In dem Thread "Bach für Tasteninstrumente" entwickelte sich eine kleine Diskussion über HIP- oder Nicht-HIP-Aufführungen von Opern des 17./18. Jhdts. Dieses Thema hat definitiv einen eigenen Thread verdient. Einerseits gibt es (wenn auch noch selten) Rekonstruktionsversuche einer barocken Aufführungspraxis (z.B. Lullys Cadmus et Herminone in Paris, Händels Radamisto in Karlsruhe), andererseits ist es heute aber durchaus üblich, diese Opern sehr modern zu inszenieren (und HIP zu musizieren). Ich hoffe, auf rege Diskussion. (Mela)
Das ist der stärkste Einwand überhaupt gegen die Auffassung von der "historischen Richtigkeit".
So langsam frage ich mich, wer hier fanatischer ist. Eigentlich sind es die HIP-Leute. Aber wenn nun ein besonnener Mensch wie Jürgen so was schreibt, komme ich langsam ins Zweifeln.
Es ist doch ganz einfach: Die HIP-Leute wollen "historisch korrekt" spielen. Da die modernen Leute darauf keinen besonderen Wert legen, folgt daraus zwangsläufig, dass die Interpretationen der HIP-Leute historisch korrekter sind. Das ist ein Naturgesetz. Eine Diskussion über diese Tatsache ist nicht zulässig. Zum Vergleich: Leute, die den Mont Everest besteigen wollen, kommen dem Gipfel näher als solche, denen der Everest völlig gleichgültig ist.
Die entscheidende Frage: Ist es sinnvoll, den Everest zu besteigen (besteigen zu wollen)? Ist es sinnvoll, eine Haydn-Oper historisch korrekt wiederzugeben?
Das lässt sich nicht objektiv beantworten.
Subjektiv: Eine Haydn-Oper quasi per Zeitmaschine ins 21. Jahrhundert zu holen, das fände ich schon mal interessant. Aber dauerhaft? Dann müsste ich auch das Essen des 18. Jahrhunderts gut finden (würg), fette Frauen müssten mir gefallen, gepuderte Männer mit Perücken. Nein, da bevorzuge ich doch das 21. Jahrhundert, auch bzgl. der Aufführungspraxis von Opern.
Aber: Die HIP-Interpretationen von Instrumentalmusik (Bach wie auch Haydn) gefallen mir sehr gut. Keine Ahnung, ob das an der HIP oder an sonstwas liegt. Vielleicht bin ich unterbewusst von den vielen langweiligen Interpretationen zwischen 1950 und 1990 beeinflusst. Da ich kein Musikwissenschaftler bin, lasse ich das offen. Jedenfalls bin ich froh, dass es die HIP gibt, und kann deren Vertreter nur dazu ermuntern, weiter zu machen.
Thomas Deck