Die Konzertkantele
Liebe Capricci,
hier also, wie im Vorstellungsthread versprochen, ein paar Worte zur Konzertkantele - einem leider zu Unrecht kaum jemandem bekannten Instrument.
Als ersten Überblick empfehle ich wiki - wobei die Formulierung, dass die Kantele zu den "Kastenzithern" gehört, nicht ganz richtig ist: vielmehr ist die Urform das Psalterium, von dem wiederum auch andere Saitenzupfinstrumente (Leier, Harfe, Cembalo) abstammen.
Die (finnische) Kantele ist diatonisch gestimmt, meist C- oder D-Dur; es gibt auch chromatische Kantelen, die russische Gusli z. B.
Ich will hier aber nicht über die vielen Arten von Brett- und Boxkantelen reden, die es in vielen nordischen Ländern gibt, sondern über die große Kantele, die 29-39 Saiten aufweist. Sie wurde erst im 20. Jh. (um 1920) entwickelt, und zwar im wesentlichen durch den russisch-finnischen Musiker Paul Salminen. Er beschäftigte sich intensiv mit der Kantele und wollte die Einschränkungen des Instruments (diatonische oder pentatonische Stimmung, keine Umstimmung, zu wenig Saiten, Dämpfung nur durch einzelne Finger) verbessern - unter Beibehaltung seiner klanglichen Eigenschaften - so dass darauf das Spiel komplexerer Musik, auch Klassik, möglich würde.
Im Wiki-Artikel gibt es ein Bild einer Konzertkantele, da ja verlinken nicht möglich ist, muss jeder selbst gucken.
Salminen experimentierte und erfand eine Mechanik, mittels der man die Saiten einen Halbton nach oben und unten umstimmen kann. Bewegt man einen der 7 Hebel - von links nach rechts C bis H - nach oben bzw. unten, erklingen alle Oktaven einen halben Ton höher bzw. tiefer. So kann man nicht nur alle Tonarten spielen, sondern auch mitten im Stück umstimmen. Klarerweise gehen chromatische Tonleitern nicht, und es muss immer irgendwo Platz im Notenbild zum Umstimmen sein.
Die zweite Neuerung ist das Dämpfungspolster über die ganze Breite, das mit der linken Hand oder dem Arm bedient werden kann und alle Saiten auf einmal weich abdämpft.
Heute gibt es sowohl Kantelen mit Stimmmechanik - sie werden "Konzertkantele" genannt -, als auch solche in gleicher Größe, die keine Mechanik aufweisen, sondern kleine Hebel für einzelne Saiten am Stimmstock, mit denen man diese Saiten hoch- oder runterstimmen kann. Das sind die so-genannten "Haus(musik)kantelen". Damit ist man natürlich nicht so flexibel, daher ist das Instrument eher für Volksmusik und Lieder geeignet. Meistens werden Hebel für C, F, G und H verwendet, um ein paar Tonarten parat zu haben. (Dafür ist die Hauskantele auch preiswerter - und leichter, was für den Transport entscheidend sein kann.) - Und es gibt auch noch voll elektronische Konzertkantelen oder solche mit Vorausstattung für Tonabnehmer und Mic.
Wie wird die moderne Kantele gespielt?
Wer Klavier und Gitarre gelernt hat, tut sich etwas leichter: zum einen mit dem Lesen des Basschlüssels und der Koordination beider Hände, zum anderen mit dem Anschlagen der Saiten. Die werden so ähnlich wie bei der Gitarre apoyando oder tirando angeschlagen - mit einem Unterschied: bei Abwärtsläufen wird einer der freien Finger zum Dämpfen der höheren Saite eingesetzt. Als Lehrerlose bin ich durch den Baumeister Salminen selbst auf vieles gekommen: dessen Notenwerk ist nämlich aufgearbeitet worden und als Manuskripthefte im Druck erschienen, und dort sind Fingersätze und auch Dämpfverhalten eingetragen.
Schulen gibt es, außer für kleine Kinder, natürlich keine … und gäbe es eine, würde sie mir nichts nutzen, denn sie wäre mit Sicherheit auf Finnisch. Das ist ja nun eine sicher sehr schöne lautvolle Sprache, aber leider vollkommen unverständlich. Kein einziges Wort, kein bisschen Anklang, aus dem man raten könnte, was gemeint ist. Es bleibt nur der Guhgl-Übersetzer, um den Sinn so etwa erraten zu können. Was bei Angaben in Noten allerdings umständlich ist, weil man jeden Satz erst (richtig) tippen muss … Zum Glück können alle Finnen Englisch, was Kontakte erleichtert.
Zu meinen Noten bin ich über einen Vertrieb für Kantele-Material in Finnland gekommen. Die Betreiberin und ihr Mann sind selbst Kantelespieler, sehr nett und hilfsbereit - und auch noch Deutsch sprechend …
Und wie kam ich überhaupt zu meinem Instrument? per Zufall, sozusagen.
Ich hatte mit einer kleinen pentatonischen Zupfkantele aus einem Weltmusikladen angefangen, weil ich ja nur was zum improvisierten Klimpern wollte. Das war auch sehr schön, aber bald wollte ich mehr, und ich forschte im Netz – und kam auf einen in Finnland sehr populären Kantelebauer, Koistinen. Dort habe ich mich informiert, wollte eigentlich eine Hauskantele (also ohne Mechanik) kaufen; mir wurde aber zu einer Konzertkantele geraten, und die kaufte ich tatsächlich auch. Ganz ins Blaue hinein. Bereut habe ich es bis jetzt keine Sekunde.
Es gibt natürlich noch andere Kantelebauer - sowohl welche, die Konzertinstrumente bauen, als auch die, die sich nur der Herstellung von kleineren Volksinstrumenten widmen.
Die einzige CD mit eher klassischen Stücken für Konzertkantele, die ich verlinken kann, ist diese hier:
Wenn man im Netz sucht, findet man mehr. Bei Amazon gibts auch noch mehr, hier aber besonders mit Betonung auf dem folkloristischen Aspekt (Martti Pokela z. B.)
Hoffentlich war das jetzt nicht zu viel Text. Und hoffentlich interessiert sich der Eine oder Andere dafür ... es wäre einfach schön, wenn das Instrument außerhalb Finnlands mehr bekannt werden würde.
Beste Grüße,
eloisasti