Blade Runner (1982)

  • Blade Runner (1982)

    Mein Lieblingsfilm (erst nach dem zweiten Anschauen, was aber noch 1982 war). Als es in München noch Programmkinos gab, lief der Film, gefühlt etwa einmal im Jahr, in einem jener Kinos. War jedes mal ein Erlebnis, auch eins von Einsamkeit, aber wenn man sich selbst ohnehin einsam fühlt, kann ein Ausdruck dessen ja auch ganz gut tun.

    Heute fühle ich mich nicht mehr einsam, und den »Final Cut« von 2007 hab ich auf Blu-Ray im Regal. Er ist wirklich gut gelungen, da er ein paar kleinere und größere störend unbefriedigende Makel beseitigt, aber auch aufzuhören weiß bevor die (in solchen Fällen leider verbreitete) Verschlimmbesserung anfängt. Die Audio/Video-Qualität ist bestechend, ohne den Charakter, zeitbedingte Beschränkungen, und die Kanten zu sehr abzuschleifen. Seltsamerweise sehe ich den Film heute seltener als damals an; hab irgendwie Sorge, dass sich die Wirkung durch die Verfügbarkeit abnutzen könnte. Nun, heute hab ich ihn wieder einmal angesehen und fand ihn wirkungsvoll wie je.

    Man wirft Ridley Scott manchmal zu Recht “style over substance” vor (so attraktiv ersterer im Einzelfall auch sein mag), aber in diesem Fall lass ich das nicht gelten. Die hervorragenden schauspielerischen Darstellungen (Daryl Hannah, Rutger Hauer, ja Harrison Ford selbst vielleicht in der besten seiner Karriere), die oft imitierten aber so nie mehr erreichten visuellen Qualitäten beiseite, handelt es sich um die Geschichte eines Manns, der seine Menschlichkeit verloren hat, und sie in einem Auftrag der Vernichtung aufsässiger künstlicher menschen-ähnlicher (über-menschlicher? nach dem Wesen von Menschlichkeit fragenden, an ihrem Schöpfer zweifelnden?) Wesen wiederfindet. Das ist auch eine starke, gehaltvolle Geschichte.

  • Ja, der Film ist ganz gut. Nur das Buch ist viel besser. Die ganz-ganz wichtige Motive des Mercerismus und des Haustierhaltens fehlen aus dem Film schmerzhaft.

    LG
    Tamás
    :wink:

    "Vor dem Essen, nach dem Essen,

    Biber hören nicht vergessen!"


    Fugato

  • Das Skript verwendet einige Grundkonstellationen aus Philip K. Dicks Roman und macht daraus etwas im Charakter doch sehr verschiedenes. Bei dieser Adaption in ein anderes Medium blieben viele Gedanken und ganze Subplots des Originalstoffs auf der Strecke, das ist sicherlich richtig, aber auch nicht der Anspruch.

    Interessanterweise war Philip K. Dick, der dem Hollywood-Projekt mehr als skeptisch gegenübergestanden hatte, überraschend sehr enthusiastisch als er wenige Monate vor seinem Tod noch eine Rolle mit fertiggestelltem Material des Films sehen konnte. “It was my own interior world. They caught it perfectly.” sagte er später noch in einem Interview. Offensichtlich konnte er, neben seinen ebenfalls sehr laut geäußerten Einwänden gegen einige Aspekte des Skripts, auch die Chancen einer Adaption in einem visuellen Medium erkennen.

  • Ja, das stimmt schon. Und es ist ganz sicher, dass Viele sich Dank des Films dann Romane von Dick gelesen haben.

    Ich hoffe es ist nicht ganz OFF, wenn ich hier eine weitere Dick-Verfilmung erwähne, die m.E. perfekt gelungen ist:

    Scanner Darkly, sowohl Roman, als auch der Film scheint am Anfang für Dick untypisch ein Drog-Roman/Film sein, doch dann entwickelt sich schon in die für seine Welt typische Richtung mit den Fragen zur Identität und zur Realität. Klasse und sehr werktreu gemachter Film mit einer ganz individuellen visuellen Welt. Mehr möchte ich nicht verspoilern.

    LG
    Tamás
    :wink:

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    Fugato

  • Zum Hintergrund (?) von Blade Runner gehört die Story von O'Bannon : The Long Tomorrow . Gezeichnet wurde sie von Moebius , Pseudonym von Jean Giraud (1938-2012).
    Erschienen 1975 . Da sie nicht allgemein bekannt ist, hier eine Möglichkeit zum Kennenlernen .
    "https://marciokenobi.wordpress.com/2012/03/10/the…row-by-moebius/"
    Enjoy !

    Good taste is timeless "Ach, ewig währt so lang " "But I am good. What the hell has gone wrong?" A thing of beauty is a joy forever.

  • Ja, Moebius hatte ganz eindeutig einen Einfluss auf die visuelle Darstellung im Blade Runner. Ich habe das verlinkte Comic jetzt durchgeflogen: der zweite Teil scheint sich aber dann ganz stark an "Solaris" anzulehnen.

    LG
    Tamás
    :wink:

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    Fugato

  • Zum Hintergrund (?) von Blade Runner gehört die Story von O'Bannon : The Long Tomorrow . Gezeichnet wurde sie von Moebius , Pseudonym von Jean Giraud (1938-2012).

    Dan O’Bannon war ja der Drehbuchautor zu Alien (1979), Ridley Scotts großem Durchbruch, und Moebius hatte ja auch bereits an jenem Film mitgearbeitet. Scott hatte Moebius’ Arbeiten durch die Veröffentlichungen im französischen Magazin Métal hurlant kennengelernt, war begeistert und hat ihn daher für Alien engagiert.

    Auch wenn Moebius nicht im Team von Blade Runner war, hat Ridley Scott in Interviews seine Arbeiten als wichtigen Einfluss auch für diesen Film genannt (wobei Syd Mead in diesem Fall der konkret führende Kopf war, zusammen mit Scott, der selbst erhebliche Erfahrung in Art Direction hatte und sein Team eng führte). Die Stadt-Szenen im genannten Strip zeigen sicherlich Ähnlichkeiten; ob es nun dieser spezielle Strip im ganz besonderen war, könnte ich nicht sagen. Danke aber auf jeden Fall für den Link!

  • Man wirft Ridley Scott manchmal zu Recht “style over substance” vor


    Neben Alien ist Blade Runner sicherlich der Film, der die Synthese am Glücklichsten umsetzt. Ich mag auch noch sein Debutfilm Die Duellisten (1977), der sehr gekonnt die Grenzen von Negativmaterial "erkundet" und dadurch einen sehr natürlichen dokumentarischen Look erhält.

    Eigentlich unglaublich ist für mich, wie sehr ihm dieser Anspruch - style and substance - im Nachfolger Legende (1985) so dermaßen zwischen den Finger zerrann wie Sand. Selbst die von ihm bevorzugte Preview-Fassung hat von dem ursprünglich im Drehbuch formulierten Ideen nichts mehr vorhanden als unverständliches Stückwerk. Daß diese Preview-Fassung dennoch besser als die übliche Kinofassung (die europäische, bloß nicht die US-amerikanische!) ist, stellt nur einen kleinen Trost dar.

    Blade Runner ist immer noch sehr faszinierend in seiner stilbewußten Art, ein Film Noir der Zukunft zu sein. Und eines der letzten beeindruckenden Beispiele dafür, wie man mit der herkömmlichen Tricktechnik gekonnt umgeht. Danke, Ridley - danke, Douglas! :kuss:


    jd :juhu:

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Blade Runner ist immer noch sehr faszinierend in seiner stilbewußten Art, ein Film Noir der Zukunft zu sein. Und eines der letzten beeindruckenden Beispiele dafür, wie man mit der herkömmlichen Tricktechnik gekonnt umgeht. Danke, Ridley - danke, Douglas!

    Unbedingt, und danke an den Director of Photography Jordan Cronenweth. Viel der Bild- und Lichtgestaltung geht auf Scotts eigenes Konto, aber ich glaube, Cronenweth hat trotz schwierigster Bedingungen und schlimmer Krankheit hier ein besonderes Genie ausspielen können. Er hat mit diesem Film ein entscheidendes, viel bewundertes, viel imitiertes, kaum jemals (auch von Scott selbst) wieder erreichtes Vermächtnis hinterlassen.

  • Stimmt, Cronenweth habe ich vergessen.

    Seltsamerweise hat er sonst nie die Möglichkeit gehabt, so visuell Aufregendes zu fotographieren. Cutter's Way (1981) wirkt sehr nüchtern, Extrablatt (1974) wie eine typische Studioproduktion mit unprätenziöser Lichtdramaturgie, Peggy Sue (1986) und Der steinerne Garten (1987) habe ich nicht mehr wirklich im Kopf, aber ich kann mich nicht an etwas Außergewöhnliches erinnern.

    Da gleicht er ein bißchen dem Italiener Luigi Kuveiller (1927-2013). Die bekanntesten Filme sind die 4 für SpencerHill (1978-1982) oder reißerische Italo-Kracher wie Zwei Särge auf Bestellung (1967), Knallt das Monster auf die Titelseite (1972) oder Die Nonne von Monza (1969). Und dann machte er Filme wie Profondo Rosso (1975) oder die beiden Morrissey-Streifen Andy Warhols Frankenstein und Andy Warhols Dracula (1973/74), die visuell äußerst ausgefeilt daherkommen. Da konnte er zeigen, daß er auch ein visueller Künstler war.


    jd :wink:

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  • Danke für diesen Thread. Blade Runner war der einzige Film, den ich bisher vier Mal ausschließlich im Kino gesehen habe. Es kommen erstaunlich viele Einstellungen in meinen Erinnerungen wieder hoch.
    Leider gibt es diese Möglichkeit der jährlichen "Blade Runner"-Sessions schon seit etlichen Jahren nicht mehr, da inzwischen auch die Programmkinos ein sehr verändertes Profil haben, das mit meinem (männlichen) Geschmack nicht mehr übereinstimmt. Jetzt habe ich gemerkt, dass es wieder einmal Zeit wäre. Aber Heimkino ist bei mir nicht.

    LG, Kermit :wink:

    Es ist vielfach leichter, eine Stecknadel in einem Heuhaufen zu finden, als einen Heuhaufen in einer Stecknadel.

  • Och, ein HD-Beamer mit Bluray als Quelle kann auch dem recht nahe kommen.

    Ich selber hatte den Director's Cut 1993 im Kino gesehen (in Englisch). Ich fürchte ja leider, daß inzwischen viele 35mm-Kopien einfach den Weg des Auflösens gegangen sind, deshalb würde ich in dieser Hinsicht (sowas nochmals in einem Programmkino sehen zu können) nur noch wenig erhoffen... ;(

    In Köln hatte ich vor einigen Jahren das Glück, zwei Filme als 35mm zu sehen:

    • Woodoo - Die Schreckensinsel der Zombies
    • Barbarella


    Der Letztere mit gewaltigem Rotstich, aber das Kino war zu drei Vierteln voll, und die Stimmung war bombig... :thumbup:


    jd :wink:

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  • Für mich war das Zeitalter der Programmkinos einerseits himmlisch für meine Film-Erfahrungen, aber ganz ehrlich, ich würde, bei allem Charme, die damals gebotenen Kopien, meist seit Jahren durchs Land gereist, Bilder verdreckt, grässliche Audio-Anomalien, beim Wechsel der Rollen, aber auch sonst, durch die Überbenutzung oft Verlust von Material bis zu mehreren Sekunden, nicht mehr sehen wollen. Barbarella hab ich auch mal unter solchen Bedingungen gesehen, fand den Film toll, aber die Präsentationsqualität auch damals schon schrecklich. Was diese angeht, sind wir heute erst recht verwöhnt, und ich will da nicht zurück.

    Bei Blade Runner weiß ich noch bis heute, dass ein Rollen-Wechsel (weiß heute überhaupt noch jemand, was das war, und welche Effekte das mit sich brachte?) vonstatten ging, wenn Rachael nach dem Voight-Kampff-Test aus Tyrells Büro herausstöckelt.

    Dann gab es natürlich auch in Mainstream-Kinos wunderbare Momente, denn die Theater waren nicht so mit Blockbustern zugebucht, und gerade im Sommer gab es auch für die größten Leinwände (in München seinerzeit das "alte" Mathäser mit Deutschlands zweitgrößter Projektionsfläche, längst abgerissen) Leerlauf, wo dann Klassiker wie West Side Story oder 2001, nicht selten noch in gar nicht so schlecht erhaltenen 70-mm-Kopien gespielt wurden. Diese Erlebnisse will ich natürlich mit gar nichts tauschen.

  • nicht selten noch in gar nicht so schlecht erhaltenen 70-mm-Kopien gespielt wurden. Diese Erlebnisse will ich natürlich mit gar nichts tauschen.


    Diese Erlebnisse kannst du auch nicht mehr tauschen... ;+)

    In Köln gab es das Residenz, welches noch einen 70mm-Projektor besaß. Da sah ich dann die neuesten Restaurationen von Vertigo und 2001 - doch heutzutage kann man sowas nur noch in Schauburg bewundern ("http://www.in70mm.com/schauburg/").

    Tatsächlich stört mich sowas gar nicht mehr. Mit HD hat man endlich ein adäquates Medium, um zuhause ordentliche Projektionen zu machen. Das Kino ist noch immer der Ort für die Magie, aber ich wäre töricht, wenn ich meine Neugier nicht zuhause stillen würde. Zuviele Filme habe ich nie im Kino gesehen.

    Ich freue mich über jede erhaltene 35mm-Kopie eines jeden Films, der noch in Kinos gezeigt wird. Das ist leider eine aussterbene Gattung. Bald werden nur noch Archive damit noch hantieren können.


    jd :wink:

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

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  • Ich habe mir jetzt die 5-Disc-Ultimate-Version gegönnt. Es ist ein zeitloser Film, in dem ich gern wohne, und deren verschiedene Versionen ich mir sehr gern ansehe. Auch die Filmmusik ist fantastisch - die Orchesterversion ist dagegen fade und nicht zu empfehlen.

    Helli

  • Ich kann mit Vangelis nicht immer was anfangen, aber seine Musik für Blade Runner finde ich inspiriert und einfach stimmig.

    Das Album mit den zusammengerufenen Session-Musikern war ja in der Tat nur eine hastige Notlösung, nachdem die ursprünglich bei Polydor geplante Veröffentlichung der Original-Musik geplatzt war.

    Bis heute steht für mich das definitive Soundtrack-Album für Blade Runner noch aus. Vangelis hat zwar 1994 eine offizielle Version auf einer CD veröffentlicht und diese 2007 nochmal sogar auf eine 3-CD-Version aufgeblasen, allerdings bleiben einige Teile der im Film gehörten Musik weiter unveröffentlicht, verkürzt oder verändert. Aus dem hinzugefügten Material mach ich mir dagegen nicht viel bzw. entwickle Aversionen.

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