Ives, Charles - Der große Einzelgänger der modernen Musik

  • Ich bin jetzt kein großer Ives-Kenner, und ich habe auch so meine Probleme mit ihm,fand aber die MTT-Einspielungen für gelungen. Dazu habe ich natürlich Bernstein, aber auch diese Naxos-CD, die mir trotz den eher wenig bekannten Dirigenten und Orchester einen guten machte:

    Schermerhorn muss wohl in Nashville fast so etwas wie einen "Heldenstatus" gehabt haben. Als Schüler von Bernstein dürfte er auch eine gute Wahl gewesen sein für die Einspielung.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Als Schüler von Bernstein dürfte er auch eine gute Wahl gewesen sein für die Einspielung.

    In diesem Zusammenhang dürfte die Diskussion über Ives' 2. Symphonie dort interessant sein: Ives, Charles Edward: Die Symphonien – Chaos als Fest.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • In diesem Zusammenhang dürfte die Diskussion über Ives' 2. Symphonie dort interessant sein: Ives, Charles Edward: Die Symphonien – Chaos als Fest.

    Danke. Ist sie in der Tat. Du siehst, ich liege mit Naxos nicht falsch. Auch die erwähnten Litton-Einspielungen könnte ich mir gut vorstellen, da Litton sich sehr oft als Geheimtipp bewährt hat. Z.B. sein Tschaikowsky, Bernstein oder Gershwin sind sehr interessant.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Du siehst, ich liege mit Naxos nicht falsch.

    Bei Schermerhorn und Sinclair bestimmt nicht: deren Ives-Einspielungen schätze ich mittlerweile sehr!

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

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    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Sir Andrew Davis hat nun auch mit seinem australischen Orchester auch Ives eingespielt. Kennt jemand diese Einspielungen?

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Ives!

    1980 war ich in den USA und kam zurück mit einigen LPs.
    Copeland conducts Copeland, alle Bartok Streichquartette mit den Juliards und einer LP Ives Symphony Nr. 2 + 4th of July mit Bernstein.
    Was war ich begeistert!!
    Dann ein paar Jahre später in Hamburg beim NDR spielte Herbert Henck(!!) die Klaviersonate Nr. 1 und mein Freund Mike und ich waren dabei, wie auch György Ligeti, der ganz oben im Saal spürbar begeistert saß.
    OOH Irrtum, er spielte die Concord Sonate, die LP hatte aber ein anderes Cover, wie ich soeben (Samstag 9:55) feststellen musste.
    [Blockierte Grafik: https://images-na.ssl-images-amazon.com/images/I/91444dpfaWL._SX425_.jpg]]
    Henck war damals eine Instanz in neuer Musik und seine Aufnahmen mit Werken von Ives finde ich immer noch imposant. Schade, dass er nicht mehr spielen kann.

    Die Beschäftigung mit den Sinfonien aber ergab, dass Bernstein in seiner Überschwänglichkeit für Ives die Feinstruktur der 2. weitestgehend wegbügelte zugunsten einer leichter verdaulichen linearen Struktur.
    Das muss heute nicht mehr sein.
    Daher empfehle ich die deutlich genauere Einspielung mit Andrew Litton aus Dallas.
    und

    Die 2. ist nicht so "rampensaumäßig" angelegt wie bei Bernstein, man hört aber viel, viel mehr.
    Gruß aus Kiel

    "Mann, Mann, Mann, hier ist was los!"

    (Schäffer)

  • Ein absoluter Spezialist für die sog. "Concord Sonata" ist Marc-André Hamelin, und er hat sie nicht nur schon oft im Konzert gespielt sondern auch bereits 2 Mal aufgenommen. Von diesen beiden Aufnahmen würde ich allerdings zu der 2. auf Hyperion raten, sie ist deutlich besser in jeder Hinsicht.


    Da ist auch die Sonate von Barber mit drauf, ein totaler Gegensatz, aber ein absoluter Klassiker der Klavierliteratur. Barber konnte Ives nicht ausstehen, und hielt ihn für einen Amateur. Ich selber hatte immer schon Probleme mit der Sonate von Ives, denn ich habe bis heute ihre Struktur nicht verstanden, vermute aber dass ich da auch vergebens forsche. Allerdings habe ich sie mir bereits 2 Mal im Konzert mit Hamelin angehört, und da fasziniert einen allein schon die Darbietung, denn das Material ist extrem sperrig und widerborstig. Aber bei einer guten Wiedergabe kann man dem Ganzen durchaus etwas abgewinnen.

    Es folgt ein Auszug aus dem Booklet der Hyperion CD von Jed Distler.


    >> Im September 1911 fasste Ives erstmals den Entschluss, eine Klaviersonate zu komponieren, deren vier Sätze literarische und philosophische Schlüsselfiguren der Transzendentalismus-Bewegung in Concord, Massachusetts, um die Mitte des 19. Jahrhunderts verkörpern sollten. Die musikalische Entwicklung setzte sich zum Teil aus früheren Ideen und Skizzen zusammen (Ives war ein chronischer Wiederverwerter): darunter waren eine Skizze für die „Alcotts-Ouvertüre“ von 1904, eine recht umfangreiche Skizze für ein „Emerson-Klavierkonzert“ sowie Ideen, die von Nathaniel Hawthornes Kurzgeschichte „The Celestial Railroad“ inspiriert waren. Lediglich der letzte Satz, „Thoreau“, wurde ganz neu komponiert, obwohl das musikalische Material in einem Lied von Ives mit demselben Titel wieder auftaucht. Nachdem er die Partitur im Jahre 1915 fertiggestellt hatte, begann Ives, eine Reihe von Essays zu verfassen, in denen die vier Autoren besprochen werden sollten; in Wahrheit jedoch erläuterte er seine eigene Ästhetik, Technik und Methodik. Diese Essays wurden später als Zyklus mit dem Titel „Essays Before a Sonata“ bekannt und 1920 gleichzeitig mit der Sonate publiziert.

    In der „Concord-Sonate“ ist die sonst übliche, europäische Konvention der Entwicklung eines großen, mehrsätzigen Werks von Einheit zu Vielschichtigkeit gegensätzlich angelegt. Ives kehrt das Paradigma um, indem er mit Komplexität und Masse beginnt (Eigenschaften, die bei „Emerson“ und „Hawthorne“ überhand nehmen) und erst allmählich das Geschehen ruhiger werden lässt. Die Strukturen werden im Laufe des Stückes vereinfacht und in den eher lyrischen und nachdenklichen Sätzen „Alcotts“ und „Thoreau“ können sich die melodischen und thematischen Elemente mehr herauskristallisieren. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich alles aufklärt: noch auf der letzten Seite schwankt die Musik zwischen C-Dur und Des-Dur hin und her und kann doch eine Auflösung nicht erreichen. Das berühmte Schicksalsmotiv, mit dem Beethovens Fünfte Symphonie beginnt, fungiert als Bindeglied zwischen den Sätzen: von dem kantigen, hämmernden Emblem in „Emersons“ tumultartigen Szenario verwandelt es sich in ein klagendes, lyrisches und zutrauliches, leitfadenartiges Motiv in „The Alcotts“. Obwohl die „Concord-Sonate“ ein in sich geschlossenes, sorgfältig durchdachtes Werk ist, tauchen doch immer wieder improvisatorische Impulse auf, die für ein gewisses Fließen und ein deklamatorisches Moment sorgen. <<

    Die Sonate muß für Ives Zeitgenossen schockierend gewesen sein, da die z.T. recht radikale Tonsprache durchaus verstörend wirkt. Aber Ives Ideal waren weniger die überkommenen Strukturen der europäischen Musiktradition (von einer eigenständigen musikalische Entwicklung konnte man in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts in den USA kaum sprechen, eher von einer europäischen Sekundärkultur), sondern mehr die Beschreibung des täglichen Lebens durch Musik, ähnlich wie Mahler das gesehen hat. Allerdings hat er sich auch nicht gänzlich von dieser Tradition entfernt. So war ich seinerzeit gleichermaßen erstaunt wie begeistert, als ich zum ersten Mal ein Album mit Liedern von Ives hörte, nämlich jenes:

    Die Sammlung enthält überwiegend Musik, die ich so von Ives nicht erwartet hätte. Aber es sind wirklich wunderbare Sachen dabei. Das Lied "Ilmenau" ist auf den Text zu Goethes "Wanderers Nachtlied" geschrieben, von dem es u.a. auch eine Version von Franz Liszt gibt. Ich schwanke, welcher Version ich den Vorzug geben sollte. Der überwältigende Eindruck kommt von der Schlichtheit, mit der beide Komponisten das gedicht vertont haben. Man kann es auch als einen musikalischen Aphorismus bezeichnen. Überhaupt kann man an den Liedern von Ives einen großen Teil seiner musikalischen Entwicklung erkennen. (Es gibt noch eine weitere CD mit Gerald Finley und Julius Drake). Es mag sein, dass er zu einem gewissen Maß wie ein Amateur gewirkt hat, aber musikalisches Genie wird man ihm nicht bestreiten können. Er war halt etwas anders als die meisten seiner Zeitgenossen. Es braucht Zeit mit dieser Musik klarzukommen.

    Peter

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • die im Nekrologfaden angezeigte CD "The young Ives" mit Chorwerken, von den Gregg Smith Singers ausgeführt, gibts doch erheblich billigere als an der dort verlinkten Stelle:


    bei "neu ab ...EUR" günstigen Händler/Versand raussuchen, ich habe in der Schweiz bestellt für insg. 16.62 EUR.

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Eine völlig unromantische, das Moderne dieser Musik betonende Interpretation. Die Aufnahme ist extrem unmittelbar, man ist gleichsam Mitten im Geschehen.
    Wenn ich bei Ives bis dato immer den Eindruck hatte, dass er lnicht über die Tonsprache Mahlers hinaus hinausgekommen ist, hat mich diese Aufnahme eines besseren belewhrt: so wild und heftig und auch dissonant hab ich Ives noch nie gehört. Fantastisch!

    :verbeugung1: :verbeugung1: :verbeugung1:

    Spartacus

    Für Monika

  • Zwar bin ich nicht der Meinung, Ives sei im Prinzip bei Mahler stehengeblieben, das ändert aber nichts daran, dass ich Spartacus unbedingt zustimmen möchte.

    Die von ihm vorgestellte Einspielung rückt den Chor plastisch nach vorne. Es wird deutlicher als in anderen Aufnahmen, dass dieser im ersten Satz auf Text singt, am Ende hingegen primär zum atmosphärischen Ausklang beiträgt. Viele Details werden erkennbar, die einem vorher weniger deutlich aufgefallen waren. Abrupte Brüche betonen die Modernität der Komposition und auch die Mikrotonalität wird markant herauspräpariert.

    Eine ausgezeichnete Ergänzung zu den vorgestellten Alternativen in der Diskographie.

    :wink: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Tach,

    folgende Aufnahme habe ich seit 2012, mehrfach gehört und hat bei mir trotzdem keinen bleibenden Eindruck hinterlassen:

    Liegt´s am Werk oder an den Künstlerinnen ? Ich schätze beide eigentlich sehr.

    VG Bernd

  • folgende Aufnahme habe ich seit 2012, mehrfach gehört und hat bei mir trotzdem keinen bleibenden Eindruck hinterlassen:

    bei mir auch nicht so recht. Habe seit langem vor, ein paar Worte dazu zu schreiben, bisher hats nicht gelangt dazu ...

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Vor einigen Tagen habe ich mit Vergnügen die 2. und 3. Symphonie von Ives gehört (Tilson-Thomas - Amsterdam). Danach habe ich über Ives in dem Buch "The Symphony 2: Elgar to the Present Day" (ed. Robert Simpson) folgendes gelesen (der Autor ist Peter Jona Korn):
    "Charles Ives can be called many things ...but by no stretch of imagination can he be called a great composer. He was, in fact, not even a very good one. (...) He mixes many techniques and he masters none."

  • Nun, da hat der Komponist Peter Jona Korn - irgendwo müsste ich mal ein Trompetenkonzert von ihm mitgeschnitten haben - aber wenig Horizont bewiesen ...

    :wink: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Die vier Ives Symphonien gibt es neu per Stream von Gustavo Dudamel und dem LAPO bei DGG. Ob noch eine Doppel-CD folgt, weiss ich nicht.

    Inzwischen gibt es auch die CDs und sie wurden soeben mit dem Grammy 2021 für Best Orchestral Performance ausgezeichnet.

    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

  • Finde ich toll, dass Gustavo Dudamel jetzt immer öfter GA und interessantes sinfonisches Repertoire aufnimmt, das man gerne auf seiner Einkaufsliste hätte.

    Diese Ives-Sinfonien-GA nehme ich gerne mal in die Option Kaufinteresse auf ... solange nämlich nicht die "schreckliche" Robert Browning Ouvertüre dabei ist ... :etsch1: :versteck1:
    Habe nur die (inzwischen bejahrten) Bernstein-Aufnahmen alles Ives - Sinfonien, mit denen ich bisher sehr zufrieden war !
    Ob Dudamel da noch mehr zu bieten hat ?
    Wer kann etwas dazu sagen ?

    ______________

    Gruß aus Bonn

    Wolfgang

  • Wer kann etwas dazu sagen ?

    Hurwitz hat in seinem Youtube Kanal beim "Ablästern" über die Grammy Awards Dudamels Aufnahme als "Mediokre" bezeichnet.
    Ich empfehle immer noch (s.o.) Andrew Litton und Dallas.
    Gruß aus Kiel

    "Mann, Mann, Mann, hier ist was los!"

    (Schäffer)

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