Wiederaufnahme des Decker-Ringes mit Christian Thielemann in Dresden
Mit „Rheingold“ und „Die Walküre“ waren im vergangen Jahr bereits die ersten Teile der Dresdner Ring-Inszenierung von Willy Decker unter der Musikalischen Leitung Christian Thielemanns wieder aufgenommen worden.
Im Januar 2017 folgt nun „Siegfried“. Hier ein Bericht der Aufführung vom 22. 01.2017:
Mit seiner Siegfried-Inszenierung von 2003 hatte Willy Decker konsequent das Konzept der Einbeziehung des Publikums in das Bühnengeschehen durch eine Verlängerung des Parkett-Gestühls bis auf die Bühne weitergeführt. Aber aus den einladenden Gestühl-Reihen des Rheingold von 2001 waren 2003 ungeordnete Aufhäufungen von Sitzmöbel auf der Bühne geworden, von denen einige mal genutzt und dann wieder weggestellt wurden. Im dritten Akt stellt Decker dann sogar dem Publikum ein Parkett-Spiegelbild gegenüber.
Ansonsten verzichtet die Szene weitgehend auf Interpretationen und erzählt die Geschichte geradlinig. Damit bleiben Räume für die Phantasie des Betrachters, von der gelegentlichen Guckkasten-Struktur der Bühnenbilder die Handlung auf die weite Welt zu transformieren.
Aber nicht deshalb sind wir nun zum vierten Mal in die inzwischen herkömmlich anmutende Inszenierung gekommen.
Vor allem die angekündigte Musikalische Leitung des Abends durch Christian Thielemann hat uns getrieben.
Hatte uns in der Premierensaison schon das Dirigat von Semjon Bytchkov sehr zugesagt und uns auch die Leistungvon Asher Fisch gefallen, Fisch war bekanntlich ziemlich kurzfristig für den flüchtigen Fabio Luisi eingesprungen, waren die Erwartungen an die musikalische Qualität extrem hoch.
Von den ersten Takten an nahm mich der Dresdner Klang von Staatskapelle im Semper-Bau gefangen. Nur wenige Orchesterleiter bringen die Musiker in dem Raum mit dem vergleichsweise begrenzten Nachhall von 1,3 Sekunden so füllig zur Geltung, wie eben Christian Thielemann.
Bekanntlich wird unterstellt, dass Richard Wagner den Anfang des ersten Aktes des Siegfried unter dem Einfluss des Beginns eines Migräneanfalls komponiert habe. So lässt auch der Dirigent die Musik vom anschwellendem Brummen zum pulsierenden, pochenden Rhythmus mit schrillendem Hämmern steigern, dass dann der Ruf Mimes mit dem „Zwangvolle Plage! Müh ohne Zweck!“ auflöst.
Die schier endlosen Dialoge mit Siegfried beziehungsweise dem Wanderer wurden subtil und auf das feinste untermalt bis dann mit den Schmiedeliedern gleichsam ein Blasebalg die instrumentalen Feuer gewaltig anfachte.
Trotz vollem Einsatz der Musiker wurde nie der Eindruck harter Arbeit vermittelt. Es wurde leidenschaftlich und animiert musiziert. Der Chef organisierte scheinbar mühelos den Ablauf mit den mehrfachen Tempo-Wechseln und -Modifikationen.
Auch mit dem kammermusikalisch anmutenden Waldweben im zweiten Akt bestätigte die Staatskapelle ihren Ruf als hervorragendes Wagner-Orchester. Der Klang der Instrumentengruppen insbesondere der Bläser war wunderbar subtil geformt.
Dabei war C.T. auch seinem Ruf als Sängerversteher wieder einmal gerecht geworden, indem er das Orchester den gesanglichen Möglichkeiten der Solisten anpasste und durchaus einen angesträngt Agierenden an die Rampe bat.
Das Solistenensemble war schon prachtvoll.
Stephen Gould als erfahrener Siegfried-Darsteller entdeckte neue, subtile Nuancen der Partie, gestützt von einer gefühlvollen Rollenauffassung. Etwas verhalten beginnend steigerte er sich in die Schmiedelieder und ließ bis zum dritten Akt keinen Abfall zu.
Nina Stemme hatte die Brünhilde als kraftvolle, selbstbewusste Frau aufgestellt. Dabei war über weite Strecken dem Ausdruck einem schönen Gesang der Vorzug gegeben. Damit setzte sie sich doch gegen eine gleichfalls hervorragende Evelyn Herlitzius der früheren Aufführungen ab.
Der körperlich präsente Gerhard Siegel, damit eigentlich kein Zwerg, ist aber inzwischen auch dank seiner passenden Tenor-Stimme der häufig eingesetzte Mime. Mit seiner unwahrscheinlichen Bühnenpräsenz dürfte Siegel nunmehr der Mime der Zeit sein.
Richtig solide im Wanderer-Wotan-Fach etabliert hat sich inzwischen das Ensemble-Mitglied Marcus Marquardt mit einer beeindruckenden Gesangsleistung.
Fast beschämend für den Schreibenden ist, dass er zur Erda von Christa Mayer stereotyp nur ausführen kann, dass diese Künstlerin sich in dieser Rolle stets zuverlässig mit perfekter Stimme auch gegenüber dem Orchester behauptet. Aber es ist nun mal so. Wahrscheinlich ist sie deshalb in Dresden auch so beliebt.
Auch zu Georg Zeppenfeld ist zum oft gelobten kaum etwas zuzufügen.
Albert Dohmens Alberich gilt eigentlich als gesanglich souverän. Er hatte aber seine Rollenauffassung zunehmend deklamatorisch fast einem Sprechgesang angelehnt. Damit fehlen ihm aber die Höhen und Tiefen.
Als Mitglied des Jungen Ensembles der Semperoper hat sich die Finnische Sopranistin Tuuli Takala insbesondere im laufenden Mozart-Repertoire bereits gut etabliert. So wie die Finnische Sopranistin diese kleine feine Partie gesungen hat, sollte sie auch im Regietheater-Zeitalter gesungen werden.
Willy Decker hatte ihr aber ausreichend Raum für diese schöne Gestaltung gelassen.
Ein beeindruckender grandioser Opernabend.
Schlussendlich bin ich doch erleichtert, dass dem Herrn Rothe auch künftig die finanziellen Mittel fehlen werden, den Herrn Castorf einzuladen, in Dresden einen neuen Ring zu inszenieren. Mithin werden wir auch am Anfang 2018 den „Decker-Ring“, und dann mit zwei kompakten Zyklen, mit der Staatskapelle, im Semper-Bau und vor allem mit der Musikalischen Leitung von Christian Thielemann erleben.