gibt neue Verkrustungen, die zu neuen Verzweiflungen und neuen Aufbrüchen Anlaß bieten - am Ende muss wieder der Aktivismus beschworen werden - ist hier die Notwendigkeit der "permanenten Revolution" vertont?
    Oder auch nur das im Auslauf der französischen Revolution noch sehr deutliche Bewußtsein, daß es mit einer siegreichen "Revolution" noch lange nicht getan ist?

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  • Beethoven verwendet hier ja nicht nur das Thema der Variationen op.35, das aus dem Prometheus-Ballett bekannt ist (ursprünglich schon als Tanz für Klavier? komponiert), sondern auch das Verfahren, das er in den Variationen als "Einleitung mit dem Bass des Themas" beschreibt. In der Sinfonie schaltet er noch einen zusätzlichen Einleitungsabschnitt ein. Dann folgen ähnlich wie in op.35 2 Variationen über den Bass und ähnlich wie dort in der "barocken" (vgl. etwa Händels "Blacksmith") Weise Achtel -Triolen - Sechzehntel für die das "Thema" umspielenden Stimmen, bzw. kommen die 16tel hier erst bei der Vorstellung des eigentlichen Themas. Es geht dann mit freieren Variationen weiter, wobei mal das Thema, mal der Bass eher im Vordergrund stehen. Das fugato nach dem ersten Statement des eigentlichen Themas beginnt genau mit den 4 ersten Noten des Basses, dann kommt eine "Figuralvariation" mit dem Flötensolo, dann die "ungarische" g-moll, bei der vom Thema wieder nur der Bass bleibt, nochmal ein fugato, dann das "hymnische" Andante, dann die Coda.
    Soweit ich sehe, gibt es keine Etablierung eines B-Dur-Seitensatzes, der dann rekapituliert würde, d.h. Sonatensatz ist es keiner. (Das teils ähnlich geartete Finale der 9. Sinfonie hat dagegen den B-Dur-Abschnitt "alla marcia" (Froh, wie seine Sonnen fliegen) oder auch den g-moll "Seid umschlungen" quasi als Seitensatz.)

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

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