Ernst (Ernö) von Dohnanyi (1877-1960) Das Klavierwerk

  • Hier wurde ja bereits der Vergleich zu Schönberg angestellt. Das ist für mich Musik für den Geist, und die Sinnlichkeit stellt sich dabei nicht unmittelbar, sondern erst nach intensiver Beschäftigung ein.

    Da würde ich heftig und laut widersprechen (Geist vs. Sinnlichkeit???), wenn hier Schönbergs Klaviermusik das Thema wäre und nicht Dohnányis Klaviermusik.

    :wink:
    .

    Es grüßt Gurnemanz

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    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Iich habe der Musik von Schönberg ja nicht die Sinnlichkeit abgesprochen. Aber zumindest bei mir stellt sich diese nicht unmittelbar, sondern erst nach intensiverer Beschäftigung ein. Das ist auch ein Grund der allgemeinen Vorbehalte gegenüber 12-Ton Musik. Sie ist vielen zu komplex und konstruiert.

    Peter

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • Das ist auch ein Grund der allgemeinen Vorbehalte gegenüber 12-Ton Musik. Sie ist vielen zu komplex und konstruiert.

    Nicht einverstanden: 12-Ton-Musik ist m. E. weder komplexer noch konstruierter als andere Musik auch (z. B. Bach, Beethoven, Wagner, Brahms u. v. m.). Welche Rückschlüsse auf das Klavierwerk E. v. Dohnányis daraus gezogen werden können, kann ich allerdings nicht beurteilen.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

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    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Deswegen muß ich ja nicht auf Beethoven oder Schubert verzichten, die selbstverständlich einen höheren Stellenwert besitzen.

    Wenn Du das gleich geschrieben hättest ...
    Wenn ich Musik höre, ist das ja zu mindestens 50% "Kleinmeistermusik" wie die hier zu besprechenden Stücke.
    Ich stimme zu, dass gerade da eine öftere Beschäftigung nötig ist, um sie besonders zu mögen.
    Somit ist aber der "Vorzug gegenüber Schönberg" eigentlich nicht wirklich gegeben.

    Ich habe nun op. 2/3 etwa halb angehört mit Terry Eder, klingt alles sehr schön mit überraschenden Wendungen und trotzdem ausreichend strukturellem Zusammenhalt. Besonders originell ist es aber wohl kaum - Dohnanyi soll seinen Personalstil ja auch erst etwa 5 Jahre später entwickelt haben.

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

  • Vergleichbar sind für mich die Klavierstücke von Ermanno Wolf-Ferrari - selbe Generation, beides technisch einwandfreie Brahmsnachfolge.

    Da gibt es eine schöne Aufnahme mit Canino:

    https://www.amazon.de/Italienisches-…olf-ferrari+cpo

    Hör mal die Hörprobe von op 13/1.

    Das habe ich sehr gerne und oft gehört. Insofern hätte ich wohl kein Problem mit Dohnanyi-Klavierstücken - aber eher würde ich noch ein gewichtigeres Kammermusikstück von ihm nehmen - momentan habe ich aber mit 2 1/4 Dohnanyi-CDs genug, es gibt noch so viel anderes ...

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

  • Vergleichbar sind für mich die Klavierstücke von Ermanno Wolf-Ferrari - selbe Generation, beides technisch einwandfreie Brahmsnachfolge.

    Lieber putto

    Auch das ist gut anzuhören, aber diesen Stücken fehlt die pianistische Raffinesse eines Dohnanyi. Das gilt auch für die anderen Klavierstücke auf der CD. Man merkt das er bei den Liedern mehr "zu Haus" ist (leider klingt die Sopranistin für meinen Geschmack etwas zu unsauber). Wolf-Ferrari war ja auch eher ein Opernkomponist.
    Man könnte jetzt noch einwenden, dass Martucci oder Sgambati so etwas ähnliches schon viel früher geschrieben haben. Aber das halte ich für irrelevant. Wenn man besonders kritisch ist, könnte man jeden zweiten Komponisten als vermeindlichen Epigonen entlarven.
    Aber selbst das Urteil von Musikgiganten wie Brahms ist ja nicht ungetrübt. Der hat z.B. das Quintett op.1 von Dohnanyi sehr geschätzt, die Werke von Hugo Wolf oder Hans Rott nicht (worauf beide einen Verfolgungswahn entwickelten). In Punkto Wolf würde ich hingegen vehement widersprechen, was die weitere Entwicklung dessen Werkes ja da auch bewiesen hat.

    Peter

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • Nicht einverstanden: 12-Ton-Musik ist m. E. weder komplexer noch konstruierter als andere Musik auch

    Das wir das nicht so sehen, bedeutet keinesfalls dass es nicht der allgemeinen Auffassung entspricht. Und über die Art der Komplexität von 12-Ton Musik sollten wir uns an anderer Stelle unterhalten (oder demnächst in Lübeck).

    Peter

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • Und über die Art der Komplexität von 12-Ton Musik sollten wir uns an anderer Stelle unterhalten (oder demnächst in Lübeck).

    Einverstanden!
    :cincinbier:

    Es grüßt Gurnemanz

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    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Bei der Suche nach ultimativen Hörerlebnissen wird man bei Dohnanyi sicher nicht fündig. Das Problem der "Intensivhörer" ist meistens, dass sie zu viele Vergleiche anstellen. Und dabei fällt so mancher Komponist durch ein selbst gewähltes Raster.

    Wenn das ein Problem ist (wovon ich gar nicht überzeugt bin), dann ein unvermeidliches: Kein Hörer kann beim Hören seine bisherigen Hörerfahrungen ausblenden und sozusagen neutral hören. Und unter einem "Intensivhörer" würde ich eher jemanden verstehen, der besonders intensiv zuhört, was nicht zwingend bedeuten muss, dass er auch besonders viel hört (im Vergleich zu manchen hier höre ich z.B. offenbar eher wenig Musik). Und natürlich stellen sich Querverbindungen, Assoziationen usw. zum bisher Gehörten ein, das lässt sich doch gar nicht vermeiden. Aber, und da stimme ich Dir zu, diese Vergleiche sollten nicht der Wertung (oder gar der Ab-Wertung) dienen sondern dem besseren Verständnis, dem Heraushören des Besonderen, Individuellen, der Charakterisierung, nicht der Auslese. Die Suche nach dem besten Komponisten aller Zeiten finde ich genauso blödsinnig wie die nach der besten Aufnahme eines Klavierkonzertes aller Zeiten oder die nach dem besten aller Weine. Insofern finde ich es richtig und wertvoll, dass Du für Komponisten wie Dohnanyi wirbst, und bei mir fällt er auch durch kein "Raster". Bisher finde ich allerdings seine Kammermusik wesentlich inspirierender und interessanter als das meiste der Klavierwerke, und zwar nicht weil ich letztere an Liszt oder Brahms messe, sondern weil sie umgekehrt gerade zu nahe an den historischen Vorbildern bleiben statt zu einem wirklich eigenen Stil, einer eigenen Aussage zu finden. Mein Eindruck ist überspitzt gesagt, dass Dohnanyi selbst zu viel von diese Vorbildern (vor allem Brahms) im Kopf hatte und dass ihn das in seiner Fantasie auf nicht sehr günstige Weise begrenzte.

    ein Anliegen besteht darin, Musikerpersönlichkeiten und deren Schaffen, welche bisher wenig Beachtung gefunden haben, einer breiteren Öffentlichkeit nahezubringen.

    Wie gesagt: Das unterstütze ich ohne Einschränkung.

    Falls Du mal Lust bekommen solltest etwas von Dohnanyi zu spielen (z.B. sein op.2), dann schicke ich Dir gerne ein Heft zu, oder bringe es beim nächsetn Besuch mit.

    Dann doch lieber beim nächsten Besuch und einem guten Abendessen :) . Nach meinem heutigen Dohnanyi-Hörprogramm würde mich im Moment allerdings viel eher etwas aus der Kammermusik interessieren, z.B. eines der beiden Klavierquintette (dessen erstes zwar einerseits vollkommen nach mittlerem Brahms klingt, zugleich aber durch diese jugendliche, ungebrochene Schwärmerei doch wieder anders) oder die sehr schöne und ausdrucksvolle Violinsonate. Bei beidem kann ich mir gut vorstellen, dass ich mich mal auf die Suche nach Kammermusikpartnern mache.

    Christian

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