Händel: Giulio Cesare in Egitto, HWV17

  • Händel: Giulio Cesare in Egitto, HWV17

    Heute abend werde ich die Generalprobe im Frankfurter Opernhaus besuchen. Freue mich schon gewaltig. Morgen werde ich dann hier meine Eindrücke schildern.

    In Vorbereitung auf diesen Abend habe ich gelesen: [Blockierte Grafik: http://ecx.images-amazon.com/images/I/41z5c-dk8HL._SL500_AA300_.jpg]
    (Die Graphik stammt von Amazon; zum Verlinken bin ich zu blöde).

    Eigentlich wollte ich hier kurz etwas über die Entstehungszeit der Oper aus diesem Buch zum besten geben, aber letztendlich steht alles schon bei wikipedia. So wird es zu dieser Oper von mir morgen nur meinen Bericht über die Generalprobe geben.

    Bis dahin!
    Gruß
    Ballawatsch

    "Die Philister, die Beschränkten,
    Diese geistig Eingeengten,
    Darf man nie und nimmer necken.
    Aber weite, kluge Herzen
    Wissen stets in unsren Scherzen
    Lieb und Freundschaft zu entdecken."
    Heinrich Heine

  • Bitteschön:

    Einfach die ISBN-10-Nr. nehmen (nur Ziffern, keine Zeichen wie "-") und mit "am" codieren wie bei CDs, dann geht's.

    Viel Freude in der Oper! Vielleicht gehe ich da auch noch hin.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • So, nun habe ich mich wieder etwas gefasst... Also, wie versprochen, etwas über die Generalprobe:

    Als ich nach zehn Minuten auf die Uhr schauen wollte, begann das Schlußduett des ersten Satzes (Son nata a lagrimar / Son nato a sospirar,
    e il dolce mio conforto, ah, sempre piangerò...). Genauso schnell vergingen der zweite und dritte Akt.

    Fragt man mich, weshalb ich die Vorstellung so kurzweilig fand, kann ich mit Sicherheit die großartige Leistungen der Sänger/innen nennen :klatsch: . Die Musik aus dem Orchestergraben war klar strukturiert. Gespannt bin ich auf weitere Barockunternehmungen dieses Dirigenten, Herrn Erik Nielson :klatsch: . Leider war die gewohnte Brillianz aus dem Graben nicht zu hören. Da hätten ruhig ab und an musikalische Funken sprühen können. Da ich das Orchester hier kenne, frage ich mich, ob dieser Mangel nicht auch durch das Instrumentarium (das zum Teil den Musikern gestellt worden ist??) zustande kam.
    Die "Tragkraft" der Gambe war für diesen großen Saal nicht ausreichend. Im 2. Rang kamen nur noch Geräuschfetzen an. Auch die Geigen und Bratschen klangen wie durch Watte :hide: (mit Ausnahme der Soli). Trotzdem eine gute Leistung des Orchesters und eine Steigerung bei der Premiere wird es da sicherlich noch geben.

    Die Inszenierung war weder Fisch noch Fleisch :thumbdown: . Einen Zusammenhang zwischen den Handlungssträngen und dem Geschehen auf der Bühnen konnte ich nicht finden. Der übermäßige Gebrauch der Bühnentechnik sichert wenigsten die Arbeitsplätze der Tecniker an den städtischen Bühnen. Das Bühnenbild und die Kostüme passten sehr gut in dieses Nichtkonzept. Wenn ich wenigsten einige gute Ideen gefunden hätte...

    Jedem, der sich für die Musik interessiert, kann ich nur zu einem Opernbesuch raten. Man darf sich nur nicht von dem Geschehen auf der Bühne ablenken lassen. Wer die Oper als Gesamtkunstwerk genießen will, muß hart im Nehmen sein.

    Gruß
    Ballawatsch

    "Die Philister, die Beschränkten,
    Diese geistig Eingeengten,
    Darf man nie und nimmer necken.
    Aber weite, kluge Herzen
    Wissen stets in unsren Scherzen
    Lieb und Freundschaft zu entdecken."
    Heinrich Heine

  • Na ja, da bin ich ja mal gespannt was mich morgen erwartet!

    DerGIULIO CESARE ist eine meiner Lieblings Opern.

    Allerdings hat mich gewundert , die Besetzung des Cesare mit einem Bariton.
    Spielte man eigentlich nur in den 60 u. 70 Jahren noch.

    Heute vorzugsweise mit Counter , Mezzo , Contralto .

    Aber ich werde es sehen u. hören.
    M. NAGY ist ja ein super Bariton.

    LG in großer Vorfreude
    palestrina

    „ Die einzige Instanz, die ich für mich gelten lasse, ist das Urteil meiner Ohren. "
    Oolong

  • Ich habe die Premiere auch gesehen und war insgesamt enttäuscht. Die Idee mit der Film-Welt wäre ja durchaus plausibel gewesen (wegen der Verfilmungen mit E. Taylor), wenn nur diese Ideen etwas wirksamer umgesetzt worden wären.
    Beispiel: Während Cleopatras Arie im 2. Akt "Se pietà" läuft als Projektion ein Filmabspann. Schöne Idee, doch warum an dieser Stelle? Dann hätte man eigentlich den Akt mit dieser Arie schließen lassen müssen. Warum diese Idee nicht am Schluss der Oper?

    Die Optik hat mir wieder einmal nicht gefallen. Der Blick auf das Innere eines Schwimmbeckens o.ä. und zum achwievielten Mal die C&A-Klamotten ließen bei mir keine Atmosphäre aufkommen.

    Musikalisch hat mir am besten die Interpretation des Orchesters unter Erik Nielsen gefallen. Es ist schon beachtlich, dass ein Nicht-Barock-Spezialist die Partitur heutzutage auf demselben Niveau wiedergeben kann wie eben ein Spezialist.
    Sängerisch war es durchwachsen. Natürlich habe ich mich auch gewundert über die Besetzung der Titelpartie mit einem Bariton, aber Michael Nagy zog sich mit Anstand aus der Affäre, sang die Koloraturen einigermaßen präzise in der für einen Bariton unbequemen Lage.
    Demgegenüber gab Brenda Rae doch eine sehr farblose Cleopatra mit seelenlos heruntergesungenen Koloraturen. Wer scheinbar alles richtig macht, kann trotzdem alles falsch machen.
    Normalerweise müsste ich als Händel-Fan alle Aufführungen sehen, aber es wird wohl bei dieser einen bleiben, auch wenn der Zustrom angeblich gewaltig ist. Aber wer kann schon wider den Strom schwimmen....?
    LG
    Sesto

  • Giulio Cesare gibt es in der wohl schönsten anti-Hippen Aufnahme einer Barock-Oper überhaupt.

    Auf Deutsch, ohne Kontratenöre, mit Transponierungen und Oktavierungen ... aber ein Fest der Stimmen!

    Alles, wie immer, IMHO.

  • aber ein Fest der Stimmen!

    Klingt so, der Besetzung nach. Aber an Händel-Opern in deutscher Sprache muss ich mich noch herantasten. Diese Aufnahme wäre aber bestimmt ein guter Start ;+)

    :wink: :wink:

    Christian

    Rem tene- verba sequentur - Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen

    Cato der Ältere

  • Ein lesenswertes Buch über Händel Opern, mit CD Empfehlung , von der sehr versierten S. Leopold .

    Und eine wunderschöne neue Einspielung des GIULIO CESARE
    mit einer hinreissenden MARIE-NICOLE LEMIEUX als Cesare
    KARINA GAUVIN eine auftrumpfende Cleopatra
    ROMINA BASSO eine Cornelia voller Trauer und sehr Ausdrucksstark
    EMOEKE BARATH einen Sesto mit starker Stimme , im Duett mit Cornelia , verbinden sich beide aufs aller feinste !
    Ein sehr emotionales Duett !

    Und das Dirigat von Alan Curtis ist sehr direkt und ausgewogen , die Rezitative überhaupt nicht Langweilig !

    LG palestrina

    „ Die einzige Instanz, die ich für mich gelten lasse, ist das Urteil meiner Ohren. "
    Oolong

  • Hier zwei weitere persönliche Höreindrücke, vielleicht für viele zu enthusiastisch, aber so bin ich halt ;) , und gleich auch Einiges zum Werk für diesen Thread, Quelle die Beilagen zu unten genannter DVD und CD sowie https://de.wikipedia.org/wiki/Giulio_Cesare :

    Was für eine Oper, was für eine Aufführung!

    Es geht um Georg Friedrich Händels am 20.2.1724 im King´s Theatre in Haymarket in London uraufgeführte, auf ein Libretto von Nicola Francesco Haym komponierte, fast vierstündige italienischsprachige Oper in drei Akten Giulio Cesare in Egitto HWV 17 und die auf DVD verfügbare Aufzeichnung einer Aufführung aus Glyndebourne von 2005.

    Hat man zuvor wie der Schreiber dieser Zeilen chronologisch Almira, Agrippina, Apollo e Dafne, Rinaldo, Acis and Galatea und die Brockes-Passion gehört, besticht einmal mehr zu allererst Händels Entwicklung der „musikdramatischen Charakterpranke“. Hier entwirft er noch schärfer durchgezeichnete, einprägsame Charaktere. Alle Arien sind punktgenau zugeschnitten und alles fügt sich, auch subtil bis prachtvoll instrumentiert, schon allein musikalisch zu einer der ganz großen Opern der Musikgeschichte zusammen.

    Alexandria nach der Schlacht von Pharsalus, 48 vor Christus. Cesare hat Pompeo besiegt. Tolomeo, König von Ägypten, serviert über seinen Heerführer Achilla Cesare den Kopf des Besiegten. Pompeo hinterlässt die trauernde Witwe Cornelia und den jungen sofort rachedurstigen Sohn Sesto. Tolomeos Schwester Cleopatra, ihrerseits machtinteressiert, becirct Cesare, getarnt als Hofdame Lidia, erfolgreich und verliebt sich dabei auch in ihn. Wir zittern mit, wenn Cornelia, kurzzeitig Sesto und dann auch noch Cleopatra von Tolomeo gefangengenommen werden, wir erleben, wie Sesto seine Mutter vor dem Selbstmord bewahrt, wie der opportunistische Achilla die Seite wechselt und im Kampf stirbt, wir überleben mit dem vermeintlich ertrunkenen Cesare einen Wassersturz, wir überlassen es mit Cornelia Sesto, Tolomeo zu töten und damit den Tod des Pompeo zu rächen und wir feiern nachdem Cesare Cleopatra gerettet hat mit Cesare und Cleopatra den Friedensschluss zwischen Rom und Alexandria.

    Punktgenau brillant hat Händel den Charakteren ihre Musiken zugewiesen.

    Cesare ist die natürliche Autorität des gleichwohl selbstbewusst agierenden Herrschers, der sich dann aber durchaus gerne verliebt.

    Cleopatra ist die schillernde Figur der Oper mit der extremsten Wandlung, vom jungen Schwesterchen über die Verführerin, die um den Geliebten Bangende, die Gefangene bis zur Königin.

    Cornelia ist die feinfühlig Trauernde, die erst am Ende nach der vom Sohn vollzogenen Rache etwas auftaut.

    Sesto ist der tatendurstige Bursche, emotional übermotiviert vorschnell und überhitzt zur raschen Aktion neigend.

    Tolomeo ist der gefährliche Böse des Dramas, ein schlauer, skrupelloser, diabolischer Machtspieler.

    Und Achilla, der für sich Cornelia erhofft hat, der aber dann erkennen muss, dass Tolomeo dies nur so dahinversprochen hat, um ihn gefügig zu machen, nutzt es auch nichts, sofort die Seite zu wechseln, er endet wie Tolomeo.

    Mag man die acht individuell-exzeptionellen Cleopatra-Arien herausstreichen, die den Sopranistinnen einen ungeheuren Facettenreichtum abverlangen, sich aber eben auch zu einer der schillerndsten Opernfiguren der Musikgeschichte zusammenfügen?

    Oder die berückende Trauer der Alt-Cornelia, eine Arie ergreifender als die andere?

    Oder den nur wenn er sich verliebt nicht so ganz gefestigten Mezzosopran-Cesare, der auch acht Arien zu singen hat?

    Und dann dieser (in Glyndebourne) Mezzo-Sesto, der beherzt Ungestüme?

    Oder die beiden Bösen, Tolomeo (Alt) und Achilla (Bass), die nicht melodisch, aber musikcharakterlich genauso enorm beeindrucken?

    Nun doch – nachhaltig möchte man sich speziell Cleopatras Arien einprägen. Die Arie Nr. 4 im 1. Akt Priva son d’ogni conforto, e pur speme des sich behaupten möchtenden Schwesterchens, die Verführerin zu Beginn des 2. Akts mit der Arie Nr. 19 V’adoro pupille, ihr Bangen um Cesare in der schicksalsschweren Arie Nr. 29 Se pietà di me non senti, dann die verzweifelte Gefangene im 3. Akt (Arie Nr. 35 Piangerò, la sorte mia) und die umso befreiter glückliche Erlöste (Arie Nr. 40 Da tempeste il legno infranto) – und alle anderen Cleopatra-Arien, jede für mich ein Edelstein der Operngeschichte.

    Es lohnt, sich ganz in die Geschichte hineinzubegeben und mit Cesare, Cleopatra, Cornelia und Sesto mitzufiebern, deren Nöte und Freuden mit ihnen zu teilen. Das ist ganz große Oper vom Allerbesten. Wikipedia bietet eine ausgezeichnete Einzel-Auffächerung der Highlights jeder Partie (Link siehe oben). Auffallend ist hier im dramatischen Geschehen auch das gelegentliche Aufbrechen von Arien in Richtung Ensemble-Effekte.


    Im englischen Landhaus Glyndebourne (nahe Lewes, East Sussex, England) findet seit 1934 ein alljährliches Opernfestival statt, bei dem eine Giulio Cesare in Egitto Neuproduktion am 3.7.2005 Premiere hatte, die am 14. und 17.8.2005 live für DVD mitgeschnitten wurde (3 DVDs Opus Arte OA 0950 D).

    Musikalisch begeistern mich hier die Ausgewogenheit und Natürlichkeit der Interpretation, orchestral wie gesanglich. Es ist die Erstbegegnung des Schreibers dieser Zeilen mit dem aus den USA stammenden, am 19.12.1944 in Buffalo, New York geborenen französischen Dirigenten und Cembalisten William Christie und dem Orchestra of the Age of Enlightenment. Jenseits bewusst auszustellender historischer Aufführungspraxis wird da einfach nur große Oper orchestral farbenprächtig und dramatisch durchgehend packend geboten.

    Inszenierung (David McVicar), Bühne (Robert Jones) und Kostüme (Brigitte Reiffenstuel) vermögen Verblüffendes – sie evozieren einerseits das Gefühl, einer Aufführung zu Händels Zeit beizuwohnen, die man sich unverschämt pointiert bis frech vorstellen mag, andererseits bringen sie einfallsreich verschachtelt Römerzeit (in der Person Cäsars), englische Kolonialisierung (vor allem in den Soldaten-Kostümen) und Weltgeschichte bis zum 2. Weltkrieg (Bombenprojektionen bei der letzten Schlacht) unter. Subtil werden dabei die westliche, sich überlegen fühlende Welt und der Orient kontrastiert.

    Beherrschender Bühnenraum ist eine große Säulenhalle, die aber vielfach im Hintergrund den Blick aufs offene Meer freigibt, teilweise auch auf den nächtlichen Himmel mit Mond. Markant wird zwischendurch ein gespaltener Cäsarenkopf ausgestellt – das Motiv des DVD-Covers.

    Grandios für mich die sängerischen und darstellerischen Leistungen, ganz starke, sich toll einprägende Charakterzeichnungen: Sarah Connolly (ein Mezzo, aber was für ein „männlich souveräner“ Giulio Cesare!), Danielle de Niese (schießt den Vogel ab als Cleopatra, gleich mehr dazu), Patricia Bardon (die zum Mitfühlen trauernde Cornelia mit schöner Altstimme), Angelika Kirchschlager (der burschikos ungestüm vorwärtsstürmende Sesto), Christophe Dumaux (was für ein gefährlich-explosiver Joker-Teufel von Tolomeo!) und Christopher Maltman (der Opportunist Achilla).

    Die Inszenierung ist wie ich es sehe brillant und bis in winzigste Details pointiert durchchoreographiert, zwischen emotionaler Tiefe und origineller, bunter Show. Cleopatras Verführung Cesares spielt in Bollywood, zu einer Cesare Arie darf ein Johann Strauß Verschnitt lieblich mit der Violine solieren (und Cesare pfeift dazu), und plötzlich hält das Geschehen gleichzeitig erschreckend kalt und befreit inne, wenn Sesto Tolomeo erschießt. Am Ende gesellen sich zum Schrecken Sestos die toten Tolomeo und Achilla mit ihren offenen Wunden zur „Party“, bei der auch Sekt ausgeschenkt wird und prosten sich zu. Und wie beim Musical gibt es auch noch zum Schlussapplaus Musik dazu.

    Hervorzuheben für mich also: Man muss diese fabelhafte Rampensau, die 1979 in Melbourne geborene australische Sopranistin Danielle de Niese als Cleopatra gehört und gesehen haben.

    2004 hatte sie diese Glanzrolle bereits in Amsterdam an der Nederlandse Opera sowie an der Pariser Oper gesungen (beide Male unter der Leitung von Marc Minkowski). Das Glyndebourne-Festival 2005 bedeutete den Durchbruch für sie. (In Zürich sang sie 2005 auch die Poppea in Monteverdis L’incoronazione di Poppea unter der Leitung von Nikolaus Harnoncourt, und in Simon Rattles 2018 veröffentlichter Londoner Bernstein Wonderful Town Aufnahme ist sie die Eileen.)

    Schillernd ihre tolle wandlungskongeniale Rollengestaltung an sich, schillernd ihr Auftreten in unterschiedlichsten Kostümen vom Revuegirl über die Bollywoodschöne und die Gefangene im Anzug bis zur Königin im ausladenden Kleid. Besonders originell eine Arie bei der Abendtoilette (bevor Cesare zu ihr darf), teilweise den Körper nur mit einem von den beiden Dienerinnen gehaltenen Seidentuch abdeckend. Und dann als Gefangene – wie sie mit herzzerreißend anrührender Umrahmung mittendrin wie eine Furie ausbricht! Und nachdem sie Cesare vor dem Selbstmord bewahrt und gerettet hat, triumphiert sie mit ihrem Freudenausbruch zum entsprechend akklamierten Superhit schlechthin der Aufführung, in perfekter witziger Choreographie zusammen mit ihren beiden Dienerinnen.

    Die akustisch fabelhafte und optisch toll geschnittene DVD-Produktion macht beste Werbung für das Werk wie für diese Inszenierung.

    Was für ein Bühnen- und Medienprofi Daniella de Niese ist, wird in einem 22-Minuten-Bonusfilm auf der ersten DVD unterstrichen, in dem wir mit ihr, durchgehend von ihr erzählt, von ihrem vorübergehenden Künstler-Wohnhaus zum Aufführungsort fahren und sie bis zum Vorstellungsbeginn begleiten.

    Das 50-Minuten-Making of auf der dritten DVD ist das übliche gegenseitige Lobpreisen aller wichtigen Mitwirkenden mit der Betonung der konstruktiven Harmonie, das ist gewohnt professionell. Einige Informationen zur musikalischen und inszenatorischen Zielsetzung sind freilich durchaus erhellend. Regisseur McVicar bekennt sich zum Entertainmentansatz.

    Nikolaus Harnoncourt dirigierte 1978 und 1985 szenische Cesare-Aufführungen.

    Eine Produktion dieser Oper am Opernhaus in Frankfurt am Main im Jahr 1978 sah Horst Zankl als Regisseur, Erich Wonder als Bühnenbildner, Michael Devlin als Cesare und Felicity Palmer als Cleopatra.

    1985 inszenierte Federik Mirdita die Oper für das Theater an der Wien und für das Zürcher Opernhaus. Mirdita legte auch schon auf die drei Zeitebenen Wert, die bei McVikar ja besonders gut zur Geltung kommen: in welcher Zeit spielt die Geschichte, in welcher Zeit wurde sie komponiert und uraufgeführt und in welcher Zeit leben wir jetzt.

    Bei der Premiere im Theater an der Wien am 19.5.1985 spielte der Concentus Musicus Wien, es sang er Arnold Schönberg Chor, und der Cesare war erneut ein Bariton, Benjamin Luxon. Roberta Alexander sang die Cleopatra, Marjana Lipovšek die Cornelia, Ann Murray den Sesto, Roderick Kennedy Tolomeo und Thomas Hampson den Achilla. Die AZ-Kritikerin Linda Zamponi (21.5.1985, „Händel, wie er nicht im Buch steht“) beschreibt die Zaubereien von Inszenierung und Bühnenbild und nennt Harnoncourt, der ihrer Meinung nach etwas kürzen hätte sollen, einen „Barockmasochist“.

    Hamspon wechselte für Zürich zum Cesare. Dort war Rachel Yakar die Cleopatra. Harnoncourt sah die Besetzung des Cesare mit einem Bariton als Kompromiss, ausgehend von einem Glaubwürdigkeitsproblem. (Hier hat sich die Zeit seither doch geändert.)

     

    1988 veröffentlichte Teldec (CD 8.43927 ZS) „Giulio Cesare Highlights“ mit dem von Nikolaus Harnoncourt dirigierten Concentus Musicus Wien, dem Arnold Schönberg Chor und jetzt mit dem Counter Paul Esswood als Cesare sowie mit der Wiener Besetzung Marjana Lipovšek (Conelia), Ann Murray (Sesto) und Roberta Alexander (Cleopatra, im Schlussduett Lucia Popp). Im Booklet begründet Harnopncourt die Entscheidung gegen eine Komplettaufnahme mit zu viel Ballast. Ihm waren hier die Vorstellung der Werkgattung und des Interpretationsstils wichtiger. Ende der 80er Jahre fand man bei der Plattenfirma wohl, so wird es sich besser verkaufen.

    Die knappe CD-Stunde spart Tolomeo und Achilla ganz aus und funktioniert für mich trotzdem “als erster Überblick“ recht gut. Neben der Sinfonia und markanten Chor- und Instrumental-Schnittstellen sind wichtige Arien Cesares, Cornelias, Sestos und Cleopatras zu hören. Der Rest fehlt gleichwohl für mich schmerzlich, zumal das ernsthafte, gewissenhafte, sensible, erdig-fein farbschattiere Orchesterspiel und die exquisite gesangliche Leistung von Solisten und Chor sowie vor allem Harnoncourts die Kontraste großartig herausarbeitende Leidenschaft auch für diese Musik ganz anders ungemein einnehmen für das Werk. Harnoncourts Musik als Klangrede, im Großen wie in den Details grandios aufgefächert, erstickt jeden Showansatz, der gleichwohl etwa in McVikars Inszenierung allemal gerechtfertigt erscheint, im Keim. Das ist ernsthaftetes Barockmusiktheater vom Edelsten, erhabene, große Barockopernmusik. Cesares erster „Ich, der Triumphator, bin da!“-Auftritt (beeindruckend auch Esswoods Counterstumme), Cornelias bewegend traurige erste Arie (toll der tragende Alt Lipovšeks), in Sestos erster ausgewählter Arie der Kontrast mit den aufgewühlten Rahmenteilen und dem innig zurückgenommenen Mittelteil (auch Murray fabelhaft intonierend), dann Sestos innige Hoffnungsarie, Cesares Artie mit Jagdhorn, Cornelias Zuversichtsarie, und schließlich – spät, aber umso eindrücklicher kommt sie zum Einsatz – Cleopatras große Schicksalsarie gegen Ende des 2. Akts Se pieta di me non senti, fast zehn Minuten lang, ganz große Oper, das Zentrum der Oper. Mit Roberta Alexander kann man das auch öfter hintereinander hören, genauso wie ihre nach der zwischengeschalteten Kriegsmusik anschließende befreite Frohlockensarie Da tempeste il legno infranto. Für mich auch eine fabelhafte, ausdrucksstarke Sopranvirtuosin!

    Der Querschnitt ist (finde ich) in sich stimmig. Schade ist nur, dass man etwa die ganze Entwicklung Cleopatras damit nicht vorstellen kann. Und eben: Jegliche „Show“ bleibt völlig ausgespart.

    Fazit für den Schreiber dieser Zeilen: Georg Friedrich Händels Giulio Cesare in Egitto gehört zu den ganz großen Opern der Musikgeschichte, die man als Opernfreund unbedingt kennengelernt haben sollte.

    Meinen Händel-Enthusiasmus gebe ich gerne weiter. Wer alles oder Details etwas kritischer sieht - gerne!

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Zitat von AlexanderK

    1988 veröffentlichte Teldec (CD 8.43927 ZS) „Giulio Cesare Highlights“ mit dem von Nikolaus Harnoncourt dirigierten Concentus Musicus Wien, dem Arnold Schönberg Chor und jetzt mit dem Counter Paul Esswood als Cesare sowie mit der Wiener Besetzung Marjana Lipovšek (Conelia), Ann Murray (Sesto) und Roberta Alexander (Cleopatra, im Schlussduett Lucia Popp). Im Booklet begründet Harnopncourt die Entscheidung gegen eine Komplettaufnahme mit zu viel Ballast. Ihm waren hier die Vorstellung der Werkgattung und des Interpretationsstils wichtiger. Ende der 80er Jahre fand man bei der Plattenfirma wohl, so wird es sich besser verkaufen.

    Wer an den Highlights von Harnoncourt interessiert ist s.o., die gibt es auch noch Original und preiswerter. :)

    https://www.amazon.de/H%C3%A4ndel-Gi…lassical&sr=1-1Amazon

    LG palestrina

    „ Die einzige Instanz, die ich für mich gelten lasse, ist das Urteil meiner Ohren. "
    Oolong

  • Ja danke, das ist auch die Ausgabe die ich habe, wollte das ohnedies auch mit Bild posten, nun ist es da, danke. :thumbup:

    PS (off topic 1): Und im Einführungstext schreibt Harnoncourt, Tamerlano ist auch ein Meisterwerk. Er hat diese Oper wohl nicht dirigiert. Ich erwarte die nächsten Tage die DVD mit der Bad Lauchstädter Aufführung.
    PS 2 (off topic 2): Und die Ariodante am Samstag in 3sat (Salzburg 2017, Bartoli) wird aufgenommen, die darf erst angesehen und angehört werden, wenn sie bei mir "zeitlich" dran ist, stecke ja mitten in 1724. Am Wochenende wenn alles klappt Tamerlano, danach Rodelinda. Und dann extrem starke Alessandro "Gefährdung".

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Ein Videomitschnitt der Premiere der diesjährigen Inszenierung am 13.5.2022 bei den Göttinger Händelfestspielen ist seit heute aktweise abrufbar:

    Giulio Cesare in Egitto, Erster Akt | Händel Channel (haendel-channel.de)

    Giulio Cesare in Egitto, Zweiter Akt | Händel Channel (haendel-channel.de)

    Ich nehme an der Dritte Akt wird dann auch noch dort eingestellt werden.

    Yuriy Mynenko, Countertenor – Giulio Cesare

    Sophie Junker, Sopran – Cleopatra

    Nicholas Tamagna, Countertenor – Tolomeo

    Francesca Ascioti, Alt – Cornelia

    Katie Coventry, Mezzosopran – Sesto Pompeo

    Riccardo Novaro, Bariton – Achilla

    Artur Janda, Bass-Bariton – Curio

    Rafał Tomkiewicz ,Countertenor – Nireno

    FestspielOrchester Göttingen

    George Petrou, Regie und Dirigent

    Mir hatten Sophie Junker, Nicholas Tamagna, Yuriy Mynenko und Artur Janda ohne Abzüge gefallen. Leider ist die intuitiv perfekte Tempowahl, die mich an Laurence Cummings so begeistert hat, dem aktuellen Dirigenten nicht in die Wiege gelegt worden.

    Gruß Benno

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!