Christian Gerhaher: »Halb Worte sind’s, halb Melodie – Gespräche mit Vera Baur«

  • Christian Gerhaher: »Halb Worte sind’s, halb Melodie – Gespräche mit Vera Baur«

    Hab gerade Christian Gerhahers Buch »Halb Worte sind’s, halb Melodie – Gespräche mit Vera Baur« beendet, das für mich sehr bedenkenswert und bildend war, und das ich auch bestimmt nochmal lesen werde. Das Buch ist in Interview-Form verfasst, was gegenüber einem frei verfasstem Text erst als Nachteil erscheinen mag. Es stellt sich aber heraus, dass der eloquente Gerhaher auch ad-hoc weit und tief greifende Gedanken artikulieren kann (wobei manche Teile ausdrücklich auch nachträglich noch präzisiert wurden). Und vielleicht wäre ein frei verfasster Text bei Gerhahers Drang zur Perfektion gar nicht erst entstanden.

    Es geht biographisch um seine Hinwendung zur Musik, seinen Werdegang als Sänger, wie er sein Leben mit dieser Karriere einrichtet, aber viel mehr um sein differenziertes Verhältnis zu den Komponisten seines Repertoires, Fragen zum Verhältnis von Text und Musik, dem von Lied und Oper, von Technik und Ausbildung, der Rolle des Darstellers, und etliches mehr. Seinem Ruf als Grübler wird Gerhaher auch da gerecht; es gibt viel einerseits und andererseits, und dann muss man ja noch das bedenken, aber insgesamt das auch nicht so eng sehen … – aber unterm Strich kommen daraus sehr klar Gedanken, Empfindungen und Überzeugungen heraus.

    Im Ton bleibt Gerhaher zwar meist verbindlich, findet aber manchmal auch sehr deutliche Worte, wenn ihm eine Sache am Herz liegt. Polemik liegt ihm aber fremd.

    Manchmal geht’s auch sehr ins Spezielle, z.B. einige Ausführungen zur Physiologie des Gesangs, da ist sicherlich etliches unverstanden an mir vorbeigerauscht. Man merkt auch den ehemaligen Philosophiestudenten – einige Begriffe musste ich echt nachschlagen (ein paar Fußnoten wären bei einem Buch, das sich doch an ein breiteres Publikum wendet, ganz hilfreich gewesen).

    Besonders interessant und in manchen Fällen überraschend fand ich auf jeden Fall seine Bemerkungen zu dem von ihm so besonders geliebten Schumann, zu Gemeinsamkeiten und deutlichen Unterschieden zu Schubert, zu Wolf, viel Interessantes (und manches auch gegen den Strom) über Mahler, oder wie sein Zugang zu Schönbergs »Buch der hängenden Gärten« entstand. Auch von der komplexen Arbeitsweise dieses Künstlers bekommt man doch zumindest eine Ahnung.

    Wie gesagt, für mich überaus lesenswert und bildend.

  • Danke, lieber Musenginst, für den interessanten Hinweis! Zum Sänger gibt es übrigens auch einen eigenen Thread, da würde das auch gut hinpassen: Christian Gerhaher - Sänger des Jahres

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

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    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Ja, lieber Gurnemanz da hat der liebe Musenginst ja schon selbst gepostet wieso er das nicht gleich dort gemacht hat !?

    Übrigens, lieber Gurnemanz in dem Buch gibt es auch einiges über seinen Don Giovanni inFrankfurt zu lesen , ich kann das Buch ebenfalls sehr empfehlen !

    LG palestrina

    „ Die einzige Instanz, die ich für mich gelten lasse, ist das Urteil meiner Ohren. "
    Oolong

  • Habe das Buch natürlich auch schon gelesen, ist wirklich sehr lesenswert!

    Matthias

    "Bei Bachs Musik ist uns zumute, als ob wir dabei wären, wie Gott die Welt schuf." (Friedrich Nietzsche)
    "Heutzutage gilt es schon als Musik, wenn jemand über einem Rhythmus hustet." (Wynton Marsalis)
    "Kennen Sie lustige Musik? Ich nicht." (Franz Schubert)
    "Eine Theateraufführung sollte so intensiv und aufregend sein wie ein Stierkampf." (Calixto Bieito)

  • Ich bin noch mitten in der Lektüre und finde das Buch richtig toll. Was mir auffällt, ist, daß Gerhaher wiederholt darauf hinweist, daß der Künstler nicht der Erlebende des Vortrags ist. Es geht um die Vermittlung, die Literatur (bei den Liedern), den Zusammenhang, Zusammenspiel usw. Das ist doch interessant, schnappt man doch immer wieder beim Besuch auf `der hat das toll gemacht`, `der hat sich toll mit seiner Rolle identifiziert` usw. Dazu bietet er schon fast regelrechte Werkanalysen und Einblicke in die Probenarbeit an (einige Lieder, Don Giovanni, Tannhäuser).

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