"Die großen Sänger" von Jürgen Kesting
Wenn ich richtig geschaut habe, dann taucht dieses Buch im Forum immer wieder auf, ist aber noch kein eigenes Thema. Und auch wenn es gerade keinen aktuellen Anlass gibt, darüber zu schreiben, (außer, dass ich in den letzten Monaten wieder drüber gestolpert bin), möchte ich das Thema mal anschneiden:
Zum ersten Mal bin ich in den Neunzigern auf die einbändige Ausgabe gestoßen. Vorher gab es eine mehrbändige Ausgabe, die 2008 in überarbeiteter und aktualisierter Form herauskam. Auch der Vergleich beider Ausgaben ist aufschlussreich, da Kesting sich in der Neuausgabe auch mancher Kritik stellt und Sänger aus heutiger Sicht anders beurteilt. Für mich war die Lektüre ein sehr spannende Erfahrung und ich lese immer wieder gerne in den vier Bänden. In den letzten Monaten habe ich wieder einiges gelesen und gehört.
Die Sängerporträts sind alle ähnlich aufgebaut, einem kurzen biographischem Abriss und Darstellung der wichtigsten Rollen folgt eine Einschätzung von Aufnahmen. Das Buch bietet einen Überblick über gut hundert Jahre Tonaufnahmen und zeigt Entwicklungslinien auf.
Für mich war es eine gute Orientierung, teilweise wusste ich schon beim Lesen, ohne den Sänger je gehört zu haben, dass mir seine Stimme gefallen wird. So zum Beispiel Aksel Schiotz, den ich durch das Buch für mich entdeckt habe. Da Kesting nur anhand von Aufnahmen urteilt, kann man seine Urteile jederzeit nachprüfen. Viele Beschreibungen von Kesting kann ich gut nachvollziehen. Seine Kritik an Dietrich Fischer Dieskau ist sicher sehr überspitzt, bringt in meinen Augen aber einige Vorbehalte, die ich gegenüber diesem Monolith habe, gut zum Ausdruck. Andere Einschätzungen teile ich nicht. Was ich nicht verstehe, dass Kesting von vielen vehement abgelehnt wird. Zum Beispiel August Everding sagt oft "der böse Kesting" hat geschrieben oder nennt seinen Namen gar nicht. Sicher Kesting urteilt über viele heutige Sänger aus der Perspektive von hundert Jahren Schallplattengeschichte und er besitzt die Fähigkeit auch rauschenden Aufnahmen noch besondere Qualitäten abzuhören. Da fällt dann manches Urteil über heutige Sänger ziemlich harsch aus. Außerdem besitzt er auch die Fähigkeit sehr scharf zu pointieren, was die Lektüre unterhaltsam macht, aber eben auch dem ein oder anderen gar nicht gefällt.
Mir persönlich gefällt sein Buch besser als das Sängerlexikon von Kutsch Riemens, das seinen Schwerpunkt auf biographische Aspekte legt.
LG Florian