Abbaye de Solesmes Edition (2016)
Es geht um diese Box:
(C) 2016 Decca Records France / Accord 481 2487 (22 CDs) [23 h 43 min]
EAN: 028948124879 (18. März 2016)
Remastering der originalen Masterbänder in 24Bit HiRes
Mastering: Olivier Saint-Yves (Studio Universal)
Es handelt sich um einen Pappkarton mit abnehmbaren Deckel, indem die 22 CDs in Papphüllen plus Booklet ihren Platz haben. Mehr dazu später.
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Zunächst möchte ich kurz etwas zur Aufnahmegeschichte von Solesmes erläutern. Erst im Jahre 1930 hatten die Mönche ihre ersten Aufnahmen überhaupt gemacht - zwölf Schellacks für die französische His Master's Voice. Sie waren sehr erfolgreich und wurden mehrmals aufgelegt, aber es folgten keine weiteren Aufnahmen bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg. Erst 1952 begann die kontinuierliche Aufnahmetätigkeit der Mönche von Solesmes, die bis heute anhält. Sie wurden von Decca France veröffentlicht und gingen durch verschiedene Stadien der Technologie: zunächst Mono, ab 1959 in Stereo. Inhaltlich wurden ganze Liturgien wie z.B. die Messe zu Ostersonntag oder Repertoire zum Weihnachtsfest eingespielt. Ende der 1970er Jahre wurde diese langjährige Zusammenarbeit beendet, denn ab 1979 übernahm der Musikverlag Association Jean-Bougler die Rechte an allen Aufnahmen, die seitdem von Solesmes aufgenommen werden - dieser Verlag gehört der Abtei, d.h. Solesmes verwaltet die Rechte an ihren Aufnahmen seitdem selbst.
Der erste Chorleiter, unter dem Aufnahmen entstanden, war Dom Joseph Gajard (1885-1972), der von 1930-1970 wirkte; ihm folgte Dom Jean Claire (1920-2006), der die Schola bis 1996 leitete. Unter diesen beiden entstanden die meisten Aufnahmen bis heute, eine breit aufgestellte Sammlung an Repertoire zu allen wichtigen Hochfesten und zu vielen Festen, die Heiligen, Märtyrern und Aposteln gewidmet sind. Es sollte nicht überraschen, daß manches Repertoire sogar mehrmals aufgenommen wurde: was bereits in den 1950er Jahren in Mono vorlag, wurde im folgenden Jahrzehnt nochmals in Stereo wiederholt, und Claire wiederum nahm Einiges nochmals in Digital neu auf. Allerdings hat er vor allem mehr Randrepertoire eingespielt, was bis dato noch fehlte (z.B. Tenebrae-Responsorien und sämtliche Feiern in den Kartagen). Insgesamt ist der Katalog von Solesmes ein hervorragend aufgestelltes Kompendium aller Feste im katholischen Kirchenjahr.
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Ein weiterer Punkt: die bisherigen Veröffentlichungen der Aufnahmen. Urheberrechtlich teilen sich die Aufnahmen in die Decca-Einspielungen 1952-1978 und in die Solesmes-Einspielung seit 1979 auf. Die Decca-Aufnahmen kamen als LP von Decca France selber, wurden als CD aber vom Label Accord vertrieben:
Die Solesmes-Aufnahmen wurden als LP von Paraclete veröffentlicht, als CD waren sie grundsätzlich von Studio S.M. (Frankreich) bzw. Christophorus (Deutschland):
Ab 2002 hat sich aber etwas geändert: seitdem sind alle Aufnahmen von Solesmes nur noch vom hauseigenen Label Abbaye de Solesmes erhätlich, selbst die Schellackaufnahmen. Sie sind grundsätzlich immer in Pappausgaben vorhanden, wo die CD in einem Halterungsring eingebettet ist.
Decca France (1952-1978)
Solesmes (ab 1979)
Die rechtliche Situation der Decca-Aufnahmen hat sich nicht geändert: sie gehören immer noch der Decca France, aber anscheinend haben sich beide Parteien darauf geeinigt, daß die Abtei diese Aufnahmen nun allein auf ihrem Label vertreiben darf. Und die jetzige Box berücksichtigt das.
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Und nun zum Inhalt der Box (noch jemand wach?... ) : es sind nur Aufnahmen der Decca France vorhanden - also Aufnahmen, die zwischen 1952 und 1978 aufgenommen wurden. Und zwar in den Ausgaben der Abtei selber:
TEMPORAL (9 Titel, 14 CDs)
SANCTORAL (4 Titel, 4 CDs)
OFFICES/ANTHOLOGIE (2 Titel, 4 CD)
Fazit:
Es sind also alle regulären Veröffentlichungen in der Box zu finden, die Abbaye de Solesmes selbst im Vertrieb hat bzw hatte (einige Titel sind einzeln ausverkauft). Es handelt sich um Repertoire der wichtigsten Feste im Kirchenjahr sowie Aufnahmen, die eher historischen Wert haben. Das heißt nicht, daß dies alle Decca-Aufnahmen sind, die vorher auf den LPs von Decca bzw. auf den CDs von Accord zu finden waren, sondern nur die, die Solesmes selbst für diese Neuveröffentlichung zusammengestellt hat.
Die Diskographie von Solesmes ist leider nicht gut erschlossen, so daß man nirgendwo eine vollständige Liste im Netz findet; ich mußte selber eine Weile suchen, um einen Überblick zu erhalten, und ich glaube nicht, daß ich alles gefunden habe. Nur so viel: in der Box sind viele Stereo-Aufnahmen aus den 1960ern und 1970ern, und es wurde darauf geachtet, daß kein Repertoire doppelt auftritt; allerdings lag Manches nur in Mono vor (ca. 10%, 1958 aufgenommen). Die letzten drei CDs bilden die Sollemnia-Ausgabe, welche auf den ersten zwei CDs eine Auswahl der ersten Mono-Aufnahmen von 1952-1958 sowie eine Auswahl der Stereo-Aufnahmen bis 1978 enthält; es sind einzelne Stücke ohne Kopplung an eine Liturgie. Die letzte CD widmet sich Orgelstücken, die auf manchen LPs zusätzlich vorkamen. Organist ist Gaston Litaize auf der Orgel in der Abteikirche von Solesmes (rec. 1967).
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Jede Papphülle enthält das Cover der jeweiligen Ausgabe (siehe oben) und auf der Rückseite den Repertoire-Inhalt. Im 76seitigen Booklet wird zu Beginn die Bedeutung der Abtei von Solesmes erläutert, dann folgt ein kurzer Abriß über den Gregorianischen Choral und sein Repertoire. Danach wird das Repertoire jeden CD-Titels inhaltlich kurz beschrieben, gefolgt vom Tracklisting. Die Texte sind in Französisch und Englisch. Das Ganze befindet sich in einer Pappbox, dem ein Deckel komplett übergestülpt wird. Insgesamt ist die Box gerade mal 6 cm breit, wenn sie im Regal steht.
Ich selber habe die Box noch nicht komplett durchgehört, kann aber zum bisher Gehörten Folgendes sagen: das Remastering ist schon sehr gut ausgefallen, obwohl man merkt, daß speziell die älteren Aufnahmen schon einiges Geschick erforderten, um sie klanglich einwandfrei klingen zu lassen. Die Mönche singen sehr geschlossen und würdig, die Aufnahmetechnik hat stets ein hohes Niveau in Mikrophonierung und Klangtreue aufzuweisen. Diese Aufnahmen waren immer als Aushängeschild für Solesmes' Vorrangstellung innerhalb des Gregorianischen Choralgesangs gedacht gewesen, und hier wurde nichts dem Zufall überlassen. Interpretatorisch hat das Meiste immer noch Bestand, klanglich war es immer zu seiner Zeit up-to-date.
Deshalb kann ich bereits jetzt schon das Urteil fällen: absolut empfehlenswert...