Konzerterfahrungen in München

  • Das Traditionsorchester aus Weimar allerdings gibt sich unter seinem ukrainischen Chefdirigenten Kirill Karabits lieber als kompakt auf Tourneeperfektion getrimmter Klangkörper, alles sauber modellierend, auf den Punkt effektvolle Höhepunkte setzend, eine durchaus beeindruckende Klangschönheit und –balance offenlegend, aber eben alles mehr abrufend als aus dem Augenblick heraus fesselnd.

    Das Orchester gibt das Seine wie eine gut geölte Maschine dazu, klanglich reizvoll, in den Einsätzen gut auf die Harmonie achtend, auf Dirigentenschlag auch ein Fugato abrufen könnend, weiter aber mehr funktionell als musikdramatisch offensiv agierend.

    Lieber Alexander, wenn ich die wertschätzende Art bedenke, mit der Du künstlerische Leistungen zu würdigen pflegst, dann ist das hier ein gnadenloser Verriß! Ich glaube, ich hätte mich sehr geärgert, wenn ich dieses Konzert miterlebt hätte, trotz Sophie Pacini, die offensichtlich überzeugte.

    Vielen Dank für Deinen informativen und aufschlußreichen Bericht!

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

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    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • BUNTE GEFÄLLIGE HITSUITEN

    Die Münchner Symphoniker spielten Musik aus Gershwins „Porgy and Bess“ und Bernsteins „West Side Story“, Philharmonie am Gasteig (München), 5.2.2018, ein persönlicher Höreindruck

    Zwei zentrale amerikanische Bühnenwerke des 20. Jahrhunderts sind zweifellos George Gershwins 1935 uraufgeführte Oper „Porgy and Bess“ und Leonard Bernsteins 1957 uraufgeführtes Musical „West Side Story“, und Dirigent Ken-David Masur (ein Sohn von Kurt Masur) und die Münchner Symphoniker servierten die Highlights der beiden Werke in der nicht ganz ausverkauften Philharmonie am Gasteig leicht bekömmlich als Suiten und mit weiteren populären Einzelnummern.

    Großsymphonisch aufgedreht, rhythmisch straff, aber dort wo es sich anbietet auch schwelgerisch nahmen sie zu Beginn das Publikum durch eine „Catfish Row“ betitelte Symphonische Porgy and Bess Suite in fünf Teilen mit, die Ohrwürmer wie „Summertime“, „I Got Plenty O´ Nuttin´“, „My Man´s Gone Now“, „Bess You Is My Woman Now“ und „I Love You, Porgy“ enthält und mit durchwegs farbigem bis schmissigem Spiel die Ohrwürmer wieder einmal ins Hirn festzusetzen verstand. Zwei spezielle Hits des Werks erklangen vor der Pause noch extra mit Gesang, die Sopranistin Bibiana Nwobilo bot innig „Summertime“, der Tenor Michael Pflumm kam mit „It ain´t necessarily so“ hingegen mehr als Entertainer rüber denn als stimmkräftiger Sänger.

    Leonard Bernstein, dessen 100. Geburtstag im Jahr 2018 auch in München in mehreren Veranstaltungen gewürdigt wird, erfuhr nach der Pause mit Highlights aus der „West Side Story“ eine erste Reverenz des Jahres durch ein Münchner Orchester. Auch Bernsteins Musik wurde das Orchester gut aufgestellt gerecht, man spürte die souveräne Routine der Stilvielfalt die dieser Klangköroper drauf hat und hörbar gerne immer wieder lebendig zu machen versucht in jedem Moment. Die Abfolge wollte gefallen, man wählte nicht die sich anbietenden „Symphonischen Tänze“, sondern wich diesen mit Alternativstücken aus.

    Eine Ouvertüre zu „West Side Story“ gibt es erst seit dem Film, das Originalwerk beginnt ja mit dem Prolog. Die Ouvertüre also – sie beginnt mit der Ensemblenummer „Tonight“ und geht nach dem in diesem enthaltenen Zitat aus dem Balkonduett „Tonight“ in „Maria“ über, um dann mit dem „Mambo“ schmissig zu enden. Im Gasteig wurde der „Maria“-Abschnitt (zu hören auf der Filmsoundtrack CD) durch „Somewhere“ ersetzt, wohl weil in der nun anstehenden Concert Suite No. 1 für Sopran, Tenor und Orchester gleich die von Michael Pflumm gesungene Version folgen sollte. Pflumm bot für seine „Maria“ ein wunderbares Piano, allerdings ausschließlich dieses, und so konnte man „Maria“ diesmal mehr von den Orchesterfarben her genießen, die sich zum Gesang auftun. Beim Duett „One Hand“ gesellte sich Bibiana Nwobilo dazu. Pflummer versuchte, hier etwas kräftiger zu intonieren, und das Duett gelang schon innig, wobei man den Eindruck gewinnen konnte, der Dirigent nahm das Orchester jetzt schon bewusst etwas zurück, um den Tenor nicht erneut im Sound versinken zu lassen. Bibiana Nwobilo hielt sich mit „Somewhere“ schadlos, ihre Stimme fand die ideale Balance zwischen Oper und Gospel, das passt zu Gershwin wie zu Bernstein. Das „Tonight“ Duett, die nun folgende berühmte Balkonszene, meisterten die beiden erneut innig, es ging sehr zu Herzen, vor allem auch durch die farbenreich sinnliche Orchestergestaltung dazu. Ken-David Masur, so erschien es mir weiter, wusste das Orchester gut ins subtile Piano zurückzunehmen, weil vor allem die Stimme des Tenors im großen Saal unterzugehen drohte. Ich hatte einen Sitzplatz ziemlich weit oben im Sektor R, die Philharmonie am Gasteig trägt die Stimmen nicht wirklich gut in den Saal, und wenn sich dann noch jemand zurückhält (aus welchen Gründen auch immer), bleibt fast gar nichts davon für ganz oben.

    Die nun folgenden, von Jack Mason arrangierten „West Side Story“-Selections for Orchestra versuchen, die “Symphonischen Tänze” großteils durch einige zugkräftige Nummern des Musicals zu ergänzen, die dort fehlen – sie beginnen mit fanfarenartigen Zitaten „Maria“ und „Tonight“ und gehen durch „I Feel Pretty“, „Maria“, „Something´s Coming“, „One Hand“, „Cool“, „America“ und „Tonight“. Das Orchester wusste das Publikum weiter mitzureißen, mit fortgesetzt farbigem und rhythmisch packendem, abwechslungsreichem Spiel.

    Der Applaus für diese gefällige Abfolge der zugkräftigen Hits fiel derart herzlich aus, dass das Duett „Tonight“ als Zugabe noch einmal mit den beiden Solisten des Abends wiederholt werden konnte, extrem lyrisch, extrem innig, und plötzlich, in dieser Innigkeit, klang auch die Stimme des Tenors befreiter, lockerer, kräftiger. War es Nervosität, die ihn im regulären Programm, vor allem bei „Maria“, so zurückhalten ließ?

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • TRÖSTLICHE URKLÄNGE

    Die acht Kontrabassisten des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks im Lehrinstitut Bencic, 6.2.2018, persönliche Eindrücke

    Am 10.2.2018 im Max-Joseph-Saal der Münchner Residenz, am 11.2.2018 in der Evangelischen Akademie Tutzing, am 22.2.2018 ab 20:05 Uhr in BR-Klassik, aber die Weltpremiere dieses außergewöhnlichen Kammerkonzerts mit den Kontrabassisten des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, die sich erstmals in der Orchestergeschichte auf das Wagnis eines eigenen Konzertprogramms ausschließlich ihrer Instrumentengruppe begeben, gibt es im ganz kleinen Rahmen der vom Musikalienhändler des Münchner Notenpunkts veranstalteten Konzertreihe.

    Die Kontrabassisten des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, das sind Heinrich Braun, Philipp Stubenrauch, Wies de Boevé, Teja Andresen, Frank Reinecke, Lukas Richter, Alexander Weiskopf und Matej Varga, bieten in ihrem Programm »Kontrabass par excellence« Musik von Giovanni Gabrieli (1557–1612), Gavin Bryars (*1943), Johann Sebastian Bach (1685–1750) in der Bearbeitung von Philipp Stubenrauch, Giacinto Scelsi (1905–1988), Giovanni Bottesini (1821–1889) und Georges Bizet (1838–1875) in der Bearbeitung von Bernard Salles (*1954), also ein musikhistorisch breites Spektrum von der Renaissance bis zur zeitgenössischen Musik. (Im Lehrinstitut Bencic noch ausgespart wird Jörg Widmanns (*1973) »Teiresias« für sechs Kontrabässe aus dem Jahr 2009.)

    Launig und humorvoll, aber genauso informativ und sehr neugierig auf das dann musikalisch Gebotene machend, übernehmen verschiedene Mitwirkende die mündlichen Einführungen zu den gebotenen Werken. Damit stellt sich die Gruppe schon einmal menschlich sehr herzlich und völlig natürlich vor.

    Aus Gabrielis besetzungsoffenen chorischen Stücken hören wir zu Beginn das in dorischer Tonart komponierte Canzon per sonar primi toni a 8, Ch. 170 aus: »Sacrae Symphoniae« (1597), gespielt von allen acht Mitwirkenden. Diese Klänge greifen wunderschön ineinander, vielfach wird die Musik auf zwei Gruppen aufgeteilt. Schon hier offenbart sich die großartige Klangfülle und Wärme der äußerlich so beeindruckend voluminös wirkenden großen Streichinstrumente.

    Gavin Bryars, ein britischer Komponist und Kontrabassist, schuf »Silva Caledonia« für acht Kontrabässe (2006, Molto adagio) ursprünglich als Männerchor auf einen Text des schottischen Dichters Edwin Morgan, in dem es um die Dunkelheit ins Unheimliche hinein geht. Die Erstaufführung der Kontrabassfassung im Jahr 2006 brachte 22 Kontrabässe zu Gehör. Selbst wenn man für diesen Abend die Kollegen etwa der Münchner Philharmoniker und des Bayerischen Staatsorchesters hinzugezogen hätte, im Lehrinstitut wäre viel zu wenig Platz dafür da gewesen. Acht tun´s auch. Die faszinierend dunkel fließende Musik Bryars offenbart die klangliche Qualität die sich auch sonst in Konzerten des Orchesters zeigt allein mit dieser Gruppe eindrucksvoll, selbst in der dunkelsten Musik das Tröstliche, Liebende, Herzerwärmende immer mitschwingen zu lassen.

    Bachs Chaconne aus der Partita Nr. 2 d-Moll BWV 1004 (1717–1723), ursprünglich für Solovioline komponiert, auch in Klavierbearbeitungen von Brahms und Busoni verfügbar sowie für Orchester und sogar für vier Bratschen (Ichiro Nodaira), erklingt nun, inspiriert von einer Bearbeitung von Bernard Salles für vier Kontrabässe, in einer eigenen Bearbeitung für vier Kontrabässe von Philipp Stubenrauch, einem der Mitwirkenden des Konzerts. Wir erfahren in der Einführung, dass diese Chaconne möglicherweise auch als ein instrumentales Requiem für Bachs verstorbene erste Frau angesehen werden kann. Die verschiedenen Variationen greifen hier nahtlos, den Musikcharakter wechselnd, ineinander über. Die fließend groovenden Abschnitte, die sich dabei herauskristallisieren, suggerieren bei mir in diesem grundierten, vollblütigen Klangbild den Urfluss pulsierenden Lebens.

    Scelsis »Kshara« für zwei Kontrabässe (1975) arbeitet mit der Tiefendimension der Musik. Sich formal oder analytisch dieser Musik zu nähern führt zu nichts. Der Klang wird Welt, seine Veränderung wird Sein. Das genial radikale spirituell animierende Geschrubbe der beiden Kontrabassisten dreht sich um einen einzigen Ton, schon mal die Oktavhöhe wechselnd, aber immer am Ton bleibend, ihn vierteltönig umkreisend. Auch dies hat etwas Urweltliches, Ursprüngliches, Ur-Irdisches, für mich wie die Stimmen von Mutter Erde, wie Jessye Norman oder Mercedes Sosa.

    Ein ziemlicher Brocken, vor allem auch spieltechnisch, ist das Gran Duetto Nr. 1 G-Dur für zwei Kontrabässe mit den Sätzen Allegro, Andante und Polacca des mit Kantilenen nicht geizenden mit seinem Kontrabass die Welt bereist habenden Bottesini. Man fühlt sich wie in der melodieseligen italienischen Oper oder zumindest wie in einem Tosti Liederabend, und die beiden müssen dabei aber ganz schön ackern, der Komponist verlangt ihnen technisch und musikalisch alles ab.

    Den publikumsfreundlichen Abschluss macht die »Carmen-Fantaisie« für Kontrabass-Quartett (1992), gespielt mit acht Kontrabässen, ein kurzweiliges Hitfeuerwerk, mit dem Prélude (Andante moderato), der Aragonaise (Allegro vivo), dem Intermezzo (Andantino quasi allegretto), Les dragons d’Alcala (Allegro moderato) und Les toréadors (Allegro gracioso). Die könnten wohl die ganze „Carmen“ auch ohne Restorchester hinlegen, so fulminant und schmeichlerisch wissen sie die zugkräftige Musik aus den Tiefen ihrer Instrumente heraufzuholen.

    Die Zugabe ist ein besonderes Schmankerl – alle acht (!) an einem einzigen Kontrabass, um diesen gruppiert und ihn miteinander musikalisch teilend, mit einer salonmusikartigen Octobasso-Polka von Gustav Laska (1847-1928).

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Hallo zusammen,

    ich möchte berichten vom gestrigen Konzert des BR SO unter Daniele Gatti im Herkulessaal. Heute wird das Programm wiederholt, live ab 20:03 Uhr in BR Klassik. Ich kann von einer sehr spannungsvollen und intensiven Aufführung der Orchesterfassung von Schönbergs op. 4 und Mahlers vierter Symphonie berichten. Wer es einrichten kann, sich das heute anzuhören, sollte meiner Meinung nach nicht zögern ...

    Die 'Verklärte Nacht' wurde in luxuriöser Besetzung gespielt: die 16 ersten Geigen des BR SO können in den großen, leidenschaftlichen Passagen des Stücks einen großen, intensiven Ton erzeugen, meinen Mitgängern und mir ist aber auch das sehr spannungsreiche pianissimo besonders positiv aufgefallen. Dadurch, dass einzelne Passagen aber auch solistisch besetzt waren (z.T., wenn Begleitstimmen in der großen Gruppe spielten), war eine sehr genaue Dynamikabstimmung gefragt. Da ich bei meinem letzten Besuch beim BR SO an dieser Stelle doch ziemlich enttäuscht worden bin, war ich nun umso begeisterter, dass die Koordination wie ein perfekt sitzender Handschuh passte.

    Für mich war das Konzert gestern die Erstbegegnung mit dem Dirigenten Daniele Gatti, dessen Schlaggebung an manchen Stellen völlig losgelöst von der Musik zu sein schien, aber im entscheidenden Moments eines Rubatos dann so klar und präzise wie eben denkbar war. Und sowohl, was kleine crescendi und decrescendi, was rubati angeht, als auch was die genaue Abstimmung, welche Stimme wieweit im Raum akustisch hervortritt, war ich von der Interpretation Gattis sehr beeindruckt. Er hat etliche Stellen bei Schönberg und Mahler kräftiger gegeneinander gesetzt als ich das bei den mir lieb gewordenen Einspielungen kenne (z.B. die Zwischenspiele im letzten Satz beim Mahler). Ich fand das sehr drängend und überzeugend interpretiert, das Orchester hat das Ganze perfekt umgesetzt.

    Bei Mahler war dann der Streicherchor etwas verringert gegenüber Schönberg, aber auch hier war ich wieder fasziniert, wie schlüssig und überzeugend viele Stellen interpretiert worden sind. Im ersten Satz war ich immer wieder überrascht, wie deutlich die 1. Klarinette (und etwas weniger die 1 Oboe) in einigen Passagen akustisch hervorgehoben war. Beim nachvollziehenden Blättern in der Partitur bin ich erstaunt, wie viele Details in diesem (auswendig dirigierten) Konzert erheblich genauer wiedergegeben sind als in den mir vorliegenden CDs (Bernstein & COA, Abbado & BPh, Sinopoli & PO). Es war aber bei aller Präzision auch eine emotional sehr überzeugende Interpretation. Sehr lustig war die gewählte Lösung für den Auftritt der Sopranisten. Christina Landshamer stand erhöht hinter dem Orchester, ich habe schon bei Konzerten erlebt, dass die Sopranistin vor dem dritten Satz den Raum betritt, um den direkten Übergang vom langsamen Satz zum Finale zu sichern. Gatti und Landshamer entschieden sich dafür, dass sie zum E-dur-Höhepunkt am Ende des langsamen Satzes von hinten auf die Bühne betrat. Was für ein Auftrittsmoment, der natürlich dem Radiohörer verborgen bleibt. Landshamer sang sehr textverständlich und klangschön, war auf meinem Platz immer sehr gut zu hören, wirklich bewegt hat mich ihr Gesang leider nicht.

    Gruß Benno

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

  • Etwas verspätet (aus Zeitgründen) ein weiterer persönlicher Konzerteindruck...

    EIN FULMINANTES DENKMAL FÜR LEONARD BERNSTEIN

    „Happy Birthday, Lenny“ mit der Theaterakademie August Everding im Prinzregententheater (München), 15.2.2018

    Eine fulminante Leonard Bernstein Revue, konzipiert und geleitet von Hardy Rudolz, stellte die Theaterakademie August Everding in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik und Theater München und dem Münchner Rundfunkorchester da auf die Bühne des nicht ganz ausverkauften Prinzregententheaters! Man ist begeistert vom Anspruch des jungen Ensembles mit seinem frischen hochmotivierten Spiel und seinen unverbrauchten Stimmen, dem universellen Künstler Leonard Bernstein in seiner ganzen Vielseitigkeit nachzeitlich gerecht werden zu wollen.

    Wenige Requisiten und angedeutete Bühnenecken genügen im Bühnenvordergrund (Bühne: Angelika Höckner), sie lassen Platz für Einzel- wie für Ensembleszenen, und ein paar Treppenstufen höher spielt im Hintergrund vor der großen Leinwand die für Bild- und Schrifteinblendungen genutzt wird das von Wayne Marshall geleitete Orchester.

    Die Musical- und Gesangsszenen werden teilweise in Englisch, teilweise in Deutsch gesungen. Sie versuchen, in den Choreografien und mit den Kostümen ein Feeling zu erzeugen, als säße man in den Erstaufführungen der 40er bis 80er Jahre – es wird also jede Modernisierung und Verfremdung vermieden.

    Die Mitwirkenden bringen zwischendurch wesentliche Lebensstationen Bernsteins einerseits mit Faktenaufzählung, andererseits anekdotisch ein, vom Konzert in Landsberg vor ehemaligen Lagerinsassen 1948 bis zum Zwiespalt zwischen dem alles auskostenden Lebensmenschen und dem liebevollen Familienvater. Diese Aufbereitung wirkt etwas plakativ. Sie würde Bernstein genauso groß da stehen lassen, brächte man es etwas weniger reißerisch und marktschreierisch.

    Zu Beginn wird kurz „Somewhere“ aus der „West Side Story“ angesungen und angespielt, dann geht das eigentliche Programm los, im ersten Teil mit der schmissigen Ouvertüre zu „Candide“, die gleich das musikalisch top aufgestellte Orchester die Funken sprühen lässt und dann mit Szenen aus den Bühnenwerken „On the Town“, „Peter Pan“, „Trouble in Tahiti“ und „Wonderful Town“, und nach der Pause mit Ausschnitten aus „Mass“, „A Quiet Place“, „Candide“, dem Song „I hate Music!“, „1600 Pennsylvania Avenue“ und „West Side Story“.

    Ob wir nun mit einem Matrosen in New York Taxi fahren, Captain Hook eher lustig als bedrohlich finden, mit einer amerikanischen Vorstadtbürgerin deren Filmbesuch nachvollziehen, beim Conga am liebsten mittanzen würden (dieser Ohrwurm führt in die Pause), die bewusst statisch vorgetragenen Chorsätze aus „Mass“ bewundern, mit einer weiteren amerikanischen Durchschnittsbürgerin den Tod der Mutter betrauern, die fulminante Glanznummer aus „Candide“ „Glitter and be Gay“ einmal mehr bejubeln (mit einer souveränen Einspringerin vom Gärtnerplatztheater), uns Sorgen mit den Mitwirkenden zusammen ums Weiße Haus machen oder ob wir dann zum erst recht grandios aufgedrehten Finale mit den „West Side Story“ Superhits „Mambo“, „I Feel Pretty“, „Jet Song“, „America“ und „Tonight“ (Ensemble) noch einmal die perfekt studierten und mit hinreißendem Einsatz die Szenen grandios lebendig machenden durchwegs charakterlich ideal besetzten und studierten Ensemblemitglieder mit Standing Ovations bedanken, dem Bühnenkomponisten Leonard Bernstein wird eine exzellente, brillante Reverenz erwiesen mit dieser vielfältigen Revue.

    Die Zugabe rundet den Abend als großes musikalisches Gebet aller ab – „Somewhere“, mit dem Wunsch und der Hoffnung auf eine friedliche Zukunft im Sinne des die Welt umarmenden universellen Künstlers Leonard Bernstein.

    Freue mich auf die Radioaufzeichnung in BR-Klassik am 4.3.2018 ab 19:05 Uhr.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • MIT PIANO UND KLANGPRACHT IN DEN AUGENBLICK

    Gustav Mahlers Symphonie Nr. 3 d-Moll mit den Münchner Philharmonikern unter der Leitung von Kent Nagano in der Philharmonie am Gasteig (München), 5.3.2018, ein persönlicher Konzerteindruck

    Die persönliche Ausgangsbasis: Ich war lange Jahre extrem Mahler-süchtig, habe Aufnahmen gesammelt und vor allem Radio- und Fernsehübertragungen im Übermaß konsumiert. Vor etwa zwei Jahren war ein Schnitt notwendig, habe den Konsum damals extrem eingeschränkt und versuche nun, nach ziemlich konsequent durchgehaltener Pause und einem Neuansatz mit einigen Aufnahmen der Symphonie Nr. 1 vor wenigen Wochen und einer Mahler Siebenten mit Barenboim und den Wiener Philharmonikern im Wiener Konzerthaus, mich behutsam der großen Gustav Mahler Welt mit neuer Entdeckerlust, frisch und gewissermaßen entschlackt, wieder anzunähern.

    Bei Mahlers umfangreichster Symphonie, der Symphonie Nr. 3, deren Länge mich nie gestört hat, ganz im Gegenteil, dessen „Programm“ von der Urzeit bis zum Paradies mich stets ganz besonders fasziniert hat, nehme ich nach wie vor immer die später zurückgezogenen Satzüberschriften mit, da die dadurch möglichen außermusikalischen Assoziationen die Fantasie enorm zu beflügeln vermögen.

    Also wieder „Pan erwacht. Der Sommer marschiert ein“, „Was mir die Blumen auf der Wiese erzählen“, „Was mir die Tiere im Walde erzählen“, „Was mir der Mensch erzählt“, „Was mir die Engel erzählen“ und „Was mir die Liebe erzählt“, als inspirierende Wegweiser durch den symphonischen Kosmos der Musik.

    Den Klang der Münchner Philharmoniker mag ich als geborener Wiener sehr, seit ich ihn in München live hören kann. Er erinnert mich schon irgendwie an die Wiener Philharmoniker, weich, harmonisierend, klangüppig, ein satter Streicherklang, farbige Holzbläser, strahlendes Blech, dabei nicht kalt und perfektionistisch ausstrahlend, sondern eine musikalische Wärme vermittelnd, die auch bei dissonanter Musik immer einen gewissen Trost, eine Hoffnung, etwas „Aushaltbares“ selbst in Beklemmungssituationen mitschwingen lässt.

    Habe versucht, mich von Anfang an in die Musik völlig neu hineinfallen zu lassen. Sicher, das Antizipierende, das „Wissen“ welche Tonfolgen gleich kommen werden, fast das ganze Werk hindurch, konnte nicht eliminiert werden in den zwei Jahren Pause, trotzdem war es mir möglich, mit dieser Aufführung vieles auch ganz neu zu hören, neu zu empfinden.

    Die steinerne Welt die der Beginn des 1. Satzes aufbaut erhält mit der üppigen Klangkultur des Orchesters eine ganz eigene Farbe, die mich sofort im tiefsten Inneren anspricht. Ich gehe gewissermaßen mit neuem Blick durch eine scheinbar wohlbekannte Welt. Das klangprächtige Orchester überrascht mich vor allem mit einem wunderschönen kollektiven Piano, noch nie so scheint es mir habe ich Mahlers ruhige Stellen so klanginnig gehört, dafür werde ich in diesen Minuten extrem sensibilisiert. Mir fallen Passagen auf, über die ich viele Jahre hinweggehört habe, auch angeregt durch die ausgezeichnete Werkeinführung von Marcus Imbsweiler im Programmheft. Pan gelangt in den Tag, dieser Marsch in den Tag ist für mich hier ein freundlicher, zuversichtlicher Marsch. Im Lauf des Satzes geht es durch Berg und Tal, durch (kriegerische?) Hindernisse, wieder durch die steinerne Welt, und zwischendurch unterstreicht das Orchester, dass es nahe der Alpen zu Hause ist, da werden so richtig zünftige Klänge herausgeschält. Dirigent Nagano belässt die Musik im Fluss, aber er setzt sich auf Effekte, lässt es dann doch knallen wo es sich anbietet. Das bringt etwas Äußerliches in die Interpretation, etwas mutwillig Auftrumpfendes. Mich hat das ansatzweise an Claudio Abbados Wiener Aufnahme der Mahler Zweiten erinnert, die sich auch etwas knallig gibt.

    Die Pflanzenwelt, die Tierwelt in den Folgesätzen innerlich mitzudenken, mitzuleben (sind das nicht doch schon Vögel im 2. Satz, und ja, der Esel im 3.!) – das war schon für mich wie ein Nachhausekommen ins Vertraute. Und dann das Versinken, das Wegdriften in die Posthornabschnitte, durchaus auch gedanklich ganz wegkippen, sich dann aber wieder zurückorientieren in den Fortlauf der Musik – beim wirklich klangschön aufspielenden Orchester bleibt die Geborgenheit für mich durchgehend aufrecht. Und dann kippt Mahler genial die Stimmung, die Atmosphäre, gegen Schluss des 3. Satzes, ein Wetterwechsel, ein Regenguss, vielleicht ein Gewitter, und man ist auf einer anderen Seinsebene. Das ist Naturpsychologie in Musik, eine unglaubliche Stelle, bin froh, sie wieder einmal ganz neu mitleben zu können. An Naganos Effektheischerei habe ich mich gewöhnt, das klangprächtige Orchester fängt alle Musik betörend schön wo es geht auf, und weiter – was für ein Piano!

    In des Menschen Nietzsche-Solo des 4. Satzes darf ja muss sich das Piano kultiviert zurücknehmen, denn da wird die Kultur Mensch durch die geradeaus beseelt singende Elisabeth Kulman (die der tz Kritiker Kuhlmann schreibt). Ich meine man kann dieses „O Mensch“ vielleicht anders singen aber nicht klarer und beseelter. Das Horn leistet sich in diesem Satz (was verlangt Mahler da doch von ihm, ein Wahnsinn!) einen Tonholperer, was soll´s.

    Transparenz auch im 5. Satz mit den Augsburger Domsingknaben und dem Frauenchor des Philharmonischen Chores München, hier gefällt mir die Balance zwischen Orchester und Chören sehr gut, die Akustik der Philharmonie, einmal mehr vom Billigsektor R aus erlebt (auch das: nicht einmal 25 Euro für so ein Spitzenkonzert, toll!), schafft es durchaus, das Differenzierte hier nicht ganz zu vernebeln.

    Auf das Finale habe ich mich besonders gefreut. Schon immer hat es zu meinen absoluten Lieblings-Symphoniesätzen überhaupt gehört, dieser dreimalige Versuch, „wohin auch immer“ zu gelangen, um beim dritten Mal erlöst im strahlenden Licht unendlich geborgener Harmonie zu landen. (Allein für diesen Satz wäre ich gern Dirigent.) Ich gebe es zu habe mich ganz und gar mitreißen lassen vom Strom der Musik. Das Orchester spielt so klangherrlich schön, so vollblütig saftig, Nagano dreht halt noch extra auf, na soll er, ich finde die Musik traumhaft schön, vollendet innig. Der Schlussakkord erstrahlt wie von einer Riesenorgel gespielt.

    Ja und so eine Aufführung provoziert, was dann folgt – sekundenlange Stille, und die gehört noch zur Musikzeit, das ist eine kleine Ewigkeit, ein Moment, ein Augenblick der gleichzeitig nichts ist und alles, diesen Moment im Konzertsaal mitzuerleben (oder per DVD, Mahler Neunte Abbado, Luzern, beispielsweise), bis der Dirigent die Arme senkt und der Jubel losbricht, schon allein das ist alles wert.

    Für mich alles in allem ein großes Gustav Mahler Musikerlebnis.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • GLUTHITZE IN DER KÄLTE

    Julia Fischer (Violine) und Yulianna Avdeeva (Klavier) im Prinzregententheater (München), 6.3.2018, persönlicher Höreindruck

    Gleich mit der Sonate für Klavier und Violine Nr. 2 A-Dur op. 100 von Johannes Brahms wird im nicht ganz ausverkauften Prinzregententheater deutlich: Hier spielt die hochprofessionelle Weltklasse, die genau weiß was sie will, die alles perfekt einstudiert hat und es souverän abrufen kann. Es fehlt etwas das Spontane, Unberechenbare, dafür bekommt man das Werk in einer zielgerichteten klaren Stringenz sondergleichen. Empfindsamkeit und Emphase sind derart selbstverständlich, jede Wendung ist „da“ in diesem konzentriert-kontrollierten Zusammenspiel zweier völlig souveräner Künstlerinnen. Wo es geht wird sensibelst auf filigran ausbalancierte Schattierungen geachtet. Zwei singuläre Persönlichkeiten atmen gemeinsam, ohne das Selbstbewusste der eigenen Persönlichkeit dabei zurückzustellen. Julia Fischers Geigenton hat etwas berührend Poetisches, er schmiert nie, wirkt sehr klar, dabei rein und zu Herzen gehend anmutig. Yulianna Avdeeva bleibt immer hochkonzentriert ernst und sehr bestimmt am Steinway. Der erste Satz mit seinem „Preislied“-Motiv, der zweite Satz zwischen ruhigeren und schnelleren Passagen und das anmutige Rondo-Finale atmen eine professionelle Souveränität sondergleichen.

    Das setzt sich konsequent auch in der impressionistischen Zauberwelt von Karol Szymanowskys „Mythen“, den Drei Gedichten für Violine und Klavier op.30, fort, am Brunnen der Arethusa, mit dem Narziss und schließlich bei den Dryaden und Pan – eine gewisse Kälte schwingt da mit, die bei aller selbstverständlichster Musikalität das Abrufbare dieser Spitzenleistung immer auch im Vordergrund behält.

    Dmitri Schostakowitschs 1968 entstandene Sonate für Violine und Klavier G-Dur op.134 nach der Pause „erklärt“ den Grundansatz der Interpretationen: Was für ein düsteres, vielfach beklemmend intensives Werk, ja was für ein kaltes, gleichwohl faszinierendes Werk ist das, und da passt dieses Mitschwingen des durchhörbar Einstudierten und Abgerufenem fesselnd ideal. Der erste Satz, der ja mit einer Zwölftonreihe beginnt und dann großteils düster dahinstapft, der unheimliche, wilde Marsch des zweiten Satzes, atemberaubend souverän von den beiden hingelegt, mit einer Klarheit und Durchhörbarkeit vom Feinsten, und dann das Finale, beginnend mit einem kurzen feierlichen Largo und dann durch eine marmorne Passacaglia bestimmt, die in ihrer Strenge gerade bei so einer hochkonzentriert perfekten Interpretation extrem zu erstaunen vermag (eine absteigende Tonfolge darin hat mich an das Lehár-Thema „Da geh ich zu Maxim“ aus der „Lustigen Witwe“ erinnert, das ja auch Bartók in seinem Konzert für Orchester und Schostakowitsch in der 7. Symphonie zitieren), bis dann eine zweite Zwölftonreihe hinzutritt, zwei exzessive und hier gleichwohl sensationell glasklar abgerufene Kadenzen aufhorchen lassen und danach einige Motive des Werks noch einmal im Abschwung des Werks zitiert werden – nicht nur da hat die Interpretation eine Innenspannung und Intensität sondergleichen, Gluthitze in der Kälte.

    Die souverän klare Zugabe: Johannes Brahms, das Scherzo aus der F.A.E.-Sonate.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • DER FARBENZAUBER DER KLARINETTE

    Michele Carulli (Karinette) und Serena Chillemi (Klavier) im Lehrinstitut Bencic (München), 10.3.2018

    Der Klarinettist Michele Carulli war Soloklarinettist des Orchesters der Mailänder Scala und persönlicher Assistent von Giuseppe Sinopoli. Er ist auch als Komponist und Dirigent tätig. Serena Chillemi stammt aus Sizilien und hat bei Thomas Böckheler am Richard-Strauss-Konservatorium München studiert. Die beiden stellten im kleinen gemütlichen Rahmen des Lehrinstituts vier Werke für Klarinette und Klavier vor, die vor allem den Farben- und Charakterreichtum der Klarinette in all seinen Facetten großartig zu präsentieren vermochte.

    Die vier Fantasiestücke für Klarinette und Klavier op. 43 (1843) von Niels Wilhelm Gade (Andantino con moto, Allegro vivace, Ballade und Allegro molto vivace) kommen wunderschön frühromantisch konzertant daher, schon hier überwältigen die Farben, die die Klarinette hervorzuzaubern vermag. Das Klavier begleitet und grundiert hauptsächlich.

    Eine echte Entdeckung für mich ist die Sonata für Klarinette und Klavier op. 167 Es-Dur von Camille Saint-Saëns. Schon ihr poetischer Beginn entfaltet einen ganz eigenen ruhigen Zauber. Es entwickelt sich ein konzertant ganz schön herausforderndes Werk (Sätze 1 und 2 Allegretto bzw. Allegro animato), das die Farben vom Poetischen übers Spritzige bis zum ganz Düsteren und Schweren im 3 Satz, Lento, auslotet, wobei dieser 3. Satz mit einer Wendung eben von diesem ganz Düsteren mit einem Mal ins zauberisch schöne Lichtvolle überrascht, eine Passage von irisierender Schönheit und Zartheit. Das Finale dieses viersätzigen Werks gibt sich umso virtuoser, um ganz zum Schluss – eine weitere berückende Wendung – noch einmal zum poetischen Beginn zurückzukehren und sich damit, das Werk ruhig abrundend, dem äußerlich wirkungsvollen Kehraus verweigert.

    Die dreisätzige Sonatina für Klarinette und Klavier B-Dur (1922) von Bohuslav Martinů (Moderato, Allegro, Poco allegro) hat dagegen vor allem ganz viel musikantisch Reizvolles zu bieten, teilweise auch harmonisch Überraschendes, rhythmisch Auffallendes, man purzelt von einer Überraschung in die nächste, und noch mehr als bisher ist die Klarinette gefordert, sich farblich und charakterlich immer wieder zu wandeln.

    Den Abschluss machte die Sonata für Klarinette und Klavier von Francis Poulenc (1962). Die Klarinetten-Klavierwelt gibt sich hier noch bunter, wieder andere musikantische und virtuose Herausforderungen und Überraschungen ergeben sich da. Das erneut dreisätzige Werk (Allegro tristamente, Romanza, Allegro con fuoco) besticht vor allem mit einer großen geheimnisvollen Passage im 1. Satz, die wieder eine ganz eigene klangzauberische Welt aufbaut.

    Der souveräne Einsatz des vollblütig alle Farben aufblätternden Klarinettisten und der genauso souverän mit diesem im vollendeten Einklang mitgestaltenden Pianistin machten gelungene Werbung für diese Instrumentenkombination und die Werke des Konzerts.

    Als Zugabe gab es die ganz ruhige Petite Piece von Claude Debussy, mit einem irgendwie offenen Schluss erneut überraschend.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • IN JEDER MUSIK ZU HAUSE

    Persönliche Eindrücke zum Konzert der Houston Symphony unter der Leitung von Andrés Orozco-Estrada mit der Solistin Hilary Hahn in der Münchner Philharmonie am Gasteig, 19.3.2018

    Schon am 5.2.2018 konnte man in einem Konzert der Münchner Symphoniker am selben Ort eine Ouvertüre zu Leonard Bernsteins „West Side Story“ hören, die es erst seit dem Film gibt, die aber gegenüber der Filmmusikversion im Mittelteil „Maria“ durch „Somewhere“ ersetzt, beginnend mit einem Ausschnitt aus der Ensemblenummer „Tonight“ und endend, eben nach „Somewhere“, mit dem schmissigen „Mambo“. Das amerikanische Orchester stellt sich mit diesem Opener tourneegerecht kompakt, mit Schmelz bei „Somewhere“ und mitreißend beim „Mambo“, gut aufgedreht vor.

    Gespannt durfte man auf Leonard Bernsteins Serenade für Violine, Streicher, Harfe und Schlagzeug nach Platons «Gastmahl» mit Hilary Hahn sein, die das Werk ja bereits für CD eingespielt hat. Hahns schöner, reiner Geigenton nimmt auch live sofort für die Musik ein, er lässt die Hörerschaft tief in diese Klangwelt Bernsteins eintauchen. Hahns hingebungsvolles Spiel versucht durchgehend, mit beherztem Ansatz die Seele der Musik unmittelbar spürbar zu machen, von ihrem ersten Soloeinsatz über den kurzen Sonatensatz des 1. Satzes, über die weiteren „liebesphilosophischen Redebeiträge“ zwischen Lyrik und Überschwang (zumal im zentralen poetischen Agathon-Satz, der sich dann ja hin zu einer Kadenz aufschwingt), bis zum teilweise ausswingenden Finale. Das Orchester gibt facettenreich transparent, zwischen Zartheit, weiterem Schmelz, Swing, Großsymphonischem und auch mit Charme changierend, einfühlsam abgestimmt mit der Solistin (etwa der Dialog des Cellisten mit ihr im Finale!), die vielfältigen Farben dazu, die das Werk zu einem doch recht komplexen symphonischen Konzertwerk voller spannender Herausforderungen für die Mitwirkenden wie für die Zuhörenden machen.

    Mit ihrer Zugabe zieht Hilary Hahn ein paar weitere Minuten alle in den poetischen Bann ihres beherzten Geigenspiels. Johann Sebastian Bachs Sarabande aus der Partita Nr. 1 bleibt behutsam, ruhig, vertieft, drängt sich nicht vor, schafft spontan verinnerlichte, ganz gegenwärtige Momente. (Wer nicht weiß um welches Stück es sich bei einer Zugabe handelt, kann dies übrigens am Tag nach dem Konzert beim Veranstalter, diesfalls Münchenmusik, zu erfragen versuchen, dort ist man offenbar auf Fragen dieser Art wenn alles klappt so wie hier gut vorbereitet.)

    Wie variabel das schon bisher wirklich mitreißend und staunenswert klangdifferenziert hervorragend disponierte Orchester ist, unterstreicht es nach der Pause mit Antonín Dvořáks Symphonie Nr. 7 d-Moll op. 70 – für mitteleuropäisch sozialisierte Ohren wohlvertraute Klangfülle und Farbenreichtum im vielfach sanft dramatischen Gestus der großen Symphonik tut sich da auf, wobei Orozco-Estrada fein nuanciert viele Details „natürlich erfühlt scheinend“ zum Leuchten bringt und damit völlig vergessen lässt, dass hier ein amerikanisches Orchester spielt, welches sich möglicherweise besonders profilieren möchte. Vielmehr wird Dvořáks herrliche Musik einfach klangschön und verinnerlicht und, wie schon erwähnt, dort wo es angebracht ist auch durchaus dramatisch, ausgebreitet.

    Das Publikum nimmt so etwas dankbar an und kriegt schon mal eine Zugabe, die das Orchester wieder in neuem Licht zeigt, russisch virtuos ins bewusst Plakative hinein, aber auch hier, immer Musik, nie äußerlicher Glanz im Vordergrund, obwohl sich zu diesem alle Verlockung böte: Tybalts Tod aus Sergej Prokofjews Romeo und Julia Suite Nr. 1 das Stück 7. Und weil das Publikum partout so begeistert weiter applaudiert, kriegt es auch noch einmal Orchesterschmelz vom Schönsten, Edward Elgars Nimrod aus den Enigma Variationen.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Hallo zusammen,

    ich möchte von meinem gestrigen Konzertbesuch beim BStOr berichten, Kirill Petrenko dirigierte, Julia Fischer und Daniel Müller-Schott haben im Brahms'schen Opus 102 den Solopart gespielt, nach der Pause dann die Manfred-Symphonie von Tschaikowsky. Meiner reizenden Begleitung und mir fiel ein starkes Ungleichgewicht zwischen den beiden Konzerthälften auf, beide Stücke sind für mich Erstbegegnungen im Konzert gewesen, insofern hat das vermutlich nichts damit zu tun, dass ich die Stücke unterschiedlich gut kenne. Da wir wieder Plätze recht nahe am Orchester hatten, konnten wir wieder recht gut die Interaktion zwischen Dirigent, Solisten und Orchester verfolgen.

    Mich hat der Brahms, so wie ich ihn gestern Abend gehört habe, nicht erreicht, mindestens in den ersten beiden Sätzen hatte die Interpretation etwas sehr Akademisches (passt natürlich für ein Akademiekonzert), Heruntergespieltes, Unbeteiligtes. Das war an manchen Stellen im Streichorchester sogar ziemlich unpräzise, eine Novität in den von Kirill Petrenko dirigierten Konzerten oder Opernaufführungen. Die Solisten haben tonschön, präzise und wunderbar abgestimmt gespielt, besonders überzeugt klangen sie leider nicht. Erst im dritten Satz kam dann ein gewisses Schmunzeln und eine Anteilnahme am Stück ins Musizieren, die ich mir schon deutlich vorher gewünscht hätte. Sehr freundlicher Beifall führte zu einer (mir unbekannten) Zugabe, deren Ansage ich leider nicht verstehen konnte, weil Daniel Müller-Schott sich genau in der Sekunde von uns weggedreht hat, so dass wir den Titel nicht gehört haben. Ich nehme an, dass es die Halvorsen Passacaglia von der vor vier Jahren eingespielten Duo-CD der beiden Solisten ist. Auch hier wieder sehr freundlicher Beifall des Publikums im seit langem ausverkauften Nationaltheater.

    Nach der Pause wirkten Dirigent und Orchester wie ausgewechselt: Plötzlich war große Präzision und Leidenschaft am Werk, die Farben im gesamten Orchester saßen perfekt, plötzlich war Begeisterung für den (erstmals im Rahmen eines Akademiekonzertes gespielten) Manfred zu spüren. Die wie immer sehr zügigen Tempi und die klare Strukturierung fügten sich zu einer sehr mitreißenden Aufführung zusammen. Leider ist die im Finale hinzutretende Orgel im Nationaltheater kein besonders großes Instrument, so dass die akustische Steigerung zum Ende des Stücks ausblieb. Andererseits konnte man sogar in Tutti-Passagen im Finale nach Eintritt der Orgel noch sehr gut die Holzbläser hören, so dass ich sogar annehme, dass es nicht einfach nur um akustische Überwältigung ging (so hört sich das bei einigen Aufnahmen in youtube an), sondern um eine absichtliche Gestaltung. Das von der Dynamik zurückgehende Ende des Stücks hatte leider nicht so viel Spannung wie viele Passagen vorher, dennoch brach ein großer Beifallssturm des Münchner Publikums aus.

    Aus meiner Beschreibung geht sicher hervor, dass das nicht die stärkste Leistung von Kirill Petrenko war, aber man muss natürlich erwähnen, dass er mit manch anderem Konzert und Opernaufführung die Latte der an ihn gerichteten Erwartungen extrem hoch gelegt hat. Ich bin weit entfernt davon, enttäuscht zu sein, ich attestiere einfach nur: ich gehe davon aus, dass er an diesen Stücken noch weiter arbeitet, denn: Das Konzert wird am Samstag in der Elbphilharmonie und kommende Woche in der Carnegie Hall wiederholt.

    Gruß Benno

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

  • Ich fand beim Brahms-Konzert den zweiten Satz besonders schön gespielt: nicht so schwelgerisch-expressiv, sondern eher zart und stetig fließend (Tempo und Charakter), wodurch beim Hauptthemenkomplex die immer wieder wechselnde klangliche "Einfärbung" der Solisten durch Streicher und Holzbläser sowie die metrischen Irritationen wunderschön herauskamen. Der Kopfsatz war u.a. durch relativ starke Temposchwankungen zwischen Grundtempo und lyrischen Teilen des Seitenthemas geprägt, der Rubato-Tonfall wurde von Müller-Schott schon in der Kadenz vorgegeben. Die klangliche Abstimmung zwischen Orchester und Solisten fand ich exzellent. Fischer und Müller-Schott agierten (wie tendenziell schon in der Aufnahme mit Kreizberg) nicht als zwei Solisten, sondern sozusagen als ein einziger Instrumentalist. Ihr Gebaren ist eher diskret, fast nüchtern, ihr Spiel aber äußerst nuancenreich.

    Beim "Manfred" hat mich - wie schon bei Petrenkos Interpretation von Tschaikowskys Fünfter und Sechster - begeistert, wie die Extreme, besonders die fast schon hysterisch übersteigerten Ausbrüche, durch einen in Dynamik und klanglicher Gewichtung der Instrumentengruppen gut kontrollierten Orchesterklang besonders stark zur Geltung kommen. Das gilt vor allem für den klanglichen Sog in die Tiefe, den ja schon Fagotte und Bassklarinette im ersten Thema vorgeben und in den alle Ausbrüche letztlich münden. Der immer problematische, stark collagiert wirkende Schluss des Finales wurde nicht zerdehnt, auf die Orgel könnte ich eh verzichten...

    :wink:

    .

  • Ich tu´ das mal hier rein. Habe es ja auch als "Konzert" gehört.

    MITTENDRIN UND DOCH GANZ ANDERSWO

    Die Bernstein Celebration mit The Royal Ballet im Mathäser Filmpalast Kino 8 in München, 27.3.2018, persönliche Eindrücke

    Meine Ausgangsbasis: Ich bin kein Ballettfan und –kenner. Balletten die explizit als solche konzipiert und komponiert sind stehe ich offener gegenüber als solchen, bei denen über an sich nicht dafür gedachte Musik diese Tanz- und Bewegungsform gestülpt wird. Zumal bei mir sehr vertrauten Werken habe ich da vielfach Probleme, mich vom rein Akustischen lösen zu können und diese Zusatzdimension als nicht „vom Eigentlichen“ ablenkendes Element zu akzeptieren.

    Bin des Namens Leonard Bernstein wegen ins Kino gegangen, mir wären Originalballette wie etwa Fancy Free genauso recht gewesen wie die drei Werke, die auf dem Programm des Ballettabends im Londoner Royal Opera House standen und live in diversen Kinos mitverfolgt werden konnten.

    Ich war das erste Mal bei so einem Kino-Opernhaus-Live-Event. Der Eintrittspreis ist höher als der normaler Kinokarten, die Spieldauer allerdings auch ganzabendfüllende drei Stunden lang. Im Kinofoyer gibt es die Möglichkeit, ein kostenloses Getränk zur Begrüßung zu konsumieren, und beim Saaleingang erhält man ein Programmblatt. Umfassend wird man vor Beginn und in den Pausen darauf hingewiesen, dass es online kostenlos ein ausführlicheres Programm gibt und dass man mit den mitgebrachten Smartphones über alle möglichen Kanäle möglichst der ganzen Welt mitteilen sollte, dass und an welchem Ort man die Vorstellung mitverfolgt.

    Das Mathäser Kino 8 ist mäßig voll, viele Plätze bleiben leer.

    Eine Mischung aus Kinobesuch, Opernbesuch und Fernsehabend zeichnet sich ab. 15 Minuten vor Beginn der Vorstellung in London begrüßt uns ein Moderator, der uns ab da durch den Abend führt und die Minuten vor dem jeweiligen Werkbeginn mit Gesprächen mit dem Bernstein-Vertrauten und Biograf Humphrey Burton (der historisch Fundiertes beizusteuern weiß) sowie mit den Kreativteams der drei gebotenen Ballette (die ihre Sichtweisen auf Bernsteins Kompositionen und ihre Konzepte verdeutlichen) füllt. Das beginnt jeweils mit Monologen des Moderators, die (da wohl vorbereitet) deutsch untertitelt sind. Die Gespräche und teilweisen Zuspielungen mit Probenausschnitten sind dann nicht mehr untertitelt.

    Pünktlich vor Vorstellungsbeginn wird in der Oper wie im Kinosaal das Licht weggeschaltet. Dieser Moment, da hier auch jeweils eine Totale auf den Bühnenvorhang im Royal Opera House Covent Garden gezeigt wird, imaginiert schon sehr stark, man wähne sich nun wirklich in einem Opernhaus.

    Die Aufführung selbst habe ich optisch wie eine großdimensionierte „Fernsehübertragung“ erlebt, mit gezielt guter Kameraführung, die sehr genau darauf achtet, dass man das Wesentliche der Intentionen der Ballettregisseure mitbekommt. Keine Zwischenblendungen ins Orchester oder ins Publikum, durchgehend volle Konzentration auf die Bühne. Akustisch hörte es sich für mich etwas blechern und knallig an, zweiteres lag aber wohl (vor allem beim ersten Werk des Abends) an der Interpretation. Akustisch (so habe ich es empfunden) kann der Besuch einer Originalvorstellung im Opernhaus keinesfalls durch so einen Kinobesuch ersetzt werden. (Am 13.4. werde ich nebenan im Kino 7 Petrenkos Berliner Konzert mit Yuja Wang erleben, lasse mich da gerne eines Besseren belehren.)

    Die Bernstein Celebration brachte Ballettversionen der Chichester Psalms, der 2. Symphonie „The Age of Anxiety“ und der Serenade für Violine, Streichorchester und Schlagwerk von drei verschiedenen Choreographen. Das erste und das dritte Werk wurden neu betitelt.

    Yugen (die Chichester Psalms) bedeutet, wie wir in der Einführung erfahren haben, tiefe Anmut. Bernsteins etwa 20minütiges Werk für Knabensopran, Chor und Orchester auf hebräische Texte aus seinem Sabbatical Year Mitte der 60er, in dem er sich nach Befassung mit Atonalem zur Tonalität bekennt, soll hier laut Choreograph Wayne McGregor den Weg eines jungen Mannes zeigen, aber es sei nicht wichtig, dies genau als Weg mitverfolgen zu müssen. Durchsichtige kleinere bis überdimensionale verschieden beleuchtete Kabinen im Hintergrund stehen wie Monumente da, das Ensemble agiert davor frei. Weiche und geschmeidige Bewegungen werden zur Musik vollzogen. Mir ging es hier so, dass ich unentschieden geblieben bin der Musik die ich gerne wieder höre, auch wenn Dirigent Koen Kessels sie ziemlich knallen lässt, zu lauschen, einem vielleicht doch erkennbaren Inhalt des Tanzes zu folgen oder einfach nur diesen als inhaltslos aber ästhetisch bereichernd zu akzeptieren. Für mich haben Musik und Tanz nicht recht zueinandergefunden. Die Leistung des Ensembles hat aber meine allerhöchste Hochachtung, so komplexe Tanzvorgaben punktgenau umsetzen zu können und damit die gewünschte Ästhetik zu erzeugen.

    Umso überraschter war ich, im 2. Teil die 2. Symphonie Bernsteins “The Age of Anxiety”, dieses verkappte Klavierkonzert nach einer Vorlage von W. H. Auden, ein Werk, das mir an sich auch als absolute Musik „heilig“ ist, hier als ideale Ballettmusik völlig neu erlebt zu haben, mit einer stimmig erzählten leicht mitvollziehbaren Geschichte, die vollständig auf die Musik und ihre Charakterwechsel angepasst ist und phantastisch gespielt und getanzt wurde. Choreographiert hat diesfalls Liam Scarlett, dirigiert Barry Wordsworth und das Klavier spielte Robert Clark. Die Geschichte führt in eine New Yorker Nacht im Jahr 1939, ausgehend von einer Bar, aus deren typischen Gesellschaftsspielchen heraus drei Männer schließlich im Appartement einer Frau landen. Diese entscheidet sich dann für einen von ihnen, doch der schläft auf ihrer Couch ein und sie verzweifelt darüber. Ein anderer der Männer erhält ein homosexuelles Angebot, kann aber nicht so recht damit umgehen und bleibt schlussendlich auch allein, vor der kalten Skyline der Großstadt. Liam Scarlett vermittelte (mir) völlig glaubwürdig, Bernstein habe seine Musik genau für diesen Inhalt komponiert. Das schauspielerisch wie tänzerisch starke Ensemble sorgte für durchgehende Spannung und in jeder Szene unmittelbar mitlebbares Mitgefühl.

    Corybantic Games (die Serenade), Choreographie Christopher Wheeldon, Dirigent wieder Koen Kessels, Solovioline der Konzertmeister Sergey Levitin, nach dem verkappten Klavierkonzert also auch noch Bernsteins verkapptes Violinkonzert nach Platons Gastmahl mit den Gesprächen zum Thema Liebe, entfernte sich wieder von der inhaltlich stimmigen Mitvollzugsmöglichkeit. Rituelle Tänze in antiken Tempeln, die Atmosphäre der ersten Olympischen Spiele evozierend, athletische Tänzerinnen und Tänzer in Unterwäsche (alles schon angekündigt in den Vorgesprächen) – das war für mich wieder schwer zu akzeptieren, zumal etwa zum wunderschön ätherisch gespielten Agathon-Satz. Die Archaik erzeugte eine Sperrigkeit, Distanz, die mit der Seele der Musik für mein Empfinden keine Einheit herzustellen vermochte. Gleichwohl fand ich die Leistung der Mitwirkenden wieder phänomenal, diese hochkonzentriert hochkomplexe Gestaltung konnte (mir) erneut nur jede höchste Bewunderung abringen.

    Im Royal Opera House wurde nach jeden Teil sofort begeistert applaudiert und gejubelt, im Kino wurde das Halblicht wieder eingeschaltet. Seltsame Momente. Irgendwie habe ich schon verinnerlicht, nach derart großartigen künstlerischen eben erlebten Leistungen mitapplaudieren zu wollen, aber als einziger im Kinosaal? Man war mittendrin und doch ganz anderswo…

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • ANSPANNUNG UND EWIGKEIT

    Das Hagen Quartett und Sol Gabetta im Münchner Prinzregententheater, 9.4.2018, ein persönlicher Konzerteindruck

    Seit einem halben Jahr war dieses Konzert völlig ausverkauft, ungewöhnlich beim Hagen Quartett, wohl Sol Gabettas wegen. Nichtsdestotrotz lohnte es sich, eine Stunde vor Konzertbeginn an der Abendkasse nach einer Restkarte zu fragen. Hocherfreutes Erstaunen: Es waren sogar noch drei Karten im Angebot. Ein erlesen guter Platz wurde es, akustisch wie optisch, 10. Reihe Mitte.

    Angespannte Atmosphäre vor Konzertbeginn, und die Spannung wird mit dem ersten Werk sofort heftig angezogen. Ludwig van Beethovens Streichquartett Nr. 3 D-Dur op. 18/3 beginnt das Hagen Quartett mit extrem filigranem Ton, fast am Zerreißen eines Fadens gespannt, dabei vollkommen als Quartett in sich geschlossen, nicht vier Individualisten, sondern eine Vierheit, eine in sich absolut geschlossene Einheit zu viert. Extreme Innenspannung vom ersten Ton an. Verdichtet sich die Musik, verdichtet sich auch die Hochspannung ins angezogen Unbedingte. Fordernde, nackte Musik, geradezu brutal direkt ausgestellt, unerbittlich, tiefernst. Freundlichkeit ist bei dieser Beethoven-Interpretation lediglich eine Facette des Todernsten.

    Aus dieser filigranen, nackten Klangwelt erstehen auch die extrem kurzen 6 Bagatellen für Streichquartett op. 9 von Anton Webern. Unglaubliche Spannung von der ersten bis zur letzten dieser wenigen Minuten. Momenthafte musikalische Statements, hier nicht wie hingeworfen, sondern als extrem bewusste Konzentrationsherausforderungen in den Saal gebrannt. Im Stillsten die höchste Anspannung, in den Bagatellen 4 und 5.

    Unbeschreibliche, ewige Musik nach der Pause, Franz Schuberts Streichquintett C-Dur D 956, ultimative, irgendwie endgültige, unfassbare Kammermusik. Sich hineinfallen lassen, durch Himmel und Hölle (2. Satz!), durch ganze Welten des Seins getragen werden. Auch hier: Anspannung, Hochspannung. Musikantische Hochspannung durchaus! Und so ein gewaltiges Werk ist im Konzert auch sichtbare Arbeit, wie vier Presslufthämmer geradezu heißt es da sich durchkämpfen durchs extrem fordernde Notengestrüpp. Hat das Hagen Quartett einen attraktiven Cello-Weltstar mit dabei, kriegt dieser selbstverständlich den Herzeig-Cellopart, nimmt sich Clemens Hagen mit dem 2. Cello, dem Grundierungs-Cello, nobel kollegial zurück. Und Sol Gabetta liefert, was man wohl erwartet, und die anderen lassen sie gewähren. Bei dieser Aufführung erlebt man das führende Cello besonders intensiv, ohne aber (so weit geht es doch nicht) das Quintett zu einem Cellokonzert mit vier Begleitstreichern umfunktioniert geboten zu bekommen. Es ist eine ungemein lebendige, total gelebte, hochkonzentriert genau sich abstimmende Schubert-Stunde, die uns, das Publikum, durchbeutelt, erschüttert, ganz tief berührt und enorm bewegt. Im Himmel am Anfang und am Ende des 2. Satzes, in der Mitte dieses Satzes durch die Hölle, das Ausklingen des Trios im 3. Satz in einem Irgendwo und von dort zurück zum Volksfest, vom prallen Leben immer wieder ins Unerklärliche. Kämpfe, Ausgelassenheit, Abwesenheit, eines ins andere, wie jeweils nur andere Schichten des Seins.

    Der einzige Hustenanfall aus dem Publikum wird dabei ins Gesamtgefüge mitgenommen, ein ungünstiger Zeitpunkt mitten im Werk, mitten aus einer der Sitzreihen die ja im Prinzregententheater keinen Mittelgang haben, durch den man ev. rasch hinausgehen könnte, die Situation muss ausgehustet werden. Irgendwann ist sie ausgehustet. Die Musik hat sich ohnedies nicht davon beirren lassen.

    Nach dem letzten Akkord sich lautstark entladender Jubel, Getrampel wie in einem Popkonzert, aber eher kurz gehalten. Jede Zugabe entwertete die eben gebotene Musik ins hier in diesen Sekunden viel zu banal Äußerliche einer Konzertkonvention.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • VON BALI NACH BANGKOK IN MÜNCHEN

    Ein ungewöhnliches Kammerkonzert mit Violine, Saxophon und Klavier im Lehrinstitut Bencic (München), 14.4.2018, persönliche Konzerteindrücke

    Die aus München stammende Geigerin Rebekka Hartmann, ihre langjährige, in Armenien geborene Kammermusikpartnerin Margaritta Oganesjan und der auch in München ausgebildete Saxophonist Markus Maier, dessen Saxophontrio „Sax Allemande“ unter anderem Bachs Goldberg-Variationen aufgenommen hat, präsentierten im diesmal sehr gut besuchten kleinen Rahmen des Lehrinstituts ein Programm noch einmal, das sie für ihr kürzlich beendetes Engagement als Kreuzfahrtmusiktrio auf der MS Europa II von Bali nach Bangkok zusammengestellt und arrangiert hatten.

    Die drei moderieren das Konzert auch abwechselnd. Angelegt ist es sowohl als Reise durch die Musikgeschichte als auch als Reise von der alten in die neue Welt. Die Werkeinführungen mischen Wissenswertes mit launigen Bonmots.

    Im Interpretatorischen ist stets auch ein Schuss Entertainment enthalten, das aber den absolut seriösen Grundansatz, die gebotenen Werke in dieser Besetzung auf interpretatorisch höchstem Niveau perfekt einstudiert vorzutragen, nie bricht. Dass die Werkauswahl durchwegs „kulinarisch“ ist, liegt in der Natur des Engagements.

    Peter I. Tschaikowskys „Nußknacker-Suite“ eröffnet das Konzert griffig (der Blumenwalzer wird allerdings ausgespart) und das Rondo-Finale aus Joseph Haydns „Zigeunertrio“ setzt ihn zünftig fort. Das Zusammenspiel besticht durch Tonreinheit und Genauigkeit bei gleichzeitig großartig ausgespielter Musikantik. Reizvoll ist es, eine Georg Friedrich Händel Passacaglia in Variationen von Johan Halvorsen (1864-1935), ursprünglich für Violine und Viola komponiert und wie wir erfahren am häufigsten mit Violine und Cello aufgeführt, hier mit Violine und Baritonsaxophon neu erspüren zu können. Interessant ist es auch zu erfahren, dass sich Astor Piazzolla durch Vivaldis Jahreszeiten-Zyklus zu einem eigenen inspirieren ließ, wir hören im Konzert daraus in der Triobesetzung „Inverno Portena“ und „Primavera Portena“, südamerikanisch durchpulste Musik zwischen großen melodischen Bögen und rhythmischem Drive. Die beiden Piazzolla-Stücke bringen eine ganz eigene Farbe ins Konzert.

    Hausmusik vom Feinsten eröffnet den 2. Teil, Antonín Dvořáks Sonatine G-Dur für Violine und Klavier, so scheinbar schlicht und fürs Vom-Blatt-Spielen komponiert, erklingt, man hört es deutlich, hier mit einem professionell höchsten Ansprüchen gerecht werden wollenden, vollkommen aufeinander eingespielten Duo. In einen amerikanischen Jazzclub wiederum versetzt man uns mit Scott Joplins „Rose Leaf Rag“.

    Die ganz großen Hits stehen jeweils am Ende der Konzerthälften, Edward Elgars „Pomp & Circumstance March 1“ und George Gershwins „Rhapsody in Blue“. Bei aller musikantischen Spielfreude bleibt bei allem immer der höchste Anspruch gewahrt, nichts hat eine Beiläufigkeit, das ist Kammermusik auf höchstem Niveau.

    Die Zugabe, von Maier „die Mutter aller Zugaben“ genannt, ist ein Gustostückerl gerade auch für diese Triobesetzung: der 1904 komponierte Csárdás des italienischen Komponisten Vittorio Monti (1868-1922), auch so ein Ohrwurm-Musikstück, das man kennt, aber vielleicht nicht sofort zuordnen kann.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • GROSSE UND KLEINE LIEDOFFENBARUNGEN

    Zum ersten von drei Konzerten des Liedforums 2018 der Hochschule für Musik und Theater München, Großer Konzertsaal, 16.4.2018, persönliche Eindrücke

    Das ist das Spannende in Konzerten mit Kunstliedern, die man noch nicht kennt: Welche Welt tut sich mit jedem Lied auf, kurz oder länger, dramatisch oder ruhig, geheimnisvoll oder chansonesk humorvoll, eine Stimmung behaltend oder die Atmosphäre wechselnd, klein oder groß oder gar unendlich groß im ganz Kleinen? Auf jeden Fall sind solche Abende inspirierend, vieles zu vertiefen, den Komponisten und ihren Klavierkunstliedern danach ausführlicher nachzuspüren.

    Für die Mitwirkenden ist es die Herausforderung, nach intensiver Einstudierungsarbeit vor einem Fachpublikum zu überzeugen, die wohl überwiegt, für den Außenstehenden ist der Luxus möglich, die Lieder – vielfach ausgefalleneres Repertoire, das man wohl nur selten live hört – auf hohem Niveau geblockt kennenlernen zu können.

    Das Liedforum 2018 steht unter dem Motto»… nur das lied ergreift die seele …« (Stefan George). Es singen und spielen Studierende der Klassen Céline Dutilly, Evgenia Grekova, Hans Christian Hauser, Fritz Schwinghammer, Rudi Spring, Donald Sulzen und Tobias Truniger. Das genaue Programm mit den Namen aller Mitwirkenden kann man aus der Homepage der Hochschule abrufen.

    1. Konzert 16.4.2018
    2. Konzert 17.4.2018
    3. Konzert 18.4.2018

    Das Motto wird gleich von der die drei Konzerttage eröffnenden Uraufführung eines Liedes des 1966 in Hamburg geborenen Komponisten und Dirigenten Jan Müller-Wieland aufgegriffen, Seele im Traum, auf einen Text des Komponisten, frei nach Stefan Georges Gedicht "Worte trügen, Worte fliehen": im Gesang der Sängerin emotional, exaltiert hochdramatisch angelegt, die Begleitung atonal punktuell.

    Der erste Abend gehört in der Folge den Komponisten Hans Pfitzner (1869 - 1949), Anselm Hüttenbrenner (1794 - 1868), Charles Ives (1874 - 1954), Ernst Krenek (1900 - 1991), Hermann Bischoff (1868 - 1936), Michail Glinka (1804 - 1857), Sergej Rachmaninov (1873 - 1943), Reinhold Glière (1875 – 1956) und Pjotr Tschajkovskij (1840 – 1893 – die von den beiden zuletzt genannten Komponisten geplanten zwei Lieder nach Daniil Rathaus entfielen leider wegen Erkrankung der Sängerin), Gerhard Frommel (1906 - 1984), Charles Gounod (1818 - 1893) und Viktor Ullmann (1898 - 1944).

    Pfitzners Lieder gehen mir melodisch-empfindsam zu Herzen. In Hüttenbrenners Liedwelt meine ich die Verwandtschaft mit Schuberts Liedwelt mitzuhören. Eine reizvolle Entdeckung wird für mich die 1899 erschienene große Ballade Das Goldstück op. 7 des 1868 (150. Geburtstag!) in Duisburg geborenen Hermann Bischoff, der ein Schüler Richard Strauss´ war. Gewichtiges tut sich mit Glinka auf. Bei dessen (deutsche Übersetzung) Zweifel (1838) spielt auch ein Cellist mit. Rachmaninovs (hier auch nur deutsch genannt) In der Seele eines jeden von uns op. 34/2 (1912) fällt als ziemlich rasches Lied auf. Besonders angesprochen hat mich auch An dem Wasser, das uns fern klagt op. 3/3 aus Tag-Gesang des 1906 in Karlsruhe geborenen Komponisten, Musikpädagogen und Musikschriftstellers Gerhard Frommel, reizvoll zwischen Impressionismus und Expressionismus changierend, so wie ich es gehört habe. Leidenschaftlich und melodisch stark empfinde ich zudem die vorgestellten Lieder von Gounod. Mit dessen 1871 komponiertem Boléro zaubert die Interpretin des Liedes eine Art antizipierendes Carmen-Flair auf die Bühne, sie agiert auch entsprechend verführerisch. Das entpuppt sich als echter Hit im Konzert. Viktor Ullmann, der 1898 in Österreich-Ungarn geborene Komponist, der 1944 in Auschwitz-Birkenau der Vergasung zum Opfer fiel, hat mich mit seinem Liederbuch des Hafis op. 30 (Vorausbestimmung, Betrunken, Unwiderstehliche Schönheit, Lob des Weines) mit der partiellen Motorik des Grundduktus an Kurt Weills Art zu komponieren erinnert – das sind auch alles entdeckenswerte Charakterchansons.

    Wie meist nach diesen Liedabenden schaue ich danach zu Hause gleich, ob mir Aufnahmen einzelner Lieder auf CD zur Verfügung stehen. Da man ja im Konzert alles geblockt hört, mit jedem neuen Lied das vorangegangene weggewischt wird, ist es damit möglich, die Lieder vielfach wieder neu, anders zu erspüren.

    Hier hat mir vor allem die 1996 bis 1998 beim WDR aufgenommene Hans Pfitzner 5 CD Lied-Komplettbox von cpo (999 789-2) eine erste Vertiefung des live Gehörten ermöglicht, und – siehe da – niemand anderer als Donald Sulzen, einer der verantwortlichen Professoren des Liedforums, wirkt, mit der Sopranistin Julie Kaufmann zusammen, am Klavier mit, bei Liedern, deren Livevortrag auch er zu verantworten hatte.

    Die 1894 erschienenen drei Lieder op. 5 Frieden (ein Liebesfluglied), Wiegenlied (dieses fand ich schon im Konzert besonders zu Herzen gehend) und die Eichendorff-Vertonung Der Bote (wo das Klavier den Text sehr deutlich „ausmalt“) lassen sich derart noch bewusster hören, zumal die Booklets ermöglichen, die Liedtexte mitzulesen. (Beim Liedforum – dies aber auch ein ganz toller Service – werden für alle nichtdeutschen Texte Informationsblätter zu den einzelnen Liedern angeboten. Und die meisten Mitwirkenden singen die deutschsprachigen Lieder sehr wortdeutlich.)

    Keck ist Pfitzners Gretel op. 11/5 (1901), in der Box auch von Kaufmann/Sulzen zu hören, Gretel holt Hans raus, auf in den Wald. Dieses Lied soll zu Lebzeiten Pfitzners ein sehr beliebtes Livelied gewesen sein.

    Pfitzners Zugvogel op. 6/3 (1894) ist alleine unterwegs, seine Welt ist düster, ein doch stark berührendes Lied, in der Box zu hören mit Christoph Prégardien und Michael Gees. Todernst geht es um Vergänglichkeit in Ich aber weiß op. 11/2 (1901), hier sind Andreas Schmidt und Rudolf Jensen im Einsatz. Und das Loblied auf des Lebens gerade gelebte Leuchtende Tage op. 40/1 (1931) kommt von Iris Vermillion und Axel Bauni.

    Die ambitionierte Anselm Hüttenbrenner CD, die Ulf Bästlein zusammen mit Charles Spencer 2007 für Gramola aufgenommen hat, enthält immerhin Hüttenbrenners auch im Konzert gehörtes Frühlingsliedchen (1826). Spielte mir das jemand als unbekannteres Schubertlied vor, ich hätte nicht angezweifelt, ein Schubert-Lied zu hören.

    Gespannt bin ich nun darauf, welche Liedentdeckungen der zweite Abend bringen wird.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • DURCH LIEDWELTEN GEWORFEN

    Das zweite von drei Konzerten des Liedforums 2018 der Hochschule für Musik und Theater München, Großer Konzertsaal, 17.4.2018, persönliche Eindrücke

    Wieder zwei Stunden eine Liedflut sondergleichen, vielfach zu Entdeckendes – Flüchtiges und sich Einbrennendes, fast alles im Moment kaum bleibend fassbar, weil durchs Nächste schon wieder weggewischt, daher Kugelschreiber zur Hand, aber nur kurze Notizen, Andeutungen, es gibt Lieder, ganz kleine und dabei ganz große, die sind schneller vorbei als die Notiz, die man sich zurechtformuliert…

    Die Komponistenbandbreite des zweiten Konzerts verspricht erneut eine unglaubliche Liedvielfalt: Anselm Hüttenbrenner, Robert Schumann, Wolfgang Amadeus Mozart, Max Reger, Alexander Zemlinsky, Charles Koechlin, Pjotr Tschajkovskij, Francis Poulenc, Claude Debussy, Gerhard Frommel, Anton Webern, Gabriel Fauré, Franz Schubert, Camille Saint-Saëns und Hermann Bischoff.

    Rudi Spring versteht es, in seiner Einführung vor Konzertbeginn die Neugier anzuheizen, leidenschaftlich wie fundiert das Publikum anzustecken mit Informationen etwa zu Daniil Rathaus, der Komponisten angeschrieben hat und so etwa zum Textdichter für Tschajkovskij wurde.

    Der erste Block entfällt leider krankheitsbedingt, der Schreiber nutzt aber die Möglichkeit, später zwei der darin vorgesehenen Lieder (Anselm Hüttenbrenners 1859 entstandene Heine-Vertonung Louise muss anderweitig erkundet werden) von CDs zu hören. Robert Schumanns Du bist wie eine Blume op. 25 Nr. 24 (H. Heine), 1840 komponiert, kann ich...

    ...mit Dietrich Fischer-Dieskau und Christoph Eschenbach (1975, DGG) sowie...

    [Blockierte Grafik: https://images-na.ssl-images-amazon.com/images/I/41GF1EP2KFL.jpg]

    ...mit Jessye Norman und Geoffrey Parsons (Schubertiade Hohenems 1987, Philips) hören, ein kurzes Lied, ganz innig und eindringlich. Bemerkenswert die Klavier-Abrundung am Schluss! Mit Mitsuko Shirai und Hartmut Höll (1985/86, Capriccio)...

    ...lerne ich Wolfgang Amadeus Mozarts Als Luise die Briefe ihres ungetreuen Liebhabers verbrannte KV 520 (1787 komponiert) kennen, ein melodramatisches, rezitativisches Mozart-Liedkleinod (Text: Gabriele von Baumberg).

    Zwei Blöcke sind als Jubilar-Mosaike zusammengestellt, das bezieht sich auf runde Geburts- oder Sterbejahre der Textdichter. Ein weiterer Block enthält Lieder aus "Der siebente Ring" und "Sänge eines fahrenden Spielmanns" von Stefan George.

    Also mit dem ursprünglich als zweiter Bock vorgesehenen nun ersten Block hinein in den Konzert-Liederkosmos!

    Max Regers Wehe! op. 62 Nr. 1 (Martin Boelitz, 1901) überrascht als politisches Lied, und das Klavier ist hier herausfordernd virtuos gefordert. Und sofort wird man in eine völlig andere Liedwelt geworfen, mit Alexander Zemlinskys Frühlingstag op. 2/Heft 2 Nr. 1 (Karl Siebel, 1895/96) findet man sich mit einem Mal in einer zauberischen Atmosphäre wieder. Charles Koechlins Juin <Juni> op. 15 Nr. 1 (Leconte de Lisle, 1899-1900) wiederum fließt träumerisch dahin, schwingt sich auf, entpuppt sich als längeres Lied mit großem Bogen.

    Und schon ist man mittendrin, hin- und hergeworfen zwischen all diesen Liedwelten. Pjotr Tschajkovskijs zwei Daniil Rathaus Vertonungen op. 73 (1893) zeigen den Komponisten einmal mehr als genialen Melodiker.

    Francis Poulencs Le Bestiaire <Das Tierbuch> nach Guillaume Apollinaire (1919) macht mit seinen zum Teil ganz kurzen Charakterliedern den Konzertsaal zum vielfältigen Tierpark, akustisch lösen einander das Dromedar, die Ziege aus Tibet, die Heuschrecke, der Delfin, der Flusskrebs und der Karpfen auf dem Podium ab. Poulenc-Nachschläge, die weiter sofort die jeweils passende Szene mit Lied-Momentaufnahmen assoziierbar machen, kommen mit einer Maus (Apollinaire, 1956), einer Postkarte und vor dem Kino (Apollinaire, 1931).

    Am Ende des ersten wie des zweiten Teils stehen Claude Debussy-Liedblöcke, vor der Pause vier frühe Lieder, am Ende Fêtes galantes II und Fêtes galantes I (beide P. Verlaine). Es mag klischeehaft erscheinen, dem Schreiber kommen beim Eintauchen in dessen Liedwelt wie auch bei Orchesterwerken Debussys vielfach Gemälde von Claude Monet in den Sinn.

    Nach der Pause freut man sich, unter anderem noch einige weitere Lieder von Gerhard Frommel und Hermann Bischoff kennenzulernen, etwa Frommels impressionistisch-zauberisches op.2/4 Im Morgen-Taun (George, 1928/66).

    Und wieder der fast brutale Kontrast, von Frommel zu Webern, vom Impressionismus zum Expressionismus, der Wurf in eine völlig andere Liedwelt, Dies ist ein Lied op. 3 Nr. 1 und So ich traurig bin op. 4 Nr. 4 (George, 1908-09). Ein Textdichter, zwei völlig verschiedene Liedkosmen.

    Am heftigsten in den Liedwelten umhergeworfen wird man mit einem Block, der Lieder von Gabriel Fauré, Gerhard Frommel, Franz Schubert und Camille Saint-Saëns zusammenfasst. Kaum ist man in einem Lied „ganz drin“, folgt schon das nächste, ganz andere, eine völlig andere Welt öffnend. Zumindest Schuberts 1820 entstandene Zacharias Werner-Vertonung Morgenlied op.4/2 kann später zu Hause...

    ...per Dietrich Fischer-Dieskaus und Gerald Moores Schubert-Komplettbox der DGG nachgespürt werden – freilich mit der Erkenntnis, dass im Konzertprogramm keine Deutsch-Nummer angegeben ist genauso wie in der Box keine Opuszahl, es aber drei Morgenlieder von Schubert gibt und gerade kein Nachschlagewerk zur Hand ist das richtige sofort zu erwischen, womit dieser Abend letztendlich das Kennenlernen gleich dreier Morgenlieder von Franz Schubert bringt, es soll nichts Schlimmeres passieren im Leben. Was für eine wunderschöne schlichte Melodie offenbart sich mit D 266 (Willkommen, rotes Morgenlicht, Friedrich Stolberg), wie anmutig heiter hört sich D 381 (Die frohe neubelebte Flur, anonym) an, und wie gebannt hört man die Fragen und freundlich-heiteren Antworten von D 685 – zum zweiten Mal an diesem Abend, denn das ist das im Konzert gebotene Lied, es ist auch das längste der drei und in den Antworten wieder wunderbar eingängig komponiert.

    Als atmosphärisch ganz stark behalte ich Hermann Bischoffs Annette von Droste-Hülshoff-Vertonung Das Schilf aus Der Weiher op. 11 (Nr. 2, 1900/01) in Erinnerung. Es ist schon erstaunlich, wie viele entdeckenswerte Kunstlieder es auch von unbekannteren Komponisten gibt.

    Der persönliche Liederabend rundet sich im Konzert wie danach zu Hause jeweils mit Claude Debussys (man hat unter anderem den tragisch endenden Liebesbogen von Fêtes galantes II hinter sich) Clair de lune <Mondschein> (1891-92) in berückend zauberischer Stimmung ab, die sechs das Konzert beschließenden impressionistisch bewegenden wie auch teilweise charmant-humorvollen Lieder kann ich nämlich auch...

    ...mit Dietrich Fischer-Dieskau von CD noch einmal hören, diesmal spielt Hartmut Höll am Klavier (Brilliant, 1988).

    Auf mich persönlich wirkt Fischer-Dieskaus Art des Liedvortrags fast immer technisch und intellektuell perfekt, dabei aber zu akademisch. Insofern bin ich besonders froh, all die Lieder des Abends zunächst in ganz wunderbar beherzten Konzertdarbietungen kennengelernt zu haben, mit unterschiedlichsten, den Liedern jeweils ganz eigene Farben gebenden Stimmen und fabelhaften pianistischen Leistungen dazu, stets in grandioser Übereinstimmung zwischen Gesang und Klavier.

    Große Vorfreude auf den dritten Abend!

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • GROSSE GEFÜHLE UND KOCHREZEPTE

    Zum dritten der drei Konzerte des Liedforums 2018 der Hochschule für Musik und Theater München, Großer Konzertsaal, 18.4.2018, persönliche Eindrücke

    Was eint die Personen Hafis, Zacharias Werner, Gabriele von Baumberg, Leconte de Lisle, Ludwig Jacobowski, James Grun, Stefan George, Daniil Rathaus, Apollon Korinfskij und Leonard Bernstein? Und was Nestor Kukolnik, Charles Lecocq, Frank Wedekind, Carl Busse, Tadeusz Miciński, Martin Boelitz, Guillaume Apollinaire, Otfried Krzyzanowski und James Fenimore Cooper jr.? Von allen stammen Textvorlagen für Klavier-Kunstlieder, erstere sind 2018 runder Geburtstage wegen, die zweiten runder Sterbetage wegen zu würdigen. Das Dozententeam der Hochschule für Musik und Theater München hat die drei Liedkonzerte im April 2018 vielfach darauf und selbstverständlich auf runde Komponistenjubiläen abgestimmt.

    Die Komponistenliste des dritten Konzerts vertieft und erweitert den Horizont, der an den beiden vorangegangenen Abenden aufgebrochen wurde: Albert Roussel, Hermann Bischoff, Arnold Schönberg, Hans Pfitzner, Gerhard Frommel, Gioacchino Rossini, Karol Szymanowski, Arthur Honegger, Lili Boulanger und Leonard Bernstein.

    Fritz Schwinghammer erwähnt in seinen Begrüßungsworten den Bernstein-Abend der Theaterakademie im Prinzregententheater vom Februar 2018, wer dort war, werde beim Bernstein-Block etwas wiedererkennen.

    Der erste Rossini-Beitrag und der Honegger/Boulanger-Block entfallen leider wegen Erkrankung. Was bleibt ist ein nichtsdestotrotz mehr als ausfüllender diesmal großteils expressiver Liedersturm, der unter anderem bei Kochrezepten landet.

    Albert Roussels Odes anacréontiques op. 32 (Leconte de Lisle, nach altgriechischen Vorlagen, 1926) beginnen mit Sur lui-même <Über sich selbst> heftig, exaltiert, wie Mahlers Trinklied vom Jammer der Erde aus dem „Lied von der Erde“, was Wunder, wenn sich auch dieser Sänger dem Weingott Bacchus hingibt. Was für eine Liedwelt-Eröffnung!

    Zwei Lieder später gibt sich auch Hermann Bischoffs Lethe op. 12 Nr. 2 (Viktor Hardung, 1900/01) raumfüllend groß. Ein Abend der großen (Lied-)Gefühle zeichnet sich ab.

    Expressiv sehr intensiv, stark unter die Haut gehend, emotional aufwühlend empfinde ich auch die vier Lieder aus Das Buch der hängenden Gärten op. 15 (St. George, 1908-09) von Arnold Schönberg (Nr. 1 Unterm Schutz von dichten Blättergründen, Nr. 2 Hain in diesen Paradiesen, Nr. 3 Als Neuling trat ich ein in dein Gehege und Nr. 4 Da meine Lippen reglos sind und brennen).

    Hans Pfitzners Der Leierkastenmann op. 15 Nr. 1 (Carl Busse, 1904) kann ich später zu Hause wieder mit der cpo-Pfitzner-Lieder-CD-Box ein zweites Mal mitleben, mit Andreas Schmidt (Bariton) und Rudolf Jensen (Klavier). Balladenartig erzählend erfahren wir, wie es einem Mann geht, dessen Mutter bei der Geburt starb, der vom Bettler zum armseligen Leiermann wurde und aber immerhin eine Frau fürs Leben gefunden hat. Interessant hier der komplexe Klavierpart!

    Ein weiteres Gerhard Frommel Lied - Das Lied op. 5 Nr. 4 (St. George, ersch. 1942) - kennenzulernen heißt endgültig, mit diesem Liedforum erweckt worden zu sein nun auch für Bischoff und Frommel als zu entdeckende (Lied- und mehr)Komponisten.

    Rossinis melodienselig leichtgewichtiges Notturno a due voci La Serenata sorgt genauso für Abwechslung wie das leidenschaftliche Mitleben einer jungen Dame mit ihrem Geliebten, dem Regattasieger in den drei griffigen Rossini-Liedern in venezianischer Mundart La Regata Veneziana (Francesco M. Piave, op. posth.).

    Weil die geplante Szymanowski-Zwischenschaltung Honegger/Boulanger entfällt, setzt der zweite Teil zwei nun nicht durch andere Komponisten unterbrochene Szymanowski-Blöcke vor zwei Bernstein-Blöcke – wieder völlig unterschiedliche Liedwelten tun sich da auf!.

    Szymanowskis Nummern 4, 5 und 6 aus den Sechs Liedern op. 20 (Tadeusz Miciński, 1909) sowie die Vier Lieder op. 11 (T. Miciński, 1904-05) sprechen wieder emotional unmittelbar an, ihre expressive Eindringlichkeit geht ungemein unter die Haut, zwischen dunklem Mondlied zum Sonnenaufgang, der Sehnsucht nach der Nähe der Maurin, Einsamkeit, Trübsal, Tränen im Zauberwald und dem unendlichen Schmerz des Prometheus, inhaltlich und emotional dank der auch beim dritten Konzert wieder aufliegenden liebevoll erstellten Synopsis-Blätter der Hochschule zu den nicht-deutschsprachigen Liedern ganz unmittelbar mitvollziehbar.

    Kurz und pointiert hingegen Leonard Bernsteins charmant-kecke Klavierliedzyklen aus den 40er Jahren: La bonne Cuisine (direkt aus dem französischen Kochbuch von Émile Dumont, 1947) und I hate Music!, A Cycle of 5 Kid Songs (L. Bernstein, 1942-43). Die I hate Music! Songs konnte man, zu Beginn wurde es angedeutet, bereits im Februar im Prinzregententheater hören, und der Schreiber dieser Zeilen kann die beiden Zyklen später zu Hause auch vertiefend mit den Aufnahmen der Damen Tourel, Alexander, Kammer und Blackwell hören – meinem Hörempfinden nach kindlich, erwachsen, chansonesk und entertainmenthaft.

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    Für mich erschienen alle Beiträge des Liedforums durchwegs beeindruckend, nuanciert einstudiert und zwischen Stimme und Instrument kongenial abgestimmt. Als Außenstehender konnte ich mir den Luxus erlauben, das Mitfiebern mit der allfälligen Drucksituation des Konzertauftritts hintanzustellen gegenüber dem höchst inspirierenden Kennenlernen einer grandiosen Liedvielfalt auf allerhöchstem Niveau. Vielfältige Charaktere wurden da mit Liedern lebendig, und als Klavierspieler habe ich speziell die vielfach virtuosen Klavierparts, souverän hingelegt, bewundert. Ob das alles Zwischenstufen, Standortbestimmungen oder letztgültige Resultate waren die man hören konnte wissen die Dozentinnen und Dozenten am besten, vielleicht wird es die Zukunft weisen. Für mich war´s „CD-reif“.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • MIT KLANGKULTUR DURCH ALLE BRÜCHE

    Mariss Jansons und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks mit Gustav Mahlers Symphonie Nr. 7 e-Moll in der Philharmonie am Gasteig (München), 20.4.2018, persönliche Eindrücke

    Was für ein komplexes, herausforderndes symphonisches Werk für ein Orchester – diese unzähligen Brüche und Stimmungswechsel in der Musik, diese charakterliche Vielschichtigkeit, grimmige Märsche, heftiges Ringen, völliges Abtauchten in eine Traumwelt, eher groteske Nachtmusiken zwischen skurrilen Gestalten und Serenade, schattenhaft Unheimliches und am Ende ein großer an der Oberfläche lärmender, menschliche Sehnsucht und Verzweiflung abfeiernd zudeckender Jubel – Gustav Mahlers 7. Symphonie ist so wie ich sie in der Philharmonie am Gasteig an diesem Abend gehört habe schon ein gewaltiger Brocken! Mariss Jansons und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks sind (diesen Eindruck habe ich immer wieder) derart ein Herz und eine Seele, dass sie (nicht nur) diesen Brocken erstens in phantastischer Klangkultur anbieten, zweitens vollkommen als Mahler Musik, nicht als Selbstdarstellung des Orchesters, drittens kompakt, viertens in den Verlaufsbögen völlig natürlich sowie bei Spannungsmomenten großartig auf den Punkt hin konzentriert anziehend, vor allem aber auch fünftens die volksmusikalisch einfließenden Momente ganz im Idiom der K&K Volksmusik auslotend – eine von der ersten bis zur letzten Minute erlesen eindringliche Mahler Siebente! Dass der Tenorhornist sich gleich zu Beginn als Mensch zeigt, gibt dem Ganzen eine menschliche Note und trübt den Gesamteindruck für mich nur insofern, als man bedauert, dies auch als BR Klassik-Liveübertragung zu wissen. Der Schreiber dieser Zeilen konnte in der Saison 2017/18 schon die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Daniel Barenboim mit diesem gewaltigen Werk in Wien live hören, nun also diese grandiose Münchner Aufführung, und eine nächste Münchner Konzert-Sternstunde mit diesem Werk zeichnet sich bereits ab, denn Ende Mai sind Kirill Petrenko und das Bayerische Staatsorchester dran…

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • MIT KLANGKULTUR DURCH ALLE BRÜCHE

    Dieser Titel paßt m. E. sehr gut! Auch ich war am 20.4. dabei und insgesamt hochzufrieden! Dabei schien mir, daß Jansons einen Zugang wählt, der weniger auf die hier an anderer Stelle schon ausführlich besprochene "Gebrochenheit" Mahlers setzt; das Disparate in Mahlers Symphonik, das Kollagenartige schien mir hier weniger betont zu sein: Auf mich wirkte das insgesamt recht diesseitig, weltzugewandt, homogen, nicht erst im Finale (da hätten die Bayern ruhig ein wenig mehr die Löwen rauslassen können ;) ), sondern auch in den beiden Nachtmusiken.

    Am meisten beeidruckte mich der aufpeitschende Mittelsatz, ein Scherzo mit wahrhaft scharfen Schatten (wenn diese Metapher durchgeht :/ ).

    Und das Tenorsolo war nicht perfekt, aber sehr menschlich nahegehend im Ton! Und auch sonst hörte ich viele schön herausgearbeitete Details, alles auch spieltechnisch beeindruckend!

    Die Reise nach München hat sich auch in dieser Hinsicht gelohnt. ^^

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • im Finale (da hätten die Bayern ruhig ein wenig mehr die Löwen rauslassen können

    Ich fand besonders das Finale beeindruckend und bin froh, dass Jansons die Löwen erst ganz am Schluss freigelassen hat. Zuvor hatte er (in meinen Ohren) stark das Disparate dieses Satzes betont, das immer wieder erneute Ansetzen mit anderem thematischem Material (das oft gleich wieder zugunsten wieder anderen Materials fahrengelassen wird). Ein greller, skurriler Humor steckte da mit drin!

    sondern auch in den beiden Nachtmusiken

    Die waren mir in der Tat zu "diesseitig", vor allem die zweite; da fehlte mir ein träumerisches oder somnambules Element.

    Am meisten beeidruckte mich der aufpeitschende Mittelsatz, ein Scherzo mit wahrhaft scharfen Schatten

    Ähnlich wie im Finale!

    Die Klangkultur des Orchesters war in der Tat beeindruckend, die der Münchener Philharmonie ist es offenbar weniger.

    ***

    Tenorsolo

    Am Rande war ja die Frage aufgekommen, was das Tenorhorn eigentlich für ein Instrument ist; ich habe mal nachgesehen (wikipedia): es gehört aufgrund seiner konischen Mensur zur Familie der Horninstrumente (nicht der Trompeteninstrumente = zylindrische Mensur), wird jedoch anders als das (Wald-) Horn mit einem Trompetenmundstück (genauer: Kesselmundstück) gespielt (wie die Tuba-Instrumente). Es ist der tieftönige Verwandte des im Jazz häufig zu hörenden Flügelhorns.

    Bernd

    Fluctuat nec mergitur

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