Glockengeläut (das echte vom Kirchturm)
Für Manche ist es reiner Lärm, finsterstes Mittelalter, vom Staat tolerierter Kirchenterror sozusagen, aber je mehr man sich mit (kirchlichem) Glockengeläut beschäftigt, desto faszinierender kann es werden.
Doch gibt es unterschiedliches Geläute. Sogenannte Carillons sind Glockenensembles die von einer Art Spieltisch aus gespielt werden, auch in der beispielsweise russisch orthodoxen Kirche werden Kirchenglocken gezielt von Hand geläutet, was bedeutet, dass die Klänge gezielt durch Musiker (im weitesten Sinne) erzeugt werden.
Doch darum geht es mir hier nicht: mir geht es um das "im Westen" übliche Glockengeläut: durch Läutemaschinen oder Menschen in regelmäßige Bewegung gesetzte Glocken schwingen in einer jeweils regelmäßigen Frequenz/Taktung, wobei unterschiedlich große/schwere Glocken unterschiedlich schnell schwingen (und der in der Glocke baumelnde Klöppel haut demnach bei der jewils eingeschwungenen Glocke regelmäßig an deren Wand. Glocke A schlägt alle 4 Sekunden, Glocke B alle 2,8 Sekunden, Glocke C alle 1,25 etc etc.) Die Folge ist eine hochinteressante Zufallsmusik, die zugleich uralt und auch modern ist. Zahlreiche Komponisten der "minimal music"-Szene oder auch Ligeti machten sich für Kompositionen dieses moderne uralte Permutationsprinzip zu nutzen. Stellvertretend für die Modernität sei Ligetis Metronom-Stück "Poème Symphonique für 100 Metronome" genannt.
Glocken-Fans (die es zahlreich gibt und die eigene Internetplattformen betreiben) kennen sich auch mit der Physik der Glocke aus, deren jeweiliger Klang aus einer Mixtur diverser Töne und Obertöne besteht und sie können den Klang einer Glocke mit szenespezifischen Vokabeln beschreiben.
Ein Geläute (also das Zusammenwirken mehrerer Glocken, denn eine einzige dürfte recht langweilig sein) bildet Akkorde, Dur-, Moll, erweiterte Dur, etc. etc. , harmonische und melodische Strukturen. Je nach vorhandenem Tonmaterial kann man einem Geläute auch Namen verpassen. Der Name rührt vom Tonmaterial bekannter Hymnen und Lieder her. So ergeben die Töne b`, g´, f´, es´ transponiert und ggf oktaviert das Tonmaterial für den Beginn des Chorals "Nun jauchzt dem Herren alle Welt" (neues Gotteslob Nr. 144). Jenes Beispiel empfehle ich anzuhören zum Einstieg. Wie praktisch, dass man die Permutationen nicht nur hören sondern auch optisch nachvollziehen kann. Meinen Dank unbekannterweise an den Ersteller dieses Youtubevideos: