Schostakowitsch: Streichquartett Nr. 12 Des-Dur op. 133
Dmitri Schostakowitsch
Streichquartett Nr. 12 in Des-Dur op. 133
Dmitri Zyganow gewidmet (1. Geiger des Beethoven-Quartetts)
Fertigstellung. Repino, 11. März 1968
Uraufführung. 14. September 1968, Moskau, Kleiner Saal des
Konservatoriums, Beethoven Quartett (Dmitri Zyganow, Nikolai
Zabawnikow, Fjodor Druschinin, Sergej Schirinski)
1. Moderato – Allegretto – Moderato – Allegretto – Moderato – Allegretto – Moderato
2. Allegretto – Adagio – Moderato – Adagio – Moderato – Allegretto
Dauer. ca. 26-27 Min.
Schostakowitsch verwendet hier zum ersten mal ausgiebig
Zwölftonreihen. Manche Themen beginnen mit einer solchen Reihe, oder
vielleicht besser gesagt, eine Zwölftonreihe ist den Themen
vorangestellt. Es findet aber keine Verarbeitung im Sinne einer
seriellen Musik statt.
Das Werk beginnt gleich mit einer Zwölftonreihe, vom Cello
gespielt. Auf derem zwölften Ton setzt die 1. Geige crescendo mit
einem langem, tiefen As ein, womit das 1. Thema (Moderato)
beginnt. Das Cello begleitet mit "wellenartigen" Bewegungen. Die
Stimmung ist warm und geheimnisvoll. Die 2. Geige setzt erst im
34. Takt ein, angeblich ein Symbol dafür, dass das Beethoven Quartett
mit dem 1965 verstorbenen früheren zweiten Geiger Wasili Schirinski 34
Jahre zusammen gespielt hat. Das zweite Thema (Allegretto), häufig als
walzerartig beschrieben, wird mit einer Zwölftonreihe von der 1. Geige
eingeleitet. Die grobe Struktur des ca. 7-8 Minuten dauernden ersten
Satzes ist ABABA (A = 1. Thema, B = 2. Thema). Im Mittelteil leitet
die Bratsche mit einer Zwölftonreihe das 1. Thema ein, allerdings sind
direkt danach die Vorzeichen aufgelöst. Der charakteristische lange Ton
ist jetzt, leicht verspätet, ein A (statt As) im Cello. Die
Phrasierung ist weit weniger fließend als zu Anfang, die Stimmung
heller (die wellenartige Begleitung übernimmt hier die Bratsche), die
1. Geige spielt das 1. Thema zwei Oktaven höher, zunächst durch
staccato "zerhackt", dann legato. Im letzten A-Teil, der Reprise des
1. Themas, spielt diesmal die 2. Geige das lange, tiefe As und das
1. Thema, welches dann von der 1. Geige wieder im Staccato-Stil
übernommen wird, ehe sie in die wellenartige (hohe) "Begleitung"
übergeht, während alle drei anderen Instrument ein Es spielen. Das
Cello spielt noch einmal eine Zwölftonreihe, ehe der Satz mit leichten
Anklängen des 1. Themas im Cello pp ausklingt.
Der Zweite Satz fängt scharf mit Trillern im forte an (Allegretto),
ein dissonante Sequenz von drei abfallenden Tönen (jeweils einzeln
gespielt von 1. Geige, 2. Geige und Bratsche), wonach das Cello in
hohen Lagen das 1. Thema des 2. Satzes spielt, welches mit seinen
markanten Viererblöcken von drei gleichen gefolgt von einem vierten
Ton, der einen Halbton abfällt (beginnend mit a-a-a-gis) eine
entfernte Ähnlichkeit mit der Staccato-Version des 1. Themas des
1. Satzes hat. Besonders im Vergleich zum ruhig ausklingenden 1. Satz ist
diese Passage sehr aufreibend, chaotisch. Das Chaos wird verstärkt
durch massiven Einsatz von "Tonleitern", die an späterer Stelle sul
ponticello gespielt werden, was sich (englisch ausgedrückt) sehr
freakish anhört. Alles wirkt sehr wie ein "inneres" Chaos, nicht so
sehr von außen kommend. [Das habe ich irgendwo gelesen, aber ich
selbst hatte vorher auch schon diese Vorstellung.] Es ist wie ein
aufgewühlt sein, total hektisch und nervös, unter Druck. Es gibt danach
einen längeren Mittelteil (Adagio), der den Charakter eines
Trauermarsches hat. Die Klänge sind ruhig, weich, "spärisch" entrückt,
werden immer wieder von Klagetönen durchbrochen. Dieser Mittelteil hat
wiederrum einen makanten Mittelteil (Moderato). Hier hat die 1. Geige
eine prominente Rolle, über lange Strecken spielt es solo
pizzikato. Danach setzt nochmal kurz die funerale Stimmung (Adagio)
ein, ehe das Cello mit seiner tiefen Wellenbegleitung eine Reprise des
1. Themas des 1. Satzes einleitet. Dieser Rückgriff auf den ersten
Satz kann einen leicht veranlassen, die beiden Sätze als einen
einzigen großen anzusehen. Die 1. Geige spielt nun dolce im piano das
Thema des 1. Satzes. [Ich finde dies die beeindruckendste Stelle des ganzen
Werkes.] Das Thema klingt hier sehr zart, fast zerbrechlich. Auch viel
trauriger (fast resignativ) im Vergleich zur "Reprise" im 1. Satz. Die Zwölftonreihe
im Cello kommt erst später hinzu. Die wehmütige Stimmung wird hier voll
ausgekostet. Man könnte es fast für eine Durchführung des Themas halten.
Tatsächlich gesellt sich aber kurz das 2. "walzerartige" Thema des 1. Satzes
hinzu, wenn auch völlig anders phrasiert, und wird bald quasi übernommen
vom 1. Thema. Danach setzt dann der gewaltige Schlussteil mit dem
1. Thema des 2. Satzes an. Nun klingt alles kraftvoller und geordneter als zu
Beginn des 2. Satzes. Alles in allem ist es ein positives Ende, wenn man außer
Acht lässt, dass das traurige Wiederkehren der Themen des 1. Satzes
nicht wirklich aufgelöst wurde.
Einspielungen. Das 12. Streichquartett wurde im Vergleich zu anderen
relativ selten aufgenommen (Hulme listet "nur" 23 Aufnahmen). Meine Favoriten sind
Beethoven-Q 1969
7:25 / 18:47
Borodin-Q 1990
6:50 / 20:10
maticus