• Neunte-Mythen

    Auf der WebSite der Essener Philharmoniker kann man Folgendes nachlesen (http://www.philharmonie-essen.de/konzerte/event/31584.htm:(

    Zitat

    Der einschüchternde Mythos einer Neunten Sinfonie beeinflusste auch Gustav Mahler, wie Alma Mahler-Werfel überlieferte: "Er hatte eine solche Angst vor dem Begriff Neunte Sinfonie, da weder Beethoven noch Bruckner die Zehnte erreicht hatten. So schrieb er ,Das Lied von der Erde′ erst als Neunte, strich dann die Zahl durch und sagte mir bei der später folgenden Neunten Sinfonie: ,Eigentlich ist es ja die Zehnte, weil das ,Lied von der Erde′ ja meine Neunte ist.′ Als er dann an der ,Zehnten′ schrieb, meinte er: ,Jetzt ist für mich die Gefahr vorbei!′" Doch er täuschte sich: Diese zehnte Sinfonie konnte er nicht mehr vollenden. Die Wiener Uraufführung seines letzten vollständigen sinfonischen Werkes, also der Neunten, vor hundert Jahren, am 26. Juni 1912, sollte Mahler nicht mehr erleben. Er starb 1911 in Wien. Vor diesem biographischen Hintergrund kann man insbesondere den letzten, langsamen Satz als eine "Musik des Abschieds" hören.


    Was ist dran an diesem behaupteten "einschüchternden Mythos einer Neunten Sinfonie"? Beispiele für eine solche Wirkung gibt es ja durchaus (eben Mahler aber auch Bruckner, Dvorak [?]). Aber auch Beispiele für einen eher "offensiven" Umgang mit diesem "Mythos" sind bekannt (Schostakovich).

    Sind solche "Neunte-Mythen" "albern und hochtrabend", wie Adorno meinte? Handelt es sich lediglich um einen Aberglauben? Wenn man Schönberg folgt, wohl nicht, der seinen Zeitgenossen mitgeteilt hat:

    Zitat

    Es scheint, die Neunte ist eine Grenze. Wer darüber hinaus will, muß fort. Die eine Neunte geschrieben haben, standen dem Jenseits zu nahe.


    Was meint Ihr?

  • Bei Brahms war die Vierte bestimmt auch die Neunte. Aber die ersten Fünf hat er halt vernichtet.

    Nur weil etwas viel Arbeit war und Schweiß gekostet hat, ist es nicht besser oder wichtiger als etwas, das Spaß gemacht hat. (Helge Schneider)

  • Oder Brahms hat gedacht, wenn für Schumann 9=4, dann für ihn auch
    .
    Oder Schumann 4 + Brahms 4 = 8 ... Die Neunte um jeden Fall vermeiden !!
    Tschaikowskys Pathétique hat auch alles, um eine Neunte zu sein.

    Alles, wie immer, IMHO.

  • Äh, wieviele Sinfonien hat doch gleich mal Mozart (W.A.) geschrieben? oder gar Haydn (J.)??? ?(
    Also ich halt's mit Adorno...

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)


  • Tschaikowskys Pathétique hat auch alles, um eine Neunte zu sein.

    Tschaikowsky hat die Überlistung des Schicksals durch Krebsumkehrung versucht, aber auch er konnte dem Verhängnis nicht entgehen...

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Sind solche "Neunte-Mythen" "albern und hochtrabend", wie Adorno meinte? Handelt es sich lediglich um einen Aberglauben? Wenn man Schönberg folgt, wohl nicht, der seinen Zeitgenossen mitgeteilt hat:

    Zitat
    Es scheint, die Neunte ist eine Grenze. Wer darüber hinaus will, muß fort. Die eine Neunte geschrieben haben, standen dem Jenseits zu nahe.

    Klar ist das hochtrabend & spökenkiekerisch. Aber wenigstens hat man mit diesem Zitat einen Hinweis darauf, was Schönberg u.a. einer Sinfonie zutrauten oder mit ihr beabsichtigten. Schönberg hat nur 2 Kammersinfonien geschrieben. Die Orchesterstücke op. 16 sind wohl ein sinfonisches Werk, aber eben keine eigentliche Sinfonie. Irgendwo, vielleicht bei Adorno, habe ich gelesen, Schönberg hätte schon beabsichtigt, eine richtige Sinfonie zu schreiben.

    Nur weil etwas viel Arbeit war und Schweiß gekostet hat, ist es nicht besser oder wichtiger als etwas, das Spaß gemacht hat. (Helge Schneider)

  • Zitat

    "Er hatte eine solche Angst vor dem Begriff Neunte Sinfonie, da weder Beethoven noch Bruckner die Zehnte erreicht hatten.


    Ich finde die Mystifizierung wirklich albern. Schostakowitsch hatte Recht, dass er ein "leichtes" Werk als seine Neunte komponierte.

    Bruckner hat die Zehnte ganz und die Elfte größtenteils erreicht. ("Nullte" und Studiensinfonie f-moll mitzählen).

    Bei Schubert wissen wir ja nicht genau, wie viele es nun waren. Die "große C-Dur" gilt ja derzeit als Achte.

    Zu Beethoven: Wie wäre es hiermit? :D

    http://www.amazon.de/Beethoven-Symp…42390294&sr=8-1

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Wenn man Schönberg folgt, wohl nicht, der seinen Zeitgenossen mitgeteilt hat:

    Zitat
    Es scheint, die Neunte ist eine Grenze. Wer darüber hinaus will, muß fort. Die eine Neunte geschrieben haben, standen dem Jenseits zu nahe.


    Was meint Ihr?


    Siehe Schostakowitsch und seine Sinfonien... ;+)

    zwischen nichtton und weißem rauschen

  • Man muss wohl zwischen der tatsächlichen Relevanz des "Phänomens" (die gleich Null ist) und der wirkungsgeschichtlichen Dimension unterscheiden. Anscheinend hat die Mystifizierung für Mahler eine gewisse Rolle gespielt und Auswirkungen auf die Numerierung seiner Sinfonien gehabt. Dafür spricht die eingangs zitierte Anekdote, die nicht nur von Alma Mahler erzählt wird (was eher gegen die Überlieferung spräche), sondern unabhängig davon auch von Bruno Walter. Bleibt die Möglichkeit, dass Mahler das nicht ganz ernst gemeint hat und Alma sowie Bruno Walter mal wieder alles in den falschen Hals gekriegt haben (so vermutet jedenfalls Jens Malte Fischer).

    Auch Schostakowitschs bewusst leicht-sarkastische Neunte ist doch vermutlich ex negativo eine konkrete Auswirkung dieser Mystifizierung.


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Auch Schostakowitschs bewusst leicht-sarkastische Neunte ist doch vermutlich ex negativo eine konkrete Auswirkung dieser Mystifizierung.


    Klar, aber gestorben (was er nach Schönberg ja hätte tun müssen) ist er danach nicht... ;+)

    zwischen nichtton und weißem rauschen

  • Bleibt die Möglichkeit, dass Mahler das nicht ganz ernst gemeint hat


    oder einschlägig abergläubisch war...
    ...oder auch einfach damit kokettiert hat...

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!