Gil Evans Into the Hot
Es gab zu der Platte ja auch das Gegenstück Into the Hot. Die habe ich allerdings noch nie gehört. Gibt's wen, der dazu was sagen kann?
Grenzt ja fast an Etikettenschwindel...
Wenn man den üblichen Gil Evans erwartet, den ich natürlich auch sehr liebe, ist das schon so. Ich war jedenfalls beim ersten Hören auch sehr verwundert. Diese Verwunderung wich aber schnell bis heute anhaltender Begeisterung.
In Einem muß ich aber ausnahmsweise Miguel widersprechen. Cecil Taylor ist hier zwar sehr "neutönerisch", aber weitgehend komplex durchstrukturiert, also gar nicht soo viel free playing. Cecil Taylor kam ja auch von der Neuen Musik, insofern ist die Kombintion mit dem Stefan Wolpe - Schüler Carisi nicht so unpassend. Als Afroamerikaner und von Klavierstudium und Neigung spezialisiert auf zeitgenössische Klaviermusik hatte er in den 50er Jahren bloß null Chancen, als Klavierinterpret wirken zu können und wendete sich erst deswegen dem Jazz zu, wobei er hier anfangs auch fast nur auf große Ablehnung stieß, obwohl er anfangs noch nicht Free Jazz spielte, aber sein Spiel auch von Standards, erst echt seine eigenen Kompositionen eben sehr von der neuen Musik geprägt waren und anfangs durchaus mit neuen Mitteln an manche älteren Third Stream-Experimente anknüpfenten, bzw. nicht so weit von dem entfernt waren, was auch andere, z.B. Schuller/Dolphy in ihrer Zusammenarbeit ausprobierten. So fand Taylor ganz gegen den Strom große Unterstützung von den Third Stream Altmeistern John Lewis, der ihm einen ersten Plattenvertrag mit Atlantic verschaffte, und eben von Gil Evans.
Gil Evans lieh bei "Into the Hot" seinen bekannten Namen Kompositions- und Arrangeurkollegen, von denen er besonders überzeugt war, das sie Konzepte, die vom Ausgangspunkt seinen nicht so fern lagen, mit modernern Mitteln fortsetzten und mit denen er schon vorher - leider, so weit ich weiß, undokumentiert - zusammengearbeitet hat und es spielen auch bei Taylor Musiker, von denen einige auch schon bei Gil Evans gespielt hatten, bei Carisi ja sowieso das Gil Evans Orchestra mit ihm als Dirigent. Zusätzlich hat Gil Evans hier wohl auch ein klein wenig bei den Arrangments beratend mitgewirkt und vor allem eben diese Aufnahmen ermöglicht, von denen er besonders überzeugt war. Insofern ist es doch auch kein völliger Etikettenschwindel. Ein Interesse am Fortsetzen von Third Stream mit neuen Miitteln verband sie also alle drei. Das Gil Evans diese Aufnahmen ausgerechnet als "Into the Hot" veröffentlicht, war natürlich ein provokatives Statemant: Auch Third Stream - Experimente können, allen bis heute üblichen Vorwürfen zum Trotz "hot" sein. Auf dieser Scheibe sind sie es jedenfalls, finde ich.
So konnte Taylor eine Aufnahme machen und gegen den Strom einem breiteren Publikum vorgestellt werden und auch Carisi konnte endlich einmal kompromißloser seine eigenen Konzepte verwirklichen, als das ihm z.B. bei Stan Kanton möglich war ( - was gar nicht an einer geringeren Aufgeschlossenheit Stan Kantons lag, im Gegenteil, aber der steckte halt mit seinem Riesenorchester und den Erwartungen seines Publikums in ganz anderen kommerziellen Zwängen.)
Matthias