MONTEVERDI: L'Orfeo

  • Kennt jemand diese Aufführung und mag dazu was sagen?

    Ich hätte gerne den Orfeo auf DVD und einiges wurde ja hier schon dazu gesagt. Mit geht es klar auch um die Inszenierung, aber vor allem um die musikalisch-gesangliche Darbietung.
    Also die Harnacourt-Version ist mir rein optisch schon nichts.

    "Allwissende! Urweltweise!
    Erda! Erda! Ewiges Weib!"

  • Ich mag den Ponnelle-Film - allein deswegen schon, weil er keine Aufzeichnung einer Live-Darbietung ist, sondern ein inszenierter Film. Die Kostüme finde ich auch knorke, wirkt aber natürlich nach über dreißig Jahren recht altmodisch. Ist bis heute die älteste Bebilderung dieser Oper. :thumbup:


    Bis jetzt gibt es 7 Aufzeichnungen auf DVD:

    Harnoncourt, 1978
    Stephen Stubbs, 1997
    René Jacobs, 1998
    Savall, 2002
    Malgoire, 2004
    Christie, 2008

    Alessandro, 2009

    Ich habe leider keine weitere. Ich kenne ansonsten auch nur die Barrie-Kosky-Inszenierung von der Komischen Oper Berlin vom letzten Jahr.


    jd :wink:

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Ich habe einen kleinen Ausschnitt gefunden, liebe Succubus.

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    Nur eine Minute lang, aber besser als nichts.


    jd :wink:

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  • und musikalisch?


    Ich habe mal reingehört, kann ich nicht viel zu sagen.

    weil so eine radikale Einschätzung ein paar Worte der Begründung verdient hätte...


    Ich habe hier gar nichts eingeschätzt (schon gar nicht diese Version an sich) außer meinen Geschmack, nur weil ich diese barocken Pomp-Kostüme nicht mag, ist das nicht gleich ein Statement zur Qualität dieses Films und auch keines gegen die gängige Meinung, die an der Kostümierung Gefallen findet. Verstehe das Problem gar nicht.

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    Erda! Erda! Ewiges Weib!"

  • Ich habe hier gar nichts eingeschätzt (schon gar nicht diese Version an sich) außer meinen Geschmack, nur weil ich diese barocken Pomp-Kostüme nicht mag, ist das nicht gleich ein Statement zur Qualität dieses Films und auch keines gegen die gängige Meinung, die an der Kostümierung Gefallen findet. Verstehe das Problem gar nicht.

    Nun, ich dachte, ich könnte vielleicht daraus etwas gewinnen. Aber wenn nicht, dann nicht. Kein Problem.

    Alles, wie immer, IMHO.

  • Mir sind die Kostüme eben zu überladen. Ich mag sowas bei Operninszenierungen und -filmen grundsätzlich eher nicht. Mich lenkt das zu sehr vom Kern ab, außerdem finde ich es im besagten Beispiel des Orfeo auch i-wie unpassend. Sowas mag bei der Zauberflöte ja noch Sinn machen, aber bei einem antiken stoff für meine Befindlichkeit nicht.

    "Allwissende! Urweltweise!
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  • Ponelle war ursprünglich Ausstatter.Das merkt man bei allen seinen Inscenierungen. Die Spielfreude, inspiriert von Harnoncourt, ist allerdings ungeheuer. Den jungen Araiza als Hirten zu hören, ein Genuß. Ebenso Hans Franzen, der das tiefe C sicher singt ( keine Selbstverständlichkeit, manche oktavieren!).

    In der Ausstattung hat Ponelle sicher übertrieben, die Unterweltscenen zB. Aber es gibt gute psychologische Führung und gute Einfälle, wie etwa, dass alle,reich oder arm,hoch oder niedrig, zu Tode geführt werden, den Tod von Orfeo durch die Mänaden( es mit einem roten Tuch zu signalisieren,finde ich ausgezeichnet umgesetzt)

    Ich möchte diese Inscenierung nicht missen.

  • Obwohl ich ein Vertreter des „modernen Theaters“ bin, ist der Ponellefilm meine Lieblingsinszenierung. Interessanterweise ist aber das Dirigat von Harnoncourt auf dieser Aufnahme gar nicht (mehr) mein Ding. Die Sänger finde ich allesamt sehr überzeugend, obwohl mir der Plutone zu sehr gedrückt und gedröhnt ist. Für mich ist das nämlich die interessanteste Szene: Pluto und Proserpina.

    IMO ist das eine Szene einer völlig kaputten Ehe, wie sollte dies auch anders ein? Die beiden sehen sich ja de facto nur im Winter und er muss rasend vor Eifersucht sein, dass sie sonst auf der Erde, platt ausgedrückt, „fruchtbar“ ist. Sie hat dann nichts Besseres zu tun, als ihm klar zu machen, dass die arme Euridice wieder an die Oberwelt gehen soll und eigentlich gibt sie ihm die Botschaft „ich doch bitte auch“ gleich auch noch mit. Gerissen wie sie ist, erwähnt sie nebenbei noch Jupiters Namen, um ihrem Gemahl noch einen Stich mehr zu bereiten. Was er dann verlangt ist noch viel perfider: Ok, der andere soll seine Euridice wieder mit nach oben nehmen, aber du bleibst hier und das Leben auf der Erde stirbt aus.

    Das habe ich noch in beinahe in keiner Inszenierung überzeugend gesehen, meistens stehen die beiden einfach rum und machen nichts und strahlen glücklich in der Gegend herum. Bei Ponelle kann ich immerhin Andeutungen in diese Richtung erkennen.
    Die immer wieder hochgelobte Inszenierung von Trisha Brown finde ich persönlich langweilig, das ist zwar alles sehr spektakulär gemacht und alle tanzen schön, aber Personenregie kann ich keine erkennen. Diese Inszenierung punktet vor allem mit guten Sängern, an der Spitze Keenlyside als Orfeo.

    Wie ist die Inszenierung aus der Scala? Hat die jemand gesehen?

  • Die zweite ist ebenfalls von Harnoncourt dirigiert:

    "http://www.amazon.de/LOrfeo-Ulisse-…11419929&sr=1-7"

    Es sind die Zürcher Aufführungen aller drei Monteverdi-Opern. Hier singt Philippe Huttenlocher den Orfeo, und ich muß sagen, er gefällt mir außerordentlich gut. Er ist wesentlich dramatischer und emotionaler als Kozma. Auch klingt das Orchester lebendiger.

    jd ;+)

    Hierzu möchte ich fragen, ob das wirklich die "Soundtracks" der Ponnelle Verfilmungen sind oder Live- oder Studioaufnahmen unabhängig davon. Und ob eine allfällige Beilage Textmaterial enthält, das nur dort zu finden ist.

    Gerade läuft übrigens in SRF2 Kultur eine Diskothek Sendung zum Orfeo Stoff in der Barockoper. Da werden auch Aufnahmen weiterer Vertonungen des Orfeo Stoffes vorgestellt, von Jacopo Peri, Giulio Caccini (beide 1600), Stefano Landi (1619) und Luigi Rossi (1647).
    "http://www.srf.ch/sendungen/disk…ern-des-barocks"

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

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    Hierzu möchte ich fragen, ob das wirklich die "Soundtracks" der Ponnelle Verfilmungen sind oder Live- oder Studioaufnahmen unabhängig davon.

    Nein, die Ponnelle-Filme haben nichts mit dem Zürcher Aufnahmen zu tun; sie wurden extra für den Film gemacht (Studio). In den Zürcher Aufnahmen merkt man schon, daß es sich um Live-Aufnahmen handelt.

    Und ob eine allfällige Beilage Textmaterial enthält, das nur dort zu finden ist.

    Das Booklet umfaßt 112 Seiten und enthält die kompletten Libretti ohne Übersetzung; die Teile, die für die Aufführungen gekürzt wurden, sind durch Klammern gekennzeichnet worden. Dazu das Tracklisting und Besetzung sowie ein allgemeiner einführender Text in die Opern (deutsch, englisch, französisch).

    Es ist jedenfalls bis heute die einzige CD-Ausgabe der Zürcher Aufnahmen (erschienen 1988).


    jd :wink:

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Vielen Dank! (Je mehr man sammelt, desto mehr Lücken tun sich auf... ;+) )

    Dieser Thread hat sich bisher vor allem mit Aufnahmen befasst. Vielleicht gibt es andere so wie mich, die sich bisher wenig mit Monteverdi beschäftigt haben. Hier nun eine Mischung aus nachgeholter Threaderöffnung mit Werkeinordnung und -vorstellung, persönlichen Eindrücken bei der Ersterkundung und vielleicht sogar Interesseweitergabe für diese geniale Musik, möglicherweise auch das Entfachen von Begeisterung dafür, das würde mich freuen. Vielen Dank vor allem an Josquin Dufay für die vielen Anregungen diesbezüglich.

    Claudio Monteverdi: L´Orfeo

    SRF2 hat in seiner „Diskothek“ am 27.10.2014 (wiederholt am 22.8.2015) einige Barockopern vorgestellt, die sich mit dem antiken Mythos um den Sohn des Gottes Apollo, Orpheus (Orfeo), befassen. Dessen Gesang übt ja eine magische Macht aus, auch auf Tiere und Steine. Doch seine geliebte Eurydike stirbt an einem Schlangenbiss. Aus der Unterwelt will er sie zurückholen, kann jedoch nicht der Versuchung widerstehen, zu ihr zurückzublicken beim Aufstieg, was das Misslingen der Unternehmung bedeutet, die Geliebte muss in der Unterwelt bleiben. Mänaden, Anhängerinnen des Wein- und Rauschgottes Bacchus, reißen Orpheus daraufhin in Stücke, aber sein Kopf singt immer noch weiter.

    Der Stoff hat frühe Barockkomponisten offenbar sehr angesprochen.

    Mit der „Diskothek“ lernt man zunächst zwei „Euridice“ betitelte Werke aus dem Jahr 1600 kennen, beide von aus Rom stammenden Komponisten für Florenz entstanden, von zwei verschiedenen Gruppen aufgeführt, dadurch, dass einer aber Sänger für die andere Produktion zur Verfügung stellte, allerdings auch mit seinen kompositorischen Beiträgen, also auch quasi als „Gemeinschaftswerk“. Die „Euridice“ von Jacopo Peri (1561-1633) haben (diese Aufnahmen werden vorgestellt) Angelo Ephrikian 1963 und Roberto de Caro 1992 aufgenommen, die „Euridice“ von Giulio Caccini (1551-1618) Nicolas Achten (2008) und Rinaldo Alessandrini (2013).

    Claudio Monteverdi, 1567 in Cremona geboren, 1643 in Venedig gestorben, der erste große Opernkomponist, hat (so seine operngeschichtliche Bedeutung) die Melodik und Harmonie verfeinert, das Orchester vergrößert, die Chorsätze differenziert, Instrumente hervorgehoben und mit ganz eigenen Klangfarben die Handlungen seiner Werke charakterisiert. Seit 1590 wirkte er am Hof in Mantua, 1613 wird er dann Kapellmeister in Venedig werden.

    Monteverdis Favola in Musica „L´Orfeo“ nach einem Libretto von Alessandro Striggio wurde am 24.2.1607 in Mantua uraufgeführt, 1609 erstmals gedruckt und gilt als erster Höhepunkt der barocken Oper. Markant sind zu nennen: das Vorspiel mit seiner Toccata und dem Auftritt der Musica, in den fünf darauf folgenden Akten abgeschlossene Gesangsnummern, der Chor, der die Handlung teilweise vorantreibt, teilweise kommentiert und auch schon mal dramatisch gesetzt ist, die großen Rezitative, die Demonstration der Macht des Gesanges in der Unterwelt durch Orfeo sowie die Zwischenspiele. Die Instrumentation ist nicht vollständig notiert, Bearbeitungen gibt es etwa von Carl Orff und Paul Hindemith.

    Im Prolog (bei Nikolaus Harnoncourts erster Aufnahme ca. 7 Minuten) begrüßt uns die Musik (Musica) und eröffnet das Spiel.

    Im 1. Akt (ca. 17 Minuten) lernen wir das glückliche junge Paar Orfeo und Eurydike (Euridice) in Thrakien kennen. Die Hirten bringen dem Paar ein Dankopfer dar.

    Der 2. Akt (ca. 25 Minuten) zeigt Orfeo mit den Hirten glücklich in der Natur, bis er von einer Botin (Messagiera) erfährt, dass Eurydike an einem Schlangenbiss gestorben ist. Orfeo will in die Unterwelt, um sie zurückzuholen.

    Im 3. Akt (ca. 25 Minuten) muss Orfeo, von der Hoffnung (Speranza) dorthin geleitet, am Fährmann Charon (Caronte) vorbei, auf dessen Boot durch den Styx in die Unterwelt zu gelangen klappt erst, als Charon mit Hilfe des Gesangs eingeschläfert wurde.

    Im 4. Akt (ca. 18 ½ Minuten) bewegt Proserpina, die mitfühlende Gattin des Unterweltfürsten Pluto (Plutone), diesen, Orfeo zu ermöglichen, mit Eurydike wieder ans Licht zu gelangen, allerdings darf Orfeo dabei nicht zu ihr zurückschauen. (Was Pluto von Proserpina dafür verlangt, kann man im Posting 52 dieses Threads bei Leporello92 nachlesen. Orfeo vermeint Furien hinter sich zu hören, die Eurydike bedrohen, blickt sich um – und Eurydike verschwindet.

    Der 5. Akt (ca. 15 Minuten) bringt das Klagelied des Orfeo auf den Feldern Thrakiens. Nur mehr ein Echo antwortet ihm. Sein Vater Apollo (Apollon) erscheint schließlich und führt den nun Unsterblichen zu den Sternen, wo ihm die Erinnerung an Eurydike für immer bleiben wird. (Das Ende ist also „freundlicher“ als das des antiken Mythos.)

    Mit Nikolaus Harnoncourts Aufnahmen (die Liveaufnahme aus Zürich fehlt mir allerdings noch) wollte ich das Werk kennenlernen. 1954, bereits Cellist bei den Wiener Symphonikern, aber gerade den Concentus Musicus mit Originalinstrumenten aufbauend, konnte Harnoncourt für eine Wiener Festwochenaufführung von „L´Orfeo“ unter der Leitung von Paul Hindemith (inszeniert hat damals Leopold Lindtberg) im Wiener Konzerthaus fast das ganze Instrumentarium bereitstellen. Mit der ersten Probe war Harnoncourt, wie man in Monika Mertls Biografie lesen kann, sofort leidenschaftlich für Monteverdi gewonnen.

    Mit Nikolaus Harnoncourts erster Aufnahme dieses Werks aus dem Jahr 1968 (2 CDs Teldec 8.35020 ZA) lerne ich gleich ein betörend vollendetes frühes Opern-Wunderwerk kennen. Es wirken mit: Die Capella antiqua München, der Concentus Musicus Wien mit Originalinstrumenten, Rotraud Hansmann (Musik/Eurydike), Lajos Kozma (Orfeo), Cathy Berberian (Botin/Speranza), Nikolaus Simkowsky (Caronte), Eiko Katanasaka (Proserpina), Jacques Villisech (Pluto),, Max von Egmond (Apollo), Günther Theuring (Hirte 1), und bei den Hirten und Geistern unter anderem Nigel Rogers und Kurt Equiluz.

    In seiner Einführung im Begleitbuch zur CD Veröffentlichung bezeichnet Harnoncourt „L´Orfeo“ als einen der ersten Versuche im damals neuen rezitativisch-dramatischen Stil. Im Orchester finden sich Fundament- und Ornamentinstrumente. Den Charakteren sind bestimmte Instrumente zugeordnet. Zu den Hirten gehören Flöten, Streicher und Zupfinstrumente, zur Unterwelt Zinken, Posaunen und Regal. Mit Verzierungen geht Harnoncourt bewusst sparsam um. Die Erläuterungen werden mit Informationen zu den verwendeten Originalinstrumenten fortgesetzt. Die Toccata hat die Funktion wie heute eine Landeshymne. Streicher und Bläser sind getrennt voneinander aufgestellt, die Hirtenwelt hört man von links, die Unterwelt von rechts. In Harnoncourts Buchveröffentlichung „Der musikalische Dialog“ (Residenz-Verlag 1984, Taschenbuch-Neuausgabe Bärenreiter 1994) ist der Einführungstext zum Teil erweitert, zum Teil umformuliert, zum Teil auch gekürzt auf zwei Kapitel aufgegliedert: „Dichtung und Musik, Tempi“ und „Instrumentation und Bearbeitung von ´L´Orfeo´“. Harnoncourt betont hier ergänzend, die ganze Oper sei auf einem Grundtempo aufgebaut. Und er streicht heraus, dass der Glückliche (Orfeo) „sieht“, sein Glück mit dem Preisen der Schönheit der Natur ausdrückt, wie auch Penelope in Monteverdis „Ulisse“ und Celia in Mozarts „Lucia Silla“. Es liegen – genauso wie für die Marienvesper 1610 – vielfach keine genauen Angaben vor, wo und wie Instrumente eingesetzt werden sollen. Teilweise sind auch verschiedene harmonische Lösungen möglich. Harnoncourt erläutert in diesem Zusammenhang, was gegen spätromantische Instrumentierungen spricht.

    Akustische Ersteindrücke:

    Die Toccata bringt farbige Fanfaren.

    Im Prolog begrüßt uns die Musik rezitativisch, die Ritornelle zwischendurch überraschen mit ihren unterschiedlichen Farben.

    Mit dem 1. Akt stellt man fest, dass die Chöre und Ritornelle farbig instrumentiert sind und wie schön arios vor allem Orfeo sein Glück besingt.

    Die pastorale Idylle zu Beginn des 2. Aktes, Orfeo jetzt tänzerischer dabei, wird abrupt mit düstereren Klangfarben konterkariert, als die Boten die schreckliche Nachricht bringt. Auch die Erschütterung Orfeos erhält ihre eigene eindringliche Ariosität. Die Erschütterung wird von Chor und Orchester geteilt, schon hier fallen Chorfinali am Ende jedes Aktes auf.

    Mit Caronte wird im 3. Akt eine andere Klangwelt offenbart, streng und scharf. Die Gesänge des Orfeo erreichen daraufhin eine ganz besondere Intensität, teilweise zauberisch und geheimnisvoll, unterstützt von Sologeige, Zink und Harfe. Der Geisterchor am Ende verweist in seiner Dichte schon auf Bach Kantaten.

    Kontrast auch musikalisch zu Beginn des 4. Aktes: Proserpina einfühlsam, Pluto streng. Wie Orfeo zunächst zuversichtlich voranschreitet, dann immer verunsicherter wird, das ist schon allen mit der Musik mitfühlbar. Berührend wie Mozarts Pamina oder Barbarina Eurydikes kurzer endgültiger Abschied. Wieder ein Chorfinale.

    Der 5. Akt bringt die große Klagearie des Orfeo mit dem Echo. Der „deus ex machina“, Orfeos Vater Apollo, erhält überraschend schlichte Musik. Hirtenchor und Ritornell-Tanz runden das Spiel ab.
    Vollendete frühe Opernmusik! Man ist innerlich zutiefst bewegt und berührt.

    Nach seiner Aufnahme 1968 hat Harnoncourt Monteverdis „L´Orfeo“ im Dezember 1973 in einem Circustheater in Scheveningen (Holland) zur Aufführung gebracht. Inszenierung und Bühne besorgte damals Filippo Sanjust. Für Harnoncourt wurde diese Produktion trotz aller Qualitäten „zu statisch“ (nachzulesen bei Monika Mertl).

    Claus-Helmut Drese, der die Aufführung in Scheveningen besucht hat, brachte schließlich als Direktor der Züricher Oper Harnoncourt und den Regisseur und Bühnenbildner Jean-Pierre Ponnelle für einen Monteverdi-Zyklus und später auch für einen Mozart-Zyklus zusammen. „L´Orfeo“ hatte an der Züricher Oper am 20.12.1975 Premiere. Die Filmaufnahme dieser Inszenierung (DVD DGG 00440 073 4163) entstand bei Wien-Film (28.3. bis 20.4.1978), die Musikaufnahmen im Opernhaus Zürich von 1. bis 22.12.1977. Es wirkten mit: Ballett und Chor des Opernhauses Zürich, das Monteverdi-Ensemble des Opernhauses Zürich, Philippe Huttenlocher (Orfeo), Dietlinde Turban (Eurydike), Trudeliese Schmidt (Musik/Speranza), Roland Hermann (Apollo), Glenys Linos (Botin/Proserpina), Werner Gröschel (Pluto), Hans Franzen (Caronte) und bei den Hirten unter anderen Francisco Araiza (auch Geist) und Christian Boesch. Der Monteverdi-Zyklus gastierte nach den Züricher Aufführungen in Hamburg, München, Berlin, Wien, Edinburgh und Wiesbaden.

    Meine Filmeindrücke:

    Was für eine faszinierende Idee: Ein Film „spielt“ eine bewusst historisierende Aufführung. Ein Einheitsraum mit Mittelportal, die Prospekte und Lichtänderungen lassen die Schauplätze wechseln. Barocker Zauber werden in Bühne (Ponnelle) und Kostümen (Pet Halmen) entfaltet, liebevoll menschliche Charaktere werden vorgestellt, die Hirten zu Beginn etwa wie aus der Commedia dell´ arte entsprungen. Die optischen Arrangements und Choreografien sind vielfach „Gemäldebilder“ in ihrer Schönheit der perspektivischen Pracht. Hier verschmelzen Filmperspektiven und Bühnenassoziation zu einer berückenden Einheit. Das Filmelement verdeutlicht, was in den Einzelnen vorgeht – mit Nahblenden auf die Gesichter, als wäre der Zuschauer der „Gesprächspartner“. Vielfach kokettieren Mitwirkende auch mit der Kamera. Die Götter (Apollo und Musik treten gemeinsam hervor) beobachten alles, für die Unterweltakte begrüßen und verabschieden sie Pluto und Proserpina, denen sie zwischendurch die Throne überlassen. Die Chöre, Männer und Frauen getrennt, sind auf der Empore platziert. Ihre Stimmung passt sich den Situationen an. Und Ponnelle zeigt, wie es in den Liebenden aussieht, auch mit Symbolen, mit blauer Blume und einem geflochtenen Seil verdeutlicht er die schicksalhaften Zeichen des Werks. Die Choreografien sind vollendet auf die Musik abgestimmt (Tänze, Schockmomente). Wie sich die Hirten mitfreuen und mitfühlend mitleiden (allen voran Francisco Araiza), das ist auch spielerisch herzlich innig gestaltet. Wenn die Botin auftritt, fällt ein dunkelblauer Vorhang, der die Stimmung sofort verdüstert. Kongeniale Doppelrollenlösungen: Die Musik ist auch die Hoffnung, die Botin die Proserpina. Die Hoffnung darf nur bis zur Unterwelt mit, eine in den Bildvordergrund geblendete Tafel mit einem Totenkopf darüber verdeutlicht dies. Die Unterwelt, plastisch: Totenköpfe, Spinnweben, Skelette, Rauch am Boden. Musiker sind teilweise ins Geschehen einbezogen, auch auf der Bühne. In Orfeos großer Arie mit Geige, Zink und Harfe sieht man nicht nur Alice Harnoncourt auf der Bühne, den Instrumentalsolisten wird ein „totes“ Echo gleichgestellt. Während Orfeo den Caronte innig ansingt, geleitet der weitere Verstorbene in die Unterwelt. Nicht allein Orfeos Gesang (Pluto weckt ihn wieder auf) „überzeugt“ den Caronte, es ist vielmehr eine Handbewegung Proserpinas hin zu Caronte, die diesen endgültig einschlafen lässt. Orfeo wirft dann dem fassungslosen wieder erwachten Caronte das Ruder zurück, eines der vielen netten Details dieser Regiearbeit. Die Unterwelt ist vor allem auch im Orchestergraben „zu sehen“ – aus diesem begeben sich Orfeo und anfangs auch Eurydike (sie im dunklen Schleier) empor. Sie erwacht und erschrickt, als er unsicher wird. Der Chor reagiert entsetzt, als Orfeo sich umdreht. Eurydikes Schleier fällt herab, sie erstarrt. Durch einen schwarzen Vorhang sind sie dann voneinander getrennt, und sie verschwindet wieder verschleiert in die Unterwelt. Aus dem Orchestergraben zerren Vermummte Orfeo zurück auf die Bühne. Mänaden „entbluten“ den nun auch leblos Daliegenden (ein rotes Tuch wird von ihm abgezogen). Apollo ermöglicht ihm das Abheben in den Sternenhimmel, doch Orfeo bleibt verzweifelt, gebrochen, traurig. Während die Hirten, dirigiert von Caronte, tanzen, bleibt Orfeo erstarrt wie eine Vogelscheuche.

    Musikalisch haben mich Plattenaufnahme genauso wie Filmaufnahme voll angesprochen, habe keine Schwachpunkte gehört, jede ist in allen Details individuell stark, die zweite Aufnahme Harnoncourts allerdings dramatisch doch lebendiger als die erste, wobei aber auch das ehrfurchtsvoll Zurückhaltende der ersten Aufnahme auf mich eine ganz starke Ausstrahlung hat. Unter Kennern wird was man so liest der Orfeo der zweiten Aufnahme Philippe Huttenlocher dem der ersten, Lajos Kozma, vorgezogen. Im Tamino Klassikforum wird aber auch Huttenlocher als Fehlbesetzung bezeichnet. (Bei Fürstauer/Mika lese ich, dass man lange und sorgfältig nach einem Orfeo gesucht hat. Um zu einer Fehlbesetzung zu gelangen?) Ich bin vom Gesamteindruck beider Aufnahmen, die mir das Werk wirklich nahegebracht haben, einfach nur tief bewegt und schätze sie genauso wie sie sind.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Fortsetzung des vorigen Postings...

    Deutschlandradio Kultur führte am 22.8.2015 zum Festival Torroella de Montgrí in die Espai Ter Konzerthalle. In einer Aufzeichnung vom 13.8.2015 gab es die Möglichkeit, Claudio Monteverdis Favola in musica "L'Orfeo" wieder einmal zu hören, und ich konnte damit meinen „Monteverdi Orfeo Flash“ mit einer Radioaufzeichnung zeitlich passend abrunden. Es spielte in dieser konzertanten Fassung das Ensemble La Fenice unter der Leitung von Jean Tubéry, es sangen Jan Van Elsacker (Orfeo), Luciana Mancini (Messagiera und Speranza), Saskia Salembier (La Musica), Roxane Chalard (Nimfa und Proserpina), Caroline Tarrit (Euridice), Nicolas Achten (Apollo und ein Pastore), Jean-Claude Sarragosse (Caronte) und Emmanuel Vistorky (Plutone). Eine ungemein lebendige, farbenfrohe, nahezu plastisch differenziert die Charaktere und deren Situationen deutlich machende Aufnahme, die mich noch einmal ganz in die Geschichte hineinzieht, „moderner“ als die Harnoncourt Aufnahmen (auch vom Instrumentenklang her), quasi „kraftvoll ins Tempo des neuen Jahrtausends hinaufgeschraubt“. Interessant etwa die hier von der Orgel bestimmte Einleitung zum 4. Akt, mit „Breaks“. Hat vor allem Harnoncourts erste Aufnahme etwas für mich faszinierend „Entdeckendes“, „Erspürendes“, so wirkt diese Radioaufnahme auf mich „vollendet“ im Sinne eines bereits im besten Sinn routinierten Umgangs mit diesem Werk.

    Die oben genannte „Diskothek“ stellte nach den beiden Harnoncourt Aufnahmen auch jene mit John Eliot Gardiner (1985) und Claudio Cavina (2006) vor, und Silke Leopold, Autorin auch eines Monteverdi-Buchs, empfahl zusätzlich wegen der Besetzung der Hauptrolle mit Victor Torres jene unter der Leitung von Gabriel Garrido (1996). Die Gardiner Aufnahme wurde in diesem Thread zwar schon erwähnt, aber soviel ich es überblickt habe noch nicht verlinkt, genauso wie das Buch von Silke Leopold.

     

    Noch zwei weitere Barockopern zum Orfeo Thema, dies hier zum Abschluss, stellte die „Diskothek“ vor: Der in Rom geborene Stefano Landi (1587-1639) brachte 1619 „La morte d´Orfeo“ heraus (zu hören waren Ausschnitte aus Aufnahmen mit Stephen Stubbs, 1987, und Francoise Lasserre, 2006), und der aus Süditalien stammende Luigi Rossi (um 1598 – 1653) 1647 „Orfeo“ (Aufnahmeausschnitt geleitet von William Christie, 1990).

    Für mich ist Monteverdi nach dem Kennenlernen von „L´Orfeo“ wie Mozart – die Proportionen stimmen vollkommen, es gibt nichts für mich, was zu lang oder zu kurz wäre, nichts, was man weglassen könnte, alles wirkt auf mich „genial bestäubt“.

    Verwendete Literatur:
    Dieter Zöchling „Chronik der Oper“ (Chronik Verlag 1996) und „Die Oper“ (Harenberg 1981)
    Johanna Fürstauer/Anna Mika „Oper, sinnlich“ (Residenz Verlag 2009) sowie weitere Buchveröffentlichungen von und über Nikolaus Harnoncourt
    CD- und DVD-Beilagen
    Komponisten- und Werkeinführungen im Capriccio Kulturforum, im Tamino Klassikforum, bei SRF 2 und im Internetlexikon Wikipedia

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Orfeo inszeniert von Sasha Waltz

    Ich werde am Montag Monteverdis Orfeo in einer Inszenierung von Sasha Waltz sehen. Es spielt das Freiburger Barockconsort unter Leitung von Torsten Johann. Es handelt sich um eine Ko-Produktion mit Amsterdam, Bergen und Luxemburg. Kennt jemand diese Produktion? Wenn hochkarätige Choreographen zu Opernregisseuren werden, darf man immer gespannt sein. :fee:

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

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