Es gibt keine rein emotionale Ebene. Auf nahezu jedem Gebiet wird man besonders begabte oder erfahrene Experten finden, die scheinbar spontan zu einer Lösung "springen" bzw. die notwendigen Schlüsse so schnell und nicht unbedingt explizit vollziehen, dass man manchmal den Eindruck hat, sie hätten "rein intuitiv" gehandelt. (Professor mitten in einer Herleitung oder einem Beweis: Sehen Sie es nicht? (schreibt noch eine Zeile hin) Sehen Sie es immer noch nicht? (leicht süffisant/genervt) Muss ich Ihnen das wirklich alles hinschreiben?!)
Das ist vermutlich so ähnlich wie wenn man eine Sprache so gut versteht, dass man Sätze normalerweise spontan und ohne Analyse oder explizite Übersetzung der einzelnen Teile, versteht. Das hat jedenfalls nichts mit Mathematik im Besonderen zu tun. Ebensowenig, dass eine Einsicht oder eine erfolgreiche Problemlösung mit einem emotionalen Erlebnis verbunden sein kann. Da gibt es auch keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen einem mathematischen Beweis und einem Kreuzworträtsel
Und ungeachtet 2600 Jahren Pythagoräismus hat Musik auch nicht viel mehr mit Mathematik zu tun als irgendein anderes Gebiet. Da Mathematik sich mit genau den Strukturen befasst, die von allen möglichen Sachgebieten abstrahierbar sind, findet sich natürlich überall zu einem gewissen Grade Mathematik. (Wenn das überraschend ist (und das ist es nicht unbedingt), dann auf allen diesen Gebieten.) Bei der Musik erscheint das vermutlich nur aufgrund besagter Tradition naheliegend und andererseits vielleicht aufgrund der "Sinnlichkeit" und "Emotionalität" der Musik (die für uns heute nach 200 Jahren musikalischer "Romantik" im Vordergrund steht) gegenüber dem hohen Abstraktionsgrad der Mathematik kontraintuitiv.
Der enge Zusammenhang in der Tradition rührt m.E. eher daher, dass Musiktheorie (zusammen mit der Astronomie und elementarer Statik/Mechanik) über fast 2000 Jahre eines der wenigen erfolgreich mathematisierten Gebiete war; es liegt also weniger an der Musik als an den bis in die frühe Neuzeit recht eingeschränkten Anwendungsbereichen der Mathematik. Dass Architektur sehr viel mit Mathematik qua Symmetrie, Struktur und nicht zuletzt Statik zu tun hat, ist vielleicht zu offensichtlich, um als interessanter Zusammenhang zu gelten.