Gustav Mahler: Kindertotenlieder

  • Gustav Mahler: Kindertotenlieder

    Allein die Vorstellung dieser persönlichen Katastrophe möchte man niemandem wünschen – den Tod der eigenen Kinder zu erleben, die Schuldgefühle danach, die quälenden Fragen, wie man es verhindern hätte können.
    Und dann liest Gustav Mahler (1860-1911) eine Textsammlung von Kindertotengedichten des deutschen Dichters Friedrich Rückert (1788-1866), die dieser nach dem Scharlachtod seiner beiden jüngsten Kinder 1834 geschrieben hat, und er wird dadurch zu fünf Orchesterliedern für mittlere Singstimme inspiriert, zum letztendlich ersten, dritten und vierten 1901, zum zweiten und fünften dann 1904, als er nach außen hin ein glücklicher Familienvater ist.
    Die Antizipation des Todes der eigenen Tochter Maria mit vier Jahren an Diphtherie im Jahr 1907 wird durch ein bekanntes Zitat von Mahlers Frau Alma genährt, die nicht verstehen konnte, dass jemand solche Lieder komponiert, während Kinder vergnügt im Garten spielen.
    Uraufgeführt wurden die Kindertotenlieder (Gesamtdauer etwas mehr als 20 Minuten) am 29.1.1905 in Wien unter der Leitung des Komponisten.

    Die fünf Lieder:
    Nun will die Sonn´ so hell aufgehn
    Nun seh´ ich wohl, warum so dunkle Flammen
    Wenn dein Mütterlein tritt zur Tür herein
    Oft denk´ ich, sie sind nur ausgegangen
    In diesem Wetter, in diesem Braus

    Die Texte der Lieder:
    "http://www.marieleneudecker.co.uk/Resources/Kind…7Songs%20on.pdf"

    Persönliche Beobachtungen: Zu kammermusikalisch transparentem Orchestersatz (nur das letzte Lied ist üppiger instrumentiert) versuchen die Eltern der verstorbenen Kinder in den großteils fast deklamatorisch erzählenden Liedern (geht man vom dritten Lied aus wohl der Vater, aber der Zyklus wird vielfach auch von Mezzosopranistinnen gesungen), ihrer Fassungslosigkeit und Erschütterung, der Verzweiflung und der Suche nach Erklärungen sowie nach Trost Worte und Töne zu geben. Eine aufsteigende Tonfolge im zweiten Lied mag an Wagners „Tristan und Isolde“ erinnern, und am Ende des fünften Liedes zeichnet sich der Trost für die Hinterbliebenen mit der Gewissheit des Glaubens an die Geborgenheit der Kinder bei Gott ab.

    Die nun folgenden persönlichen Höreindrücke gehen davon aus, dass man Betroffenheit nicht messen kann, jede Aufnahme entfaltet ihre individuell sehr berührende künstlerische Anteilnahme für dieses Thema.

    Schicksalsschwere 26 Minuten Zeit nimmt sich Leonard Bernstein (CD Box Sony SX12K 89499) in seiner Aufnahme vom 16.2.1960 im St. George Hotel in Brooklyn (New York) mit der amerikanischen Sängerin russisch-jüdischer Herkunft Jennie Tourel (1900-1973). Die Erschütterung überträgt sich, getragen vom gemeinsamen Atem zwischen Sängerin und Orchester, unmittelbar auf den Hörer.

    Leonard Bernsteins am 1., 5. und 6.11.1974 im Mann Auditorium in Tel Aviv (Israel) entstandene Aufnahme mit der ungleich dramatischer als Tourel singenden sehr persönlichkeitsstarken 1933 geborenen britischen Mezzosopranistin Janet Baker und dem Israel Philharmonic Orchestra (ebenfalls CD Box Sony SX12K 89499) ist akustisch plastischer, direkter eingefangen. Die Streicher sind hier zurückgedreht. Bernstein gibt sich noch breiter als 1960 dem Schmerz und der Trauer hin, 28 ½ Minuten lang. Unheimlich mutet einmal mehr beim Wiederhören der Text des dritten Liedes an im Hinblick auf den ein paar Jahre nach dem Lied eingetretenen Tod der eigenen Tochter. Bernstein gelingen hier auch magische, ganz große Momente, im zweiten Lied bei „Ihr wolltet mir mit eurem Leuchten sagen“, und im letzten Lied mit der letzten, der „Troststrophe“.

    Das breitflächige, transparente Wiener Klangpanorama, das Lorin Maazel und die Wiener Philharmoniker in ihrer Aufnahme der „Kindertotenlieder“ entwerfen, bettet die mit leichtem Akzent eindringlich deklamierende Agnes Baltsa in eine nahezu verklärend beschützende Hülle ein (CD Box Sony SX14X87874). Maazel nimmt sich ähnlich Bernstein auch viel Zeit, 27 Minuten lang ist ssine Aufnahme, eingespielt zwischen 24. und 30.4.1985 (eine andere Quelle grenzt auf den 25.4.1985 ein) im Wiener Musikverein.

    Bei der Monoaufnahme mit Bruno Walter, den Wiener Philharmonikern und der englischen allzu früh an Brustkrebs verstorbenen Altistin Kathleen Ferrier (1912-1953) aus dem Jahr 1949 (4.10. Kingsway Hall, London), 23 ½ Minuten Spieldauer, ist die Solostimme extrem stark in den Vordergrund gerückt (gehört von 4 CD-Set Designo/Membran 222514). Trotzdem hört man das Orchester auch erstaunlich differenziert. Dies ist eine sehr emotionale, leidenschaftliche Interpretation. Kathleen Ferriers markante dunkle Stimme gibt der Betroffenheit eine besonders eindringliche Note, und die Solistin wird von Bruno Walter vehement gefühlsstark dabei unterstützt. Eine starke, sehr unmittelbar berührende Aufnahme.

     

    Leonard Bernsteins Liveaufnahme aus dem Großen Saal im Wiener Musikverein vom Oktober 1988 mit Thomas Hampson und den Wiener Philharmonikern, für CD (aus CD Box DGG 459 080-2 gehört) und Fernsehen (DVD DGG 00440 073 4167) festgehalten, lässt alle im leidenschaftlichsten Sinn im Unglück baden. Bernstein dehnt den Zyklus wie 1974 in Israel auf über 28 Minuten. Hampsons linearer tonreiner Gesang (auch mit sehr sauber geführter Oberstimme) wird von irisierender Wiener Klangschönheit getragen. Dies ergibt nahezu eine Verklärung der Trauer. Die Fernsehaufzeichnung im wie immer bei Bernstein „rot tapezierten“ Musikverein ist streng konservativ und extrem ruhig gehalten: Standbilder auf den Sänger, auf Bernstein und wo Soli gespielt werden auf die jeweiligen Orchestersolisten.

    Was mich betrifft so verehre ich Leonard Bernstein, der sich immer total in die Musik fallen lässt über alles, und im Wiener Philharmoniker Klang fühl´ ich mich zu Hause, von den mir bekannten Aufnahmen finde ich was Bernstein betrifft aber die mit Janet Baker und darüber hinaus Ferrier/Walter am eindringlichsten.

    Hier ist der Thread für Gustav Mahlers Kindertotenlieder.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • erstes lied (= licht und dunkel)

    die absteigende linie, die gleich zu beginn das optimistische naturereignis des sonne aufgehens ("nun will die sonn’ so hell aufgehn"), aus dem pessimistischen blickwinkel des im unglück schwebenen menschen (musikalisch) wiedergibt, macht unmittelbar eine lichtverdunkelnde subjektive kriesenstimmung (im gegensatz zur "allgemein" aufgehenden sonne) zum thema des liedes. insgesammt scheint mir das erste lied ein licht-contra-dunkelheit-lied zu sein. das "ew’ge licht", dass von takt fünfundfünfzig bis siebenundfünfzig in es2 mündet, zum höchsten ton des liedes wird, ist sicherlich als grenzüberschreitender höhepunkt zu betrachten, der anschließend, mit dem wort "versenken", gleich wieder in moll untergeht. mit "ein lämplein verlosch in meinem zelt!" wird der schluß in ein entgültiges "licht" geworfen, in das einer (subjektiven) dunkelheit. nur das "ew’ge licht" hat für einen augeblick eine die musikalische finsternis erhellende kraft, die das sein der toten im jenseits, den im diesseits seienden menschen tröstend andeutet.

  • Vielen Dank an AlexanderK für diese wunderbare Einführung in diese wirklich besonderen Lieder.

    Ich kenne folgende Einspielungen:


    Dies ist offenbar die erste Einspielung der Lieder von Dame Janet; hier mit Sir John Barbirolli. Baker singt die Lieder sehr eindringlich und packend, dabei emotional gefasst und mit der ihr eigenen vornehmen Reserviertheit, ohne kühl oder distanziert zu wirken. Ich kenne die zweite Einspielung nicht und kann deshalb nicht sagen, ob sich ihre Interpretation nennenswert gewandelt hat. Sie schafft, unterstützt von der breiten Lesart Barbirollis (27 Minuten), eine tief traurige, aber bei aller Trauer etwas abgeklärt wirkende Deutung der Lieder. Man hat das Gefühl, dass sie tatsächlich von dem Gedanken getröstet ist, dass die Kinder von Gottes Hand behütet sind.


    Brigitte Fassbaenders Zugang ist ein ganz anderer - sie singt viel zupackender und dramatischer als Dame Janet, ihre Trauer ist viel extrovertierter und verbitterter, sie geht stimmlich viel mehr in die Vollen (In diesem Wetter) und der Schluss wirkt seltsam resigniert - hier ist kein frommer Trost in der Vorstellung der Kinder bei Gott, sondern geradezu neurotisches Einreden, und damit eine große Selbsttäuschung. Chailly und das Berliner DSO sind etwas schneller unterwegs (26 Minuten), schaffen aber dennoch eine eindringliche und beklemmende Athmosphäre.

    Mir gefallen letzlich beide Interpretation sehr gut, jede für sich hat etwas authentisches und damit packendes, und letztlich ist bei etwas so persönlichem wie Trauer und Verlust auch klar, dass keine Interpretation einer zweiten ähnelt - jeder erlebt dieses Thema ja anders und hat andere Erfahrungen damit gemacht.

    "Nichts gleicht der Trägheit, Dummheit, Dumpfheit vieler deutscher Geiger."

    Max Bruch (1838-1920)

  • In meinem Bestand finden sich neben Baker/Barbirolli noch folgende Aufnahmen:

    Siegfried Lorenz (Bariton), Gewandhausorchester Leipzig, Kurt Masur.

    Anne Sofie von Otter (Mezzosopran), Wiener Philharmoniker, Pierre Boulez.

    Und als Klavierversion diese: Christian Gerhaher (Bariton), Gerold Huber (Klavier).

    Diese Fassung empfinde ich trotz der eindringlichen Interpretation von Gerhaher als insgesamt zu karg. Da fehlen mir die Mahlerschen Farben doch sehr und der Kontrast zwischen schwelgerischer Begleitung und todtraurigem Gesangston.

    Die anderen Einspielungen muss ich noch genauer vergleichshören, im Moment fehlt mir leider die Zeit dazu.

    :wink:
    Renate

    Unsre Freuden, unsre Leiden, alles eines Irrlichts Spiel... (Wilhelm Müller)

  • Fassbaender und Baker sind auch meine Favoritinnen unter den Ladies - noch deutlich vor Christa Ludwig mit Karajan :wacko: oder gar Kirsten Flagstad, deren hoch gerühmte Aufnahme unter Boult gar nicht mein Fall ist

    Bei den Gentlemen möchte ich ganz nachdrücklich Dietrich Henschel empfehlen l-l Henschel zeigt sich in dieser zehn Jahre alten Aufnahme als ein großer Gestalter, der das Grauen und die Seelenpein, die diesen Liedern zugrundeliegen, schonungslos und eindrucksvoll hörbar macht. Das Hallé Orchestra spielt unter Nagano brilliant und hochkonzentriert. Die äußerst direkte und transparente Aufnahmetechnik mag nicht jedermanns Sache sein - für mich ist sie ein entscheidendes Argument für diese Aufnahme, denn wohl selten hat man die Feinheiten von Mahlers Instrumentierung, die Schönheit der Holzbläserpassagen so unmittelbar vermittelt bekommen wie hier. Rückert- und Wunderhornlieder sind auf dem gleichen hohen Niveau.


    Cheerio,

    Lavine :wink:

    “I think God, in creating man, somewhat overestimated his ability."
    Oscar Wilde

  • Bei den Gentlemen möchte ich ganz nachdrücklich Dietrich Henschel empfehlen

    Danke für diesen Tip - ja, Henschel kann ich mir sehr gut in diesen Liedern vorstellen.

    Das Hallé Orchestra spielt unter Nagano brilliant und hochkonzentriert. Die äußerst direkte und transparente Aufnahmetechnik mag nicht jedermanns Sache sein - für mich ist sie ein entscheidendes Argument für diese Aufnahme [...].

    Hält sich denn Herr Nagano mit seinem Gegrunze und Geächze zurück? Das stört mich z.B. bei Bernarda Finks Berlioz- und Ravel-CD extrem... 8| (besonders bei leisen Stellen...)

    "Nichts gleicht der Trägheit, Dummheit, Dumpfheit vieler deutscher Geiger."

    Max Bruch (1838-1920)

  • Davon ist hier nichts zu hören - er hatte wohl damals seine Tropfen genommen :rolleyes:


    Phu, ein Glück - dann kann ich über eine Anschaffung dieser CD nachdenken. Danke für die Info. 8+)

    "Nichts gleicht der Trägheit, Dummheit, Dumpfheit vieler deutscher Geiger."

    Max Bruch (1838-1920)

  • Vor längerer Zeit habe ich mich einmal recht ausführlich mit der Diskographie der "Kindertotenlieder" beschäftigt und möchte darum neben den schon genanten noch auf diese Einspielungen hinweisen, die mich - jede auf ihre Art und Weise - beeindruckt haben. Vielleicht ergibt sich die Gelegenheit für mich, sie in nächster Zeit wieder intensiv (und mit Notenmaterial) zu hören. Dann gebe ich gern eine jeweils etwas ausführlichere Einschätzung - natürlich wie immer aus meiner bescheidenen Perspektive:


    Dietrich Fischer-Dieskau, Berliner Philharmoniker, Rudolf Kempe (1955)
    Auch wenn ich nicht zum Kreis der Hardcore-Bewunderer Fischer-Dieskaus gehöre, so muss ich eingestehen, dass das schon eine sehr eindrucksvolle Aufnahme ist. Nun, es ist ja auch eine frühe Aufnahme und die sich später einschleichenden Manierismen sind hier noch so gut wie überhaupt nicht da. Somit finde ich sie auch deutlich berührerender als die acht Jahre später entstandene DG-Eisnpielung mit Böhm.


    Waltraud Meier, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Lorin Maazel
    Wenn man nicht das Lied von Maazels Oberflächlichkeit nachplappert, sondern hinhört, dann ist man auch mit der Paarung Waltraud Meier und Lorin Maazel sehr gut bedient. Die Meier finde ich höchst eindrucksvoll, gerade was ihre Durchdringung des Textes angeht. Maazel lässt sehr intensiv und differenziert gestalten.


    Andreas Schmidt, Cincinatti Symphony Orchestra, Jesús Lopéz-Cobos
    Andreas Schmidts Stimme mag nicht jedermanns Sache sein. Tatsächlich hat er hier ein sehr schnelles Vibrato, bringt dabei aber eine fantastische Stimmbeherrschung und die Fähigkeit zu einer wirklich berührenden Textauslegung mit.


    Bryn Terfel, Philharmonia Orchestra, Gisueppe Sinopoli
    Ebenfalls eindrucksvoll. Terfels Stimme ist viel schwerer, dunkler, maskuliner als die der bisher genannten. Infolge dessen klingt die Klage um die Kinder auch gänzlich anders als bei leichteren Stimmen. Weniger elegant, eher herb, düster, bedrückt. Gesteigert wird dieser Charakter nur noch in dieser Einspielung


    George London, Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester, Otto Klemperer (17.10.1955)
    Würde man eine Stimme wie die Londons heute noch für diese Lieder besetzen? Wir haben hier eine Stimme die nach Wotan und Boris Godunow klingt. Groß, schwarz, im Vergleich zu einem Hampson geradezu grob. Aber das ist es auch, was das spezielle Moment dieser Einspielung aus dem Jahre 1955 ausmacht. Man lauscht einem trauernden Fels, blickt in eine zerklüftete Psyche. Meines Erachtens unbedingt hörenswert.

    Schließlich diese oben vom Général im Nebensatz "abgewatschte" Aufnahme


    Christa Ludwig, Berliner Philharmoniker, Herbert von Karajan
    Wie ich meine, eine von Karajans gelungensten Mahler-Einspielungen (neben der in der gezeigten Ausgabe gezeigten Sechsten). Christa Ludwig auf dem Höhepunkt ihrer Interpretationskunst, viel intensivier als mit Vandernoot und um einiges inspirierter als mit dem eher öd den takt schlagenden Böhm. Tatsächlich überzeugt sie mich noch deutlich mehr als Dame Janet Baker.

    :wink: Agravain

  • Lieber Alexander, danke für diese schöne Einführung.
    Zu diesem Zyklus höre ich gerade einen SWR 2 Radiomitschnitt mit dem Kulturwissenschaftler und Mahler-Biographen Jens Malte Fischer, der sich nicht nur mit der Diskographie sondern vor allen Dingen mit einer Einordnuing des zyklus in Mahlers Werk und einer Interpretation befasst.
    Schon die Auswahl der 5 Texte aus immerhin 28 Kindertotenliedern Rückerts ist erstaunlich. Nach welchen Kriterien hat Mahler hier gewählt? Auf den ersten Blick würde man vielleicht gar nciht sofort an den Tod der Kinder denken und gerade diese subtile Einführung in das Thema finde ich so erschütternd. Der Verlust eines Kindes gehört zum schlimmsten was einem Menschen im Leben zustossen kann und hat manchmal so weitreichende Folgen für die Familie, dass Leben unmöglich wird. Dafür Worte und Töne finden zu wollen ist bereits ausgesprochen mutig und wenn es dann so gelingt wie bei Mahler mit Rückerts Textvorlagen, kann man nur voller Bewunderung sein. Fischer sagt, dass dieser Zyklus in der Literatur vergleichsweise wenig beachtet wird. An der Musik kann das nciht liegen, vielleicht am Thema, mit dem sich Menschen eher ungern befassen?
    In meiner engen Familie gab es einen tragischen Unfalltod eines dreijâhrigen Kindes, den zu fassen und mit dem Weiter-Leben zu vereinbaren für die Eltern unmöglch war. Diesem Kind sind nacheinander Vater, Mutter und eine Schwester in jungen Jahren nachgestorben. Eine einzige Schwester, die zum Zeitpunkt des Todes noch nicht geboren war, hat diese Familienkatastrophe überlebt. Wenn ich die Kindertotenlieder damals schon gekannt hätte wâren sie mir vielleicht ein Trost gewesen- die Tatsache dass Rückert und Mahler(wenn auch später) selbst betroffen waren, gibt dem Werk für mich noch eine andere Dimension. Alma Mahlers Entsetzen über diese "vorgreifende"Kompostion kann ich bei oberflâchlicher Betrachtung zwar nachvollziehen, aber man kann es auch genau andersherum betrachten: dadurch dass Mahler sich bereits intensiv künstelerisch mit dem Thema auseinandersetzen musste/konnte/wollte, konnte er vielleciht anders mit der Tragödie umgehen als seine Frau?Vielleiht war es gerade eine Gnade seines Schicksals, dass er nciht vollkommen unvorbereitet mit dem Tod seiner Tochter konfrontiert wurde? Das ändert zwar überhaupt ncihts am Schmerz aber vielleicht doch etwas an den Möglichkeiten und inneren Ressourcen, damit trotz allem weiterzuleben? Das sind nur Fragen die ich mir stelle, keine Antworten.

    Meine bisher unangefochtene Lieblingseinspielung bleibt die mit Kathleen Ferrier.
    Ich kenne aber lange nciht alle der hier vorgestellten Aufnahmen. :fee:

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Das ändert zwar überhaupt ncihts am Schmerz aber vielleicht doch etwas an den Möglichkeiten und inneren Ressourcen, damit trotz allem weiterzuleben?

    Das Thema / das 'Medium' dieser Lieder scheint irgendwie dies: das Ende vs. das Weiter und die Trostlosigkeit vs. dem Trost. DIe Lieder halten eine ganz eigentümliche Balance zwischen diesen beiden Polen, bzw. biegen sie permanent zueinander. Sie vermeiden dabei sowohl den religiösen Kitsch (der naheläge und existenziell sofort verzeihlich, künstlerisch aber vernichtend wäre) als auch den expressionistischen Verzweiflungsdurchschlag.

    erstes lied (= licht und dunkel)

    die absteigende linie, die gleich zu beginn das optimistische naturereignis des sonne aufgehens ("nun will die sonn’ so hell aufgehn"), aus dem pessimistischen blickwinkel des im unglück schwebenen menschen (musikalisch) wiedergibt, macht unmittelbar eine lichtverdunkelnde subjektive kriesenstimmung (im gegensatz zur "allgemein" aufgehenden sonne) zum thema des liedes. insgesammt scheint mir das erste lied ein licht-contra-dunkelheit-lied zu sein. das "ew’ge licht", dass von takt fünfundfünfzig bis siebenundfünfzig in es2 mündet, zum höchsten ton des liedes wird, ist sicherlich als grenzüberschreitender höhepunkt zu betrachten, der anschließend, mit dem wort "versenken", gleich wieder in moll untergeht. mit "ein lämplein verlosch in meinem zelt!" wird der schluß in ein entgültiges "licht" geworfen, in das einer (subjektiven) dunkelheit. nur das "ew’ge licht" hat für einen augeblick eine die musikalische finsternis erhellende kraft, die das sein der toten im jenseits, den im diesseits seienden menschen tröstend andeutet.


    Ein schöner und tragfähiger Ansatz, das am konkreten Lied zu beschreiben was ich oben mit den beiden Polen meinte bzw. ihrer Einheit. Ich höre außerdem eine ganz besondere Spannungs-Einheit zwischen der stellenweise 'heiligen Nüchternheit' des Textes - "die Sonne, sie scheinet allgemein" (das Wort übrigens mit seinem leichten Melisma fast sinnlich-spielerisch angehaucht); "Du musst nicht die Nacht in dir verschränken" - und dem zum Choral tendierenden meditativen Bläsersatz, dominiert durch die 'helle' Oboe... Das "ew'ge Licht" hingegen höre ich eher wie eine Litanei, wie eine Arbeit - es ist die für mich am wenigsten tröstende, am weitesten vom Blick auf das 'Weiter' der Natur, des Tages, entfernte Stelle.

    (Höre Jessye Norman unter Ozawa; nur zu empfehlen.)

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    Musica est exercitium metaphysices occultum nescientis se philosophari animi

  • Erstmal muss ich einen Fehler in meinem letzten Beitrag berichtigen, Rückert hat nicht 28 sondern 428 Kindertotenlieder geschrieben, eine geradezu unglaubliche Aktivität und laut Jens Malte Fischer sass er von morgens 4 bis nachts am Schreibtisch und sein Schreiben hatte manische Züge. Was Recordatorio oben zum Changieren zwsichen Schmerz und trost sagt, finde ich sehr schön. Christian Thielemann, der die Kindertotenlieder ablehnt, "weil sie so trostlos seien und er Musik hören/dirigieren will, die wenigstens am Ende gut ausgeht, so wie Beethovens 5." (wurde so von Fischer im Radio zitiert...) hat vielleicht nciht Alles aus diesem Zyklus gehört oder verstanden. ?(
    Das Ende des 5. Liedes (Bei diesem Wetter bei diesem Braus") weist eindeutig zu paradiesischem Trost: Tonartwechsel in Dur, langsames Tempo, Verschlankung der Stimme und des Orchesters, Orchestrierung.
    Schon die Tatsache, dass die Harfe in diesem Zyklus eine so grosse Rolle spielt, weist für mich ebenfalls in Richtung Transzendenz und Trost. Die Kunst Mahlers besteht jedoch gerade darin, dass dieser Trost , wie Recordatorio sagt, vollkommen kitschfrei ist. In diesen 5 Liedern wird m.E. der gesamte Trauerprozess durchlaufen und das verleiht ihm eine so erschütternde Menschlichkeit: vom Nichtglaubenwollen ("oft denke ich sie sind nur ausgegangen") , über verschiedene Arten von Schmerz (nur der wirklich zornige und sich gegen das Schicksal auflehnende Schmerz kommt nciht vor, zumindest sehe ich ihn nicht, und finde das bei diesem Thema eher erstaunlich), Schuldgefühle (bei diesem Wetter), Resignation und Ergebung bis zum Trost und der Hoffnung, mit den Kindern in einer anderen Welt wieder vereinigt zu werden. Mich berührt besonders die Zeile aus dem ersten Lied: "Das Unglück geschah nur mir allein, die Sonne scheint allgemein"
    Die Welt dreht sich weiter und die Sonne scheint weiter in all ihrer hellen Heiterkeit, selbst wenn uns das Schlimmste und Dunkelste passiert, das vorstellbar ist. Sie kümmert sich nicht um unser Leid. Rückert war ein Orient-Forscher, der über 30 Sprachen lesen konnte und ich frage mich ob er in diesen Gedcihten nciht auch buddhistische oder taoistische Gedanken zum Umgang mit dem Leiden eingearbeitet hat?
    Ich habe heute mittag nochmal die Einspielung von Kathleen Ferrier und Bruno Walter gehört. Der leichte Akzent der Ferrier stört mich bei diesem Repertoire leider doch ein bisschen, aber abgesehen davon ist das fûr mich immer noch Referenz.

    :fee:

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Rückert mag Orientalist gewesen sein, aber wo in den (von Mahler vertonten, die anderen kenne ich nicht) Texten gäbe es buddhistische oder taoistische Gedanken? Die Bilder, Symbole und Vergleiche scheinen mir doch alle recht deutlich christlich (wenn auch manchmal vage) geprägt zu sein: "sie sind uns nur voraus gegangen", "auf jenen Höhn", das "ew'ge Licht", "Heil sei dem Freudenlicht der Welt", "sie ruhen wie in Abrahams Schoß der Mutter Haus", "von Gottes Hand bedecket".

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Rückerts Interessen richteten sich in das Arabische und Persische, nicht ins Fernöstliche. Es machte seine hohe Sprachkunst aus, die Makamen des Hariri adäquat im Deutschen wiedergegeben zu haben. Ansonsten bietet wikipedia eine Aufzählung der Sprachen, die er beherrschte - nichts mit fernöstlichen Anschlusspunkten, wohl aber hat er den Koran (wenigstens teilweise) übersetzt.

    Zitat


    Mit folgenden 44 Sprachen hat sich Friedrich Rückert übersetzend, lehrend oder sprachwissenschaftlich beschäftigt:

    Afghanisch, Albanisch, Altkirchenslawisch, Arabisch, Armenisch, Äthiopisch, Avestisch, Azeri, Berberisch, Biblisch-Aramäisch, Englisch, Estnisch, Finnisch, Französisch, Gotisch, Griechisch, Hawaiisch, Hebräisch, Hindustanisch, Italienisch, Kannada, Koptisch, Kurdisch, Latein, Lettisch, Litauisch, Malaiisch, Malayalam, Maltesisch, Neugriechisch, Neupersisch, Pali, Portugiesisch, Prakrit, Russisch, Samaritanisch, Sanskrit, Schwedisch, Spanisch, Syrisch, Tamil, Telugu, Tschagataisch, Türkisch.

    Liebe Grüße Peter

    .
    Auch fand er aufgeregte Menschen zwar immer sehr lehrreich, aber er hatte dann die Neigung, ein bloßer Zuschauer zu sein, und es kam ihm seltsam vor, selbst mitzuspielen.
    (Hermann Bahr)

  • Ein paar unsortierte Gedanken zu den Kindertotenliedern: Große Lyrik sind meiner Meinung nach weder die gesamten 428 Kindertotenlieder, noch die fünf von Mahler ausgewählten (obwohl die sicherlich zu den besseren zählen). Trotzdem gehören die Kindertotenlieder für mich zum Allergrößten, was das deutsche Kunstlied hervorgebracht hat. Und das nicht trotz, sondern auch wegen der Texte. Paradox? Nur auf den ersten Blick. Kaum ein Liedkomponist war in der Auswahl seiner Liedtexte so skrupulös wie Mahler. Nur verleichsweise wenige Texte kamen für ihn zur Vertonung in Frage, waren für ihn gute Liedtexte. Und in diesem Auswahlprozess spielte literarische Qualität ganz offensichtlich eine untergeordnete Rolle. Nach welchen Kriterien hat Mahler also seine Liedtexte allgemein, und im Fall der Kindertotenlieder speziell ausgewählt? Christian Gerhaher hat dazu in einem Interview gesagt:

    "Die Lyrik, die Mahler benutzt, [...] ist eine einfache Lyrik [...], die keine grossen hermeneutischen Probleme aufwirft, die aber Mahler benutzen konnte, um Themen seines Lebens, die ihn immer beschäftigten [...] exemplarisch immer wieder aufscheinen zu lassen. Es ist also nicht mehr eine Art der Textdeutung, die illustrativ und eindeutig sein möchte, wie [...] beispielweise bei Schubert [...] oder Wolff [...], sondern eine Art der Textausdeutung, die eher zur Mehrdeutigkeit neigt. Nicht so sehr willentlich, wie [...] bei Schumann [...], sondern eher [als] eine Textinterpretation, die sich im Assoziativen ergeht, die also kleine Sätze nimmt [und] musikalisch kurz und prägnant begreifbar macht, aber [...] [damit] ein Thema in den Raum stellt, [das] sich dann in assoziativen Klanggebilden [ergeht]. [...] Es wird also nicht mehr versucht, den Text adäquat und treu zu behandeln, sondern der Text wird, wie Mahler selbst sagt, [...] als "Steinbruch" behandelt, aus dem sich [Mahler] das nimmt, was er für [die Schilderung] seine[r] Empfindungen braucht."

    Obwohl diese Aussagen auf die Wunderhorn-Lieder gemünzt sind, passen sie aus meiner Sicht auch auf die Kindertotenlieder. Mahler braucht für seine Art des Komponierens klar-umrissene, umittelbar einleuchtende Situationen, die es ihm erlauben, mit ganz geringen Mitteln eine allgemein-verständliche Atmosphäre zu erzeugen, eine Grundstimmung, die dann von der Musik transzendiert wird. Bestes Beispiel ist für mich das letzte Lied. Themen sind u.a. die grausame Welt und Natur, die menschliche Ohnmacht und zum Schluss die Transzendenz, die in der Abwendung von der Welt gefunden wird. Der Text ist für Mahlers Zwecke absolut perfekt: "In diesem Wetter, in diesem Braus..." - 6 Worte reichen aus, um eine Stimmung zu erzeugen. Ein Unwetter wird da beschrieben, das Mahler zunächst einmal ganz naturalistisch in den blitzartig gezackten absteigenden Streicherfiguren illustriert. Dem wird nun auf den zweiten Teil des Satzes "nie hätt ich gelassen..." ein anderes Motiv in den Bläsern entgegengestellt, das man vielleicht als "trotzige Klage" bezeichnen könnte. Hier werden, um mit Gerhaher zu sprechen, zwei Halbsätze musikalisch kurz und prägnant begreifbar gemacht. Zugleich geschieht aber auf musikalischer Ebene viel mehr als diese pure Textillustration: Mahler hat zwei einander gegenüberstehende Themen eingeführt, die im folgenden miteinander Ringen. Eigentlich braucht es ab hier keinen weiteren Text mehr, das musikalische Geschehen entwickelt sich aus sich selbst heraus weiter. Allerdings bietet die Strophenform mit den Ostinato-haften Wiederholungen der ersten Zeile Mahler im Folgenden die Gelegenheit, die Spannung jedesmal anzuziehen, quasi jedesmal einen neuen Anlauf zu nehmen. Mahler benutzt also einerseits den unmittelbar illustrierbaren Textinhalt der ersten zwei Zeilen, um sein Thema einzuführen, und andererseits die Textform der folgenden Zeilen (deren genauer Inhalt ihn weniger zu interessieren scheint), um dieses Thema zu entwickeln. Diese Form von Verquickung von Sprache und Musik erfordert natürlich eine sehr spezielle Textvorlage, die entsprechende (nicht unbedingt literarische) Qualitäten aufweist. Übrigens kümmert sich Mahler erstaunlich wenig um die Proportionen der literarischen Vorlage. Den letzten Halbsatz "und ruhen ...", der ihm in einem erneuten Fall von wörtlicher Textillustration als Anlass dient, den rein musikalischen Konflikt aufzulösen und zu transzendieren, dehnt er quasi ins unendliche, um der entsprechenden musikalischen Idee den Raum zu geben, den sie benötigt. Dabei greift er auch (durch Wortwiederholung "sie ruhen, sie ruhen") direkt in den Text ein, der nur noch dazu dient, dem Hörer eine Brücke zu der absoluten (im Sinne von: gar nicht illustrativer) Musik zu bauen, die Mahler schreibt, mit dem Ziel, die Emotionen des Komponisten unmittelbar erfahrbar zu machen. Diesem Zweck kommt Rückerts Lyrik, wie hier im Beispiel aufgezeigt, auf ideale Weise entgegen. Mit Liedkomposition im Sinne der deutschen Romanitk hat das, wie Gerhaher zurecht feststellt, nichts mehr zu tun.

  • buddhistische Lehren wären ja nicht fernöstlich, sondern in Sanskrit und Pali verfasst. Ein großes Interesse deutscher Philosophen und Dichter an indischer Religion und Philosophie bestand in der Zeit ohne Zweifel. Es gibt ja "Die Weisheit des Brahmanen" von Rückert, ich weiß aber nicht, inwiefern sich das explizit auf hinduistische Lehren bezieht.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Ansonsten bietet wikipedia eine Aufzählung der Sprachen, die er beherrschte - nichts mit fernöstlichen Anschlusspunkten, wohl aber hat er den Koran (wenigstens teilweise) übersetzt.

    Zitat

    Mit folgenden 44 Sprachen hat sich Friedrich Rückert übersetzend, lehrend oder sprachwissenschaftlich beschäftigt:

    Afghanisch, Albanisch, Altkirchenslawisch, Arabisch, Armenisch, Äthiopisch, Avestisch, Azeri, Berberisch, Biblisch-Aramäisch, Englisch, Estnisch, Finnisch, Französisch, Gotisch, Griechisch, Hawaiisch, Hebräisch, Hindustanisch, Italienisch, Kannada, Koptisch, Kurdisch, Latein, Lettisch, Litauisch, Malaiisch, Malayalam, Maltesisch, Neugriechisch, Neupersisch, Pali, Portugiesisch, Prakrit, Russisch, Samaritanisch, Sanskrit, Schwedisch, Spanisch, Syrisch, Tamil, Telugu, Tschagataisch, Türkisch.

    :faint: Unglaublich!

    Auch wenn Indien nicht ganz ferner Osten ist: die hinduistichen Upanischaden/Veden sind in Sanskrit und der buddhistische Kanon ist in Pali geschrieben, Sprachen die Rückert kannte.

    Rückert mag Orientalist gewesen sein, aber wo in den (von Mahler vertonten, die anderen kenne ich nicht) Texten gäbe es buddhistische oder taoistische Gedanken?

    Der Taoismus scheidet nun ohnhehin aus, wenn er keine Übersetzungen gelesen hat, aber was den Buddhismus angeht, wäre das immerhin môglich. Wenn er sogar ein Buch über die Weisheit des Brahmanen geschrieben hat, war ihm die Lehre von der Loslösung von allem irdischen Leiden durch gleichmûtiges Annehmen des Leidens wie der Freuden gewiss vertraut. Das waren aber nur Assoziationen meinerseits und wahrscheinlich sogar reine Projektionen , denn man kann Gedanken wie "Das Unglück geschah nur mir allein, die Sonne scheinet allgemein" auch mit christlicher Schicksalsergebenheit interpretieren.
    Was mich nur etwas wundert, ist dieser "annehmende" Ton, der frei von Verzweiflungs- , Auflehnungs- und Zornesausbrüchen gegen dieses grausame Los ist. Rückert hat immerhin zwei Kinder verloren. Und das ihn das serh beschäftigt haben muss, zeigt ja schon die Tatsache dass er 428 Gedichte dazu geschrieben hat.
    Aber all das kann eine Sache des Temperaments und der Erziehung sein und muss gar nichts mit philosophischen oder religiösen Überbauten zu tun haben.
    Wie auch immer: Mahler ist hier ein grossartiges Kunstwerk gelungen und wenn er mehr Zeit gehabt hätte, hätten wir nach den Kindertotenliedern und dem Lied der Erde gewiss noch Liedschöpfungen ungeahnter Qualitât von ihm bekommen. :fee:

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Liebe Capricciosi!

    Das Lied von der Erde ist ja ebenfalls von einer erschütternden literarischen Qualität! Aber da hat Christian Gerhaher mit seiner Interpretation ganz recht, dass nämlich literarische Kleinodien nicht zwangsläufig die besten Vorlagen für Musikwerke sind. Man vergleiche ein anderes Genre: Die meisten Shakespeare-Opern, auch die meisten Opern nach Schiller oder meinetwegen nach Goethe sind weder im Vergleich zur Vorlage, noch als Oper an sich wirklich erfreulich (Ausnahmen: Massenets "Werther", Verdis "Don Carlos" und "Falstaff"). Aber aus zünftigen Schundheftln kann man Meisterwerke von "Traviata" bis "Lulu", von "Simon Boccanegra" bis "Lady Macbeth von Mzensk", von "Manon" bis "Il tabarro" und von "Carmen" bis "Cavalleria Rusticana" stricken.

    Beim Kunstlied ist es vielleicht ein bisschen besser. Aber ein wirklich gutes Gedicht braucht keine Musik, und man ist als Komponist von der Genialität der Vorlage doch irgendwie eingeschränkt. Mit den Rückert'schen Gedichten kann man ebenso wie mit den Chinoiserien von Hans Bethge alles machen, sie protestieren nicht und nehmen nichts übel.

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Und daß ihn das sehr beschäftigt haben muss, zeigt ja schon die Tatsache dass er 428 Gedichte dazu geschrieben hat.

    Rückert hat über 10 000 Gedichte verfaßt, er hat einfach über alles eine Menge geschrieben.
    Zuviel sollte man nicht reininterpretieren.

    Alles, wie immer, IMHO.

  • Die meisten Shakespeare-Opern, auch die meisten Opern nach Schiller oder meinetwegen nach Goethe sind weder im Vergleich zur Vorlage, noch als Oper an sich wirklich erfreulich (Ausnahmen: Massenets "Werther", Verdis "Don Carlos" und "Falstaff"). Aber aus zünftigen Schundheftln kann man Meisterwerke von "Traviata" bis "Lulu", von "Simon Boccanegra" bis "Lady Macbeth von Mzensk", von "Manon" bis "Il tabarro" und von "Carmen" bis "Cavalleria Rusticana" stricken.

    Moment. Das ist doch kein Schund. Schon gar nicht die Vorlagen zu La Traviata, Lulu, Lady macbeth, Manon, Carmen. Echt nicht! Die anderen Vorlagen kenne ich nicht.

    Aber wahrscheinlich habe ich unseren areios einfach missverstanden.

    Ins Gebüsch verliert sich sein Pfad, hinter ihm schlagen die Sträuche zusammen.

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