Störfaktor Klassischer Gesang ?

  • Man darf auch nicht vergessen, dass von großen Stimmen eine unglaubliche Energie ausgeht, das kann man nur schwer so nebenher hören. Andererseits ist es für die meisten klassische Sänger offenbar sehr schwierig, textverständlich - selbst in der eigenen Muttersprache - zu singen, wohl einfach weil die Gesangslinie oft viel komplizierter ist als bei Pop oder Rock. Und textverständlich singen, heißt eben mehr als nur deutliche Konsonanten. Außerdem sollten - zumindest Opern- und LIedersänger - auch noch irgendwie schauspielerische Qualitäten haben. Dabei müssen Sänger, Musiker und Schauspieler völlig unterschiedliche Talente haben und das alles zusammen haben nur ganz wenige große Sänger. Meistens fehlt irgend etwas. Und das sag ich, obwohl ich klassischen Gesang liebe und selbst singe.


    Wie im Morgenglanze
    Du rings mich anglühst...

  • (Edit) Blöder Anfängerfehler: dieser Beitrag ist hier zwar nicht völlig abseitig, gehört aber eigentlich in den Thread "Der Operngesang - Kritik"


    Ich verstehe die diskutierte Problematik - einerseits...

    Andererseits scheinen mir manche der vorgebrachten Argumente nicht vollständig gewürdigt worden zu sein. Wichtigster Hinweis hier war die Betonung des deklamatorischen Stils, den wir vor allem bei Strauss finden können. Daraus lässt sich allerdings kein striktes Gegenmodell errichten zur scheinbar größeren Kantabilität der italienisch geprägten Oper: auch Strauss' Werke bedürfen unbedingt der gesanglichen Linie - und verkommen ohne ein technisch fundiert etabliertes Legato zur reinen Tour de Force. Mindestens ebenso bedeutsam allerdings ist die Größe des Orchesterapparats: Susanna kann in kaum höhenlastiger Lage gegen eine zarte orchestrale Begleitung mühelos bestehen - eine Salome hingegen bedarf immer wieder der durchdringenden Expansion, um sich gegen das blechlastige Orchester zu behaupten. Selbstverständlich gelingt das in höherer Lage müheloser als in der üblicherweise weniger durchschlagskräftigen Stimmmitte.

    Wichtiger noch: die Ausdrucksmittel hatten sich zunehmend verändert, und die Entwicklung der heute gängigen Stimmfächer wurde durch die erweiterten Kompositionsstile ab dem neunzehnten Jahrhundert deutlich befördert. Der dramatische ebenso wie der heldische Stimmtypus kristallisierte sich heraus - wohl kaum aufgrund bewusster Erwartungshaltungen, sondern vornehmlich dank dem spätestens mit der Romantik einsetzenden (nur vordergründig naturalistischeren) musikalischen Gestus, der massivere und weitaus bläserlastigere Orchesterbesetzungen hervorbrachte.

    Deshalb war ich sehr dankbar, in diesem Thread bereits den Hinweis auf die starken Gefühlsschwankungen pubertierender Teenager lesen zu dürfen - und die damit einhergehende Schwankungsbreite in den Dezibelstärken der Lautäußerungen. Nun wird kaum eine wirklich altersgemäß junge Sängerin vernünftigerweise die Salome in ihr Repertoire aufnehmen: die Siebzehnjährige mit der Brünnhildenstimme ist eine extreme Ausnahme. Den exaltiert-hysterischen Ausdrucksgestus aber, den Strauss seiner Prinzessin verliehen hat, kann eine dramatische Sopranistin gut bewältigen - und damit akustisch-musikalisch den emotionalen Ausnahmezustand de jugendlichen Salome im Idealfall überzeugend zum Klingen bringen. Einen vergleichbar starken Ausdruck hätte Strauss wohl nur unter Verzicht auf seinen orchestralen Klangwillen in die Mittellage der Sopranstimme verlegen können - beides allerdings lag dem Garmischer Komponisten ohnehin fern: beinahe alle von ihm komponierten Partien zeichnen sich durch eine bisweilen unbequem hohe Tessitura aus, die beinahe immer einhergeht mit einer maximalen Ausnutzung des Umfangs. Andererseits kann selbst das Kammerorchester der "Ariadne" sich zu bedrohlichen Klangballungen aufschwingen - insofern muss man in den viel zitierten Salome-Linien auch (und vielleicht vor allem) eine für den Komponisten typische (und notwendige) Eigenheit sehen.

    Gleichzeitig aber - und vor diesem Trugschluss muss man sich an dieser Stelle dringend hüten - ist Oper per se natürlich kein naturalistisches Ausdrucksmedium; dem steht bereits die kultiviert-verfeinerte Natur des Operngesangs entgegen. Ungeachtet dessen aber nähert sich spätestens mit Wagner der Gesang stellenweise einer "kreatürlicheren" Ausdrucksform an - man darf mit einigem Recht vermuten, dass der Komponist durchaus um speziellen Schwierigkeiten seiner Partien wusste - und die mit deren Bewältigung einhergehenden klangwerdenden Anstrengungen bewusst kalkulierte, um Extremsituationen nicht ausschließlich in wohlig-bequemem Schönklang laut werden zu lassen. Mozart wäre ein solches Vorgehen völlig fremd gewesen: der schrieb seine virtuosesten Anforderungen zumeist in bester Kenntnis einer bestimmten Stimme, aber gewiss niemals mit dem Hintergedanken an eine bewusste Überforderung. Jenseits dessen erfordert das typische klassische Orchester zwar unbedingt eine tragfähige Stimme, keinesfalls aber ein gleichermaßen expansionsfähiges wie marathontaugliches Instrument.

    Um nicht endgültig ins Schwafeln zu geraten: ich denke, wir streifen hier vornehmlich Geschmacksfragen, die nicht losgelöst vom historischen Kontext betrachtet werden dürfen. Wer sich 1. nicht mit dem typischerweise metallisch-durchschlagenden Klang einer schwereren dramatischen Stimme anfreunden mag und 2. großzügig die kompositionstechnisch bedingte Notwendigkeit des Einsatzes dieses Stimmtyps negiert, der sollte eben eher zu Musik anderer Epochen greifen.

    Einmal editiert, zuletzt von Tyler (3. März 2014 um 19:47)

  • Ich habe nie so recht den Unterschied zwischen "Vibrato, Triller u. Tremolo" im Gesang verstanden.

    Habe mir nun dazu mal einige Infos ergoogelt und Youtube-Videos angeschaut.

    Wenn ich es richtig verstanden habe, ist "Vibrato" quasi der Überbegriff.

    Tremolo ("zittern, beben") wäre, wenn die Stimme wackelt bzw. u. a. "ausgedient" hat und nicht mehr so elastisch ist.

    Triller wäre eine "Verzierung" in der Musik. Da geht es um zwei Töne hintereinander. Beginnt langsam und wird immer schneller. Wurde u. a. in der Gesangsmusik v. Monteverdi u. Cavalli benutzt.

    Ist das so richtig?

    Hier mal Erklärungsbeispiele des Kanals "Stimmbildung online", die ich ganz interessant fand. Sehr verständlich erklärt.

    Tremolo:

    Tremolo beim Gesangsunterricht
    https://stimmbildungonline.de
    www.youtube.com

    Hier wird die Szene aus Ödipussi beschrieben, in der Frau Winkelmann "Juchhe" v. Brahms singt. Grins1

    Triller:

    "Welche Büste soll ich aufs Klavier stellen: Beethoven oder Mozart?" "Beethoven, der war taub!" (Igor Fjodorowitsch Strawinsky)



  • Ich glaube, es sind drei verschiedene Dinge. Tante Wiki unterscheidet da:

    Tremolo – Wikipedia
    de.wikipedia.org
    Triller – Wikipedia
    de.wikipedia.org

    Vibrato – Wikipedia

    Beim Tremolo ist das Intervall zwischen den beiden Tönen größer (Terz oder mehr), beim Triller ist es nur ein (Halb-) Ton. Triller muss nicht schneller werden (und scheint mir eher selten so zu sein). Zudem endet er meist mit einem Nachschlag. Ein Vibrato ist nicht auf zwei feste alternierende Töne (also Tonsprünge) festgelegt, sondern die Tonänderung dazwischen geschieht kontinuierlich.

    maticus

    Social media is the toilet of the internet. --- Lady Gaga

    Ich lieb‘ den Schlaf, doch mehr noch: Stein zu sein.
    Wenn ringsum nur Schande herrscht und nur Zerstören,
    so heißt mein Glück: nicht sehen und nicht hören.
    Drum leise, Freund, lass mich im Schlaf allein.
                       --- Michelangelo Buonarroti (dt. Nachdicht. J. Morgener)

  • "Tremolo" im Gesang ist, soweit ich weiss, eine Bezeichnung für zittriges, zu schnelles Vibrato, genau das Gegenteil vom "Wobble", welches ein Vibrato bezeichent, das zu langsam ist.

    Unten verlinke ich einen interessanten Gesangsblog. Der Autor war selber Sänger und bildet Sänger aus. Wie gut er selber singt und wie gut er als Lehrer ist, weiss ich nicht, aber was er schreibt, habe ich auch schon von anderen so gehört und gelesen.

    Ein Vibrato Artikel aus dem Blog:  On Vibrato, A Point of Pedagogy: 1. Normal Vibrato and Preceived Straight-Tone

    https://kashudo.wordpress.com/2011/10/18/kashu-do-%e6%ad%8c%e6%89%8b%e9%81%93-on-vibrato-a-point-of-pedagogy-1-normal-vibrato-and-preceived-straight-tone/#more-329

    Zitate aus dem Artikel:

    "A vibrato is not learned. It manifests when the voice is functioning in a consistent manner relative to breath pressure/flow. Thus when a singer achieves good vocal habits, the vibrato is simply revealed."


  • Generell gilt die Empfehlung, daß das Vibrato dem Umfang einer kleinen Terz nicht überschreiten sollte.

    “There’s no point in being grown up if you can’t act a little childish sometimes” (Doctor Who, der Vierte Doktor)

  • Ich habe nie so recht den Unterschied zwischen "Vibrato, Triller u. Tremolo" im Gesang verstanden.

    Wenn ich es richtig verstanden habe, ist "Vibrato" quasi der Überbegriff.

    Ich glaube, es sind drei verschiedene Dinge. Tante Wiki unterscheidet da:

    So kann man es stehen lassen. Es sind definitiv drei verschiedene Bereiche. Wobei ich mal spontan sagen würde, dass das Tremolo die schlechteste Variante für einen Sänger sein dürfte. Das ist jetzt vielleicht etwas pauschal beschrieben, aber ich wüsste gerade spontan nicht, wo man im klassischen Gesang ein Tremolo eingesetzt hat. Allerdings bin ich dafür alles andere als der geeignete Ansprechpartner.

    Das dürfte uns Cherubino vermutlich weitaus besser noch beschreiben können.

    Selbst das Vibrato unterscheidet sich noch. In ein "natürliches Vibrato" und ein "unnatürliches Vibrato". Zumindest kenne ich das aus dem Bläserbereich so, daher dürfte das bei der Stimme ähnlich sein.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Lieben Dank für eure bisherigen Rückmeldungen!!

    ... Ein Vibrato ist nicht auf zwei feste alternierende Töne (also Tonsprünge) festgelegt, sondern die Tonänderung dazwischen geschieht kontinuierlich.

    Okay, das verstehe (selbst) ich. ;)

    ... Selbst das Vibrato unterscheidet sich noch. In ein "natürliches Vibrato" und ein "unnatürliches Vibrato". ...

    Ja, es gibt einige Gesangstechniken, die ich als "unnatürliches Vibrato" empfinden würde. Wenn man' s mit dem Vibrato z. B. übertreibt. Gibt' s leider auch außerhalb der klassichen Musik. Es gibt da zwei Duett-Stücke eines tollen Sängers, die in dem Moment, wenn die Zweitstimme ansetzt, einfach nur noch halb so schön sind, weil dann plötzlich ein völlig übertriebener Vibrato einsetzt. :neenee1: Mag ich ü-ber-haupt nicht. :thumbdown:

    "Welche Büste soll ich aufs Klavier stellen: Beethoven oder Mozart?" "Beethoven, der war taub!" (Igor Fjodorowitsch Strawinsky)



  • Ja, es gibt einige Gesangstechniken, die ich als "unnatürliches Vibrato" empfinden würde. Wenn man' s mit dem Vibrato z. B. übertreibt. Gibt' s leider auch außerhalb der klassichen Musik.

    Da hast Du völlig recht. Ich beschreibe das dann immer mit "Schnulzengesang" oder "Schmalztriefend". Im Jazzbereich, da dann schon im absoluten Grenzbereich etwa der grundsätzlich hervorragende Jazz-Trompeter Harry James, der aber, innerhalb einer Viertelsekunde, vom Jazz-Trompeter zum "Schmalz-Trompeter" verkommen konnte, damit aber das Geld verdient hatte, um zumindest hin und wieder fantastische Bigband-Aufnahmen zu machen.

    Bei den bekannten klassischen Trompetern kann man z.B. mal Maurice André mit dem "Maurice André des Ostens" vergleichen - Timofeij Dokshitzer. André, der damals ein relativ leichtes Vibrato spielte (heute wäre das absolut unmöglich) auf der einen Seite, auf der anderen Seite Dokshitzer, der ein natürliches Vibrato hatte, was man heute in der Klassik nicht mehr gelten lassen würde. Trotzdem fand und finde ich heute noch, dass Dokshitzer den weitaus "schöneren" Ton auf der Trompete hatte (Geschmacks-und Ansichtssache, keine Frage).

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Ein interessantes Beispiel für Trompetenvibrato heutzutage: In Gergievs/Mariinsky Parsifal von 2009, ein sehr deutliches Trompeten Vibrato etwa 5 Minuten nach Titurels 2. "Enthüllet den Gral" (nach Amfortas Arie) im 1.Akt, nach den beiden Choreinlagen ("nehmet hin..."). Vielleicht soll es den Eindruck des "blendenden Lichtstrahls" in der Regieanweisung verstärken? Ich weiss gar nicht, wie ich es finde.... ich habe es nur bemerkt und nicht vergessen.

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