Marc-André Hamelin

  • Marc-André Hamelin

    Guten Tag,

    ich bin nicht besonders gut darin, ein neues Thema zu eröffnen. Gleichwohl möchte ich gerne auf einen meiner Lieblingspianisten, den Kanadier Marc-André Hamelin verweisen. Ich finde es schon erstaunlich, dass ihm anscheinend in diesem Forum noch keine größere Aufmerksamkeit gewidmet wurde.

    Zu seiner Biographie und er bisher schon recht umfangreichen Diskographie verweise ich auf seine Homepage:

    "http://www.marcandrehamelin.com/"

    Bekannt wurde er wohl durch sein hochvirtuoses Repertoire, dass er bewußt abseits der "Schlachtrösser" suchte. Viele Komponisten waren mir bis zu seinen Aufnahmen völlig unbekannt. Erst in den letzten Jahren widmet er sich auch den bekannteren Werken von Chopin, Schumann und vor allem mit insgesamt bisher vier CDs dem Klavierwerk Haydns. Seine letzte CD mit drei Klavierkonzerten dieses Komponisten gefiel mir ausgesprochen gut, wobei ich einschränkend sagen muss, dass mir mangels Vergleichsmöglichkeit eine genaue Beurteilung der Qualität schwer fällt.

    Ich persönlich finde seine Aufnahme der Bearbeitungen der Etudés von Chopin durch Godowsky ausgesprochen gut:

    Ein sehr gelungener Streifzug durch die Randbereiche zwischen klassischer und "jazziger" Klaviermusik ist seine CD "In a State of Jazz"

    Ich könnte jetzt hier noch lange so weiter machen und CD um CD nennen, die ich immer wieder gerne höre, darunter Aufnahmen mit den Werken von Alkan oder Kapustin. Nur eine meiner letzten Erwerbungen will ich noch nennen und das ist seine Einspielung des großartigen Werkes von Rzewski "The people united ..."

    VG Bernd

  • Guten Tag,

    ich bin nicht besonders gut darin, ein neues Thema zu eröffnen.

    Jetzt stell Dein Licht mal nicht unter den Scheffel, lieber Albert ;+)

    Ich finde es gut, dass Du diesen Thread eröffnet hast. Und damit eine Lücke geschlossen hast.

    Ich schätze Hamelin ebenfalls sehr. Man hat ihm früher ja zum Vorwurf gemacht, sein Erfolg beruhe vor allem darauf, dass er sich auf Ausgrabungen in Repertoirenischen beschränke und so der Auseinandersetzung mit der Konkurrenz aus dem Wege gehen. Das kann man inzwischen nicht mehr so sagen. Hamelin hat in den letzten Jahren einige Aufnahmen gemacht, die seinen Willen dokumentieren, sich auch auf die scheinbar ausgetretenen Pfade der Klassiker zu begeben. Ein gutes Beispiel hierfür sind die von Dir erwähnten Haydn-CD´s. Erschienenen sind inzwischen vier Folgen, wenn ich mich nicht irre. Oder seine Chopin-Platte. Ganz besonders gelungen finde ich seine Aufnahme der Sonaten Medtners.

    Es wäre sicher eine spannende Frage: was sind die herausstechenden Charakteristika des Pianisten Hamelin? Dazu gehört mit Sicherheit sein virtuose Technik, die manuelle Grenzen kaum zu kennen scheint. Was noch?

    :wink: :wink:

    Christian

    Rem tene- verba sequentur - Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen

    Cato der Ältere

  • Ein sehr gelungener Streifzug durch die Randbereiche zwischen klassischer und "jazziger" Klaviermusik ist seine CD "In a State of Jazz"

    Besonders bemerkenswert an dieser CD ist der Einspielung der "Sonate en état de jazz" von Alexis Weissenberg, welche am 6. Juni 1984 beim Festival International d'Echternach au Luxembourg durch Cyprien Katsaris uraufgeführt, aber weder von ihm noch vom Komponisten jemals für die Schallplatte eingespielt wurde. Ich habe damals die Uraufführung im Radio gehört und war schwer begeistert von diesem Werk.

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)


  • Ich könnte jetzt hier noch lange so weiter machen und CD um CD nennen, die ich immer wieder gerne höre,
    ...

    ... und das ist "meine liebste" mit ihm und von ihm:

    Zu dieser CD gibt es eine interessante "Introduktion", in der Hamelin Einblicke gewährt in seine Intentionen, Inspirationen ...
    "http://www.hyperion-records.co.uk/al.asp?al=CDA67789"

    Ich denke, man muss ihn live erleben, um das Spezifische seines Spiels erleben und beurteilen zu können,
    das ich persönlich als "heiter-leicht-prickelnd-souverän-virtuos" bezeichnen würde.

    Im Münchner Herkulessaal spielt er jedes Jahr ein Solo-Recital,
    in der Konzertreihe seines langjährigen Freundes und Managers Paul Lenz:
    "http://www.agplrecords.de/Termine/index.html"

    Seine Kompositionen, denke ich, werden im Repertoire von Konzertpianisten dauerhaft Platz finden,
    und es wird interessant sein, sie in "fremden" Interpretationen zu hören.
    "Irgendjemand" meinte dazu einmal, dass ihm Hamelins Kompositionen ganz besonders gefallen, wenn sie "ein anderer" spielt ...

    Liebe Grüße,
    Berenice

    Colors are like music using a short cut to our senses to awake our emotions.

  • Hallo,


    ... Ich denke, man muss ihn live erleben, um das Spezifische seines Spiels erleben und beurteilen zu können,
    das ich persönlich als "heiter-leicht-prickelnd-souverän-virtuos" bezeichnen würde.

    Es gibt eine sehr schöne Aufzeichnung eines Auftritts bei den Ruhrfestspielen in Essen:

    Ich würde mich dem anschließen wollen und meinen, sein Spiels sei durch eine ungeheure Leichtigkeit und Unangestrengtheit, mit der er auch schwere uns schwierigste Passagen meistert ausgezeichnet - soweit ich das beurteilen kann; leider kann ich weder Noten lesen, noch ein Instrument spielen und das Gehör ist manchmal trügerisch.

    VG Bernd

  • Marc-André Hamelin weiß ich in manchen seiner brillianten Einspielungen romantischer oder eher moderner Klavierkonzerte, die ich kenne, und ebenso mit den bereits genannten Rzewski-Variationen oder mit den rassigen Quasi-Jazz-Nummern von Nikolai Kapustin sehr zu schätzen.

         

    Zumindest mit dem Romantischen Klavierkonzert (1920) von Joseph Marx, von dem Hyperion behauptet, es liege als "First Recording", demnach wohl als Weltersteinspielung vor, gibt es aber überzeugendere Darbietungen: Jorge Bolet, der möglicherweise auf CD nicht greifbar ist, das Konzert aber schon wesentlich früher mindestens einmal auf Tonträger eingespielt hat, oder David Lively, dessen CD-Aufnahme unwesentlich jüngeren Datums sein dürfte.

    Hamelins Über-Virtuosität nimmt Marx' exquisitem Werk viel vom Kontrast zwischen Hochstimmung und Kraftentfaltung auf der einen, lyrischen Ruhepolen auf der anderen Seite. Man hat nie den Eindruck, dass er sich die Musik erarbeiten muss; sie verliert dadurch an Gespanntheit und Grandiosität.

    Nichtsdestotrotz: Hamelin scheint ein sympathischer Zeitgenosse zu sein, und allein schon die Tatsache, dass er ausgräbt, dass er nicht primär den Schlachtrössern zwischen Grieg und Rachmaninow hinterherhechelt, macht ihn für mich interessant.

    :wink: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Leider richtig.
    Wobei Lively schon später war, aber was Bolet angeht...........er war besser und früher dran, schon in den 80ern mit Rundfunkaufnahmen in Berlin, München und Hannover sowie in New York.
    Seine mit Abstand beste ist dabei ein Live-Mitschnitt von 1982 aus New York unter Zubin Mehta.

    Ich fürchte, daß die Aufnahmen mit Bolet wohl nie auf CD greifbar sein werden, es sind alles Rundfunkaufnahmen.


    Jedenfalls bewundere ich Hamelin, bei einer solchen Übervirtuosität ist dies das mindeste. Da sollte man schon erstmal innehalten.
    Und ganz tief ausatmen.

    Trotzdem:
    Auch im Falle von Kapustin spielt er einfach nur schneller, und leider auch ungenauer, verwaschener.

    Mein Gott, ich will ja nun wirklich nicht meckern bei jemandem wie Hamelin, der Mann ist überirdisch gesegnet.

    Aber mal so zum Vergleich dasselbe Werk von Kapustin:

    Hier mit Hamelin:
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    Und hier mit Kapustin selber:

    "

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    "

    Hamelin ist schneller, kein Zweifel, und es ist sensationell.

    Aber: Er hält die Time nicht.......

    Kapustin dagegen ist erstens bei weitem nicht der schlechtere Pianist.

    Zweitens hält er die Time, man kann das Metronom darauf einstellen.

    Und drittens ist er trockener-klar langsamer, was dieser tollen Etude für mich nur gut tut- und trotzdem macht er viel mehr Musik und holt viel mehr Farben heraus.
    Alleine sein Swing bei gleichzeitiger völliger Kontrolle über das Timing ist für mich absolut irre und stellt die Hamelin-Aufnahme klar in den Schatten.

    Nicht nur in diesem Falle ist Hamelin zwar auf den ersten Blick sensationell (und das ist er ja auch, da will ich Ihm gar nichts) .
    Aber auf einen zweiten Blick kommt man schon ins Grübeln, oder nicht?

    Für mich ist Hamelin einer der allergrößten, das steht außer Frage
    Und auch den allergrößten gegenüber ist es nicht respektlos, nachzudenken und gegebenenfalls anderen ebenso genialen Musikern u.U. doch den Vorzug zu geben.

    Was mich bei Kapustin zum Nachdenken getrieben hat, das gilt auch für Jorge Bolet und SEINE Interpretation des Marx-Konzertes.
    Hier höre ich viel mehr Musik, auch und gerade weil Bolet dieses Teil wirklich stemmen muß(wobei auch Bolet ja nun auch kein schlechterer Pianist ist) .

    Woher Hamelin diese ungeheure Leichtigkeit selbst mit unglaublich schwerem Zeug hat...keine Ahnung, es ist ein Wunder, anders kann ich es mir nicht erklären.
    Und genau dieses Wunder kann sich halt rein musikalisch auch durchaus negativ auswirken, auf einem Niveau natürlich, von dem andere nur träumen können.

    Hat er eigentlich jemals einen Wettbewerb gewonnen?
    Ich meine das nicht wertend, mich würde es gar nicht wundern, wenn ein solcher
    Ausnahmepianist niemals einen Wettbewerb gewonnen hätte.
    Ausnahmesolisten gewinnen selten bei Wettbewerben, schließlich muß die Jury einen Konsens finden.
    Und der liegt halt meist nicht bei Extremen.

    Wer Interesse hat, die Hamelin- Einspielung des Marx- Konzertes mit der Live-Aufnahme Bolets mit den New Yorkern unter Zubin Mehta von 1982(broadcast assembled from performances April 29-May 4, 1982) zu vergleichen, der kann das hier tun:

    "http://rapidshare.com/files/15127632…no_Concerto.rar"

    Keine Sorge, der Downloadlink kommt von meinem Rapidshare-Account, ist legal (Rundfunk) und es ist ein extrem seltener Rundfunkmitschnitt, den ich vor vielen Jahren mal gefunden und gesichert habe und den jemand mir Unbekannter liebevoll zusammengestellt hat(Das kommt zu 100% von mehreren Tonbandmitschnitten in höchster Qualität vom Rundfunk, was ich an den Dropouts erkennnen kann ). Leider nur in MP3 128kbit........man ist ja nie zufrieden, aber das ist schon ein toller Job gewesen vom mir unbekanntem Ersteller. Kudos!

    Wobei ich in den 80ern auch genau diese Aufnahme nur auf einer Cassette Tape to Tape Kopie hatte- ich glaube sogar, daß die von George Korngold kam- die längst in den ewigen Jagdgründe verschwunden ist und furchtbar klang.
    Insoferne bin ich sehr glücklich, diesen Link zu einer klanglich befriedigenden Aufnahme dieses denkwürdigen New Yorker Konzertes von 1982 anbieten zu können, die jemand höchst professionell gemacht hat damals.
    Wie gesagt ziemlich sicher Tonband und das sehr gut überspielt. Nur leider in MP3 128kbits.............

    Und zum Glück habe ich das bei Rapidshare gesichert...Leute, mir ist vor zwei Wochen eine meiner externe Festplatte abgeraucht........da waren einige superseltene Sachen drauf.
    Ich halte mal fest, daß selbst bei drei Computern, mehreren externen Festplatten und USB-Sticks IMMER genau das Teil abraucht, welches man nicht komplett gesichert hat. ;+)

    Gruß,
    Michael

    P.S. Ich habe sogar ein Autogramm von Hamelin........Vor vielleicht 20 Jahren habe ich gebraucht die EMI-Pressung der tollen Svetlanow-Aufnahme der 7.Sinfonie von Schostakowitsch erstanden.
    Nach wie vor für mich die beste Einspielung und in dieser EMI-Pressung (LP natürlich) klanglich absolut top.

    Der Vorbesitzer hat mit Kugelschreiber groß und breit seinen Namen auf dem LP-Cover verewigt. :D
    Na, wer war es wohl....... ;+)

  • Guten Morgen,

    ...
    Hat er eigentlich jemals einen Wettbewerb gewonnen?
    Ich meine das nicht wertend, mich würde es gar nicht wundern, wenn ein solcher
    Ausnahmepianist niemals einen Wettbewerb gewonnen hätte.
    Ausnahmesolisten gewinnen selten bei Wettbewerben, schließlich muß die Jury einen Konsens finden.
    Und der liegt halt meist nicht bei Extremen.

    Ja, hat er und zwar 1985 im zarten Alter von 24 Jahren (er wurde 1961 geboren) 1. Platz bei der Carnegie Hall American Music Competition.

    Danach hat er wohl nur noch Preise für seine Aufnahmen eingeheimst und zwar nicht zu knapp.

    "http://de.wikipedia.org/wiki/Marc-Andr%C3%A9_Hamelin"

    Wahrscheinlich trifft es zu, dass seine "Übervirtuosität" gelegentlich mit einer gewissen "Schlampigkeit" im Ausdruck einhergeht. Mir fällt das ehrlich gesagt nicht auf. Vielleicht ist das aber auch gar nicht so selten, oder ?

    VG Bernd

  • Marc-Andre Hamelin

    Hallo,

    ich habe Hamelin in Düsseldorf vor 3 Jahren gehört und war begeistert. Selbst so eine leichte Sonate von Mozart (ich glaube es war die 8te. hat er sehr schön interpretiert. gruß neny


  • Wahrscheinlich trifft es zu, dass seine "Übervirtuosität" gelegentlich mit einer gewissen "Schlampigkeit" im Ausdruck einhergeht ...

    So würde ich das nicht unbedingt bezeichnen, als "gewisse Schlampigkeit".
    Hamelin hat m.M.n. eine ganz spezielle Art des Ausdrucks, eine sehr ungewöhnliche, die ich als äußerst zurückhaltend und "schlank",
    in gewisser Weise "graphisch" oder "neutral" bezeichnen würde - das genaue Gegenteil von "opulent".

    Wenn ich ihn erlebe, live oder auf Konserve, fühle ich mich immer animiert zu einem "dahinter hören" -
    einem Suchen nach (s)einer "inneren (verborgen gehaltenen?) Interpretation" und
    zugleich nach meiner eigene Version ...
    Ein absolut fantastisches Phänomen!
    Ein aktives Hören und doch immer ein absolut entspanntes, mit großem Vergnügen verbundenes Hören,
    auf der Basis, dass man sich auf Grund der Souveränität des Interpreten "gefahrlos" dem eigenen Flow hingeben kann ...
    "Klettern mit dem perfekten Partner" ...

    Hamelins Cadenza zu Liszts Ungarischer Rhapsodie No.2 ist für mich so ein Paradebeispiel,
    etwas zum "dahinter hören" - in den Abgrund jenseits aller Virtuosität ...
    "

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    Liebe Grüße,
    Berenice

    Colors are like music using a short cut to our senses to awake our emotions.

  • auf der Basis, dass man sich auf Grund der Souveränität des Interpreten "gefahrlos" dem eigenen Flow hingeben kann ...
    "Klettern mit dem perfekten Partner" ...

    Gefällt mir, Berenice.

    Freundliche Grüße

    Wolfsschlucht

    -----------------------------------------------------------
    I can't listen to that much Wagner. I start getting the urge to conquer Poland.
    Woody Allen


  • Ein absolut fantastisches Phänomen!
    Ein aktives Hören und doch immer ein absolut entspanntes, mit großem Vergnügen verbundenes Hören,
    auf der Basis, dass man sich auf Grund der Souveränität des Interpreten "gefahrlos" dem eigenen Flow hingeben kann ...
    "Klettern mit dem perfekten Partner" ...

    Faszinierend! So ähnlich empfand ich das auch während der Live-Eindrücke. Zuletzt vermerkte ich 2007 nach einem umwerfenden Konzert:

    Hamelin ist für mich ein Phänomen. Er kommt auf die Bühne, vollkommen unscheinbar, äußerlich der fade Beamtentyp schlechthin. Er lächelt kurz, setzt sich und spielt. Und sein Spiel hat sofort etwas so Bezwingendes, dass man sich dem Rausch nicht entziehen kann. Aus dem unscheinbaren Menschen wird ein ganz anderes Wesen, das einen in eine andere Welt mitnimmt, aus der man eigentlich nicht mehr zurück möchte.

    Ich hörte ihn u.a. mit der Chopin-Sonate op. 58 und der 3. Ballade. Das war kein Chopin, wie ich ihn kannte und bis dahin liebte. Und dennoch hat Hamelins Klavierspiel etwas so Selbstverständliches und strahlt so viel Sicherheit aus, dass man augenblicklich das Gefühl hat: Genau so ist es richtig. Nicht einen Moment glaubt man, dass er sich jemals verspielen könnte, dass er irgendwie seiner Sache nicht sicher sei. Er ist stets absolut Herr der Lage, hochkonzentriert, seine ganze Energie scheint vollkommen auf die Hände gebündelt zu sein. Da gibt es keine unnötigen Gesten, nur die Augenbrauen zucken gelegentlich und verraten ein wenig von der Anspannung, unter der er steht.

    Ich meine ganz sicher: Man muss diesen intelligenten Ausnahme-Künstler einmal live erlebt haben.

  • ....
    So würde ich das nicht unbedingt bezeichnen, als "gewisse Schlampigkeit".
    Hamelin hat m.M.n. eine ganz spezielle Art des Ausdrucks, eine sehr ungewöhnliche, die ich als äußerst zurückhaltend und "schlank",
    in gewisser Weise "graphisch" oder "neutral" bezeichnen würde - das genaue Gegenteil von "opulent".

    Du hast vollkommen Recht "Schlampigkeit" ist nun wirklich der falsche Ausdruck, entschuldige. "Lässigkeit" würde es meines Erachtens vielleicht besser treffen.

    Einen ganz besonderen "Tonfall" habe ich aber noch nicht bei ihm hören können, anders, als etwa bei Perahia. Ich denke, den könnte ich bei fast jedem, auch einem mir unbekannten Stück, heraushören. Sei Spiel hat, soweit ich es bisher kenne, immer etwas "schwebend" leichtes, an sich, das imo ganz charakteristisch ist und zwar egal, ob er nun Bach spielt, Chopin oder Schumann.

    Um Bach und Mozart hat Hamelin - zumindest bei den Aufnahmen - bisher einen Bogen gemacht, wenn ich das richtig sehe ? Schade eigentlich; ich könnte mir die Goldbergvariationen oder die Suiten recht gut vorstellen.

    Viele Grüße

    Bernd

  • Dem "Phänomen Hamelin" auf der Spur ...

    Für mich ist Hamelin ein Phänomen, ein absolut geniales und zugleich "enigmatisches",
    und ich möchte versuchen, eine kleine Facette davon nachzuzeichnen,
    ohne Anspruch, es zu entschlüsseln ...

    Eine kleine, auf den ersten Blick unscheinbare Komposition in seiner eigenen Interpretation möchte ich dazu benutzen:
    "Music Box" aus seinem Zyklus "con intimissimo sentimento",
    komponiert "October 5, 1998, on a train between Montreal and Philadelphia"

    Eine schlichte Miniatur und doch mit unverkennbar "Hamelin'scher" Individualität und Raffinesse, unglaublich fein ausdifferenziert
    und in der Lage eine Fülle von Assoziationen und Impressionen auszulösen, von zarter Heiterkeit bis versteckter Traurigkeit ...
    Seine Interpretation einfach meisterhaft, feinsinnig zurückhaltend, wie hingetupft in vielfältig changierenden, zarten Nuancen von Aquarellfarben, mit wahrhaftem "intimissimo sentimento" -
    mag sein, nicht nur bei mir, ähnlich einer Erinnerung an jene "seltsame" Heiterkeit von abgewischten Tränen eines Kindes im Einschlafen,
    fühlbar noch Jahrzehnte später auf einem Dachboden, in der Hand eine alte, verbogene Spieluhr ...


    Vielleicht muss man ja, um die Qualität seiner Interpretationskunst "hautnah" zu erfahren, diese Miniatur zunächst einmal von einem Synthesizer gespielt anhören,
    um die "Geschmacksnerven auf Null zu stellen", sie auf diese Weise von den allgegenwärtigen "Glutamaten und Hefeextrakten" in der musikalischen Kost zu entwöhnen,
    um dann Hamelins Interpretation als absolutes "Gourmet-Erlebnis" zu genießen ...

    Auf YT ist das in diesem speziellen Fall möglich:
    "Music Box" per Synthesizer: "

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    "
    "Music Box" mit Marc-André Hamelin: "
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    "

    Der Zyklus "con intimissimo sentimento" ist auf dieser CD enthalten:




    Wäre ich "Türsteher" vor dem Olymp, allein diese Miniatur wäre für mich eine Eintrittskarte,
    und als "Platzanweiser" würde ich ein Hockerchen aufstellen,
    neben Schumann's "Kinderszenen" ...


    P.S. @ Wolfsschlucht: Danke für die Blümchen!

    Liebe Grüße,
    Berenice

    Colors are like music using a short cut to our senses to awake our emotions.

  • Ich meine ganz sicher: Man muss diesen intelligenten Ausnahme-Künstler einmal live erlebt haben.

    Das ist am 29. Juni im Rahmen des Klavier-Festivals Ruhr in Essen möglich. Sehr schade - da bin ich auf dem Weg in die Sommerfrische...

    Freundliche Grüße

    Wolfsschlucht

    -----------------------------------------------------------
    I can't listen to that much Wagner. I start getting the urge to conquer Poland.
    Woody Allen

  • Einen ganz besonderen "Tonfall" habe ich aber noch nicht bei ihm hören können, anders, als etwa bei Perahia. Ich denke, den könnte ich bei fast jedem, auch einem mir unbekannten Stück, heraushören. Sei Spiel hat, soweit ich es bisher kenne, immer etwas "schwebend" leichtes, an sich, das imo ganz charakteristisch ist und zwar egal, ob er nun Bach spielt, Chopin oder Schumann.


    Ich denke, je intensiver man sich mit einem Pianisten beschäftigt, um so eher erkennt man ihn auch "im Dunkeln" wieder ;+)
    Berezovsky z.B. ist bei mir "so einer", den erkenne ich auch im Autoradio ...

    Um Bach und Mozart hat Hamelin - zumindest bei den Aufnahmen - bisher einen Bogen gemacht, wenn ich das richtig sehe ? Schade eigentlich; ich könnte mir die Goldbergvariationen oder die Suiten recht gut vorstellen.


    Hamelin hat sich einmal "in Sachen Standard-Repertoire" sinngemäß ungefähr so geäußert: "Da gibt es so viel Exzellentes an Einspielungen, dass eine von mir nicht wirklich nötig ist. Da kümmere ich mich lieber darum, Raritäten ans Licht zu holen".

    Ich meine ganz sicher: Man muss diesen intelligenten Ausnahme-Künstler einmal live erlebt haben.


    Absolut!
    Hamelin ist einer von denen, die ich mir regelmäßig live "gönne" und das Außergewöhliche dabei -
    es gibt keinen einzigen Abend, der die Reise nicht wert gewesen wäre!
    Schwer zu beschreiben, dieses Hamelin-spezifische heitere Glücksgefühl, das man von seinen Konzerten mitnimmt
    und von dem man noch etliche Tage zehren kann ...

    Das ist am 29. Juni im Rahmen des Klavier-Festivals Ruhr in Essen möglich. Sehr schade - da bin ich auf dem Weg in die Sommerfrische...


    Na dann eben auf nach Frankreich, am 17. August, zum "Festival International de Piano La Roque d'Anthéron",
    oder im kommenden Jahr nach München (s.o. Post No.4) - finest choice, my choice !

    Liebe Grüße,
    Berenice

    Colors are like music using a short cut to our senses to awake our emotions.

  • Zitat

    Wer Interesse hat, die Hamelin- Einspielung des Marx- Konzertes mit der
    Live-Aufnahme Bolets mit den New Yorkern unter Zubin Mehta von
    1982(broadcast assembled from performances April 29-May 4, 1982) zu
    vergleichen, der kann das hier tun:


    "http://rapidshare.com/files/15127632…no_Concerto.rar"

    Sorry, ich weiß nicht, warum, aber meine rapidshare-Datei ist hin.
    Wen ein Vergleich Bolet-Hamelin nach wie vor interessiert, der kann das nun hier machen:
    "http://rapidshare.com/files/21666959…no_Concerto.zip"

  • Ich bin ein großer Fan von Hamelin. Konnte ihn 2011 in Düsseldorf hören. Und es hat sich mehr als gelohnt. Er hat auch eine Pianosonate von Mozart gepielt, es war entweder die 5te oder die 8te. Schön, dass er nicht nur virtuosse stücke spielt. gruß telefrau.

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