CD-Editionen von Aufnahmen der Schellack-Ära (bis ca. 1950)

  • Gerade bekommen:


    CDJapan

    Ludwig van Beethoven - Symphonie Nr. 9
    (P) 1923 Grammophon / Polydor 69607/69613 (7x 78er, 30cm) deutsch
    14 Seiten: B 20150/20163 [mx. 1217/1223 as, 1225/1227 as & 195/198 az]
    rec. Herbst 1923 (rel. 12/1923)

    Ethel Hansa (s)
    Eleanor Schlosshauer (a)
    Eugen Transky (t)
    Albert Fischer (b)
    Chor der Berliner Staatsoper
    Neues Symphonie-Orchester Berlin
    Dirigent: Bruno Seidler-Winkler

    (C) 2018 Disk Union KSHKO-59 [59:25]
    Producer & GHA Restoration: Dr. Teruo Muraoka
    UPC: 4988044899780

    Das ist eine japanische Veröffentlichung im normalen Jewel Case, einem 8seitigem Booklet mit einem Text nur in Japanisch. In Englisch sind nur Tracklisting, Titel und Besetzung (leider mit Schreibfehlern) zu finden. Die CD ist gepreßt, außer der Symphonie ist nichts Weiteres drauf.

    Die Einspielung ist die erste, die jemals komplett vorgenommen wurde - sie entstand im üblichen Rahmen vor der Schellack-Veröffentlichung im Dezember 1923 (vermutlich zwischen frühestens August und spätestens Oktober 1923 aufgenommen). Es ist eine akustische Aufnahme auf 14 Seiten mit reduziertem Orchester und nahen Solisten. Die Schellacks waren an sich wohl schon im guten bis sehr gutem Zustand, wurden sauber gepitscht, klingen kräftig und für ihre Verhältnisse recht dynamisch; die Übergänge sind gar nicht erkennbar, man wird also nie aus der Kontinuität gerissen.

    Das Remastering ist sehr gründlich: das Hintergrundrauschen ist komplett weg, Knickser und Knackser sind bis auf ganz leichte, gelegentliche Laufspuren verschwunden. Dabei bleibt das Signal erstaunlich klar und nie wie weggaddiert, sondern besonders im Tutti kräftig und versiert. Die Tiefen sind schon sehr mager, die Mitten aber präsent, die Höhen leicht muffig - wie gesagt: es ist kein Hochanteil des Hintergrundrauschens dabei, wodurch dieser Effekt dann typisch ist. Insgesamt schon ordentliche Arbeit, wenn es nicht ein "Aber" gäbe.

    Ein großes Aber... :evil:

    Die ganze Zeit hört man durch die leisen Passagen ein ganz spezifisches Störgeräusch wie ein hoher digitaler Klangwirbel und ein tiefes Grummeln, und sofort wurde mir klar, was es ist: es sind Reste der weggefilterten Schellack-Laufgeräusche, die klangliche Artefakte hinterlassen haben! Sie waren einfach zu stark, als das Programm das restlos wegrechnen konnte (wenn ich richtig gegoogelt habe, dann hat Muraoka das Remastering mit einer speziellen Analyse-Software gemacht, die er wohl mitentwickelt hat). Ich weiß nicht, ob es ein Remasteringsfehler ist oder beim Pressen eine falsche Vorlage verwendet wurde - es klingt wie eine billige MP3-Datei, obwohl man eigentlich erwarten sollte, sowas Unbrauchbares nicht aus Japan beziehen zu müssen.

    Ich bin echt enttäuscht über diesen idiotischen Fehler, der zeigt, daß man akustische Aufnahmen eben doch nicht restlos von ihrer Patina lösen kann; aber richtig sauer bin ich angesichts der Tatsache, daß diese CD regulär 2667 Yen (ca. 22,- €) kostet und somit ein Hochpreisprodukt darstellt... :schimpf1:

    Ich kann keine Empfehlung für diese Ausgabe geben - und ich bekomme etwas Angst, wenn ich mir vor Augen führe, daß es noch weitere CDs von diesem Label gibt. Egal, was ich da Weiteres ins Auge gefaßt habe - jetzt habe ich sie restlos gestrichen. Diese CD vergällt mir alles.

    Teurer Schrott... :thumbdown: :thumbdown: :thumbdown: :thumbdown: :thumbdown: :thumbdown:


    PS:
    Hier zwei Links zur Einspielung:
    shellackophile
    Addiobelpassato

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Johann Sebastian Bach - Die Kunst der Fuge
    arrangiert für Streichquartett von Roy Harris & Mary D. H. Norton
    (P) 1936 Columbia Set 206 (68257-D/68266-D) bzw. ROX 136/145a (10x 78er, 30cm) 19 Seiten
    [mx. W230703/716, W230719/722, W230725]
    rec. 25. Oktober ~ 21. Dezember 1934 (New York)

    The Roth Quartet:
    Feri Roth & Jeno Antal (Violine)
    Ferenc Molnár (Viola)

    Janos Scholz (Violoncello)

    dazu:
    Completion Contrapunctus XIV
    komponiert von Donald Tovey
    (P) 1936 Columbia ROX 145b (1x 78er, 30cm) 1 Seite
    [mx. CAX 7351-2]
    rec. 10. Mai 1935 (London)

    Donald Tovey (Klavier)

    (C) 2005 Divine Art "Historic Sound" 27804 (1 CD-R) [76:15]
    Digital restoration by Andrew Rose (Pristine Audio)
    EAN: 809730780424

    Die erste Kompletteinspielung der Kunst der Fuge ist tatsächlich ein Arrangement für Streichquartett gewesen, dem innerhalb der nächsten zwei Jahre noch andere Bearbeitungen folgen sollten (2 Klaviere: Richard Buhlig & Wesley Kuhnle - Barockorchester: Hermann Diener - Orgel: Fritz Heitmann). Angefertigt hatte sie der amerikanische Komponist Roy Harris (1898-1979) zusammen mit der Übersetzerin und Violinistin Mary D. Herter Norton (1894-1985). Im Februar 1936 erschienen die Schellacks als Set in Großbritannien mit einer umfassenden Analyse, die der britische Komponist und Musikwissenschaftler Donald Tovey (1875-1940) verfaßt hatte; dabei war auch eine Seite, auf der seine Komplettierung der unvollendeten Fuge erklingt, von ihm selbst am Klavier eingespielt. Das Set war auf 1000 Exemplare limitiert, blieb aber bis weit in die 1950er Jahre im Katalog der erhältlichen Aufnahmen.

    Andrew Rose hat sehr gut erhaltene Schellacks überspielen können und konnte sie auch adäquat bearbeiten: das Hintergrundrauschen ist praktisch nicht hörbar, ganz leichte Laufgeräusche sind gelegentlich hörbar, alle groben Knackser sind entfernt worden. Die Instrumente klingen ziemlich homogen; der Baß ist etwas mager, die Mitten gut ausgefüllt, die Höhen solide ausgeprägt. Die Seitenübergänge sind nicht erhörbar. Kurz: das ist ein Remastering, mit dem man sehr gut leben kann. Toll... :thumbup:

    Die Ausgabe enthält eine gebrannte CD mit gedruckter Beschriftung, Booklet und Einleger entstammen einem Drucker - das ist die übliche Gestaltung, die Divine Art veröffentlicht. Dabei haben es die 12 Seiten des Booklets wirklich in sich: es wird über Werk, Interpreten, Bearbeiter und Remastering berichtet (nur in Englisch), mit allen Matrizennummern plus Aufnahmedaten. Insgesamt eine sehr erfreuliche CD-Edition, aber man muß halt akzeptieren, daß es kein gepreßtes Medium ist.

    Fazit: inhaltlich Knaller... :thumbup: :thumbup:

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd


  • Nicht zu vergessen: Beethoven mit dem Busch-Quartett!

     


    Viele Grüße

    Bernd

    Erst einmal allen ein gutes neues Jahr!! :fee:

    Das oben ist ein Zitat von vor 8 Jahren. Ich möchte das aufgreifen, da ich speziell zu diesen Quartett-Aufnahmen eine konkrete Frage habe.
    Ich habe neben den abgebildeten Ausgaben der Beethoven-Quartette mir auch die neuere Ausgabe von Pristine geholt, da ich verschiedentlich Lobendes über Pristine-Transfers gelesen hatte (vor allem im Thread zu Beethovens Klaviersonaten mit Schnabel).
    Beim a-moll-Quartett op. 132 finde ich nun eine deutliche Diskrepanz in der Spielzeit des 2. Satzes (Allegro ma non tanto) bei Pristine im Vergleich zu Dutton oder EMI. Die Spielzeiten sind:

    (1) EMI: 8:10 min.
    (2) Dutton: 8:03 min.
    (3) Pristine: 6:49 min.

    Es geht mir nicht um die 7 Sekunden zwischen EMI und Dutton, sondern eben um den signifikanten Unterschied von ca. 1:20 min zu der Pristine-Ausgabe. Diese rührt daher, dass sowohl bei EMI als auch Dutton die Wiederholung zwischen Takt 25 und 98 inkl. der 1a-volta-Takte 99a-103a (nach Henle-Partitur) enthalten ist, während sie bei Pristine schlicht und einfach fehlt. Trotzdem handelt es sich um dieselbe Aufnahme aus dem Jahr 1937. Sowohl Dutton als auch Pristine geben identische Nummern der Original-Matrizen an. Andrew Rose gibt in seiner "Producer's Note" an, er habe nicht von Original-Schellacks überspielt, sondern von EMI-LPs vor dem Digitalzeitalter. Tully Porter schreibt in den "sleeve notes" zur Dutton-CD, dass für op. 132 zwar etliche "reserve takes" gemacht wurden, aber insgesamt die endgültige Aufnahme aus "first takes" besteht. Daraus schließe ich (bin kein Fachmann), dass nicht auf Band sondern direkt mit Wachs-Matrizen aufgenommen wurde, jeweils Einzel-Sessions für die ca. 4 Minuten langen Passagen, die auf eine 12-inch Schellackplatte passen.

    Ich kann aus alledem überhaupt nicht verstehen, warum nun bei Pristine die besagte Wiederholung fehlt, zumal ja angeblich EMI-Vinylausgaben verwendet wurden, aber beim EMI-Transfer die Wiederholung enthalten ist. Dass die Wiederholung "einkopiert" wurde, wie es heutzutage oft gemacht wird, ist praktisch wohl auch nicht möglich auf Grund der Beschreibung von Tully Porter. Es ist ja auch so, dass es die zusätzlichen 1a volta Takte 99a-103a gibt, die definitiv aufgenommen wurden, wie man bei Dutton und EMI hören kann.

    Ein weiteres Recherchieren bei Qobuz und Amazon, wo Spielzeiten und teilweise Rückseiten-Cover angegeben sind, hat dann ergeben, dass es tatsächlich noch andere Ausgaben gibt, die nur eine Spielzeit von 6:49 min. für den 2.ten Satz des Quartetts aufweisen, zum einen Preiser Records und zudem die Fa. Infinity (mir nicht bekannt, aber eben bei Qobuz gefunden und anscheinend brandneu von 2020).

    Kann nun jemand etwas zu dieser ominösen Geschichte sagen ?? Welche Ausgabe ist die richtige ??

    VG, leverkuehn

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    Was ist heute Kunst ? Eine Wallfahrt auf Erbsen. (Thomas Mann, Doktor Faustus, Kap. XXV)

  • Nachtrag:

    Andrew Rose von Pristine Audio hat mir geschrieben: Es sei 7 Jahre her, seitdem er den Transfer gemacht hat und er könne sich nicht mehr an alles erinnern. Vermutlich sei die "Vorlage" für den Transfer eine deutsche DaCapo-Vinyl-Pressung gewesen.... er habe keine Ahnung warum die Wiederholung fehlt und werde der Sache nachgehen.
    Na, hoffen wir, dass da noch mal was kommt....

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    Was ist heute Kunst ? Eine Wallfahrt auf Erbsen. (Thomas Mann, Doktor Faustus, Kap. XXV)

  • Ludwig van Beethoven - Missa Solemnis
    (P) 1928 Deutsche Grammophon 95146/56 (11x 78er, 30cm) [B25136/56] 21 Seiten
    [mx. 655/7, 1162/4, 1169/71, 1176/8, 1212/4, 1221/3, 1230/2 bm]
    rec. ca. Mitte 1927 [mx. 655/7 bm] & Frühjahr 1928 [mx. 1162~1232 bm]

    Lotte Leonard (s) [Kyrie, Benedictus]
    Emmy Land (s) [Gloria, Credo, Sanctus, Agnus Dei]
    Elenor Schlosshauer-Reynolds (a)
    Anton Maria Topitz (t) [Kyrie]
    Eugen Transky (t) [Gloria, Credo, Sanctus, Benedictus, Agnus Dei]
    Wilhelm Guttmann (b) [Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Agnus Dei]
    Hermann Schey (b) [Benedictus]
    Wilfried Hanke (Violine solo) [Sanctus]
    Bruno Kittelscher Chor
    Berliner Philharmoniker
    Dirigent: Bruno Kittel

    (C) 2013 Deutsche Grammophon Japan UCCG-90308/9 [459 5842] (2 SHM-CDs) [85:04]
    Remastering: ???
    UPC: 4988005780614

    Dies ist die erste vollständige Einspielung von Beethovens umfangreichster Messe, erschienen Ende 1928 in einem Album mit elf Schellacks. Sie wurde über längere Zeit eingespielt: das Kyrie mit Leonard, Schlosshauer-Reynolds, Topitz und Guttmann im Jahr 1927, im Jahr darauf das Benedictus in gleicher Besetzung bis auf die Baßpartie (Schey), den Rest mit dem vorherigen Baß, aber mit Land als Sopran und Transky als Tenor. Nach den Matrizennummern zu urteilen waren das sieben einzelne Sessions über einem Zeitraum von gut 12-13 Monaten.

    Die Messe wurde zu einem Zeitpunkt in Angriff genommen, als die DG das elektrische Aufnahmeverfahren gut im Griff hatte. Die Solisten sind stets gut zu verstehen und werden vom Chor nicht überdeckt. Das Orchester klingt im Piano und im Tutti immer präsent, und der Chor - sehr groß und voluminös - verschwimmt auch nicht. Die Abstimmung ist recht gut, stößt aber im Tutti manchmal an seine Grenzen. Insgesamt für diese frühe Zeit eine sehr gute Aufnahme.

    Die Schellacks sind grundsätzlich von sehr guter Qualität: sie kratzen nicht (außer in einigen wenigen Tuttistellen), ihre Hintergrundgeräusche sind recht leise und stören das Signal kaum. Die gröbsten Knackser wurden eliminiert, leichte Schleifgeräusche der Schellacks sind vorhanden, aber nur sekundenweise existent. Das Pitching ist präzise, und die einzelnen Seiten wurden sehr gut aneinander angepaßt, so daß es gar nicht auffällt.

    Das Signal hat einen soliden Baß, eine sehr präsente Mitte und gute Höhen. Hier wurde nicht gefiltert oder nur soweit, daß kein typisches Schleifen hörbar ist. Die Aufnahme erklingt geradezu ideal in der ästhetischen und technischen Behandlung und wirkt befreit von der Patina der Zeit. Man könnte tatsächlich sagen, so könnte das damals Ende der Zwanziger auf einem Grammophon geklungen haben... :love:

    Das Tracklisting richtet sich nach den einzelnen Partien in den Sätzen:

    I 1-3: Kyrie (3 Seiten) [11:16]
    I 4-7: Gloria (4 Seiten) [17:29]
    I 8-12: Credo (6 Seiten) [22:47]
    II 1-4: Sanctus/Benedictus (4 Seiten) [17:47]
    II 5-7: Agnus Dei (4 Seiten) [15:41]

    Die CDs liegen in einem Slimcase mit der typischen Banderole vor, wie es in Japan üblich ist. Das 12seitige Booklet enthält die Besetzung, das Tracklisting, diskographische Angaben zu den Schellacks, einen Text in Japanisch sowie den lateinischen Text plus japanischer Übersetzung. Angaben zum Remastering habe ich nicht gefunden - doch es könnte daran liegen, daß ich sie nicht lesen kann, weil sie in Japanisch verfaßt wurden.

    Wie unscheinbar diese Edition wirken mag, so ist sie doch eine würdige Veröffentlichung dieser wichtigen historischen Einspielung. Das einzige Problem ist, daß sie halt nur als Import erhältlich ist - und inzwischen auch wohl nicht mehr lieferbar. Doch die Japaner haben hier wieder die Nase vorn gehabt, wenn es darum geht, Schellackschätze zu heben.

    Uneingeschränkte Empfehlung... :thumbup: :thumbup: :thumbup: :thumbup: :thumbup: :thumbup:

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Super interessant. Ich habe mir Kittels Matthäus P angeschafft, noch nicht gehört. Hoffe sie ist ebenso gut gemacht. Vielleicht greife ich dann auch bei dem Beethoven zu - wenn noch möglich.

    Angaben zum Remastering habe ich nicht gefunden - doch es könnte daran liegen, daß ich sie nicht lesen kann, weil sie in Japanisch verfaßt wurden

    falls Interesse besteht, eine Freundin von mir könnte schauen, ob was dazu dasteht.

  • Ich habe mir Kittels Matthäus P angeschafft, noch nicht gehört. Hoffe sie ist ebenso gut gemacht.

    Interpretatorisch finde ich sie schon gut, nur das Remastering ist wenig ergiebig. Allerdings gibt es nichts anderes auf CD.

    falls Interesse besteht, eine Freundin von mir könnte schauen, ob was dazu dasteht.

    Danke - so wichtig ist es mir nicht... :thumbup:

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    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

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  • Interpretatorisch finde ich sie schon gut, nur das Remastering ist wenig ergiebig. Allerdings gibt es nichts anderes auf CD.

    Gerade die erste Hälfte angehört und finde die Tonqualität auch extrem "historisch", also eine der wriklich schwierig anzuhörenden historischen Aufnahmen, kann es aber nicht mit deinem fachmännischen Vokabular beschreiben. Viel Rauschen und alles sehr dumpf, aber ich habe mich darauf eingelassen, und so beeinträchtigt das meinen Hörgenuss nur in den Chor Nummern. Schade, dass so viel gekürtzt ist, denn ich finde es ist trotz allem ein Juwel, vielleicht spielt bei diesem Eindruck auch meine Vorstellungskraft mit, also einfach die Idee, dass diese Aufnahme so alt ist. Schön aber gewiss wegen Evangelist und Jesus, auch der Alt gefällt mir sehr. Und wie die Knaben sich im Eingangschor einsetzen....wirklich berührend. Morgen dann der 2. Teil.

  • (P) 1977 Acanta FA 23076 (3 LPs)

    [mx. 23851/87] 78er (30cm) 37 Seiten

    rec. 19. April 1935 (Gewandhaus Leipzig) Radio-Mitschnitt

    Elisabeth Feuge (s)

    Margarete Klose (a)

    Koloman von Pataky (Evangelist, t)

    Paul Schöffler (Jesus, b-bt)

    Kurt Böhme (b)

    Karl Hoyer (Orgel)

    Friedbert Sammler (Cembalo)

    Leipziger Universitäts-Kantorei und Madrigalkreis

    Knabenchor der Petri-Schule Leipzig

    Leipziger Sinfonie-Orchester

    Dirigent: GMD Hans Weisbach

    (C) 1991 Preiser Records 90099 (2 CDs) [145:49] mono

    Remastering: ???

    EAN: 717281900997


    Dies ist die älteste deutschsprachige Einspielung der MP, die sich bis dato erhalten hat: die Aufzeichnung einer Aufführung, die am Karfreitag des Jahres 1935 in Leipzig stattfand. Sie wurde im Radio übertragen und auch auf Schellacks gesichert, um sie vermutlich später nochmals senden zu können. Es handelt sich dabei um Matrizen, die speziell für die Radiogesellschaften verwendet und anders bespielt wurden (von innen nach außen). [Da mir das Booklet der CD-Ausgabe nicht vorliegt, kann ich keine weiteren Angaben zu den Matrizen machen.]

    Da das Werk am Stück aufgeführt wurde, wurden damals übliche Kürzungen vorgenommen: es fehlen die Nummern 23, 29, 38, 41, 48, 51, 55, 61, 65, 66, 70 und 75 ganz (von 78). Darüber hinaus sind mir zwei Stellen in den Rezitativen aufgefallen, die nicht auftauchen: wenn es um den Blutacker geht (Nr. 50) sowie das Finale in Nr. 76, wenn die Priester von Pilatus verlangen, das Grab bewachen zu lassen.

    Die Schellacks waren an sich noch in einem sehr guten Zustand: es gibt keine nennenswerten Tonschwankungen, die Nebengeräusche beschränken sich auf das übliche Nadelrauschen und manchen leichten Läufern. Der Tonraum ist insgesamt sehr homogen wiedergegeben: magere Bässe, gute Mitten und solide Höhen. Die Solisten hört man immer deutlich heraus, Chor und Orchester decken sich kaum zu, die Soloinstrumente bleiben ebenfalls klar hörbar. Die Dynamik ist mittel ausgeprägt, und alle Beteiligten sind auf der Klangbühne stets ortbar. Eine für damalige Umstände sehr gut gelungene Live-Aufzeichnung.

    Die Überspielung ist sauber gepitcht, die Übergänge wurden unhörbar vollzogen, die Tracks sind gut gesetzt. Das Remastering beschränkt sich darauf, gröbste Knackser zu entfernen, ohne die Patina anzugreifen. Insgesamt eine sehr gut gelungene Edition dieser Aufnahme, die dazu einlädt, sich voll und ganz der Interpretation zu widmen.

    Fazit: klasse... Grins2 Grins2 Grins2 Grins2

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    Einmal editiert, zuletzt von Josquin Dufay (13. April 2022 um 16:29)

  • Ludwig van Beethoven

    Symphonie Nr. 3

    (P) 1938 Telefunken E 2311/6 [46:57]

    [Matrizen: 022144/55] 78er (30 cm) 12 Seiten

    rec. 09. Juni 1937

    Richard Wagner

    Tannhäuser-Ouvertüre

    (P) 1934 Telefunken E 1424/5 [13:07]

    [Matrizen: 019162/4] 78er (30 cm) 3 Seiten

    rec. 13. Juni 1933

    Philharmonisches Orchester Berlin

    D: Eugen Jochum

    (C) 1993 Teldec "Historic" 9031-76444-2 [60:06] mono

    Remastering: ?

    EAN: 090317644424


    Jochums Aufnahmekarriere begann in den frühen 1930er Jahren bei Telefunken, die damals neu begründet worden war. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges machte er diverse symphonische Einspielungen, zumeist mit den Berlinern. 1937 spielte er für das Label seine erste Beethoven-Symphonie ein, die 3. - der Wagner dagegen entstand vier Jahre davor, vermutlich seine erste Studio-Aufnahme überhaupt.

    Die Vorlagen waren im soliden bis sehr guten Zustand: die Hintergrundgeräusche bleiben stets in einem reduzierten Rahmen, wobei je nach Stelle auch gröbere Schleifgeräusche zu hören sind. Knackser wurden dank der damals neuen CEDAR-Technik fast komplett entfernt, doch das Signal hat seinen Körper behalten. Die Seiten wurden präzise gepitcht, die Übergänge sind gelegentlich erkennbar, aber nicht störend.

    Das Orchester klingt nah, detailreich und dennoch geschlossen. Die Bässe sind solide, die Mitten präsent, die Höhen sehr klar und schleifen so gut wie nicht. Insgesamt eine Edition, die klanglich Vergnügen macht.

    Versehen mit einem ordentlichen Booklet bedaure ich nur, daß es darinnen keinerlei Infos zu den Schellacks gibt (außer dem Aufnahmedatum); die obigen Informationen mußte ich selber nachrecherchieren. Doch ansonsten ist es eine sehr gute Ausgabe, die auch heute ihre Qualitäten hat.

    Sehr gut... :top: :top: :top: :top:

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  • Letzte Woche hatte ich mich wieder mit Stokowski beschäftigt und wühlte meine Aufnahmen durch. Dabei stieß ich wieder auf die Causa Dvorak 9. Man erinnere sich:

    Darinnen ist der gleiche dürftige Transfer der 1934er Einspielung mit einer Menge schönender Filterungen, die leider alles schlimmer gemacht haben als nötig (siehe hier: Documents-Box & Grammofono-CD). Und ich war ziemlich traurig, weil ich keine andere CD-Ausgabe fand, die besser war...

    Nunja, ich rechnete nicht damit, daß es doch eine Erlösung gibt:

    (C) 2004 Andante 2986-2989 (4 CDs)

    In diesem Set liegt ebenfalls die 1934er Dvorak 9 vor - und diesmal paßt es: großartiger Transfer, tolles Remastering, feine Patina. So habe ich mir das gewünscht... :saint:

    Dabei war mir das Set bereits aufgefallen, aber erst jetzt habe ich den Inhalt aufgelistet gefunden. Und ich hatte das Glück, ein Exemplar zum machbaren Preis einsacken zu können. Denn Andante war kein Billiglabel - ihre CDs waren hochpreisig und sind praktisch alle Out of Print.

    Ich werde sicherlich noch das Set komplett vorstellen, aber die Sache mit der 1934er Einspielung mußte ich doch mal extra erwähnen... :)

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

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  • Ludwig van Beethoven
    Symphonie Nr. 9

    (P) 1928 Polydor 66657/63
    [Matrizen: 564/7 bm, 586/8 bm, 633/9 bm] 78er (30cm) 14 Seiten
    rec. Mitte 1927

    Lotte Leonard (s)
    Jenny Sonnenberg (a)
    Eugen Transky (t)
    Wilhelm Guttmann (b)
    Bruno Kittelscher Chor
    Orchester der Staatsoper Berlin
    D: Oskar Fried

    (C) 2000 Naxos "Historical" 8.110929 [61:16]
    transferred by David Lennick
    EAN: 636943192924

    In den 1920er Jahren war die Deutsche Grammophon bemüht, ihren Beethoven-Zyklus in elektrischer Aufnahmequalität abzuschließen. In den vier Jahren ab 1926 dirigierten sechs renommierte Dirigenten alle neun Werke. Oskar Fried wurde nur für die 9. verpflichtet - die Aufnahmen zogen sich über drei Sessions hin, die mit großer Wahrscheinlichkeit Mitte 1927 stattfanden (Veröffentlichung wohl Anfang 1928).

    Die Schellacks waren grundsätzlich im guten Zustand: die Seiten sind sauber gepitscht, der Klang ist vernünftig - die Bässe etwas mager, die Mitten gut, die Höhen etwas matt (was typisch ist für Lennicks Arbeit). Die Nebengeräusche verbleiben dezent im Hintergrund, mit wenigen Laufgeräuschen an einigen der Seitenwechsel. Knackser sind entfernt worden, wobei manchmal doch einige Reste auftauchen. Insgesamt immer noch eine gute Realisierung, obwohl es doch bereits neuere Remasterings gibt (z.B. Mark Obert-Thorn).

    Die Übergänge der Seiten sind sauber realisiert, die Editierung mit vier Tracks üblich, das vierseitige Booklet hat einen informativen Text zum Werk und der Aufnahme (nur in Englisch). Die Edition erweist sich immer noch als eine empfehlenswerte Ausgabe dieser Aufnahme...:thumbup:

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Josquin

    Ich bin eben auf Deinen Thread gestossen.
    Ich bin „Freelancer“ für ein Schellack-Archivierungs Projekt und habe schon einige hundert 78-er und auch Pathe Platten digitalisiert.
    Siehe hier:

    Schweizerische Stiftung Public Domain (publicdomainpool.org)

    oder

    An die Liebhaber von historischen Aufnahmen aus der Schellackzeit. - Musik: Erwerben - Capriccio Kulturforum (capriccio-kulturforum.de)

    Wir haben klar das Ziel, nicht zwingend eine „beschönigte“ oder „Hörer-konforme“ Version zu speichern, sondern das unveränderte Roh-Material, das wir möglichst unverfälscht vom Plattenteller zur FLAC Datei transferieren wollen.

    Da ich Zugang zu diversen Originalen habe, höre ich kaum historische Aufnahmen auf CD oder LP. Allerdings sind neuere Bearbeitungen mit den aktuellen IT & KI (?) Möglichkeiten erstaunlich effizient. So können unsere „wahrlich knisternden Digitalisate“ auch in Zukunft mit den jeweils neusten Methoden noch nach-optimiert werden.

    Wobei Du richtig erwähnst: Das „Original“ hat halt dieses gewisse Etwas, das bei vielen Überspielungen verloren ging : Knistern & Knacksen gehören für mich dazu !

    Du verwendest den herrlichen Begriff „Patina“… ;)
    Dazu kommt noch das Haptische Erlebnis: es ist schon etwas Besonderes, ca. 100-jähriges Kulturgut in den Händen zu haben…und zu wissen, wie zerbrechlich dieses sein kann!
    Aber daher versuchen wir ja, wenigstes den Inhalt oder Zweck (Die MUSIK) dieses Kulturgutes (Die Platte) der Zukunft und für die Öffentlichkeit in digitaler Form zu erhalten

    Gruss

    Urs

    Eine wenig beachtete „Schellack-Weisheit“ besagt:

    Die Wahre Seele der Musik versteckt sich hinter Knistern und Rauschen….

  • Dazu kommt noch das Haptische Erlebnis: es ist schon etwas Besonderes, ca. 100-jähriges Kulturgut in den Händen zu haben…und zu wissen, wie zerbrechlich dieses sein kann!

    Oja, bei Schellacks ist mir das immer wieder bewußt, besonders wenn man manchmal Abbilder alter Walzen oder frühen Schellacks vor sich hat...C:::C

    Aber daher versuchen wir ja, wenigstes den Inhalt oder Zweck (Die MUSIK) dieses Kulturgutes (Die Platte) der Zukunft und für die Öffentlichkeit in digitaler Form zu erhalten

    Eine wichtige Sache, denn die Exemplare dünnen immer mehr aus. Sowas muß auch besonders behütet werden.

    Da ich Zugang zu diversen Originalen habe, höre ich kaum historische Aufnahmen auf CD oder LP. Allerdings sind neuere Bearbeitungen mit den aktuellen IT & KI (?) Möglichkeiten erstaunlich effizient. So können unsere „wahrlich knisternden Digitalisate“ auch in Zukunft mit den jeweils neusten Methoden noch nach-optimiert werden.

    Inzwischen bin ich als Hörer ziemlich gut damit vertraut, was möglich ist. Ich weiß, was eine echte Patina der Musik noch geben kann, aber es gibt halt auch immer eine gute Möglichkeit, es nachzuarbeiten. Eine Frage der Güte, der Klangästhetik und auch der technischen Notwendigkeiten.

    Ein vielfältiges Thema - das war auch ein wichtiger Grund für mich, diesen Thread zu erstellen...:)

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

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