Simón Bolívar (Youth ???) Symphony Orchestra of Venezuela

  • Vielleicht spielt der romantische Gedanke einer musikbegeisterten Jugend voll von Talenten eine Rolle. Heute hat aber erst die Nachricht die Runde gemacht, dass Gabriela Montero scharfe Kritik an der politischen Beeinflussung von El Sistema durch die venezolanische Regierung übt. Unter dem Beitrag auf Lebrechts Blog finden sich weitere kritische Stimmen, die für mein Empfinden ganz gut informiert klingen.


    Bei aller Wertschätzung, die auch ich für dieses Orchester habe, berührt dies doch einen Punkt, der mir Kopfzerbrechen bereitet. Vielleicht sind wir von dem Enthusiasmus der musizierenden venezolanischen Jugend so ergriffen, dass wir übersehen, in welchem politischen Kontext diese kulturelle Pflanze gedeiht.

    Venezuela wird auch nach Chavez autokratisch regiert. Die Regierung hat das Land wirtschaftlich weitgehend ruiniert. Chavez hat in seinem anti-US-amerikanischen Impetus offen mit den Holocaust-Leugnern aus dem Iran paktiert. Es ist nicht gerade angenehm, dass eine eigentlich sehr schöne kulturelle Förderung der Jugend ausgerechnet in diesem politischen Umfeld stattfindet. Die Gefahr, dass die venezolanische Musikerzeihung zum Feigenblatt eines fragwürdigen Regimes wird (oder gar längst ist), ist m. E. nicht zu vernachlässigen.

    LG :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler


  • Bei aller Wertschätzung, die auch ich für dieses Orchester habe, berührt dies doch einen Punkt, der mir Kopfzerbrechen bereitet. Vielleicht sind wir von dem Enthusiasmus der musizierenden venezolanischen Jugend so ergriffen, dass wir übersehen, in welchem politischen Kontext diese kulturelle Pflanze gedeiht.

    Venezuela wird auch nach Chavez autokratisch regiert. Die Regierung hat das Land wirtschaftlich weitgehend ruiniert. Chavez hat in seinem anti-US-amerikanischen Impetus offen mit den Holocaust-Leugnern aus dem Iran paktiert. Es ist nicht gerade angenehm, dass eine eigentlich sehr schöne kulturelle Förderung der Jugend ausgerechnet in diesem politischen Umfeld stattfindet. Die Gefahr, dass die venezolanische Musikerzeihung zum Feigenblatt eines fragwürdigen Regimes wird (oder gar längst ist), ist m. E. nicht zu vernachlässigen.

    LG :wink:

    Diese außermusikalische Komponente war mir nicht bekannt, werter symbolischer Kollege. Wenn man sich die politische Konstellation, die Chavez da generös in sich vereint, auf der Zunge zergehen lässt, ist "irrational" gewiss das Dezenteste, was einem einfallen kann. Von daher fürchte ich, das Du verdammt Recht hast mit Deiner Argumentation. Wie soll man als Musikliebhaber darauf reagieren? Ich habe ganz gewiss nichts gegen Dudamel und seine Bemühungen, sehe aber jetzt einen Schatten, der auch mein Kaufverhalten beeinflussen könnte. Wobei ich natürlich nicht in dem Wahn lebe, mein Kaufverhalten könnte als politischer Schachzug gewertet werden, auch dann nicht, wenn sich Tausende genauso verhalten würden. Denn erstens wird Chavez das nicht mitbekommen, und wenn, wird es ihn nicht scheren. Wäre dieses Kaufverhalten genau gegenteilig, fürchte ich, wäre das Resultat keinen Deut anders. Oder bin ich da zu pessimistisch?

    :wink: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Diese außermusikalische Komponente war mir nicht bekannt, werter symbolischer Kollege. Wenn man sich die politische Konstellation, die Chavez da generös in sich vereint, auf der Zunge zergehen lässt, ist "irrational" gewiss das Dezenteste, was einem einfallen kann. Von daher fürchte ich, das Du verdammt Recht hast mit Deiner Argumentation. Wie soll man als Musikliebhaber darauf reagieren? Ich habe ganz gewiss nichts gegen Dudamel und seine Bemühungen, sehe aber jetzt einen Schatten, der auch mein Kaufverhalten beeinflussen könnte. Wobei ich natürlich nicht in dem Wahn lebe, mein Kaufverhalten könnte als politischer Schachzug gewertet werden, auch dann nicht, wenn sich Tausende genauso verhalten würden. Denn erstens wird Chavez das nicht mitbekommen, und wenn, wird es ihn nicht scheren. Wäre dieses Kaufverhalten genau gegenteilig, fürchte ich, wäre das Resultat keinen Deut anders. Oder bin ich da zu pessimistisch?


    Ich möchte meine Überlegungen eigentlich nicht unbedingt als Aufruf zum Boykott erscheinen lassen - sooo stark politisch instrumentalisiert ist das Orchester dann wohl auch wieder nicht, und des weiteren hast Du sicherlich recht, dass man damit ohnehin wenig ändern würde. Für mich persönlich ist das Orchester ohnehin nicht im Zentrum meiner Kaufinteressen.

    Ich sehe allerdings den Charme der venezolanischen Musikausbildung dadurch etwas getrübt, dass zumindest auf der politischen Ebene die Motivation für diese Art der Förderung sicherlich nicht gerade altruistischer Natur ist. Ich bin auch beileibe kein Experte für die politische Situation in Venezuela. Das, was ich über diese erfahren habe, reicht aber m. E. für eine kritisch distanzierte Haltung zu dem Neo-Sozialismus Chavezscher Prägung allemal aus.

    LG :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Zitat

    Bei aller Wertschätzung, die auch ich für dieses Orchester habe, berührt dies doch einen Punkt, der mir Kopfzerbrechen bereitet. Vielleicht sind wir von dem Enthusiasmus der musizierenden venezolanischen Jugend so ergriffen, dass wir übersehen, in welchem politischen Kontext diese kulturelle Pflanze gedeiht.

    Venezuela wird auch nach Chavez autokratisch regiert. Die Regierung hat das Land wirtschaftlich weitgehend ruiniert. Chavez hat in seinem anti-US-amerikanischen Impetus offen mit den Holocaust-Leugnern aus dem Iran paktiert. Es ist nicht gerade angenehm, dass eine eigentlich sehr schöne kulturelle Förderung der Jugend ausgerechnet in diesem politischen Umfeld stattfindet. Die Gefahr, dass die venezolanische Musikerzeihung zum Feigenblatt eines fragwürdigen Regimes wird (oder gar längst ist), ist m. E. nicht zu vernachlässigen.

    Wenn es danach gehen würde, hätte man früher Orchester aus dem Osten auch entsprechend so sehen müssen, und auch Daniel Barenboims West-Divan-Orchestra ist im Grunde ein "politisches" Orchester. Sicher, die Gründe sind völlig anders, aber am Ende ist es politisch ein Thema.


    Zitat

    Ich habe viel Jugend-, Studenten- und Laienorchester gespielt, aber diese Erfahrung nicht unbedingt gemacht. Sicher steigt mit zunehmender Spielerzahl das Risiko, nicht mehr zusammen zu sein. Aber mit ein bisschen Aufmerksamkeit (vor allem gegenüber der eigenen Bläserguppe) kriegt man das doch eigentlich in den Griff.

    Ich auch, ca. 30 Jahre lang. Gerade DESHALB auch meine Kritik entsprechend hier geschrieben.

    Zitat

    Also Ormandy hat in Philadelphia sehr oft die Bläser verdoppelt, damit sie seinem fetten Streichersound noch etwas entgegenhalten konnten. Aber verwaschene Aufnahmen kenne ich aus Philadelphia trotzdem keine.

    Es geht hier nicht um die reine Bläserverdoppelung, sondern beim SBYO sind es weitaus mehr als doppelt so viele Spieler. Ormandy wird kaum über Studenten verfügt haben, sondern über erstklassige Profi-Musiker.

    Ich möchte in keinster Weise bestreiten, dass Orchester wie das BJSO oder BUJAZZO (das ist die Bigband des Ganzen) erstklassige Musik machen können, da es sich hier um ein Auswahlorchester höchster Güteklasse handelt, gespickt mit Meisterschülern der diversen Hochschulen. Man muss schon unterscheiden zwischen einem "Wald-und Wiesen-Laien-Orchester" bzw. Bigband, oder einem solchen Orchester. Das ist in Venezuela nicht anders.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Wenn es danach gehen würde, hätte man früher Orchester aus dem Osten auch entsprechend so sehen müssen, und auch Daniel Barenboims West-Divan-Orchestra ist im Grunde ein "politisches" Orchester. Sicher, die Gründe sind völlig anders, aber am Ende ist es politisch ein Thema.


    Natürlich - aber deswegen muss man ja die venzolanische Musikerziehung bzw. die Motivation der dortigen Politik für ihre Unterstützung nicht vollkommen unkritisch sehen. Selbstverständlich finde auch ich es wunderbar, wenn die Jugend so konsequent die Möglichkeit erhält, das Musizieren zu erlernen, und Abreu ist sicherlich ein Philantrop. Aber die politische Situation in Venezuela ist halt nunmal nicht ganz ohne...

    LG :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Zitat

    Natürlich - aber deswegen muss man ja die venzolanische Musikerziehung bzw. die Motivation der dortigen Politik für ihre Unterstützung nicht vollkommen unkritisch sehen. Selbstverständlich finde auch ich es wunderbar, wenn die Jugend so konsequent die Möglichkeit erhält, das Musizieren zu erlernen, und Abreu ist sicherlich ein Philantrop. Aber die politische Situation in Venezuela ist halt nunmal nicht ganz ohne...

    Wo ist das anders? Das hätte man über die ehemalige DDR oder die Sowjetunion auch schreiben können, oder jetzt über den Iran, China oder Kuba. Doch genau DORT ist, wie man weiß, die kulturelle Förderung am Größten. Das "Volk" muss bei Laube gehalten werden. Immerhin ist den jungen Leuten dadurch etwas Lebensqualität zugefallen. Ich möchte die Situation keinesfalls beschönigen, doch ich denke nicht, dass das irgend jemanden interessiert, die Tonträger von dem Orchester erwerben oder in die Konzerte gehen.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Ich möchte die Situation keinesfalls beschönigen, doch ich denke nicht, dass das irgend jemanden interessiert, die Tonträger von dem Orchester erwerben oder in die Konzerte gehen.


    Es kommt vielleicht darauf an, warum man CDs kauft oder in die Konzerte geht. Wenn man das tut, weil man Freude an einem exzellenten Jugendorchester hat, so spielen derartige Überlegungen naturgemäß keine große Rolle. Wenn man das aber tut, weil man die venezolanische Musikausbildung politisch befürwortet, so sollte man sich m. E. auch für die Randbedingungen interessieren.

    LG :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • "El Sistema" entstand ja schon während des Öl-Booms 1975 (da war Hugo Chavez gerade 21 Jahre alt), und alle Regierungen in Venezuela haben es seither unterstützt. Aber es stimmt natürlich, dass der Welterfolg des Orchesters die Gefahr des Missbrauchs birgt. Allerdings ist das Orchester seinerseits ja nur die Spitze des ganzen Systems. Viel wichtiger finde ich das darunterliegende Netz von über 90 Musikschulen, 125 Jugendorchestern und 57 Kinderorchestern. Das bleibt eine große Tat.

    Christian

  • Zitat

    Es kommt vielleicht darauf an, warum man CDs kauft oder in die Konzerte geht. Wenn man das tut, weil man Freude an einem exzellenten Jugendorchester hat, so spielen derartige Überlegungen naturgemäß keine große Rolle. Wenn man das aber tut, weil man die venezolanische Musikausbildung politisch befürwortet, so sollte man sich m. E. auch für die Randbedingungen interessieren.

    Würdest Du das auch tun , wenn das Bolschoi-Theater oder die St.Petersburger Philharmoniker zum Konzert kämen? Man kann es auch übertreiben. Ich unterstütze doch deshalb kein Regime, nur weil ich in ein Konzert eines Jugendorchesters gehe. Da finde ich solche Aussagen schon seltsam, entschuldige bitte.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Würdest Du das auch tun , wenn das Bolschoi-Theater oder die St.Petersburger Philharmoniker zum Konzert kämen? Man kann es auch übertreiben. Ich unterstütze doch deshalb kein Regime, nur weil ich in ein Konzert eines Jugendorchesters gehe. Da finde ich solche Aussagen schon seltsam, entschuldige bitte.


    Wenn ich die St. Petersburger Philharmoniker sehen und hören möchte, weil sie ein tolles Orchester sind, spielt die Politik für mich keine Rolle. Wenn ich hingegen zu dem Konzert ginge, weil ich die russische Kulturförderung fantastisch fände, so müßte ich mit kritischen Nachfragen klarkommen. Es ist halt eine Frage des Kontextes.

    Ich selbst neige zum musikalischen Hedonismus, d. h. ich höre mir Künstler auch dann noch an, wenn sie politisch nicht mit mir auf einer Wellenlänge liegen. Ich würde z. B. jederzeit zu einem Gergiev-Konzert gehen, obwohl ich seine homosexuellenfeindliche Haltung grauenvoll finde.

    LG :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Zitat

    Wo viel Licht ist ist viel Schatten!

    Das ist überall so. Auch bei uns würde man in solchen Orchester Dinge vorfinden, die diskussionswürdig sind.

    Zitat

    Eine Attacke der Pianistin Gabriela Montero gegen El Sistema und speziell auch gegen Gustavo Dudamel:

    Ich sehe durch diesen Artikel keinen Grund, warum Dudamel sich in irgend einer Form äußern sollte. Die Musiker, die darin spielen, haben die Chance, aus dem Teufelskreis heraus zu kommen. Der Bassist Edicson Ruiz spielt inzwischen seit Jahren bei den Berliner Philharmonikern.

    Wenn es wirklich so schlimm sein sollte, bekäme er die gleichen Probleme wie damals die Musiker in Deutschland. Manchmal ist es einfach besser, seinen Mund zu halten. Würde er ihn aufmachen, wäre er vermutlich schneller unter der Erde als man es nur ahnen könnte.

    Damit will ich keinesfalls die Dinge gut heißen, die dort passieren, aber es kann nicht die Aufgabe eines Musikers sein, hier für Abhilfe zu sorgen, dafür ist die Politik zuständig. Musiker sollten neutral sein und besser über ihre Musik sprechen. Frau Montero hat diesen Weg gewählt, Herr Dudamel ist sich da wohl noch unsicher, also lässt er es sein, überhaupt etwas zu kommentieren. Nicht alle Menschen sind Helden oder wollen als solche in die Geschichte eingehen....

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Eine Attacke der Pianistin Gabriela Montero gegen El Sistema und speziell auch gegen Gustavo Dudamel:
    "http://www.welt.de/print/welt_kom…rr-Dudamel.html"

    Entsprechende Äußerungen über El Sistema, seine Vereinnahmung durch die Diktatur von Hugo Chavéz und Gustavo Dudamels Funktion als Aushängeschild des Ganzen konnte ich schon seit einiger Zeit auf Gabriela Monteros Facebook-Seite lesen. Ich habe diese Vorwürfe bewusst nicht in diesem Forum wiedergegeben, weil ich solche öffentlichen Attacken gegen Musikerkollegen nicht gut finde. Soll Frau Montero doch Gustavo Dudamel anrufen, mailen oder einen Brief schreiben. Darin kann sie ihm nach Herzenslust mitteilen, was sie alles schlecht findet, und ihn auch gern zum Rücktritt auffordern. Aber sowas über Medien wie Twitter, Facebook und nunmehr auch Zeitungsinterviews in alle Welt hinauszuposaunen, ist nicht kollegial.

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)

  • Ich habe diese Vorwürfe bewusst nicht in diesem Forum wiedergegeben, weil ich solche öffentlichen Attacken gegen Musikerkollegen nicht gut finde.

    Gibt es einen Ehrenkodex, der es Musikern verbietet, andere Musiker z.B. wegen ihrer politischen Haltung bzw. ihrer Stellung zu bestimmten politischen Systemen öffentlich zu kritisieren? Ich wüsste nicht. Egal was man von Monteros Vorwürfen in der Sache hält (ich vermag das nicht zu beurteilen): ein klares Wort ist mir allemal lieber als die Devise "eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus". Dudamel kann sich wehren, und offenbar hat er auch eine kurze Antwort verfasst, die ich allerdings nicht sehr überzeugend finde: "http://m.eluniversal.com/arte-y-entrete…gustavo-dudamel" (spanisch); "http://slippedisc.com/2014/02/just-i…os-open-letter/" (englische Übersetzung).


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Ich bin alles andere als ein Fan von Chavez und seinen Leuten, aber von welchen 66.000 Opfern redet die da? Venezuela ist auch keine Diktatur, sondern immer noch demokratisch - wenn auch mit hässlichen Dellen. In etwa so wie Orbán-Ungarn würde ich sagen. Dass das Land nicht gut dasteht ist auch nicht zuletzt die Schuld der Bürgerlichen dort. Kolumbien ist bekanntlich auch kein Paradies. In diesem Sinne halte ich die Kritik an Dudamel für stark überzogen.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Gibt es einen Ehrenkodex, der es Musikern verbietet, andere Musiker z.B. wegen ihrer politischen Haltung bzw. ihrer Stellung zu bestimmten politischen Systemen öffentlich zu kritisieren? Ich wüsste nicht.

    Was heißt hier "Ehrenkodex"? Das ist normales menschliches Verhalten. Wenn ich ein Problem mit einem meiner Berufskollegen habe, dann gehe ich zu ihm hin und kläre das mit ihm. Wenn Frau Montero ein Problem mit Herrn Dudamel hat, dann kann mir keiner erzählen, dass sie - als venezolanische Musikerin, die in den USA lebt und arbeitet - nicht die Handynummer, die Mailadresse oder die Postanschrift von Gustavo Dudamel - ebenfalls ein venezolanische Musiker, der in den USA lebt und arbeitet - verfügbar hat oder zumindest herausbekommen kann. Also warum klärt sie die Dinge nicht im Dialog mit ihm? Statt dessen macht sie ihn öffentlich herunter. Das empfinde ich als schlechten Stil.

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)

  • Das ist normales menschliches Verhalten. Wenn ich ein Problem mit einem meiner Berufskollegen habe, dann gehe ich zu ihm hin und kläre das mit ihm.

    Abgesehen davon, dass wir nicht wissen, ob Montero ihre Kritik vorher schon einmal auf privatem Wege angebracht hat: Sind die beiden "Berufskollegen", nur weil sie beide als Profimusiker ihr Geld verdienen? Wenn sie z.B. im selben Orchester spielen würden, könnte man noch drüber reden. Zudem handelt es sich nicht um Privatangelegenheiten, sondern um Dudamels öffentliches Wirken. Das kann jeder kritisieren, egal ob er Journalist, Politiker, Musiker oder ein durchschnittlicher Netzuser ist. Es findet dann ein öffentlicher Diskurs statt, an dem sich jeder (nicht) beteiligen kann, der das will. Halte ich für normales menschliches Verhalten. (Vorsichtshalber hinzugefügt: Das hat gar nichts damit zu tun, was ich von Dudamels Aktivitäten oder Monteros Kritik halte.)


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Sind die beiden "Berufskollegen", nur weil sie beide als Profimusiker ihr Geld verdienen?

    Es gibt zwei - und nur zwei - aktuelle Klassikinterpreten, die aus Venezuela stammen und - mit ihrem gemeinsamen Hauptarbeitsort und Wohnsitz USA - eine Weltkarriere hingelegt haben: Gabriela Montero und Gustavo Dudamel. Von mir aus können die beiden sich intern spinnefeind sein. Nur gebietet es der Respekt, nicht über den anderen öffentlich abzulästern, wie Gabriela Montero es gerade tut.

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)

  • Ich finde an Kritik unter Kollegen per se auch nichts verwerfliches. Manche Musiker, etwa Andras Schiff oder Friedrich Gulda, sind da sehr engagiert. Ob es sympathisch ist, wäre wieder eine andere Frage. Im Falle Montero-Dudamel finde ich es schlichtweg lächerlich. Da hätte man ja auch jeden US-Musiker, der nicht öffentlich den Vietnamkrieg verteufelt hat, zur Schnecke machen können. Andere Beispiele liessen sich leicht finden.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!